dies veneris ante diem VI Kalendas Maias MMDCCLXXVII ab urbe condita
Venustag, 6. Tag vor den Kalenden des Mai, 2777. Jahr nach Gründung der Stadt

Der Tod des Romulus

Das Ende des Romulus war schon in der Antike umstritten: Während die einen glaubten, er sei in den Himmel aufgefahren und unter die Götter aufgenommen worden, waren die anderen überzeugt, dass unzufriedene Soldaten ihn ermordeten, weil er in den späten Jahren seiner Herrschaft Züge eines Tyrannen angenommen hatte (man bemerke die Leibwache, die Livius erwähnt). Es scheint also durchaus denkbar, dass die Senatoren Romulus beseitigten (wenn auch wohl auf weniger blutige Weise, als im Text beschrieben). Der Lapis Niger auf dem Forum Romanum soll mit den Ereignissen in enger Verbindung stehen.

Während der gesamten Regierungszeit des Romulus - ob wir nun den Mut berücksichtigen, den er bei der Rückerobeung des Throns seiner Väter zeigte, oder die Weisheit, die er bei der Gründung der Stadt und ihrer Stärkung in Krieg und Frieden bewies - finden wir nichts, das gegen eine göttliche Abstammung und seine Aufnahme in die göttliche Unsterblichkeit nach seinem Tod spräche. Tatsächlich war es die Stärke, die er der Stadt verliehen hatte, die sie nach seinem Tod 40 Jahre lang den Frieden genießen ließ. Dennoch war er bei der Bevölkerung beliebter als bei den Patriziern. Im Krieg wie im Frieden unterhielt er eine Leibwache von 300 Mann, die er die Celeres nannte.

Nach diesen unsterblichen Verdiensten musterte Romulus die Armee [...]. Plötzlich erhob sich ein schwerer Gewittersturm und umgab den König so undurchdringlich, dass er für die Versammlung geradezu unsichtbar wurde. Seit dieser Stunde ward Romulus auf Erden nicht mehr gesehen. Als sich die Furcht der römischen Jugend nach der Rückkehr des hellen Sonnenscheins nach so schrecklichem Wetter wieder gelegt hatte, sahen sie, dass der königliche Stuhl leer war. Während sie die Versicherungen der Senatoren, die nahe bei ihm gestanden hatten, glaubten, dass er von einem Wirbelsturm in den Himmel hinaufgetragen worden sei, waren doch viele von Furcht und Trauer eine zeitlang sprachlos, wie Männer, die plötzlich beraubt wurden. Nach einiger Zeit, nachdem einige die Initiative ergriffen hatten, huldigten sie dem Romulus als einem Gott, den Sohn eines Gottes, den König und Vater der Stadt Rom. Sie flehten um seine Gnade und seine Gunst, und beteten, dass er sich ihrer Kinder annehmen und sie schützen werde. Ich glaube aber, das schon damals einige heimlich glaubten, dass er Stück für Stück von den Senatoren zerrissen worden sei; eine Überlieferung in diese Richtung - wenn auch eine ziemlich obskure - ist nämlich auf uns gekommen. Die andere, der ich folge, wurde mehr geglaubt, zweifelsohne wegen der Bewunderung für den Mann und die Besorgnis wegen seines Verschwindens. Dieser allgemein verbreitete Glaube wurde noch gestärkt durch die Idee eines klugen Mannes. Es heißt, dass Proculus Iulius, ein Mann, dessen Autorität Gewicht hatte sogar in den wichtigsten Dingen, sah, wie sehr die Gemeinschaft unter dem Verlust des Königs litt, und wie erzürnt sie war gegen die Senatoren, in der Versammlung vortrat und sprach: "Quiriten! Heute bei Dämmerung, ist der Vater dieser Stadt plötzlich vom Himmel herabgestiegen und mir erschienen. Während ich reglos stand, gelähmt vor Scheu, in tiefster Verehrung, betend, dass er mir verzeihen möge, dass ich ihn anblickte, sprach er zu mir: "Geh, sage den Römern, dass es der Wille der Götter sei, dass mein Rom das Haupt der ganzen Welt sei. Sie sollen in Zukunft die Kriegskunst üben, und lass sie versichert sein und überliefere das Wissen der Nachwelt, dass keine menschliche Macht den Waffen Roms widerstehen wird." Es ist verwunderlich, wie sehr der Geschichte dieses Mannes Glauben geschenkt wurde, und jetzt war die Trauer des Volkes und der Armee gelindert durch den Glauben an die Unsterblichkeit des Romulus.

Livius, ab urbe condita 1,15-16

Hinweis: Ich habe mir bei der Übersetzung gelegentlich einige Freiheiten herausgenommen, die dazu führen, dass sich der Text nicht zur Hausaufgabenerstellung eignet.


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