Rom im Netz: Das antike Rom

dies martis ante diem III Nonas Decembres MMDCCLXXVII ab urbe condita
Marstag, 3. Tag vor den Nonen des Dezember, 2777. Jahr nach Gründung der Stadt

Der Palatin - Einführung

Die Sonne stieg flammender schon zur Mitte der Himmelswölbung,
Als sie [Aeneas und seine Gefährten] die Mauern der Burg und Dächer einzelner Häuser von Ferne erblickten,
die jetzt römische Macht zum Himmel emporgebaut hat;
damals noch herrschte in dem ärmlichen Reich Evander.
(Vergil, Aeneis 8,97-100)

So schildert Vergil die Ankunft des aus Troja geflohenen Aeneas an der Stelle, an der später Rom gegründet werden sollte. Tatsächlich handelt es sich bei der Erzählung des Dichters nicht nur um eine Wiedergabe von Sagen und Legenden, mit denen die Römer ihre Vergangenheit umgaben. Die schriftliche Überlieferung findet bis zu einem gewissen Punkt archäologische Bestätigung. Natürlich nicht die Ankunft eines Mannes und seiner Gefährten, wohl aber der frühen Besiedelung des Palatins: Die Siedlungsspuren auf dem Hügel reichen zurück bis in die mittlere Steinzeit (100.000-35.000 v. Chr.), und seit dem 9. Jahrhundert hatten sich Menschen hier dauerhaft niedergelassen und Hütten gebaut. Seit der Mitte des 8. Jahrhunderts bestand ein Dorf, das sich mit einer Befestigungsmauer umgeben hatte - eine auffällige Übereinstimmung mit dem überlieferten Datum der Stadtgründung, die die Tradition auf 753 v. Chr. datiert. An der südwestlichen Seite des Hügels, dort, wo später das Haus des Augustus lag, stand eine Hütte, die als Haus des Romulus (Casa Romuli) galt und die im Laufe der Jahrhunderte immer wieder instand gesetzt wurde. Tatsächlich ergaben Grabungen auf dem Areal eisenzeitliche Funde, die zur Chronologie der Sage um die Gründung Roms passen.

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Die sieben Hügel Roms
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Quelle: PD

Die frühe Besiedelung des Hügels dürfte ihren Grund vor allem in der günstigen Lage gehabt haben: Er liegt zentral in der Mitte der sieben Hügel und nahe des Tibers, ohne direkt an den Fluss anzugrenzen (wie das Kapitol oder der Aventin). Er erreicht eine Höhe von 51 Metern über dem Meer und ist in drei Hügelkuppen gegliedert: Die mittlere und größte bildet den eigentlichen Palatin (das Palatium), der Ausläufer zum Tiber trug den Namen Germalus bzw. Cermalus, und der Sattel, der den Palatin mit dem Esquilin verbindet (auf dem heute der Titusbogen steht), ist die Velia. Die Herkunft des Namens Palatin ist unklar, Livius und Plinius etwa leiten ihn von Pallantion ab, der griechischen Stadt, aus der Evander stammte, der zu Aeneas Zeit den Hügel beherrschte; ein Zusammenhang mit der Göttin Palas, scheint aber ebenso möglich, zumal das Fest der Göttin, die Parilia, am 21. April als Geburtstag der Stadt gefeiert wurden.

Trotz der Tatsache, dass der Hügel mit einer Vielzahl uralter Kulte und Überlieferungen verknüpft ist, bleibt seine Geschichte bis hinein ins erste vorchristliche Jahrhundert einigermaßen im Dunkeln. Neben den Parilia wurden am 15. Februar die Lupercalia gefeiert, uralte Riten, die im Zusammenhang standen mit der lupa, der Wölfin, die Romulus und Remus gesäugt hatte, und dem Lupercal, ihrem Heiligtum, einer Höhle am zum Tiber hin gelegenen Abhang des Palatin. Auf dem Hügel befand sich ein Heiligtum der Victoria, das schon Evander begründet haben soll, und der Tempel der Magna Mater (Kybele).

Die hervorgehobene historische und kultische, wohl aber auch die zentrale Lage des Hügels machten ihn zu einem bevorzugten Wohngebiet der Reichen und Mächtigen. Die Grundstückspreise waren exorbitant, und aus den letzten beiden Jahrhunderten der Republik sind uns die Wohnstätten vieler prominenter Akteure der römischen Geschichte auf dem Palatin überliefert, darunter Marcus Tullius Cicero und sein Bruder Quintus, die erbitterten Rivalen Publius Clodius Pulcher und Titus Annius Milo, Publius Cornelius Sulla, der Neffe des Diktators, der überragende Redner Quintus Hortensius Hortalus, der Triumvir und Gegner des Augustus Marcus Antonius und Marcus Vipsanius Agrippa, der Schwiegersohn des Augustus. Der Hügel war übersät mit luxuriösen Domus, als auch Augustus selbst - ohnehin hier, im kleinen Haus der Octavier am Abhang zur Velia geboren - seinen Wohnsitz auf dem Palatin nahm. 23 v. Chr. kaufte er das Haus des Hortensius an der höchsten Stelle des Cermalus und erweiterte es im Laufe der Zeit durch den Zukauf weiterer Anwesen. Außerdem erbaute er den großen Apollotempel, den er in sein Haus quasi integrierte.

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Überreste der Domus Augustana
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Quelle: Roma Antiqua

Von nun an residierten die Kaiser auf dem Palatin. Augustus' Nachfolger Tiberius ließ die Domus Tiberiana bauen, die heute zum größten Teil unter den Farnesischen Gärten begraben liegt. Das Haus des Tiberius ließ Caligula bis zum Forum erweitern. Von Claudius ist nicht bekannt, ob er auch auf dem Palatin baute. Nero ließ die Domus Transitoria und schließlich, nach dem großen Brand von 64, die Domus Aurea bauen, das Goldene Haus, das vom Palatin durch das Tal, in dem heute das Kolosseum steht, bis zum Esquilin reichte (wo heute ein Teil des Komplexes besichtigt werden kann). Vielleicht am radikalsten aber veränderte Domitian das Gesicht des Palatin: Er ließ die Senke zwischen den Hügelkuppen des Palatium und des Cermalus auffüllen und über den dort bestehenden Bauten eine riesige Residenz errichten. Sie wurde nach dem Hügel schlicht Palatium genannt und ist damit der erste "Palast" der Geschichte - das Wort Palatium hat Eingang gefunden in fast alle europäischen Sprachen; nach dem Gentiliz des Kaisers wird ein Teil des Komplexes als Domus Flavia bezeichnet, ein anderer als Domus Augustana. Darüber hinaus ließ er zum Tal des Kolosseum hin eine Terrasse anlegen (die heutigen Vigna Barberini) und die bei einem Brand 80 n. Chr. zerstörte, zum Forum hin gelegene Nordfront der Domus Tiberiana wieder aufbauen. Hadrian und Trajan haben scheinen sich nur wenig hier aufgehalten zu haben, obwohl sich für fast alle Gebäude hadrianische Umbauten nachweisen lassen. Danach wurde für fast 100 Jahre auf dem Palatin nicht mehr gebaut.

Erst mit Septimius Severus begann erneut eine Phase lebhafter Bautätigkeit. Der Kaiser aus Nordarfrika ließ die große Thermenanlage errichten, deren Arkaden vom Circus Maximus aus zu sehen sind. Daneben ließ er die gewaltige Schmuckfassade des Septizodiums errichten, die Besucher beeindrucken sollte, die über die Via Appia die Stadt von Süden her betraten. Mit Ausnahme eines Tempelbaus für Elagabal-Tempels unter dem gleichnamigen Kaiser war die Baugeschichte des Hügels damit abgeschlossen. Trotz der gewaltigen Bauten, die die Kaiser dort errichtet hatten, wohnten sie dort niemals allein: Im Liber Regionum, das im 4. Jahrhundert entstand, sind 20 Viertel verzeichnet, 2742 Insulae (Mietshäuser), 89 Domus, 49 öffentliche Bäder, 90 Brunnen und 20 Mühlen.

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Die zum Circus Maximus (Süden) hin gelegene Seite
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Quelle: PD

Seit Diokletian und Konstantin hielten sich die Kaiser kaum noch in Rom auf, nahmen ihre Residenz in anderen Städten des Reiches. Konstantin gründete Konstantinopel (das spätere Byzanz, heute Istanbul), und nach den Reichsteilungen residierten die Kaiser des Westens in anderen, sichereren oder näher an den bedrohten Grenzen gelegenen Städten, etwa in Ravenna. Das Gebäude begann langsam zu verfallen, auch wenn die Gotenkönige Odoaker und Theoderich - nicht zuletzt um der Legitimierung willen - noch hier ihre Residenz nahmen:

Der von den Vandalen ausgeplünderte Cäsarenpalast diente dagegen noch Theoderich zur Residenz, als er in Rom war, aber dieses gigantische Kaiserschloss, in dessen Marmorhallen einst die Gebieter des Reichs die Welt verprasst, geknechtet oder weise regiert hatten, war schon längst ausgestorben und leer und begann bereits an seiner eigenen Größe unterzugehen. Für die Restauration des Palatium zusammen mit der Erneuerung der Mauern hatte Theoderich jährlich 200 Pfund Gold aus der Weinsteuer ausgesetzt. (Gregorovius, Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter, 1859-72).

Einige Päpste nahmen noch auf dem Palatin ihren Wohnsitz, und während der byzantinischen Herrschaft über Italien war er Sitz des Dux Romae, des Statthalters von Rom:

Die Parteien [eines innerstädtischen Bürgerkrieges] stießen auf der Via Sacra vor dem Cäsarenpalast zusammen, und das alte Straßenpflaster wurde mit dem Blut von Erschlagenen gerötet. Demnach bestanden die Via Sacra und das Palatium noch am Anfange des VIII. Jahrhunderts, ja wir dürfen aus dem Ort des Kampfs mit vollem Grunde schließen, daß der Kaiserpalast vom Dux selbst bewohnt wurde. Ohne Zweifel bestürmte die Partei des Petrus den Dux Christophorus dort, in dem Regierungsgebäude Roms, um ihn daraus zu vertreiben. Der Cäsarenpalast hatte übrigens noch wenige Jahre zuvor eine Wiederherstellung erfahren; es gab noch gegen das Ende des VII. Jahrhunderts eine Cura Palatii Urbis Romae oder Beamte, die für die Erhaltung desselben zu sorgen hatten. [...] Der Herrschersitz so vieler Kaiser, der Mittelpunkt der Weltgeschicke, von wo aus die Menschheit einige Jahrhunderte lang weise regiert oder schmachvoll misshandelt worden war, sank nun bald in völlige Vergessenheit, und schon zur Zeit Karls des Großen flatterten in den nicht mehr bewohnten Gemächern des Augustus, Tiberius und Domitian die Eulen umher oder pflanzte der Mönch auf dem Schutt Olivenbäume, wie noch am heutigen Tage.. (Gregorovius, Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter, 1859-72).

Wie überall in Rom bemächtigten sich auch auf dem Palatin die Christen der antiken Ruinen und wandelten sie in Kirchen und Klöster um: Im 7. Jahrhundert die Kirche San Cesario eingerichtet, die die Funktion einer Palastkapelle übernahm. In der Nähe wurde im 9. Jahrhundert ein griechisches Kloster gegründet. Auf der zum Kolosseum hin gelegenen Terrasse, dort, wo der Tempel des Elagabal stand, wurde das Konvent Santa Maria in Pallara eingerichtet, das im 14. Jahrhundert Sitz des Abtes von Montecassino wurde und dessen Patrozinium auf den Heiligen Sebastian überging, den die Pfeile der Bogenschützen auf der Treppe des nahen Tempels getroffen haben sollen (San Sebastiano al Palatino). In stärkerem Umfang entstanden aber rund um den Hügel christliche Kirchen und Klöster, in näherem Kontakt zu bewohnten Vierteln als auf dem verlassenen Kaiserhügel: San Gregorio im Osten, der das Septizodium angegliedert wurde, Santa Anastasia im Westen und die nicht mehr erhaltene Diakonie San Teodoro im Norden. Im 10. und 11. Jahrhundert verwandelten die Frangipane weite Teile des Palatins in eine Festung, und der Hügel wurde zum Schauplatz erbitterter Kämpfe römischer Adelsfamilien.

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Aufgang vom Forum zu den Farnesischen Gärten
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Quelle: MM

Erst in der Renaissance wurde der Hügel quasi wiederentdeckt, und die römischen Adelsfamilien, die sich drei Jahrhunderte zuvor dort blutig bekäpft hatten, pflanzten Gärten und Weinberge. Die Barberini etwa sicherten sich die östliche, zum Kolosseum hin gelegene Terrasse, die noch heute Vigna Barberini heißt. Andere große Namen - die Mattei, die Spada - folgten. Die prächtigste Gartenanlage aber schuf mit den Farnesischen Gärten Kardinal Alessandro Farnese über Teilen der Domus Flavia und der Domus Tiberiana.


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