Bericht: Toskana/ Umbrien im Durchlauferhitzer

Nihil

Consul
Stammrömer
Ich habe lange überlegt, ob ich diesen Reisebericht überhaupt schreiben soll. Noch jetzt bin ich zwiespältig, aber nach dem Aussortieren der Fotos, habe ich mir ein Herz gefasst. Denn einige Fotos sind gelungen und vielleicht ergibt sich während des Schreibens auch für mich eine Vertiefung der zu sehenden Kunst.

Diese Reise war sehr stressig mit viel zu wenig Zeit für die einzelnen Städte. Und noch weniger, für die zu sehenden Kunstwerke. Wir galoppierten von Kirche zu Kunstwerk zu Museum zum Bus. Und schon war das nächste Ziel angepeilt.

Es war durchaus nicht immer schön in einer Gruppe zu stehen, denn das mitreisende Personal lud mich ständig zum Fremd-Schämen ein. Wir wurden 2 x aus Kirchen herauskomplementiert wegen ungebührendem Verhalten!!!:thumbdown:thumbdown:thumbdown Ganz zu schweigen von der herablassenden Arroganz gegenüber dem italienischen Personal in den Hotels, den Museen oder den Restaurants:x:x:x

Und die letzten 2 Tage der Reise verbrachte ich leider mehr auf dem Klo als im Museum oder in den Kirchen. Ich hatte mir einen Darminfekt eingefangen, an dem ich auch noch 2 weitere Wochen zu Hause herumlaborierte.:thumbdown

Reisebeschreibung:

1.) 6 Tage vom 29.05.- 03.06.2016, wobei durch ungünstige An-und Abreise eigentlich nur 4 Tage blieben, um einen Mini-Ausschnitt aus der Toskana und Umbrien zu erleben.

2.) Gruppenreise mit ca 40 Leuten aus Spanien mit Schwerpunkt Kunst/ Kunstgeschichte der Renaissance; allerdings erlaube ich mir festzustellen, dass wahrscheinlich nur max. 20% der Gruppenmitglieder wirklich an den Kunstwerken interessiert waren.

3.) Unterbringung in 4-Sterne Hotels, Fahrten zu den zu besichtigen Städten im Reisebus über die Autostradas. Also für meine Begriffe, recht steril ohne wirklich Zugang zum Vita italiana.

Als Fazit kann ich für mich schreiben:

Nie wieder Gruppenreise, jedenfalls nicht in dieser pseudokunstsinnigen spanischen Melange.

Italien immer wieder, aber nie wieder Italien im Sommer: die Hitze war mörderisch und sämtliches Interesse an der Geschichte und den Kunstwerken schrumpfte schon um 11:00 Uhr morgens auf Überlebensstrategien wie : wo ist Schatten, wo gibt es Wasser oder Eiscreme, wo gibt es eine Klimaanlage.

Ich weiss nun aus eigener Ansicht, wo es noch viel zu sehen und zu entdecken gibt, aber das mit Ruhe und Musse auch für das italienische Alltagsleben und die abgelegenene Schönheiten abseits der ausgelatschten Touristenrouten. Das muss ich mir aber dann selber organisieren...
 
Das ist bedauerlich, dass Du derart negative Erfahrungen gemacht hast. Ich kann aus meiner (freilich nicht allzu umfangreichen) Erfahrung mit Studienreisen nur sagen, dass da eher für meinen Geschmack fast schon zu viel hochkultureller Input gegeben wurde und selbst das manchen Leuten noch nicht genug war. Die herausragenden Erscheinungen waren eher deutsche Studienräte, die die Reisen mit der Nase im Dumont.Kunstreiseführer mitgemacht haben und die Reiseführer bei jeder Gelegenheit korrigiert haben. Nach Angabe der Reiseführer im kleinen Kreis ist das aber für deutsche Studienreisegruppen ziemlich typisch.
Mit Spaniern kenne ich mich nicht aus.
Deinen Entschluss, die Regionen auf eigene Faust nochmals zu bereisen, kann ich nur unterstützen. Insbesondere Umbrien ist dann herrlich ruhig und hat eine Menge kontemplative Orte (wenn man nicht gerade nach Assisi will).
 
Ähnliche Erfahrungen kann man durchaus mit einer deutschen Studiengruppe machen. So ist es jedenfalls mir vor gut zwanzig Jahren bei einer Studienreise in die Toskana passiert. Da lag der Anteil der echt Interessierten wohl bei knapp 50%. Für den anderen Teil sind dann Shopping und Kneipen wesentlich interessanter als die herausragenden Kunstobjekte jener Gegend.
 
Shopping in der Toskana ? Ach Du lieber Gott. Na ja, in Florenz und Siena mag das Sinn machen.
In Umbrien kann ich mir das kaum irgendwo vorstellen. Noch nicht einmal in Perugia so wirklich.
Gut, wenn Du eine Menge derartige Kameraden/innen dabei hast...Nur wozu solche Leute eine Studienreise buchen bleibt mir verborgen.
 
Guten Abend, Guten Morgen, Gordian und Ludovico, Danke für euer Verständnis und euren Trost.
Ja , diese Reisetruppe hat mich Nerven gekostet. Es ist nicht das erst Mal, dass ich mit der Gruppe( wechselnde Mitglieder) verreise, aber es fällt mir zunehmend schwer! Es ist auch vom Niveau nicht vergleichbar mit Studiosusreisen, wobei mir dort persönliche Erfahrungen fehlen. Es ist kunstgeschichtlich eher der interessierten Hausfrau / dem Delittanten angepasst. Bitte jetzt nicht fehlinterpretieren, denn ich bin auch mehrheitlich Hausfrau und Delit-tante!!!!! Aber der grosse Zusammenhang zwischen Kunstgeschichte- Geschichte- Kirchengeschichte- Interpretation und Rezeption fehlte mir für meine Begriffe. Meiner Meinung nach kann man nicht die Kunst und Geschichte aus diesem Zusammenhang lösen oder ohne Bezug zueinander erklären.
Meine Nase steckte permanent im Dumont-Führer, wobei ich zwangsläufig bemerken musste, was uns alles an Kunstgenuss verlustig ging, aber gut- es war halt auch ein sehr enges Programm.
Leider konnte ich nur sehr wenig meine individuellen Ansprüche an Reisegenuss und Eintauchen in die Atmosphäre der Stadt, der Region umsetzen.:(
Übrigens eingekauft habe ich gleich am ersten Tag:!: Handtasche für mich, Schuhe für die Tochter, Keramik-Weinkorken ( ohne Flasche :twisted:) für den Göttergatten. Somit war das Thema erledigt für die restlichen Tage, Gottseidank:!::!::!:
 
Hallo Nihil,

auch ich habe mich über den Beginn Deines Reiseberichtes gefreut, auch wenn diese Reise nicht so ganz Deinen Vorstellungen entsprach.
Ich kann Dich sehr gut verstehen. Wir haben bisher nur einmal an einer geführten Reise (Florenz) teilgenommen, das war aber eine ganz andere Situation. Den Reiseführer kannten meine Eltern sehr gut, er ist Kubnsthistoriker und hat nur eine kleine Gruppe mitgenommen und da war es dann eben so, wie man sich das vorstellt: sehr genaue Vor- und Nachbesprechungen. Etwas anderes können auch wir uns nicht vorstellen und wir haben auf unseren Reisen immer eine große Tasche mit Literatur zur entsprechenden Gegend dabei. ;)
Trotzdem freue ich mich auf Deine Fortsetzungen, weil auch ich Umbrien sehr gerne mag. Und:
Was Einkaufen angeht bin ich der Meinung, dass man in Italien überall, auch in kleineren Orten schöne Dinge kaufen kann. :nod:
Kommt einfach drauf an, was man unter "Shopping" versteht. :~
 
Ich denke, das Problem ist, dass man sich seine Mitreisenden bei so einer Reise nicht aussuchen kann.

Wenn man Glück hat, wird es eine wunderbare Woche, doch wenn man Pech hat, dann läuft es so wie bei Nihil.

Ich hoffe du konntest wenigstens einen Teil der Reise genießen.
Ich würde mich über Fotos und Eindrücke freuen.
 
Hallo Angela und Pecorella

Es hängt viel ab von der Zusammensetzung der Gruppe und wie gut die Leitung die Gruppe im Griff hat bzw. leiten kann. Ich hatte natürlich auch " Gleichgesinnte" an meiner Seite. Geteiltes Leid lässt sich leichter ertragen bzw. ablästern.:evil:.
So, nun aber zu den mehr oder weniger schönen Seiten dieser Reise.

Nachdem wir nachts gegen 22.00h in Bologna gelandet waren, wurden wir schnurstracks ins Hotel verfrachtet. Eines dieser Super- Design- Hotels, wo vor lauter Edeldesign die Funktionalität nicht mehr gegeben ist. Und man z.B beim Duschen das Badezimmer unter Wasser setzt, weil eine ausreichende Duschtür wahrscheinlich den Gesamteindruck empfindlich gestört hätte. Das Zimmer war in 70-Jahre-Farben gehalten, nämlich orange-braun. Eine Farbkombination bei der ich sofort das Licht ausmache. Als ich dann endlich den Lichtschalter an der Designwand gefunden hatte... Geschlafen habe ich gut und das Frühstück am nächsten Tag war sehr opulent.

Der Bus brachte uns dann über die Autostrada an Florenz vorbei nach San Gimignano. Der erste Eindruck des Strassenbelages der Autostrada wurde an den folgenden Reisetagen immer wieder bestätigt: ziemlich übel. Schlagloch an Schlagloch.8O Da fehlt es wohl an Geld für den Strassenunterhalt.

In San Gimignano : Bekannt als die Stadt der Türme. Ich kann leider nicht mit einer dieser berühmten Ansichten aufwarten, ihr bekommt San Gimignano mehr von innen...und nur sehr limitiert, denn ausser einigen Piazzas und dem Duomo blieb keine Zeit. Die Gegend war schon in prähistorischen Zeiten besiedelt und irgenwann dann auch von den Etruskern. Der Name San Gimignano geht auf den Bischof von Modena zurück, der der Legende nach bei einer Schlacht gegen die Hunnen unter Attila im X. Jahrhundert auf den Stadtmauern erschien und half das Städtchen erfolgreich zu verteidigen. Im Mittelalter erlebte die Stadt eine Blüte, denn sie lag am Kreuzungspunkt mehrerer Handels- und Pilgerrouten, z. B. an der Via Francigena. Nach dem Ausbruch der Pest 1348, bei dem 2/3 der Einwohner dahingerafft wurden, kam es zu einem ökonomischen Niedergang. Dieser hielt eigentlich bis ins 20 Jahrhundert an und bewarte so ein intaktes mittelalterliches Stadtbild. Von ehemals 72 Geschlechtertürmen stehen noch 13. Auch erstaunlich, dass trotz der wirtschaftlichen Misere solche fantastischen Kunstwerke im Duomo entstehen konnten. Im Gefolge der Touristenströme , aber auch der berühmten Weinproduktion an den Hängen von San Gimignano belebte sich ab dem letzten Jahrhundert auch wieder die Wirtschaft der Stadt.

Wir betraten das auf einer Hügelkuppe liegende Städtchen durch die Porta San Giovanni aus dem 13. Jahrhundert.

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Folgten dem Strom der vielen Touristen entlang der Via de Giovanni mit den vielen Leder- und Keramikgeschäften.


bis zur Piazza della Cisterna, wo ein achteckiger Brunnen auch aus dem 13 Jahrhundert zu finden ist.

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Danach ging es in den Duomo, eine romanische 3-schiffigen Kirche, die seit 1932 den Titel einer Basilika Colegiata di Santa Maria Assunta trägt. Im Eingangsbereich ein sehr hübsches Fresko der Verkündigung in sehr edler Renaissance-Umgebung:


In der Kirche finden sich die Reliquien und Altäre oder Kapellen diverser Heiliger, neben dem Bischof S. Gimignano vorallem von Santa Fina, einer sehr verehrten lokalen Heiligen, die schon jung erkrankte und ihr kurzes Leben betend auf einem Holzbrett verbrachte. Bei ihrem Tode sprossen aus dem Holzbrett plötzlich blühende gelbe Veilchen, die Violetas di Santa Fina.

Beim Eintritt in die Kirche musste die halbnackte Truppe erst einmal die Arme und Beine mit Umhängen verdecken, was kulturelle Zusammenstösse verbaler Art nach sich zog. Innen stand ich mit offenem Mund ob der dargebotenen Pracht, denn diese Kirche ist bis in den letzten Winkel ausgemalt von den farbigsten, prachtvollen Fresken, die die Renaissance zu bieten hat. Ich zeige euch ein paar Eindrücke, wobei ich vor lauter visueller Überforderung einige Prachtstücke an Architektur, Skulpturen und Malereien nicht wahrgenommen habe.

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Wie gesagt: bis in den letzten Winkel ist alles unter Farben gesetzt:


Man betritt die Kirche durch eine Seitentür und sieht sofort die Szenen aus dem Neuen Testament auf der rechten Längswand, gemalt von Memmi, die linke Seite ist bedeckt mit Szenen aus dem alten Testament vom Maler Bartolo di Fredi. Hier ein paar Ansichten kreuz und quer:

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Die Kreuzigung und der Kindermord im Zwickel.

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Die Hochzeit zu Kanaa:

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Leider beschädigt, aber eindeutig: der Sieg Christi über die dunkle Macht

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Nicht ganz so eindeutig waren die Geschichten des alten Testaments( ich meine jedenfalls diese Bilder aus dem Zyklus dort fotographiert zu haben)

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Vielleicht kann jemand den Text entziffern: irgendetwas mit Abraham...


Folgendes Bild ist offenkundig und freizügig ohne Tücher zur Bedeckung der Blösse :

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Bei dieser Szene bin ich mir des Ausganges nicht so sicher: da schubst doch der Teufel den Engel in den Abgrund. Gut, dass die Engel mit Flügeln ausgerüstet sind:


Nun folgte die Besichtigung der Santa Fina- Kapelle von 1468, ein Schmuckstück der Renaissance mit einem Altar von Benedetto da Maiano, den ich vor lauter Fresco irgendwie nicht beachtet habe, und natürlich Ghirlandaio, der das Sterben und den Tod der Santa Fina gemalt hat. Der Ausdruck der Gesichter ist so real und lebendig, und beeindruckt auch noch 500 Jahre später. Hier ein paar, nicht immer der Schönheit der Bilder gerecht werdende Fotos:

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Man erkennt die Kulisse von San Gimignano im Hintergrund und sicher sind auch gewichtige lokale Herrschaften realistisch dargestellt.

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Santa Fina empfängt die Nachricht ihres baldigen Todes, umgeben von ihren Krankenschwestern.

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Worauf schon die Blümelein aus dem Holzbrett spriessen.

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Ich hätte noch stundenlang dort verweilen können, aber unbarmherzig wurden wir zum Bus gejagt. Da muss ich wohl wiederkommen, allein schon wegen der vielen nicht wahrgenommenen Kunstgegenstände. Und auch wegen kulinarischer Defizite: ich habe kein einzigen Gelato geschleckt:roll:

Auf dem Weg zum Bus diverse Kleinkunst an Bau und Geschäft:

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Später geht es weiter mit Siena als nächstem Ziel.
 
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Vielen Dank - Nihil - für die ersten Teile Deines Berichts! An S.Geminiano habe ich auch sehr schöne Erinnerungen.

Zu Deinem Eingangsposting kann ich nur sagen, daß mir für Toscana und Umbrien eine Reisedauer von (brutto) 6 Tagen eindeutig zu kurz erscheint - da muß zwangsläufig einiges auf der Strecke bleiben, entweder die Übersich oder die Intensität - im Zweifel beides.

Ich besuche nun schon seit mehr als 10 Jahren auch als "Studienreisen" Italien (und unter derselben Leitung inzwischen auch Polen, Tschechien und zuletzt Rumänien). Für die Toscana und Umbrien dauerten die Reisen jeweils 10 Tage, die Gruppengröße lag um 20 und vor den Reisen wurden immer "Kennenlerntreffen" abgehalten (heute abend besuche ich ein solches für eine Reise im Herbst nach Florenz - Titel "Florenz und Wandern") bei denen eben auch die Erwartungen abgefragt werden und der Verlauf der Reise erläutert wird. Meistens wird bei diesen Reisen pro Tag ein Ziel angesteuert; zu Beginn gibt´s dann eine "offizielle" Führung, in der die wichtigsten Punkte erläutert werden und anschließend meist eine "Freizeit", während der man entweder besonders interessante Aspekte selbständig "vertiefen" kann oder einfach nur ein wenig Bummeln, Shoppen oder "Witterung aufnehmen" ... In dieser Form kann ich auch mit Gruppenreisen gut leben
meint
(vgl.: Bericht: Umbrien Juni 2012 Bericht: Siziliens Osten - Rund um den Ätna (21.10. - 30.10.2010) ...)
 
Hallo Nihil,
schön, dass Du uns im "Durchlauferhitzer-Verfahren" mit durch die Toskana und Umbrien nimmst ;). Ich freue mich darauf, denn beide Regionen Italiens mag ich sehr.
Die ersten Eindrücke von San Gimignano rufen gleich beste Erinnerungen auf, allerdings haben wir das Ganze jedes Mal streßfreier genossen :D.
Aus der Fülle der schönen Bilder greife ich mal ein paar heraus ;):


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Vielleicht kann jemand den Text entziffern: irgendetwas mit Abraham...

Diese Darstellung ist tatsächlich aus der Abraham-Geschichte, sie dürfte die (Aus-)Wanderung von Abraham, seiner Frau Sarah und seines Neffen Lot von Harran nach Kanaan zeigen mit "all ihrer Habe, die sie erworben hatten und die Knechte und Mägde, die sie gewonnen hatten." (Gen 12, 4 ff.)

Folgendes Bild ist offenkundig und freizügig ohne Tücher zur Bedeckung der Blösse :

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:roll: Na ja, die Erschaffung der Eva, eben "drastisch" dargestellt :twisted:... Michelangelo "konnte" es besser :? - Geschmacksache :~

Bei dieser Szene bin ich mir des Ausganges nicht so sicher: da schubst doch der Teufel den Engel in den Abgrund. Gut, dass die Engel mit Flügeln ausgerüstet sind:



Hier wird es sich wohl um die Versuchung Jesu handeln, die bei Lk 4,9 ff und Mt 4, 5ff erzählt wird: "stürz dich hinab, denn es heißt ... 'Seinen Engeln befiehlt er, dich auf ihren Händen zu tragen, ...'." ;)

Es hat Spaß gemacht, Dich in San Gimignano zu begleiten. Ich bin gespannt auf die weitere "[Tor]t[o]ur." :twisted:
Pasquetta

 
Hallo FestiNalente und Pasquetta, danke für eure tröstenden Kommentare. Ich werde euch weiter auf diese" Tour der Leiden" mitnehmen; Tortur war bei einigen Begebenheiten der richtige Ausdruck. Nun ja, wie gesagt, ist diese Art von Gruppe ein privater Verein, der sich regelmässig zu Vorträgen trifft und dann Reisen mit Schwerpunkt Kunst/ Kunstgeschichte unternimmt, aber keine Profi-Studienreise. Aber bei einigen Mitgliedern dieser Gruppe ist halt der Schwerpunkt irgendwie abhanden gekommen. Und wie schon weiter oben gesagt, fehlt mir die Einordnung der Kunstwerke in die Zeit und die Vorstellungen der Künstler wie auch die Rezeption der Werke. Aber wie gut, dass ich ( nach)- lesen kann, denn Bücher gibt es zuhauf und da vertiefe mich nun.

Danke Pasquetta für deine Einordnung der Fresken-Ausschnitten. Es ist manchmal schwierig vom Detail auf das Grosse- Ganze zu schliessen, zumindest wenn es nicht fotographiert hat. Und das wenige, was ich gesehen habe, macht Lust auf mehr. Irgendwann einmal mit viel Zeit und einem Auto, damit man unabhängig und spontan die Reise angehen kann.
 
Siena:

Nach unserer Abreise aus San Gimignano ruckelten wir im Bus gen Siena, wo wir am Nachmittag eintrafen, schnell die Zimmer im Hotel bezogen und dann zu einem ersten Rundgang in die Stadt aufbrachen. Mich verwirrte dieser Anblick zunächst, denn eigentlich vermutete ich das Tier ausschliesslich in Roma.


Aber nein , auch in Siena tummelt sie sich mit ihren Zwillingen. In mehrfacher Ausführung gerne auf Säulen. Eine Lupa sienensa, sozusagen. Wie ich mich belesen habe, wurde die etruskische Siedlung unter Kaiser August zu einer römischen Kolonie mit Namen Saena Iulia und importierte sich das römische Wappentier.

Heute tummelten sich aber in Siena viel grössere Tiere, denn wir kamen in den Genuss der Vorbereitungen zum berühmten Palio, dem seit dem Mittelalter regelmässig durchgeführten Pferderennen rund um die Piazza del Campo. Und wie es die Tradition will, wurden die Tiere von und mit ihrer jeweiligen Contrada vor dem Rennen durch die Viertel der Stadt geführt. Die ganze Stadt war mit Fahnen und Schildern und farblich abgestimmten Leuchtern geschmückt, die je nach Stadtviertel bzw. Contrada die Muster und Farben wechselten. Hier ein paar Eindrücke dieses wirklich einzigartigen Volks/ Stadtfestes:






Wir machten einen kleinen Gang auf diese Piazza del Campo, die sich nun als Rennbahn mit schmierigem Lehmsand präsentiert. Was aber die angrenzenden Tabernen nicht daran hinderte, ihre Tische und Stühle auf der Bahn aufzustellen und bis zur letzten Minute vor dem Rennen für Umsatz zu sorgen. Interessante Aufbauten der Bühnen und die schönen, in die Jahre gekommenen Absperrungen trennten die Rennbahn von ihren Zuschauern. Mitten auf der Piazza ein schöner Brunnen mit Taubenkolonie.






Der Brunnen dient den Tauben als Trink-und Badebassin, geschützt durch ein Gitter vor touristischem Ungemach und auch von allerlei allegorischen Figuren behütet.



Unsere Gruppe zog aber noch zum Duomo, der gerade in der Abendsonne funkelte. Was für ein Bauwerk :!::!::!:




 
Was für Steinmetzarbeiten8O8O8O. Da blieb auch keine Fläche frei, alle Säulen drehen und winden sich, streben in die Höhe , es schnörkelt an allen Ecken und Enden:!:

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Und kaum zu sehen vor lauter marmorner Mimikrie: la Lupa sienense

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Gegen diese Fassade wirkt der Turm geradezu schlicht.


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Ein ausführlicher Besuch der Opera und des Duomo war für den nächsten Tag vorgesehen, sodass wir uns wieder Richtung Piazza del Campo begaben, um auf dem Innenplatz ein gutes Plätzchen mit Sicht auf das Rennen zu beziehen - was sich nachträglich wegen der Menschenmassen als illusorisch erwies.
Es war aber nichtsdestotrotz spannend zu erleben, wie sich so langsam die Ränge mit den verschiedenen Confraden füllten, ihren Kampfgesängen gegen die gegnerischen Gruppen zu lauschen, den Strassenkehrern zuzuschauen, wie sie die Rennbahn fegten und vom Plastikmüll der weggeworfenen Becher und Flaschen säuberten. Immer wieder brandete der Jubel auf, wenn eines der geschmückten Pferde geführt von seinem Stallknecht das Rathaus erreicht und dort bis zum Beginn des Rennens in das Gebäude geführt wurde. So gab es die eineinhalb Stunden bis zum Rennbeginn viel zu sehen.

Einzug der Kindergruppen:

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So langsam füllen sich die Ränge:

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Die Pferde kommen:



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Nun sind die Ränge besetzt:

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Auch bei den Erwachsenen:

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Hier das weibliche Geläuf:

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Und nach 3 -maligen ohrenbetäubenden Böllerschüssen kam es nach mehreren Fehlstarts auch zum Pferdegeläuf (in sehr weiter Ferne)

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Ja, wo laufen sie denn:?:, ja wo laufen sie denn hin:?::?::?:.

Dreimal um den Platz, das Spektakel währt 90 Sekunden. Sieger ist das erste Pferd, was die Ziellinie kreuzt, mit und ohne Reiter. Während des Rittes auf den ungesattelten Pferden sind alle Tricks und Boshaftigkeiten erlaubt, also auch das Runterschubsen des Gegners vom Pferderücken oder das brachiale Benutzen der Reitpeitsche nicht nur beim eigenen Pferd. Anschliessend ziehen die Confraden unter Verhöhnen der unterlegenen Mannschaften und Absingen der Lieder wieder in ihre Viertel, wo anschliessend gefeiert wird.

Wir beschlossen ebenfalls eine Stärkung zu uns zu nehmen und fanden zwischen Piazza del Campo und Duomo ein nettes Ristorante mit toskanischer Küche, exzellenten Weinen u.a. aus San Gimignano und einer herzlichen und zuvorkommenden Bedienung. Sollte jemand nach Siena kommen dann sei ihr/ ihm das Archivio del Gusto empfohlen, Via Monna Agnese 8, 53100 Siena.


 
Ja, wirklich toll, Deine Impressionen und Beschreibungen! :thumbup:
Mein BEVA erzählte, dass er vor Jahren schon im Oktober Gruppen von Jugendlichen beobachtete, die das Trommeln und Fahnenschwingen übten.
 
Der Probe-Palio war wirklich ein tolles Erlebnis. Und für mich auch noch von den Menschenmengen her knapp erträglich. Diese Massenereignisse mag ich nämlich nicht besonders.

Hier hatte es den wirklich autenthischen Charme, und es blieb auch ganz lokal auf die einzelnen Stadtteile beschränkt. Wir Touristen waren nur geduldete Zuschauer dieses uralten Wettstreits der Contraden.

Der Palio wird seit dem 14. Jahrhundert in mehr oder weniger unveränderter Form abgehalten. Im Juni zu Ehren der Madonna di Provenzano, der August-Palio zu Ehren der Santa Maria Assunta. Die Contrada ging wahrscheinlich aus einer von den jeweiligen Stadtvierteln gestellte Militäreinheit hervor, in der alle Schichten des Volkes vertreten waren. Manche der Wappen gehen auf die im Stadtviertel ansässigen Gewerbe zurück wie z.B. die Seidenraupe ( Bruco), die ein Symbol für den Seidenhandel darstellt. Was es nun mit dem Nashorn im Wappen der Contrada Selva auf sich hat, konnte ich nicht herausfinden. Aber jede Contrada verfügt in ihrem Stadtviertel über ihren eigenen Schutzheiligen, ihre eigene Kirche und natürlich ihr Vereinshaus, wo die Trophäen ausgestellt werden. Und natürlich bleibt jeder Sienese seiner Contrada treu, in deren Bannkreis er aufgewachsen ist.

Hier noch ein paar Fotos vom nächsten sehr frühen Morgen, als ich mich schon um 5:30 allein aus dem Hotel stahl, um die Gassen von Siena für mich zu entdecken. Und ich hatte Siena ganz für mich alleine:!::thumbup:.

Ein bisschen Palio- Ambiente aus einer noch schlafenden Stadt:


Hier das Wappen der Contrada Oca:


Hier das Viertel der Contrada Chiocciola, beim Palio trotz des Wappentiers deutlich schneller als Schneckentempo.



Hier eine neuralgische Grenze zwischen Schnecke und :?::?::?:


Das Viertel der Contrada Tartuca, beim Palio auf dem Pferd, nicht auf Renn-Schildkröten, recht erfolgreich.



Stimmung zwischen Palio, Andacht und profanen Wäscheleinen.


Und hier noch die Confrada Onda, auch wenn die Welle doch mehr einem Delphin ähnelt.



Der Palio als Souvenir, geknipst durch das Schaufenster eines Keramiklädchens.



 
Der Probe-Palio war wirklich ein tolles Erlebnis.
Beneidenswert; ich kann mir sehr gut vorstellen, dass dies ein besonderes Erlebnis war-

Manche der Wappen gehen auf die im Stadtviertel ansässigen Gewerbe zurück wie z.B. die Seidenraupe ( Bruco), die ein Symbol für den Seidenhandel darstellt. Was es nun mit dem Nashorn im Wappen der Contrada Selva auf sich hat, konnte ich nicht herausfinden.

Das Nashorn ist ein Symbol für Kraft und Stärke (potenza), Motto der Contrada della Selva, die den Wahlspruch haben "PRIMA SELVALTA IN CAMPO" (Erste Selvalta im Feld). Angeblich geht dieses Wappentier sogar auf die Geschichte mit dem Rhinocerus zurück, das letztendlich Papst Leo X. geschenkt bekommen sollte (bzw. nur noch ausgestopft bekommen hat) und dem damals, Mitte des 16. Jh., der Ruf voraus eilte, das mächtigste Tier der Welt zu sein. Sogar ein Elefant, der gegen das Nashorn seine Kraft zeigen sollte, floh entsetzt, als er das Tier sah. 8O :D Na ja, auf dem Transport von Portugal nach Rom zerschellte das Schiff vor der ligurischen Küste und das angekettete Nashorn ertrank jämmerlich - seine Kraft und Stärke haben ihm da auch nichts mehr genutzt :cry: :twisted:.
Die Contrada della Selva hat dann das Symbol der Kraft und Stärke 1888 endgültig in ihr Wappen aufgenommen und es unter der Eiche mit den Jagdsymbolen "grasen lassen".
Schöne Geschichte, nicht wahr?
Gruß
Pasquetta
 
Siena am Morgen

Ich hoffe, ich sprenge nicht das Format dieses Berichtes und auch nicht eure Geduld, aber es fällt mir schwer eine Auswahl der Fotos zu treffen, denn in Siena habe ich mich verguckt.

Also, wie gesagt, in aller Herrgottsfrühe, die Mondsichel stand noch am Himmel, machte ich mich auf, die Stadt zu entdecken. Ich begann meinen Gang bei der Kirche San Domenico, eine grosse gotische Backsteinkirche, die diesen Hügel beherrscht.


Ausser mir waren um diese Stunde nur die Strassenkehrer unterwegs, die mich freundlich mit einem Buon Giorno grüssten. Still war es aber eigentlich nicht, denn die abertausenden Mauersegler, die im Mauerwerk der Gebäude brüten, sausten und zwitscherten in einer Art Luft-Palio in und um die Türme der Stadt und jagten sich durch die Gassen. Wenn ihr auf den Fotos am Himmel schwarze Schatten seht, dann sind das diese Luftakrobaten.

Ich durchschritt ein Tal, kam am Wohnhaus und ehemaligen Kloster der Heiligen Katharina von Siena vorbei( heute ein Hotel oder Gästehaus)


mit herrlichen Aussichten auf den gegenüberliegende Hügel


im Tal entdeckte ich das aufgeräumte Festgelager einer Contrada :!: Ordnung muss sein :!: :D:D

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und ein schönes Brunnenhaus, die Fonte Branda:



Behütet von bewehrten Löwen


und dann stieg ich eine steile Gasse unterhalb des Duomo wieder hinauf. Und verlor mich in den Gassen und Stiegen, zwischen Kirchen, Gärten und Plätzen


Aber bei so schönen Eindücken geht man doch gerne verloren:




Manchmal konnte man beim Durchblick auch den Überblick wiedergewinnen und sich orientieren.



Hausschmuck in Stein und in Töpfen:





Ein anderer Platz, die Hinterlassenschaft einer anderen Contrada

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Und wieder ging ich verloren, wo bin ich:?::?::?:



Das kam mir nun etwas bekannter vor und plötzlich stand ich auf der Piazza del Campo, :~


diese frisch gewässert von der Stadtreinigung und ich versangt mit meinen Sandalen im klebrigen Lehmgeläuf des Palio. 8O;)
Ich rette mich auf die leeren Ränge, wo gestern noch die Kindergruppen gesessen hatten, auch der besseren Übersicht wegen. Da musste ich allerdings heftige Schwindelattacken bekämpfen. Die oberen Ränge waren recht hoch über dem Boden. Von dort ein Blick über den berühmten Platz ohne Volk und ohne Pferd. :)


Und der heitere Brunnen, die Fonte Gaia( eine Kopie!), eines der frühesten Werke der Renaissance, geschaffen zwischen 1409 und 1412 von Jacopo della Quercia.


Aber nun flott zum Duomo geschritten, möglichst ohne in den Lehmdreck zu treten....:]





 
Das Nashorn ist ein Symbol für Kraft und Stärke (potenza), Motto der Contrada della Selva, die den Wahlspruch haben "PRIMA SELVALTA IN CAMPO" (Erste Selvalta im Feld). Angeblich geht dieses Wappentier sogar auf die Geschichte mit dem Rhinocerus zurück, das letztendlich Papst Leo X. geschenkt bekommen sollte (bzw. nur noch ausgestopft bekommen hat) und dem damals, Mitte des 16. Jh., der Ruf voraus eilte, das mächtigste Tier der Welt zu sein. Sogar ein Elefant, der gegen das Nashorn seine Kraft zeigen sollte, floh entsetzt, als er das Tier sah. 8O :D Na ja, auf dem Transport von Portugal nach Rom zerschellte das Schiff vor der ligurischen Küste und das angekettete Nashorn ertrank jämmerlich - seine Kraft und Stärke haben ihm da auch nichts mehr genutzt :cry: :twisted:.
Die Contrada della Selva hat dann das Symbol der Kraft und Stärke 1888 endgültig in ihr Wappen aufgenommen und es unter der Eiche mit den Jagdsymbolen "grasen lassen".
Schöne Geschichte, nicht wahr?
Gruß
Pasquetta

Danke Pasquetta für die tolle Geschichte:nod:. Es gibt auch Contraden mit einer Giraffe im Wappen, oder einem Igel ( Istrice) und auch einer Muschel (Nicchio). Weisst du da auch eine Erklärung:?:
Das war nun mein erster Versuch zu zitieren, sieht ein bisschen blöd aus...naja.
 
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