Bericht: Me and my fruitcake

AW: Me and my fruitcake

Ja, das geht teilweise sogar so weit, daß ich Schmuck abnehme bevor ich irgendwo "oben" stehe...schon lächerlich aber ist ja schön zu wissen das es da zumindest noch eine Schwester im Geiste gibt :)
 
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Wir machten uns die Fleet Street entlang auf die Suche nach der nächsten Niederlassung einer der verfügbaren international operierenden Fast-Food-Ketten…nach erstaunlich langen 5Minuten waren wir bei McDonalds und wunderten uns schon darüber, dass wir direkt bedient wurden. Im ersten Stock dann der Schock; außer uns saß nur noch ein Mann dort und mampfte friedlich. Es war leer! Selbst der noch fehlende Burger wurde pflichtgemäß nachgeliefert, eine Geste die ja sonst auch nur alle 29. Februare mal vorkommt. Wir haben den Eintrag ins Guinness Buch der Rekorde damit sicher: Touristen finden leerste McDonalds Filiale in London! Oder war vielleicht bereits die ganze Stadt einem Anschlag zum Opfer gefallen und wir hier waren auf der einzigen Insel der Überlebenden?? Mein Menü jedenfalls schmeckte und ich beobachtete meinen Freund mal wieder angewidert beim Eiswürfel kauen.

Wieder draußen nahmen wir den nächsten Doppeldecker Richtung Picadilly Circus. Natürlich erwischten wir einen der nur noch eine Haltestelle fuhr, dann stiegen wir in den nächsten. Die Busse hier sind ja wirklich nur zum Slow-Sightseeing und Beine ausruhen erfunden, denn wirklich vom Fleck bewegt man sich im Zentrum ja nicht die Spur. Da wäre man in der Tat schneller gelaufen. Aber zum Filmen eignen sich diese chaotischen Stop-and-go-Fahrten doch immer und immer wieder. Am Fuße der Regent Street stiegen wir aus und machten uns auf die Suche nach „Fortnum &Mason“, dem Nobelkaufhaus schlechthin.

Zufällig fanden wir es auch schon bald und betraten diesen Tempel des Geschmacks. Zum Glück waren viele Touris hier denn ansonsten wäre ich mir etwas underdressed vorgekommen. Das Erdgeschoß widmet sich ganz und gar den leiblichen Genüssen und die charakteristisch verpackten Tees, Kekse und Kaffees gingen weg wie warme Semmeln. In den oberen Stockwerken die wir über die hochherrschaftliche Treppe erklommen, war schon der Beginn der Weihnachtsabteilung zu sehen und meine heißgeliebten Parfums von Floris oder Creed. Parfums die nach einer vergangenen Zeit und Stil duften und deshalb wohl auch in keiner Douglas Filiale zu finden sind. Auffallend war, wie wenig Ware sich hier eigentlich befand. Und wie sauber der Teppich war trotz der täglichen Besucherströme.

Ich verliebte mich direkt in die schicken Teedosen und kaufte einen großen Afternoon Tea, einen großen Queen Anne Tea, einen kleinen Mango und Ingwer Grüntee und noch einen kleinen mit Pfirsich aromatisierten Schwarztee. Alles in allem eigentlich gar nicht übermäßig teuer denn ca. 7Pfund für 250gr., ich glaube beim Gschwendner wird man sogar etwas mehr los (und das ohne hippe Blechdose in royalem Mintgrün)…mit gefüllten ebenso mintgrünen Tüten spazierten wir zufrieden heraus und ich entdeckte auch gleich gegenüber die Royal Academy.

Der wollte ich am Freitag einen Besuch abstatten, umso besser daß ich nun sogar schon wusste wo ich hinmuß. Wir schlenderten am Ritz vorbei und ich vermutete in meinem Wahn mal wieder hinter jeder Sonnenbrille einen Star. Ich meine, ich habe schon Bob Dylan in Wiesbaden auf der Straße getroffen warum also nicht mal Madonna vorm Ritz in London? Ebend.

Im Green Park pausierten wir kurz auf der Wiese und wurden im sinnieren nur von einem nahenden Helikopter irritiert. Es war gegen sechs Uhr, es war dasselbe Modell vom Donnerstag und er flog Richtung Norden. Haltet mich für paranoid aber zu 99,9% war das ROBBIE!!! Wahnsinn, stirbt man in Städten wie dieser früh an Reizüberflutung oder stumpft man mit der Zeit ab?

Vorbei am Buckingham Palast, meine Freundin die Queen im Geiste grüßend, und auf der Suche nach der nächsten U-Bahn Station. Irgendwie fanden wir dann nach etwas Fußmarsch doch nur wieder Viktoria und starteten von dort eben zum wiederholten Male unsere Reise hin nach Covent Garden. Ich erwartete schlimmen Berufsverkehr aber es ging eigentlich…und abgesehen von der unerträglichen Wärme hier unten fühlte ich mich auch nach wie vor sicher; wenn es meine Bestimmung ist hier unten in die Luft gesprengt zu werden, dann kann ich schließlich auch nichts mehr ändern. Und immer noch besser London sehen und sterben als beispielsweise Oer-Erkenschwick (das ist ein Beispiel bei dem ich niemanden angreifen möchte, ich hätte wahlweise auch Porta Westfalica oder Muggensturm wählen können*grins).

In Covent Garden verzauberte mich wieder dieses belebte Viertel im Sonnenuntergang. Vor der Oper sang und spielte ein Straßenmusiker „Wish you were here“ von Pink Floyd. Im Gedenken an die Fabrik von heute morgen biss sich die Katze hier wieder in den Schwanz und ich hatte zum x-ten Mal in dieser Woche Tränen in den Augen. Bei Starbucks holten wir uns das jeweilige Lieblingsgetränk und ich war mal wieder absolut selig meinen Kaffedurst mit einem schaumigen Cappuccino stillen zu können. Nur süchtige können die Wärme nachempfinden die einem beim ersten Schluck die Seele streichelt.

Da noch ein paar Minuten zeit waren und es hier eh keine Sitzplätze gab, musste ich meine lustige Aktion für heute auch noch durchziehen. Ich positionierte mich vor der Webcam am Transportation Museum, auf die ich zu Hause jeden Tag sehnsüchtig blicke, und rief meine Mutter daheim an. Nach einigen Augenblicken waren meine Eltern online und ich wurde dank meiner großen rosa Tasche in der Dunkelheit auch schnell identifiziert. Leute, ist das ein surreales Erlebnis. Man wird gesehen, aber nur in einzelnen Bildern. Vor mir steht ein Musiker, meine Mutter sieht einen Musiker und hört ihn dann auch noch bei mir am Handy…Man spricht gleichzeitig und…ach, es wahr ein Riesenspaß und mir die ca. 5Euro Roaming Gebühren auch mehr als wert.

Und nun wurde der Starbucks von einer Schulklasse überfallen, welch ein Timing denn nun wäre das mit unserem Kaffee nix mehr geworden. Es blieb gerade noch Zeit die letzten Tropfen meines erquickenden Heißgetränkes zu genießen und eine Zigarette zu rauchen und schon waren wir im Drury Lane Theatre.
 
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Hallo und Moin, Moin Aurelia!

DANKE und bitte immer weiter so .... ich kann gar nicht genug bekommen von Deinen Berichten .....


Gruß - Asterixinchen :)
 
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Überraschend pompös empfing uns das Foyer, ich war von anderen Shows hier schon ganz andere Lokalitäten gewöhnt. Wir kauften uns Programme und durften mal wieder angenehmerweise alle Taschen und Jacken mit ins Auditorium nehmen. Unsere Karten hatten für englische Verhältnisse günstige 28Pfund das Stück gekosten und waren in der 9. Reihe im Parkett.

Die Show startete mit ihren schmissigen 30er/40er Rhythmen. Ich möchte gar nicht zu viel über die Story verraten, vielleicht hat die/der ein oder andere ja den Film „The Producers“ im Remake mit Uma Thurman und Will Ferrell gesehen. Ein Broadway Produzent bekommt von seinem Finanzberater den Hinweis, dass ein Flop unter Umständen mehr als ein Erfolg einbringt. Sie tun sich zusammen und suchen das schlechteste Buch, die schlechtesten Darsteller und das schlechtestes „Creative Team“…am Ende kommt natürlich ein Riesenhit heraus und bis zum Happy End hin fristet der Produzent sein Dasein im Knast.

Achja, nun fragt ihr euch vielleicht wie das schlechteste Stück heißt: „Springtime for Hitler“!!! Es kommen tanzende Soldaten drin vor, als Brezel und Würstchen verkleidete Damen, ein schwul besetzter swingender Adolf Elisabeth Hitler und die Taube Adolf die immer nur mit einem Flügel flattert…das mag den in der Hinsicht empfindlicheren Seelen ja alles etwas makaber vorkommen aber: Es ist eine super lustige und einfach nur sarkastisch gute Show! Und auch wenn man das hier ja kaum zu singen wagt; der Song „Springtime for Hitler and Germany“ ist ein echter Ohrwurm. Wen störte es da schon das Adolf mit Ä gesprochen und aus Berchtesgaden Bergtesgaden wurde!?

In der Pause blieben wir wie hier üblich sitzen und die 3Pfund pro Eis lockten auch nicht gerade. Ich musste natürlich an einer Stelle an der niemand lachte mal wieder meine schier überbordende Intelligenz zum Besten geben und laut kichern: Ein mögliches Stück beginnt mit einem Gregor Samsa der sich eines morgens in ein Insekt verwandelt fand…zumindest für Theaterwissenschaftler der Brüller! Auch hatte ich meinen Spaß an der Idee „Death of a Salesman on ice“ herauszubringen; das kann ich mir toll vorstellen: Willi Lomann auf Kufen in den Wahnsinn.

Gegen 22.30h waren wir glücklich, zufrieden, nicht zu müde und ich fühlte mich gut endlich mal diese unglaublich erfolgreiche Show gesehen zu haben. Meine Denkfrage: Könnte man dieses Musical auch in Deutschland aufführen? Käme die Ironie bei allen an??

In Covent Garden schleusten wir uns wieder in den Lift nach unten und waren nach kurzer Zeit auch schon wieder in Viktoria Station. Der Zug fuhr erst etwas später also deckten wir uns noch mit Getränken und Zeitschriften ein bei WHSmith. Überraschend wie voll die Bahn selbst jetzt noch wurde. Überall hielt sie an aber nach Mitternacht kamen wir dann doch noch heiter und fidel in Horsham an. Auf dem mindestens 20minütigen Fußmarsch zum Auto begegnete uns keine einzige Menschenseele…ich glaube ich würde doch lieber in London wohnen. Wieder zu Hause vermüllte ich das Wohnzimmer ein Stück weit mehr mit meinen Tüten und Zetteln und wir verputzten noch eine Pizza bevor wir an der Matratze horchten…
 
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Mittwoch

Das fantastische Wetter hielt an, aber trotzdem hielten wir an unserem Plan fest ins Bluewater Shoppingcenter, dem angeblich größten seiner Art in Europa zu fahren. Ich freute mich schon, denn Läden gucken geht ja schließlich immer, doch gleichzeitig war ich doch skeptisch. Warum weiß ich auch nicht, aber ich brauche zum vollendeten Kaufsucht Erlebnis immer eine hübsche Stadt drumherum. Dieses schnöde in Jogginghose Mammutshoppen ist irgendwie stillos und nicht mein Ding.

Na ja, auf der Autobahn gerieten wir dann in den tatsächlich ersten Stau meines Lebens. Wegen eines Unfalls gab es eine Vollsperrung und für ca. 20Minuten haben wir auf der Autobahn geparkt, es wäre mal die Gelegenheit gewesen auf dem Asphalt spazieren zu gehen. Ich fand das ganze eher lustig und im Auto lief „I don´t feel like dancing“ von den Scissor Sisters, der aktuelle Gute-Laune-Song schlechthin. Am frühen Nachmittag erreichten wir unser Ziel und es tat mir schon sehr Leid das schöne Wetter in diesem gigantischem Bunker außen vor lassen zu müssen.

Im Großen und Ganzen gab es auf den zwei Stockwerken dieselben Läden die ich nun schon abgeklappert hatte und außer 2 DVD´s („Matchpoint“, der beste Film des Jahres), drei Taschenbüchern und ein paar Drogeriesachen bei Boots (vor allem die pervers günstigen Medikamente; nein ich bin nicht abhängig) schlug ich kaum zu. Ein Zwischenstop bei Starbuck´s war mir heilig, ich beobachtete dort ein Neugeborenes bei dem ich nicht wusste ob Mensch oder Alien. Nach ein paar Stunden in denen bei mir keine Kaufstimmung aufkam und mein Freund wesentlich mehr geshoppt hatte als ich, kauften wir uns Roastbeef-Sandwiches und Handgeschnittene Chips bei „M&S“ und stiefelten wieder zum Lieferwagen.

War ja alles ganz nett aber ich hab schon mehr Rauschzustände ausgestanden. Aber es gehört schon noch zu den schöneren Malls, also bevor man mich schlägt…Die Rückfahrt war staufrei und schläfrig meinerseits und daheim gab es erstmal Pasta mit getrockneten Tomaten, Basilikum und Pinienkernen. Ein bisschen Esskultur muß es ja schließlich auch dann und wann über den Ärmelkanal schaffen 
Viel Zeit blieb jedoch nicht, da wir um 8 mit dem besten Freund meines Freundes in einem Pub in Crawley verabredet waren. Da ich ihn noch nie getroffen hatte, war ich schon leicht nervös und schminkte mich etwas sorgfältiger-frau will ja einen guten Eindruck machen. Er entpuppte sich als netter und geschwätziger Mittvierziger mit 2 Kindern. Da hätte ich ja schon wieder ausrasten können, nach über einem Jahr Beziehung erfuhr ich nun das er zwei Kinder hat! So was erzählt man doch vorher. Männer sind schon unzulänglich! Da wird immer vom Freund erzählt aber die für Frauen selbstverständlichsten Dinge wie Alter, Familienstand, Beruf werden einfach mal ausgeblendet nach dem Motto: Du hast mich ja nie gefragt! Hmmmpf, ich hatte schon wieder Stoff für ne Standpauke.

Wir gingen in ein malerisches Pub und ich muß gestehen, dies war mein allererster Pub-Besuch. Es handelte sich mehr um ein Restaurant mit Holztischen, Kerzenschein, Kamin und, schluchz, Rauchverbot. Ich fühlte mich gleich wohl und war mehr als erheitert als ich sah das der Freund Erdinger Weißbier trank. „Funny strong stuff“, nö, ziemlich normales Bier würd ich sagen. Ich wurde mit Carlsberg versorgt, echt britisch, haha. Mittlerweile war auch seine Frau zu uns gestoßen und wir plauderten sehr lebhaft und meine Redeanteile wuchsen mit jedem Schluck. Irgendwann gegen 11Uhr läutete dann noch ganz niedlich das Last Order Glöckchen und ich hatte 3 Pints intus. Ist mehr bedenklich des Harndranges wegen als des Alkohols…wir liefen (ich wankte leicht) noch mal zum Haus zurück, ich trank dort noch einen typisch britischen Instant Coffee und gegen Mitternacht machten wir uns wieder auf den Weg.

Hatte gar nicht wehgetan und war insgesamt ein rundum gelungener Abend. Bin ja immer dankbar auf ein gegenüber zu stoßen, dass auch gern redet, nichts ist schlimmer als diese Würmer-aus-der-Nase-zieh-Kanditaten. Achja, mit der erste Satz den ich bei ihm im Wohnzimmer zu hören bekam, war: „Ist this one of your 200 handbags?“. Mein Ruf eilt mir voraus, ahja*grins.
 
AW: Me and my fruitcake

Hallo Aurelia!
Es war mir wie immer eine Freude an deinen Urlaubserlebnissen Teil zu haben. :nod:
Bei deiner lebendigen Schreibweise, kommt es einem so vor als würde man neben dir sitzen, wenn du einzelne Situationen erlebst. Einfach einmalig! :lol:
LG Trine!
 
AW: Me and my fruitcake

Donnerstag

Heute sollte es wieder in die gleiche Richtung wie gestern gehen; nach „Wakehurst Place“ um genau zu sein. Vielleicht geht es nur mir so aber mir kommt der Begriff „Place“ in einer Sehenswürdigkeit irgendwie komisch vor… iss ja auch wurscht…Wir fuhren durch ein ganz bezauberndes Örtchen (dessen Name mir gerade entfallen ist) und ich beschloss mal wieder hier gerne ein Häuschen zu besitzen. Ohne viel Ahnung darüber zu haben was mich am Ziel unserer heutigen Reise erwarten würde, war ich doch ein weiteres mal über den schon mächtig gefüllten Parkplatz erstaunt. Auch das Infocenter mit großem und perfekt sortiertem Giftshop verhieß großes. Wir als National Trust Mitglieder konnten wieder kostenlos rein, was uns alleine dort schon wieder gut und gerne 9 Pfund pro Nase einsparte. So langsam fand ich anhand von meinem sofort gekauften Guidebook auch heraus was es hier alles zu sehen gab. Also: es handelt sich bei „Wakehurst Place“ um eine riesige Garten- und Landschaftsanlage. Man kann hier durch unterschiedlich angelegte Zonen spazieren (z.B. Alpen, Pinienwald, etc.) und wenn ich mich recht entsinne einem über 4 Kilometer langen Rundweg folgen.

Inmitten dieser herrlichen Landschaft liegt ein verhältnismäßig kleines Herrenhaus indem sich heute eine Ausstellung mit Hintergrundinformationen befindet. Ich schloß dieses Haus sofort ins Herz und malte mir im durchschreiten der sonnendurchfluteten Räumlichkeiten schon wieder aus wie viele Billy Regale hier an eine Wand passen würden…Wir folgten dem Rundweg nur teilweise und bummelten ohne feste Vorgabe durch das recht hügelige aber vor Pflanzenkraft nur so strotzende Areal.

Das Wetter machte einem Hochsommertag mal wieder alle Ehre und ich war schon wieder drauf und dran eine leicht sommerliche Hauttönung zu erreichen. Trotz der vielen Besucher verteilten sich die Menschen doch schell auf der Gesamtfläche und es war immer wieder möglich eine Viertelstunde lang in völliger Einsamkeit und Ruhe in einer Ecke zu sitzen und den Rotkehlchen zuzuschauen, einfach nur schön. Vor dem Haus gab es auch wieder einen kleinen Teich und auch hier hätte ein Mr. Darcy aus dem Nass steigen können*seufz...leider war kein Darcy zu sehen weit und breit, der Versuch sich in der Cafeteria niederzulassen scheiterte an der Schlange und wir gingen zur National Seed Bank.

Von diesem gigantischen Projekt hatte ich noch nie etwas gehört. In einem ultramodernen Trakt mit gläsernen Labors versuchen britische Forscher Samen von allen heimischen Pflanzen zu konservieren und die Gattung damit vor dem Aussterben zu bewahren. Soweit ich weiß, wird mittlerweile auch „ausländisches“ Material gesammelt, gereinigt, geröntgt und und und. Ich bin ja normal alles andere als ein naturwissenschaftlich begeisterungsfähiger Mensch aber dies hier interessierte und faszinierte mich wirklich. Was für ein Mammutprojekt! Und so viele Eigenarten der verschiedenen Spezies! Teilweise kam ich mir in diesem High-Tech-Trakt vor wie in einem Science Fiction Film. Blöd ist nur Freunde an diesem Erlebnis teilhaben zu lassen denn jeder der „Samenbank“ hört ist gleich ein Schelm und denkt böses dabei. Aber wie soll man denn Seed Bank unverfänglich übersetzen? Vorschläge bitte an mich.

Wieder draußen stand noch der Gift Shop auf dem Plan und ich kaufte dort eine hübsche gläserne Blumenvase in der Form einer Handtasche, Tulpenzwiebeln, Postkarten mit „meinem“ Haus drauf und noch ein paar verträumte Kinkerlitzchen. So ein üppiger Blumenstock wäre ja auch nicht schlecht gewesen doch ob die humorfreie Luftfahrtindustrie amused gewesen wäre?

Wir machten uns wieder auf den Heimweg und lauschten wieder der MP3-Sammlung meines Freundes die meinen Musikgeschmack nur bedingt trifft obwohl wir theoretisch zu bestimmt 60% dieselben CDs besitzen. Irgendwann dann der Knaller….“christmas time, misseltoe and wine. Children siiiiiiiinging…..“. Ja, die Menschen mit Hang zum bad taste haben es bereits erkannt. Cliff Richard´s nimmermüder Weihnachtsschlager. Auf den Hitparaden immer gleich nach „Last Christmas“. Üppig grüne Weiden die in Fluten von warmen Sonnenlicht schier ertrinken und als Stimme aus dem off der Peter Pan der Musikindustrie im Weihnachtsrausch. Um die volle Tragweite der Komik zu versehen muß man wissen, dass Cliff Richard ein Insider-Witz zwischen meinem Freund und mir ist. Er mag ihn nicht, ich mag ihn nicht, aber er verfolgt uns. Außerdem herrscht eine gewisse Namensähnlichkeit zwischen der beiden Nachnamen deswegen drohe ich immer damit mal einen kleinen Cliff in die Welt zu setzen*grins.

Wieder in Billingshurst kauften wir noch ein paar Kartoffeln (sollte auch ein alleinlebender Herr eigentlich immer im Hause haben), ich ertrug Kate Bush´s musikalischen Exzess nicht länger und bestand auf abdrehen des Players selbst eine Minute vor dem Ziel. Zu Hause gab es einen gammeligen Nachmittag; ich as Käsekuchen mit Erdbeeren aus dem Becher, trank genussvoll echten Bohnenkaffee, manschte meinen Frikadellenteig zusammen, schnibbelte Stangenbohnen und irgendwann war es dann doch wieder Abend und es gab gutbürgerliche Frikadellen mit Bohnengemüse und Kartoffeln. Eine eigene Küche im Ausland ist doch was schönes 

Wir machten uns vollgefressen noch mal auf den Weg zum IKEA in den Großraum London, genauer gesagt in Croydon. Ich hab immer tierischen Spaß an fremdländischen IKEAs und bei meinem ersten Besuch hatte ich einen dermaßen hysterischen Kicheranfall in der Küchenutensilienabteilung das wohl jeder dachte ich sei auf Droge. Mittlerweile hat sich diese Euphorie leider etwas gelegt und ich freute mich einfach so.

Im Radio dann die große Bekanntgabe; die Sicherheitsrichtlinien für das Handgepäck waren gelockert worden. Ich atmete auf, vielleicht konnte ich ja doch wieder ungehindert einkaufen!? Was folgte war ein großartiges Beispiel von Großzügigkeit und Ironie. Musikinstrumente und ein Lippenstift durften von nun an wieder ins Handgepäck! In diesem Moment überlegte ich mir ernsthaft in London eine Gitarre zu kaufen, einfach aus Prinzip…ein Lippenstift! Großzügigkeit dein Name sei Baa (die hiesigen Flughafenbetreiber, bei denen auch mein Freund arbeitet). Ich weiß nicht warum mich diese Sache so aufregte, aber meine Laune war im Keller und ich ertrank in Selbstmitleid und Hassreaktionen („Dann erfinde ich eben den ersten Killer-Lippenstift“ war noch die harmloseste, die anderen verschweige ich an dieser Stelle lieber sonst bekomme ich noch das BKA, das FBI, Scotland Yard und Kosorten auf den Hals gehetzt).

Mein Freund ist bei den „Schuldigen“ angestellt also damit das ideale Opfer an dem ich meinen Frust über nur ein Stück Handgepäck auslassen konnte. Vorm IKEA musste ich erstmal eine rauchen und meine Wuttränen unterdrücken; ich glaube ich bin teilweise ein ganz schön überspanntes Wesen…Im IKEA gab es nichts neues, ich hatte mich nun sowieso darin verbissen nur noch die Unterschiede zu sehen und keine Gelegenheit auszulassen die moralische Überlegenheit von Deutschland zu demonstrieren.

Dafür, daß es schon 9h abends war, hatten noch viele Menschen den Weg hier in die zugebaute Einöde gefunden. Ich kaufte fast nix da die Spaßbremsen am Flughafen mir jede Hoffnung genommen hatten und wurde nur noch genervter als meine „bessere“ Hälfte permanent am Handy hing. Ok, dann bin ich eben überflüssig und nutzlos und gleich wein ich und dann wirste ja sehen…nur um an dieser Stelle wenigstens noch ein paar Sympathien der lesenden Herren zu retten; ich bin nur manchmal so*lach. Und warum ich so bin weiß ich selbst nicht. Aber ein schlechtes Gewissen machen ist eine meiner Königsdisziplinen. Und sobald ich wieder im Mittelpunkt stehe und betüdelt werde, raste ich auch wieder ein*lach.

An der Kasse fand ich ein paar Pennys die ich wie immer auch begierig aufsammle und im Schweden Shop versorgte ich uns mit den nötigen Dingen wie Haferkekse mit doppelter Schokolade, Apfelkuchen, Marabou Schokolade. Auf der Rückfahrt beruhigte ich mich langsam wieder und daheim war ich dann auch wieder in erträglicher Verfassung (soll nicht heißen, dass ich nicht immer noch über den unschuldigen Lippenstift mit der fatalen Wirkung nachdenke*lach).
 
AW: Me and my fruitcake

Hi Aurelia.
Die Vase ist echt der Knaller.:nod: Richtig was für Mädchen. ;)
LG Trine!
 
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Freitag

Der Wecker für meinen Freund klingelte schon zur unbarmherzigen Zeit von 5.30h…ich genoss das Gefühl liegen bleiben zu dürfen und dem anderen das Leben mal wieder so richtig schwer zu machen. Aber wie fast immer wenn man sich denkt: nun mache ich es mir noch mal so richtig gemütlich, bleibt man dann selbst auch wach und so ging ich duschen, schrieb ein paar Mails, frühstückte spärlich und kam mir im Bademantel unglaublich verwegen vor. Nachdem ich geschätzte hundertmal meine Tasche auf die Vollständigkeit ihres Inhaltes hin überprüft hatte, ging ich zum Bahnhof und nahm den ersten Zug nach 9h um nicht den teureren Pendlertarif zahlen zu müssen.

Die Fahrt war geruhsam, zumindest die Teile an Anfang und Ende in denen ich nicht geschlafen habe. Eigentlich schon unverantwortlich aber ich konnte mich nicht wach halten und der Gedanke an meinen arbeitenden Mann machte mich nur noch müder, aus falsch verstandener Solidarität*grins. Kurz vor halb 11 erreichte ich Viktoria Station und ich peilte schnurstracks die U-Bahn an um erneut nach „Green Park“ zu gelangen.

Ich hatte mir schon am Flughafen ein Faltblatt über Stadtrundgänge, die alteingesessenen und anerkannten „London Walks“ beschafft. Das alles klang ganz genau nach meinem Geschmack und eine Tour war spannender als die andere. Ich hatte mir alle passenden Anfangszeiten und Startpunkte notiert und wollte spontan entscheiden ob es mich örtlich und zeitlich zu „Royal London“, „Da Vinci Code“, „Legal and Illegal London“ oder „Secret London“ verschlagen würde. 10.45h „Green Park“ für Royal London and Westminster schien perfekt in meinen Plan zu passen und als ich um 10.43h am Treffpunkt vorm Hotel Ritz ankam, haute ich mir selbst auf die Schulter wegen meiner vorzüglichen Einteilung.

Mein Vorhaben war, dass ich mir erst aus der Ferne, Größe und Beschaffenheit der Truppe anschauen wollte bevor ich „jointe“. Ich habe immer panische Nagst davor die einzige (seht her, ich schreibe nicht „einzigste“, ein Fehler der mich bei anderen eines Tages noch in den Wahnsinn treiben wird) zu sein und dann in peinliche Situationen zu geraten. Jemand der schon mal alleine in einem Kino saß wird verstehen was ich meine…diese Angst ist in einer Stadt wie London natürlich vollkommen unbegründet und die Gruppe bestand aus sicherlich 70 Menschen aller Alters- und Interessenschichten. Ich zahlte meinen Obolus von 11Pfund bei einem der Guides (alles ausgewiesene Experten auf ihrem Gebiet) und bekam einen neckischen Klebepunkt aufs Revers. Normal kosten die Touren nur 5 Pfund für Studenten und 6Pfund für richtige Menschen aber dies hier umfasste auch schon den Eintritt für Westminster Abbey. So günstig kommt man dort sonst nicht rein kann ich nur sagen!

Die Gruppe splittete sich mehr oder minder freiwillig in zwei hälften, ich erwischte den Schnuckelguide. Duncan, Schotte und abgesehen von einer nicht vorhandenen Frisur ein gereifter Robbie Williams. Unglaubliche Augen hatte der Mann, alleine das Grund genug diese Tour mitzumachen. Pünktlich zu den einleitenden Worten fing es an zu tröpfeln, zum Glück hatte ich nen Schirm eingepackt. Mein Schirm war übrigens leuchtend apfelgrün während Duncans schwarz war…eigentlich ungeschickt oder? Oft wünsche ich mir ich wäre schlagfertiger und offener und hätte mich auf diese Art und Weise schnell an ihn „rangemacht“ ;-)

Schon bei unserer ersten Station im Green Park gab er uns eine Fülle spannender Infos mit auf den Weg und ich war mir schon absolut sicher die denkbar beste Wahl getroffen zu haben. Es ging vorbei an Spencer House, dem ehemaligen Stadthaus der Familie Lady Di´s. Dann am Palast in dem die Queen Mum residierte und nun Charles und Camilla zu Hause sind. Es hatte sich zwar noch nicht eingeregnet, aber die Waschlappen von Wachsoldaten sagten trotzdem den Wachwechsel ab. Sissys! Trotzdem erlebten wir den Einmarsch der Truppe noch aus der ersten Reihe und eigentlich passiert beim echten Wachwechsel auch nicht gerade viel mehr. Interessant fand ich, dass die Herren bei genauer Inspektion gar nicht so stur geradeaus blicken wie man immer annimmt. Man schnappte vom Straßenrand durchaus den ein oder anderen neugierigen Seitenblick auf. Ach, Männer in Uniform…immer wieder eine Augenweide, schmacht…es wurden viele Fragen zur Monarchie und zur Garde beantwortet und Duncan erwies sich auf diesem gebiet als echte Fundgrube. Das Thema war genau zu diesem Zeitpunkt auch in aller Munde da zuvor Prince William seinen Entschluss in die Army einzutreten bekannt gegeben hatte. Wird man ihn behandeln wie einer von vielen? Was passiert wenn…? Viele Fragen; ich bedauerte einmal mehr in einem Land ohne Monarchie leben zu müssen.
 
AW: Me and my fruitcake

Hallo und Moin, Moin Aurelia!

Ich sage mal wieder ( zum wievielten Male eigentlich ??? ) DANKE !!!
Wie immer sehr schön zu lesen !!!


Gruß - Asterixinchen :)
 
AW: Me and my fruitcake

Es schien sich so langsam einzuregnen aber tapfer marschierten wir vorbei an einem Denkmal von Queen Victoria, dem Pub „Two Chairmen“ das nach den Sänftenträgern benannt wurde und irgendeiner EU Behörde. Ja, da unsere Gruppe hauptsächlich aus Australierinnen bestand, hatte sogar die blaue Fahne mit den goldenen Sternen etwas exotisches. Am Eingang zu Westminster bekamen wir alle einen Anstecker und passierten die Wachen, froh endlich dem Regen zu entkommen.

Innen hagelten die spannenden Geschichten nur so auf mich ein und ich bin wirklich überrascht wie viel ich davon noch behalten habe; ein eindeutiges Kompliment an Duncan! Westminster Abbey ist die royale Kirche und nimmt schon alleine deswegen eine Sonderstellung ein, da der Chef hier (Bischof? Priester? Whatever…)nicht vom Bischof von Canterbury sondern der Queen höchstpersönlich ernannt wird. Die Kirche selbst ist ja meist durch die berühmte erste TV Krönung von 1953 bekannt. Ich empfand sie als relativ klein, der Eindruck kann aber auch von der Vollgestopftheit her rühren.

Der Boden und die Wände sind gepflastert mit Grabmälern oder Gedenksteinen; besonders das Grab von Isaac Newton dürfte aus Sicht der populären Belletristik mittlerweile ja gut bekannt sein*lach. Queen Elizabeth I. liegt im gleichen Sarkophag zusammen mit ihrer Erzrivalin und Halbschwester Mary, Queen of Scots, makaber finde ich…Charles Dickens liegt hier, Henry Purcell, etc. etc….Churchill weigerte sich noch zu Lebzeiten (na ja, als Toter wäre auch ungewöhnlich) hier begraben zu liegen, mit der Begründung, dass ihm im Leben niemand auf der Nase rumtanzen durfte und im Tod dann erst recht nicht.

Ich kam aus dem Staunen nicht mehr raus und merkte wie viel mehr man mit einer guten Führung doch kennen lernt. Auch die einzelnen Ritterswappen auf den reservierten Sitzbänken, die Fahnen, die Helme, die tolle gotische Decke…ein Wunder, dass dieses Bauwerk den Lauf der Geschichte überlebt hat. Selbst der alte Krönungsthron ist noch da. Ein sehr unspektakulärer, von bösen Schulkindern verkratzt und beschrifteter Holzstuhl…der Krönungsstein der schottischen Könige ist darin nicht mehr enthalten. Der wurde von John Major seinerseits wieder nach Schottland geschickt in der Hoffnung Wählerstimmen zu erhalten. Gebracht hatte es 1997 ja bekanntlich nüschts…

Man sieht schon, Geschichte an Geschichte, gerade für Leute mit zumindest rudimentärem Geschichtswissen sind hier einige Aha-Erlebnisse garantiert. Als Duncan dann noch auf anstehende Krönungen von King Charles und King William ansprach wurde mir erst mal wieder deutlich wie eng hier Jahrhunderte alte Tradition mit real existierenden Menschen verknüpft ist. Ich hätte von hier aus direkt in den nächsten Buchladen gehen können und mir dicke Wälzer anschaffen die ich dann doch so schnell nicht lesen würde…

Nach fast 2 ½ Std. war die Tour beendet und nur schweren Herzens ließ ich dieses Prachtexemplar von Mann wieder in den unendlichen Weiten von London verschwinden. Eine Frage (von vielen) brennt mir nach wie vor auf den Nägeln; warum wird Queen Mum teilweise als Queen Elizabeth erwähnt?? Sie war doch nur „Gattin“ und da bleibt man doch Prinzessin, oder? Sonst wäre Prince Philipp ja auch King. Und die heutige Lisbeth die III. und nicht die II….über sachdienliche Hinweise bin ich äußerst dankbar!

Ich ging wieder raus in den Regen (nicht ohne im Bookshop noch ein Guidebook zum Vertiefen gekauft hatte) und steuerte die nächste Tube-Station an. Big Ben im Regen, eigentlich ist dieses Wetter ja wie gemacht für London und hat seinen besonderen Reiz. Vor den Houses of Parliament ist auch immer noch die One-Man-Demo gegen den Irak-Krieg „installiert“. Der gute ist der einzige der noch die Genehmigung hat so nahe am Parlament zu demonstrieren und er nutzt dies seit Jahren kräftig aus.

Ich stieg in die Circle Line ein und fuhr einige Stationen mit Ziel Notting Hill Gate. Die Hitze in der Bahn war schier unerträglich. Mit der linken Hand hielt ich mich fest, mit der rechten bewachte ich mein Hab und Gut in der Tasche und auf meiner Stirn bildeten sich die ersten Rinnsale. Super, wenn man sich dann noch nicht mal durchs Gesicht fahren kann, wollt nicht wissen wie ich da aussah! Schweißgebadet stand ich am Anfang der Portobello Road und kaufte mir bei Boots erstmal ganz vernünftig ein Mexican Chicken Wrap, einen Rüblikuchen und eine Cola.

Auf der Portobello Road vollbrachte ich dann irgendwie das Kunststück mit Schirm in der Hand den Wrap auszupacken und im Gehen zu essen. Habe schon gemütlicher diniert aber in der Not…Notting Hill ist einfach toll. Ich gehöre noch nicht mal zu denen die den Film lieben (da macht schließlich Julia Roberts mit und das ist Grund genug den Film zu verabscheuen) und trotzdem wirkt der Charme der kleinen Trödelläden, ordentlichen Stadtvillen und bohemehaften Hinterhöfen. Mein Lieblings-T-Shirt hängt dort immer noch im Schaufenster: „Don´t panic, I´m islamic“. Hatte bisher nicht den Mut es zu erwerben aber die Wirkung am Flughafen ist bestimmt „bombig“, haha.

Ich ging wieder in den vornehmer aussehenden Straßen auf und ab in der Hoffnung einen Star zu sehen, hatte aber kein Glück. Oder es waren Stars die ich nicht kenne, was in England ja auch leicht möglich ist. Hier eines Tages einen kleinen, schick-gammligen Vintage Laden aufmachen, das wäre doch ein echter Lebenstraum meint ihr nicht?

Bei einem winzigen Starbuck´s machte ich halt und erhoffte mir wenig Chancen auf einen freien Sitzplatz. Aber auch hier war das Glück mir holt und ich hatte einen ganzen Tisch am Fenster für mich alleine! Hier konnte ich erstmal trocknen, meinen Kuchen essen, einen Cappuccino trinken (komisch, hier war „tall“ wie „short“ in Deutschland, sonst ist das hier immer größer), SMS schreiben und weiter vergeblich auf Prominenz hoffen. Nach einiger zeit in der ich mich so verdammt gut und cool fühlte, also der typische Starbuck´s Effekt, ging ich etwas planlos weiter und stieg in den Bus Richtung Oxford Street. An der Haltestelle assistierte ich noch einem rothaarigen Schrank von Mann der sein Regencape überzog und nicht wusste wohin mit dem iPod. Ich muß doch ziemlich vertrauenswürdig aussehen…

Der Bus war noch angenehm leer, die Scheiben leider beschlagen und ich machte es mir im oberen Stock gemütlich. Blöderweise gerieten wir in einen ziemlichen Stau und als wir an einer Kreuzung dann 10Minuten standen wurde ich zunehmend ungeduldig, schließlich ran mir wertvolle London-Zeit durch die Finger und meine Planung wurde über den Haufen geworfen. Ich verfolgte fasziniert die Werbe- und Infobotschaften auf dem Fernseher im Bus. Britney Spears ist demnach ein Anagramm von Presbyterians! Welch eine Verschwörungstheorie! Nach einer viel zu langen dreiviertel Stunde war ich froh auf der Oxford-Street zu sein und dem Stop and maybe Go zu entrinnen.

Nur war ich nun auf der Shopping-Meile und da wollte ich hier eigentlich zuletzt hin. Ich konnte ja nicht widerstehen und bummelte im Eiltempo (kann man im Eiltempo bummeln?) durch Selfridges, Dorothy Parker, Wallis und Accessorize. Dort tätigte ich dann auch meinen Londoner Alibi Kauf in Form von ein paar Sechziger Jahre Ohrringe und einer Petrol farbenen Kunstledertasche mit goldener Trense. Es war nun schon nach 17h und ich wusste, dass die Royal Academy um 18h schließt. Schöne Bescherung, seit Monaten hatte ich eingeplant mir die Modigliani Ausstellung anzuschauen.

Ich hetzte hin um wenigstens den Museumsshop noch rechtzeitig zu erreichen. Im Innenhof war es ziemlich voll und verdutzt fragte ich an der Kasse noch mal nach den Öffnungszeiten. „Freitags immer bis 22h“, jubel! Mein ohnehin schon toller tag war mehr als gerettet! Ich zahlte meinen Eintritt (ich kann ja nicht einfach in ein gratis Museum gehen, nein) und durfte mit Einkaufstüte und allem in die Ausstellungsräume hoch.

In insgesamt drei Räumen waren die Bilder zu „Modigliani und seine Modelle“ präsentiert und ich war hingerissen. Seitdem ich mich mit Malerei und Kunst beschäftige, habe ich immer schon eine Vorliebe gerade für seine Aktmalereien gehabt. In echt übertrafen einige Werke alles, die Farben, einfach fantastisch! Ich sparte mir den Audio-Guide und zog auf eigene Faust mehrfach durch die Ausstellung. Vor einigen Bildern gönnte ich mir auch den Luxus mich zu setzen und mich länger auf das Bild einzulassen. Es war ziemlich voll hier, natürlich auch Deutsche und ich beneidete alle die hier wohnten. Die nämlich konnten sich richtig schick machen und angemessen übers Parkett stöckeln. Ich kam mir so verdammt underdressed vor und fand es so traurig, denn hier hätte man sich mal richtig mutig stylen können…aber auch gerade das wirkte auf mich wieder ungeheuer inspirierend.

Nach einer guten Stunde verließ ich schweren Herzens diese wunderbaren Gemälde und ging in den Museumsshop. Ich gönnte mir einen Druck, den Ausstellungskatalog (auch wenn ich den später sicher für Heller und Pfennig bei zvab bekäme*seufz) und trat die Rückreise an. Mittlerweile schien die Sonne auch wieder und ich fuhr mit der U-Bahn wieder ab Green Park hin zu Viktoria um dort einen Zug nach Gatwick zu bekommen. Entweder man bekommt einen Ort in einer Stadt nie zu sehen oder man ist dort gleich 3mal innerhalb einer Woche, gell?

Pünktlich zum Dienstschluss kam ich am Flughafen an und konnte mit meinem Freund die restliche Heimreise per Auto antreten. Die Kollegen bekamen bestimmt den richtigen Eindruck wenn ich mit Shoppingtüten reinplatze und was von Kunstausstellung und Royal Westminster fasele, aber ich falle manchmal ja gerne negativ auf*lach.
Zu Hause bastelte ich etwas chinesisches mit Rindfleisch, und allen Gemüseresten aus dem Kühlschrank und wir packten schon mal ein paar Sachen für unser langes Wochenende in Wales ein. Ich hatte kein besonders gutes Gefühl bei der Sache, zu wenig geplant erschien mir die Sache und zu wenig Hintergrundinfos wurden mir freiwillig offenbart (wo fahren wir hin? Wie sind die Leute so drauf? Was werden wir machen? Was werden wir essen?)…
 
AW: Me and my fruitcake

Hallo Aurelia.

Es macht wirklich Spaß mit dir durch London zu laufen. Du machst einem richtig Lust auf diese Stadt. Freue mich jetzt schon auf deine Erlebnisse in Wales.

LG Trine!
 
AW: Me and my fruitcake

Samstag
Nach dem Frühstück stellte ich zufrieden fest, dass der Kühlschrank weitgehenst frei von verderblichen Waren war und so schmissen wir eine Unmenge an Utensilien ins Auto, angefangen von Weinflaschen als improvisiertem Gastgeschenk, über Süßigkeiten, hin zum Kater in seiner Transportbox. Erstmal wurde Tiger zur Mutter meines Freundes in sein Feriengehege im Garten gebracht, dann fuhren wir nach Crawley ein Päckchen abholen und dann waren wir auch erstmal im Stau auf der beliebten M25 Richtung Heathrow.

Ein ganz schlechter Start, wenn man somit schon 2 Stunden on the road ist ohne sich auch nur in kleinster Weise aus den heimatlichen Gefilden entfernt zu haben.
Die Autobahn war voll mit Deutschen und ich hätte gerne wieder allen grundlos zugewunken…diesmal nahm ich die Musikauswahl vor und so geschah es, dass wir bis zur Raststätte mit ausschließlich deutscher Musik beschallt wurden, ich kenn da nix und im Ausland ist Patriotismus in Maßen ja auch ganz unterhaltsam. Es gab „Juli“, dann „Falco“…“Vienna calling“ hat etwas surreales wenn man gerade den fast westlichsten Zipfel Europas ansteuert. Die Raststätte kam gelegen denn ich litt unter Hunger, Nikotinmangel und musste aufs Klo. In diesem Mikrokosmos gab es zur Abwechslung mal einen KFC. Juchhu!

Meine Freude wurde je unterbrochen…was sollte das denn? Es gab Hähnchenteile, logisch, aber es gab ansonsten nur Pommes! Wo war mein heißgeliebter Krautsalat? Wo der seelenerwärmedne Kartoffelbrei?? Eine Salatbar erwartete ich ja schon gar nicht mehr…ich war ziemlich verzweifelt und wollte doch einfach nur das normale Nuggetmenu. Als ich die profane Pappbox öffnete, war auch gleichzeitig meine schlechte Laune entfesselt. Auf mich warteten zwei kleine Hühnerstücke mit Knochen und eine Tüte ungesalzener Fettstängel…Ich hatte doch gesagt ohne Knochen! Wenigstens Mayo wäre doch drin gewesen, oder? Von was sollte ich denn satt werden? Außerdem, warum keine Teller, kein Besteck? Ich hasse es mit den Fingern zu essen! Ich as so stinkig wie selten, sprach leise Verwünschungen gegen das englische Volk im allgemeinen und den Mann an meiner Seite im besonderen aus und bekam nur noch mehr Hunger. Nie wieder würde ich experimentieren. Von nun an dann eben nur noch McDonalds, die Gurke auf dem Cheeseburger hat mehr gesunden Nährwert als dieser Witz hier. Um meine Stimmung incl. Wuttränen zusammenzufassen: eine dreijährige in der Trotzphase die übermüdet ist und der man gerade das Spielzeug weggenommen hat.

Wieder im Auto protestierte ich weiter indem ich einschlief und erst einige Songs auf unserer „Basement Jaxx“-CD später wieder aufwachte. Bald erreichten wir Bath. Hier wollten wir stoppen und uns die Stadt ansehen. Die Landschaft, ich glaube die Cotswolds, war herrlich und der Park und Ride schnell gefunden. Was für eine Wohltat wieder an der frischen Luft und in der Sonne zu sein. Ich war wieder lieb und freundlich und wir ließen uns vom Doppeldecker ins Zentrum schaukeln, vorbei an grauen Stadthäusern die gänzlich anders aussahen als ich sie bisher im Land gesehen hatte.

Ein Blick auf die High Street im samstagnachmittäglichen Trubel und ich war mir sicher: hier gefällt es mir! Wir kauften bei einem fliegenden Händler Fossilien die wahrscheinlich so gar nichts mit der Region zu tun haben und ich genoss den Trubel inklusive der Straßenmusiker. Schon standen wir vor der Kathedrale und dem Eingang der Roman Baths.

Innen empfing uns eine pompöse Halle, typisch für die Bäder- und Trinkhallen in Städten mit Heilquelle (ich komme aus Wiesbaden, ich weiß bescheid). Ich hatte mich über die Sehenswürdigkeiten hier noch gar nicht so wirklich schlau gemacht und war dann doch über den hohen Eintritt hier überrascht. Na ja, wir können ja schlecht hierher gekommen sein um die hundertste Filiale von Monsoon zu besuchen. Der Audio-Guide war im Preis inbegriffen und ich ergriff die Chance mir die Kommentare auf Deutsch anzuhören. Ein Fehler…nicht, dass nur die Hälfte aller sachdienlichen Hinweise in einer Fremdsprache verfügbar waren, nein, die Stimme! Ich kämpfte mich einige Zeit brav durch den endlosen Wortschwall gespickt mit ach so authentischen Hintergrundgeräuschen und erfrischenden Jahreszahlen aber irgendwann fragte sich dann auch mein Freund warum ich mich ständig vor Lachen bog.
Soo einen Unterhaltungswert haben antike Stätten ja normalerweise auch nicht. Mein Kommentar wurde von einem Herrn gesprochen der frappante Ähnlichkeit mit keinem geringeren als Klaus Kinski aufwies. Was für ein Aufwand muß es doch gewesen sein sich beim Vorlesen so lange die Nase zuzuhalten! In der Hälfte der Tour kapitulierten mein Zwerchfell und ich und meine Abneigung gegen Audio-Guides ist damit ein weiteres mal bestätigt worden.

Doch zurück zum Anfang, dem eigentlichen Anlass dieses Exkurses. Wir befanden uns in einer ehemaligen Badeanlage die noch auf den römischen Grundmauern stand. Die Römer hatten die (einzige) heiße Quelle hier entdeckt und sofort einen großen bedeutenden Tempel und dieses Vergnügungsbad errichtet. Hier konnte man sich mit allen Ritualen reinigen, Wein trinken, Snacks essen und mit einer möglichst langen Aufhaltedauer im Wasser demonstrieren: „Seht her, ich bin reich und lasse für mich arbeiten“. Mich erinnere bei der Gelegenheit immer gerne an „Life of Brian“*grins.
 
AW: Me and my fruitcake

Hallo Aurelia!

Es ist mal wieder mein Highlight des Tages einen Teil einen weiteren teil deines Berichtes zu lesen. Hoffentlich geht es bald weiter!

diesmal nahm ich die Musikauswahl vor und so geschah es, dass wir bis zur Raststätte mit ausschließlich deutscher Musik beschallt wurden, ich kenn da nix und im Ausland ist Patriotismus in Maßen ja auch ganz unterhaltsam. Es gab „Juli“, dann „Falco“…“Vienna calling“ hat etwas surreales wenn man gerade den fast westlichsten Zipfel Europas ansteuert.

Ein bißchen gesunder Patriotismus ist immer gut. ;) Und ein bißchen gute deutsche Mucke wird auch keinem Engländer schaden. :nod:

Meine Freude wurde je unterbrochen…was sollte das denn? Es gab Hähnchenteile, logisch, aber es gab ansonsten nur Pommes! Wo war mein heißgeliebter Krautsalat? Wo der seelenerwärmedne Kartoffelbrei?? Eine Salatbar erwartete ich ja schon gar nicht mehr…ich war ziemlich verzweifelt und wollte doch einfach nur das normale Nuggetmenu. Als ich die profane Pappbox öffnete, war auch gleichzeitig meine schlechte Laune entfesselt. Auf mich warteten zwei kleine Hühnerstücke mit Knochen und eine Tüte ungesalzener Fettstängel…Ich hatte doch gesagt ohne Knochen! Wenigstens Mayo wäre doch drin gewesen, oder? Von was sollte ich denn satt werden? Außerdem, warum keine Teller, kein Besteck? Ich hasse es mit den Fingern zu essen! Ich as so stinkig wie selten, sprach leise Verwünschungen gegen das englische Volk im allgemeinen und den Mann an meiner Seite im besonderen aus und bekam nur noch mehr Hunger. Nie wieder würde ich experimentieren. Von nun an dann eben nur noch McDonalds, die Gurke auf dem Cheeseburger hat mehr gesunden Nährwert als dieser Witz hier. Um meine Stimmung incl. Wuttränen zusammenzufassen: eine dreijährige in der Trotzphase die übermüdet ist und der man gerade das Spielzeug weggenommen hat.

Da bekommt man ja richtig Mitleid mit dir. Aber herrlich geschrieben, ich hab mich kringelig gelacht. :lol:

LG Trine!
 
AW: Me and my fruitcake

Hallo Aurelia,
zur Vase schweige ich lieber :roll: :lol: ....

...aber
ob Royaltour, Landpartien oder KFC ohne Kartoffelbrei...
Es hat wieder Spaß gemacht, deine Erlebnisse und Gefühlslagen mit zu verfolgen:thumbup:

Gruß von gengarde
 
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