Pasticcio romano - römisches Durcheinander

Es ist wirklich herrlich mit euch Romprofis mitzulesen und Eindrücke durch die tollen Fotos zu bekommen.
Bald kann ich mir ja vieles mit eigenen Augen ansehen.
Vielen Dank
 
Ist das (freche) Lachen in dieser Situation nicht pietätlos?

:D Ich glaube nicht, Ludovico, ich hatte eher den Eindruck, das fröhlich-freche-gewitzte-verschmitzte Lachen der Schwestern hatte eben seinen tiefen Grund in dieser letztendlich "Erlösungsgeschichte" - die "Weitsicht" darauf, wie Du so schön schreibst. ;)

Pasquetta, beim Lesen dieses Berichtsteiles kommt Freude auf. Ich werde diese Fotos wohl auch genießen dürfen.

Mach' das :nod:, es macht Spaß - und vielleicht magst Du dann auch unbekannterweise einen Gruß an Deinen Schwager ausrichten ;) .
 
Es ist wirklich herrlich mit euch Romprofis mitzulesen und Eindrücke durch die tollen Fotos zu bekommen.
Bald kann ich mir ja vieles mit eigenen Augen ansehen.
Vielen Dank

Das freut uns - und im konkreten Falle mich -, dass Du gerne unsere, manchmal schon etwas "speziellen" ;), Rom-Eindrücke teilst und sie Dir vielleicht sogar die Vorfreude auf Rom vergrößern.
Gruß
Pasquetta
 
Auch an nummis durensis Dank für die Rückmeldung und bzgl. Schiffchen kann ich nichts Genaueres sagen. Auch mir haben diese Fragmente einfach nur gefallen. (Apropos Schiffchen: die Nemi-Schiffe kommen später auch noch dran :~ :].)

Lach... nein, das war ja auch keine Frage meinerseits - Portunus ist und bleibt eine Legende. Ich mag deine 'Detailarbeit' sehr und freue mich auf weitere Schiffchen (nicht ganz neidlos)... ;)
 
Sonntagnachmittag – Ausflugszeit: ein buntes pasticcio, ein fröhliches Durcheinander ergibt sich, wenn der erste Sonntag im Monat - Mai - ist und freier Eintritt in die staatlichen Museen und archäologischen Sehenswürdigkeiten.


Für uns steht ein Ausflug nach Tivoli in die Villa Adriana an. Es ist schon über zehn Jahre her, dass ich das letzte Mal dort war, damals an einem regnerischen Ostermontag an dem es hieß, überhaupt einen begehbaren Weg zwischen den Wasserpfützen auf dem Gelände zu finden. Tivoli war die letzten Jahre immer gleichbedeutend mit einem Besuch in der Villa d'Este, aber auch ihr soll an diesem Maisonntag noch ein kurzer Besuch abgestattet werden.


Heute strahlt die Sonne von einem frühlingsblauen Himmel und Groß und Klein ist unterwegs, Familien mit Kindern, Pärchen und kleine Gruppen junger Leute, die am Wegrand oder unter Bäumen und bei Ruinen auf den Wiesen lagern, Touristen sind trotz der Sehenswürdigkeit des Ortes in der Minderzahl.


Die Bürger nehmen die Ausgrabungen „in Besitz“, wenn Kinder das wörtlich nehmen kann man darüber geteilter Meinung sein, aber Vater Nil und die anderen Steinfiguren rund um den Kanopos werden es aushalten – und dürften sowieso Nachbildungen sein. Wenn man das ganze Areal schon mal anders erlebt hat, für sich fast allein erkunden konnte, dann ist es recht amüsant die Villa Adriana auch mal so zu erleben.

Unser Spaziergang in dem ganzen Durcheinander hat immer wieder interessante Haltestellen. Nur ein paar davon möchte ich hier auswählen. Es ist einiges „neue Alte“ dazu gekommen zu „früher“ – oder erinnere ich mich nur nicht mehr so genau? Auf alle Fälle ist es sehr schön, was übrig geblieben ist von dem, was der reiselustige Kaiser Hadrian sich als „Reiseerinnerung“ hier auf seinem Villengelände in Tibur bauen ließ. Seine Vorlieben für römische, griechische und ägyptische Schönheiten hat er gut in Szene setzen lassen um sich auch in heimatlicher Landschaft daran zu erfreuen oder wollte er die Größe, den Reichtum und die Macht seines Imperiums andeuten?

Ein kleines pasticcio von Eindrücken, ganz ohne Anspruch auf Vollständigkeit oder Gewichtung auf das, was besonders sehenswert wäre. (Dazu gibt es anderweitig eindrucksvolle Beschreibungen und Bilder, auch hier im Forum.)

Es gibt ein „griechisches Theater“, das eigentlich die Form eines römischen hat und sich mit seiner halbkreisförmigen cavea harmonisch in die Landschaft einfügt (auch wenn nicht mehr viel davon zu erkennen ist).


Die Philosophenmauer – so haben wir diese verbliebene, 9 m hohe Mauer immer genannt. Hier konnten die „Philosophen“ sommers wie winters, bei Sonne und Regen, gut geschützt unter einem Kolonnadengang hinauf und hinab spazierend, ihre philosophischen Ansichten diskutieren. Waren sie sieben Mal diesen Rundweg gegangen, dann hatten sie sogar den von den römischen Ärzten empfohlenen Spaziergang nach dem Essen von ca. 3 km zurückgelegt.


Der Poikile – Griechenlands bunte Säulenhallen waren Vorbild - öffnete sich auf den großen Empfangshof mit Wasserbecken. Wo früher sich die Säulen befanden hat man heutzutage „säulenartige“ (Lorbeer-:?:) Bäume gesetzt.


Dienstbare Geister – oder für hier eher Sklaven – sollten so unsichtbar sein wie möglich. Die Lösung dafür: das Gelände unter der riesigen Terrasse untertunneln und das ganze für den Kaiser, seine Gefolgschaft und seine Gäste zuständige „diensttuende Volk“ dort auf mehreren Etagen in den sogenannten „cento camerelle“ unterbringen und ihre Arbeit im Untergrund ausführen lassen.



Würde man die unterirdische Strada carribile in die heutige Zeit übertragen, könnte man sagen, hier gab es bereits eine „Metro“: der größte Tunnel war fünf Meter breit und bot genug Platz für zwei Wagen nebeneinander. So konnten problemlos und ohne die Herrschaften „zu stören“ z.B. Waren angeliefert werden. Bei der Größe der Villa gab es dort unten sicher regen Verkehr und wie die Sklaven und anderen Bediensteten in den kleinen Räumen arbeiten und hausen mussten hat wohl wenig interessiert.


Um sich zu unterhalten, zu diskutieren und zu entspannen oder auch sich körperlich zu ertüchtigen brauchten der Kaiser und seine Gefolgschaft auch in Tivoli nicht auf einen Thermenbesuch zu verzichten. Es gab die großen Thermen – die vor allem den Wachmannschaften und oberen Dienstpersonal vorbehalten waren - und die prächtiger ausgeschmückten kleinen, die für den Kaiser und seine Gäste bestimmt waren.


Besondere Beliebtheit bei den Besuchern der Villa Adriana erfreut sich auch an diesem eintrittsfreien Sonntag der Canopus.


Das schmale Wasserbecken, gesäumt mit Karyatiden und anderen Figuren, erinnert an den Kanal, der in Ägypten die Stadt Kanopus mit Alexandria verband und ist somit wieder ein Hinweis auf Hadrians ausgedehnte Reisen durch die römischen Provinzen.



Der Kanal von Kanopus führte auf ein Serapis-Heiligtum zu, dessen Orakel Hadrian mehrmals befragt haben soll. Der Tod von Antinoos, dem geliebten Jüngling, Günstling und Schutzbefohlenen Hadians, soll von diesem Orankel vorhergesagt worden sein. Er ertrank auf einer Ägyptenreise im Nil. Hadrian selbst soll den Tod Antinoos als Unfall hingestellt haben. Eine andere Version erzählt, dass sich der schöne Jüngling während einer Bootsfahrt selbst in den Nil gestürzt hat. Nach dem Orakel konnte er durch den frei gewählten Tod, die ihm eigentlich noch bevorstehenden Lebensjahre denen des Kaisers zurechnen lassen. Diese „edle Geste“ ist eines Gottes würdig – vielleicht hat Hadrian so empfunden und Antinoos daraufhin zum Gott erklärt, als den wir ihn noch heute in vielen Darstellungen bewundern können.


Wie z.B. hier als Gott Silvanus, Gott der Hirten und Wälder, mit dem Winzermesser, begleitet von einem Hund und ein Pinienzapfen als Attribut. "Questa opera d'arte non ha bisogno di parole di lode, poiche bella di per se stessa." hat der Archäologe Giulio Emanuele Rizzo, der genau heute seinen 150. Geburtstag hätte 8), nach Auffinden dieses Reliefs 1908 verlauten lassen: "Dieses Kunstwerk braucht keine Lobesworte, seine Schönheit spricht für sich selbst." (aus dem Palazzo Massimo in Rom)




Das an das Wasserbecken anschließende halbkreisförmige Gebäude wurde zunächst als Serapis-Tempel gedeutet, ist jedoch als Banketthalle zu sehen. Ihre prächtige Ausstattung sollte Hadrian wohl wieder an Canopus, das „St. Tropez der Antike“ erinnern, berühmt für Verschwendung und Luxus: so wurde z.B. bei den Festbanketten über ein komplexes Zuleitungssystem von der Kuppel herab ein Wasserschleier erzeugt, der den Festgästen an heißen Tagen angenehme Kühle verschaffte.






Wasser spielte in der ganzen Villa eine große Rolle – wie auch hier am „Winterpalast“, so genannt da er beheizbare Räume hatte, mit seinem großen Fischteich, der gesäumt war von 40 Marmorsäulen.



Nicht umsonst nennt sich der Platz, an dem der Prachthof lag „Piazza d'Oro“. Die ganze Pracht dieses großzügigen Gebäudekomplexes, in einer Art Gartenanlage eingebettet und die Repräsentationsräume in einem fast rokokohaft anmutenden Grundriß errichtet, ist noch heute zu erahnen: eine große Säulenhalle, die Wasserbecken – so schön sie jetzt mit den blühenden Wildblumen sind, was wäre es für ein phantastischer Eindruck, den Frühlingshimmel im sich leicht kräuselnden Wasser der Becken spiegeln zu sehen ... ;) - ,




Mosaikfußböden belegt mit rautenförmigen bunten Marmorstücken –



und man beachte an den Säulen das hübsche Detail am Kapitell: aus den Akanthusblättern drehen sich die Schnecken nicht wie üblich nach außen, sondern nach innen.



Bevor wir den Spaziergang durch die Villa Adriana mit den alten Olivenbäumen und den schönen Zypressenalleen beenden noch „ein Blick zurück“:
- Foto von 1991 -

besonders beeindruckend fand ich immer das sogenannte Teatro marittimo, das z.Zt. leider nicht zugänglich ist. Dabei regte gerade diese kleine künstlich angelegte und vollkommen bebaute Insel die Phantasie an. Angeblich war sie der Lieblingsplatz des Kaisers, hierher zog er sich zurück wenn er allein – oder auch nicht – sein wollte. Die Insel war mit einem Wassergraben umgeben und nur über zwei kleine, drehbare Holzbrücken zu erreichen, die nur von der Insel aus betätigt werden konnten. Sie war wie ein domus luxuriös mit allem ausgestattet – der Säulengang für die passeggiata, Innenhof, Wohn-, Speise- und Schlafraum, eine kleine Thermenanlage, bis hin zur Latrine. Die ganz Anlage war von einer hohen Mauer umgeben. Wenn das kein Rückzugsort der besonderen Art war... Angeblich war Hadrian selbst an der „technischen und künstlerischen Planung“ beteiligt.
Hier kann man ganz links vom Poikile das runde Inselchen erkennen.

Was für ein buntes pasticcio im Kopf: Frühlingssonne, viel Natur und dazu eine weitgehend fröhliche Menschenmenge, die sich darin vergnügt – und die vielen Reste antiker Großbauten. Es wird wohl Zeit, sich wieder einmal mit dem Verfasser der Zeilen über die „kleine Seele“ zu beschäftigen:

Animula, vagula, blandula
Hospes comesque corporis,
Quae nunc abibis in loca
Pallidula, rigida, nudula -
Nec, ut soles, dabis iocos...


Kleine Seele,schweifende, zärtliche,
Leibes Gefährtin und Gast,
Nun führt ins düstere Reich
Fröstelnder Schatten dein Weg,
Und nie scherzest du fürder wie einst...

Und anbieten würde sich auch wieder einmal die Lektüre des Hadrian-Roman-Klassikers: „Ich zähmte die Wölfin“ von Marguerite Yourcenar.


Nach soviel Geschichte aus dem Beginn des 2. Jh.n.Chr. und dem Gewusel von Sonntagsausflüglern geht es den Hang hinauf nach Tivoli, vorbei an Olivenhainen und mit schönen Ausblicken in die Ebene. Das sonntägliche pralle Leben spielt sich auch hier im Städtchen im Freien ab, auf der Piazza – vor und in der Gelateria – und auf den weitläufigen Wegen der Villa d'Este.



Auch heute an diesem eintrittsfreien Sonntag bekommt jeder, der sie betreten möchte eine Eintrittskarte in die Hand gedrückt – trau' keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast :~ – und kann sich dann genussvoll der Schönheit dieser Villa mit ihren „grotesken“ Malereien im Inneren



und den fast unzähligen Brunnen im Park hingeben. Ich spare mir heute den Ab- und Anstieg und genieße die Aussicht von oben während ich auf die lieben Mitreisenden warte.



Schade, dass es das nette Cafè auf der Terrasse nicht mehr gibt - ob nur vorübergehend war nicht zu erfahren -, aber auch auf einem der Steinbänkchen, mit Brunnenrauschen im Hintergrund, lässt es sich in dem ganzen pasticcio von sich jagenden Kindern, gemächlich bummelnden älteren Herrschaften, für ein Foto vor der herrlichen Landschaft posierenden, fröhlichen Menschen, gut aushalten.




Die gewünschte Caffè- und Gelato-Pause wird einfach später nachgeholt, wenn wir wieder auf der Piazza sind...


 

Wie z.B. hier als Gott Silvanus, Gott der Hirten und Wälder, mit dem Winzermesser, begleitet von einem Hund und ein Pinienzapfen als Attribut. "Questa opera d'arte non ha bisogno di parole di lode, poiche bella di per se stessa." hat der Archäologe Giulio Emanuele Rizzo, der genau heute seinen 150. Geburtstag hätte 8), nach Auffinden dieses Reliefs 1908 verlauten lassen: "Dieses Kunstwerk braucht keine Lobesworte, seine Schönheit spricht für sich selbst." (aus dem Palazzo Massimo in Rom)




Das genau liebe ich an deinen Berichten.... danke! :)
 
Wunderschöne Impressionen von Tivoli im Frühlingslicht! :thumbup:
Vielen Dank fürs Mitnehmen, man sieht, dass es Euch trotz vieler Menschen gut gefallen hat dort. ;)
 
@ Angela (Ladies first ;))
@ nummis durensis

danke für Eure freundlichen Worte :!:

Der "Pasticcio-Pastenteig" hat nun doch etwas länger ruhen müssen, ich hoffe, dass er nicht "übergangen" ist. Aber nachdem ich jetzt wieder am ihn "durchkneten" bin ;), soll es - wenn auch pian piano - wieder weitergehen mit dem pasticcio romano.

LG
Pasquetta
 
Zuletzt bearbeitet:
Ma che pasticcio – so könnte ich heute den Rom-Spaziergang überschreiben. Aber auch: was für ein Luxus, wenn man – oder ich – nicht mehr nur auf die Sehenswürdigkeiten und ihre Geschichte achten muss, sondern die Blicke einfach schweifen lassen kann.

Die lieben Mitreisenden, die das erste Mal in Rom sind haben diese Muße nicht immer, zu viel an Neuem stürmt auf sie ein. Nicht zu vergessen das Durcheinander des römischen Verkehrs. Bereits am Lungotevere versucht der vigile von der Polizia stradale souverän und mit lässigen Handbewegungen die rollende Welle von Autos, Bussen, Vespas und anderen „Motorini“ zu regeln.

Wir fangen heute dort an, wo man gut sehen kann, wie sich das „Niveau“ von Rom verändert hat, an der Insula romana.


Die Überreste dieses antiken, mehrstöckigen Mietshauses aus dem 2.Jh.n. Chr. zeigen es deutlich. Die „Ladenzeile“ mit Mezzanin ist zwei Stockwerke unter dem jetzigen Straßenniveau, sichtbar sind zwei weitere Etagen, in denen sich Wohnungen für „Begüterte“ befanden, denn je weiter hinauf es ging umso armseliger waren die Wohnungen und deren Bewohner. Solche Insulae waren oft bis zu sechs Stockwerke hoch und meistens noch mit Holzverschlägen auf dem Dach versehen. Die oft mehrere hundert Mieter, die in so einem Komplex lebten, mussten sich mehr oder weniger mit nur einer Schlafstätte begnügen, gekocht wurde in Garküchen an der Straße, aus denen man sich seine karge Verpflegung holte. Und wenn das nicht möglich war, wich man auf ein kleines Holzkohlebecken im Raum aus, was die Brandgefahr in diesen Häusern enorm beschleunigte. Auf Grund der schlechten Bauweise waren die Häuser auch sehr einsturzgefährdet. Schon der römische Dichter Juvenal vermerkte: "Wir wohnen in einer Stadt, die großenteils durch Stützen getragen wird, welche die Zerbrechlichkeit von Rohren haben. Wenn aber ein Haus einzustürzen droht, dann ist die einzige Maßnahme des Verwalters die, die Sprünge, die sich gebildet haben, zu übertünchen. Dann sagt er: ›Nun kannst du beruhigt schlafen‹."


Irgendwann im Mittelalter war in den Resten dieser Insula eine Kirche gebaut. Davon ist noch der kleine Campanile und ein Fresko erhalten.


Wir steigen die von Michelangelo entworfene Cordonata hinauf zum Kapitolsplatz, der zu dieser Morgenstunde noch relativ „beschaulich“ daliegt.





Die bronzenen Reiterstatue Marc Aurels ist auch als Kopie schön anzuschauen – das Original wurde nach der Restaurierung in die Kapitolinischen Museen verfrachtet. Vielleicht ganz gut so, denn die römische Legende erzählt, dass, wenn das letzte Gold von der Statue (durch ein Vögelchen, dass alle hundert Jahre kommt und seinen Schnabel daran wetzt) verschwunden ist, Rom untergeht – und wenn Rom untergeht, geht die ganze Welt unter. Auf den Untergang von Rom können wir trotz des ganzen Durcheinanders, das hier manchmal herrscht, doch noch etwas warten.


Marc Aurels Reiterdenkmal ist uns als einziges Reiterstandbild aus Bronze erhalten geblieben – Bronze war wertvoll und wurde eingeschmolzen -, da man ihn mit Kaiser Konstantin verwechselte, der als erster Kaiser das Christentum tolerierte und seine Abbilder deswegen nicht angetastet wurden.

Auf dem Kapitolshügel befindet sich auch das römische Rathaus – und das Standesamt. Hier war die Tür offen und die Gelegenheit günstig, einen unverfänglichen Blick in den Trauungssaal zu riskieren.




Einen weiteren Blick werfen wir, von der Rückseite des Senatorenpalastes aus, auf das Forum romanum mit seinem geordneten Durcheinander von „alten Steinen“. Der Senatorenpalast, das Rathaus von Rom, ist auf den Fundamenten des Tabularium errichtet worden, dem Staatsarchiv des römischen Reichs, in dem die Gesetze und Verträge „auf Tafeln“ aufbewahrt wurden.


Schade, dass man nicht mehr direkt über die Via Sacra hinab auf das Forum gehen kann, das hatte was „Phantasiebeflügelndes“...

Nächster Besichtigungspunkt: die Kirche S. Maria in Aracoeli auf dem Kapitolshügel, erbaut dort, wo der antike Junotempel stand.


Die Senatoren wollten Kaiser Augustus als Gott verehren, er erbat sich jedoch Bedenkzeit und suchte Rat bei der Tiburtinischen Sibylle. Diese weissagte ihm: „... vom Himmel wird ein König kommen, der in alle Ewigkeit herrscht,...“ und er sah „am Himmel eine Jungfrau von unvergleichlicher Schönheit, die über einem Altar stand und ein Kind in ihren Armen hielt. Er wunderte sich sehr und hörte eine Stimme, die sprach: „Das ist der Altar des Gottessohns.““ So steht es im „Mirabilia urbis Romae“, einem Rompilgerführer des 12. Jh.





An einer der bunt zusammengewürfelten, aus antiken Bauwerken entnommenen Säulen in der Kirche S. Maria in Aracoeli liest man noch heute „a cubiculo Augustorum“ - aus dem Schlafzimmer des Kaisers. Dort soll Augustus der Legende nach die Vision gehabt haben und er ließ daraufhin einen Altar auf dem Kapitolinischen Hügel errichten mit der Aufschrift „Ecce Ara Primogeniti Dei" (Hier ist der Altar des Erstgeborenen Gottes) und daraus wurde der Name Ara Coeli – Himmelsaltar. (Diese Legende erzählt übrigens auch Selma Lagerlöf, die 1909 als erste Frau den Nobelpreis für Literatur erhielt, in der Erzählung „Des Kaisers Vision“ (aus „Christuslegenden“) in recht anrührender Weise.)



Das berühmte Santo Bambino, eine Statue des Jesuskindes, welches im 15. Jh. aus dem Holz eines Olivenbaumes aus dem Garten Gethsemane geschnitzt wurde, verdient natürlich auch einen andächtigen Besuch.

Wunderkräfte werden ihm zugeschrieben, unheilbar kranke Menschen kann es heilen. Das Santo Bambino wurde der berühmteste Arzt Roms und sogar zu „Hausbesuchen“ ausgeliehen. Das wollten sich wohl Diebe zunutze machen, die es 1994 gestohlen haben. Oder lag ihnen mehr an den vielen Edelsteinen, mit welchen das Bambino behängt war? Oft wurde das Bambino seines reichen Schmuckes beraubt, aber die Bürger der Stadt Rom ließen sich nicht lumpen und statteten es jedes Mal wieder umso reicher aus. Der Diebstahl von 1994 wurde nicht aufgedeckt, trotz vieler Anstrengungen von unterschiedlichsten Stellen (sogar die im römischen Gefängnis einsitzenden Straftäter baten die Diebe um Rückgabe des bambino). Die Figur blieb verschwunden. Zum Weihnachtsfest 1994 ließen die Franziskaner eine Kopie anfertigen und seitdem steht eine – nicht minder verehrte – Kopie des Santo Bambino in der Kirche S. Maria in Aracoeli.



Beim Verlassen der Kapelle der hl. Helena streift unser Blick doch noch diese Statue:


Giovanni de’ Medici, 1475 als sechstes von neun Kindern des Florentiners Lorenzo de'Medici geboren, wurde mit 14 Jahren zum Kardinal erhoben und mit 38 Jahren zum Papst gewählt und gab sich den Namen Leo X. Er galt als freundlicher, großzügiger Mensch, der Kunst, Kultur und der Jagd zugeneigt, und er liebte prunkvolle Feste und den Karneval. Er hatte stets seinen Hofnarren dabei, den er auch schon mal kräftig verprügeln ließ, wenn er nicht witzig genug war. „Gott gab uns die Papstwürde, genießen wir sie“, meinte er und plünderte die päpstliche Kasse für seine Luxusvergnügungen. Er starb in der Nacht zum 1. Dezember 1521 an einer Grippe ganz plötzlich, dass man erst dachte, er wäre vergiftet worden. Die päpstliche Kasse war so leer, dass man zu seinem Begräbnis nicht einmal neue Leichenkerzen bezahlen konnte. Man verwendete die noch nicht völlig heruntergebranntenn Lichter eines kurz vorher verstorbenen Kardinals. - Papst Leo X. (na, da hat Uwe Ochsenknecht im Film „Luther“ doch noch eine bessere Figur gemacht), der Martin Luther exkommunizierte.

:roll: Schild an der Eingangstür zu S. Maria in Aracoeli
"Der Eintritt ist frei!
Jeder der Geld verlangt ist ein Betrüger!"




Auf der Terrasse des Vittoriano - des Nationaldenkmals für Viktor Emanuel II, dem Vaterlands-Denkmal, der „Schreibmaschine“, der „Hochzeitstorte“ oder wie immer dieses weiße Riesendenkmal (das nach dem Vorbild des antiken Fortuna Primigenia-Tempels in Palestrina gebaut sein soll) auch immer von den Römern genannt wird, che pasticcio - haben nicht nur die Möwen einen wunderschönen Überblick über die Foren,


hin zum Kolosseum und über die ganze Stadt. Außerdem kann man hier oben auf der Terrasse eine gute Kaffeepause einlegen und dabei den Blick über die Stadt genießen. Einheimisch meinen sogar, von hier oben hätte man den schönsten Blick auf Rom (da man das weiße Ungetüm nicht sehen würde).



 
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Liebe Pasquetta,
mit Vergnügen bin deinem Ausflug nach Tivoli gefolgt. Auch ich besuche diesen Ort nur in längeren Abständen. Eine Auffrischung dazwischen tut richtig gut. Deine eigene Perspektive gepaart mit dem flüssigen Schreibstil bereitet mir Freude.

Bedanken möchte ich mich mit einigen Fotos.



Dieses Highlight in der Villa Adriana war ja leider bei deinem Besuch gesperrt.
 
Liebe Pasquetta,​

ganz herzlichen Dank für diesen Berichtsteil. Da sieht man mal wieder sehr gut, dass es nichts Spektakuläres braucht um Rom so richtig zu genießen. Über den Kapitolshügel laufe ich immer wieder sehr gerne - auch mehrmals am Tag!​

Ich freue mich auf mehr​

Leider habe ich zur Zeit wenig Zeit fürs Forum, da ich mein Haus verkauft habe, es jetzt räumen muss und ein neues Heim kaufen oder bauen muss!

dentaria​
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich lese zwar nur auf dem Handy mit, aber auch da wächst die Sehnsucht schon wieder. Vielen Dank liebe Pasquetta, ich finde es auch immer wieder schön, wenn du alte Bilder mit einfügst.
 
Euch allen vielen Dank für Euer Interesse am "Römischen Durcheinander" :).

@ Ludovico

mit Vergnügen bin deinem Ausflug nach Tivoli gefolgt. ... Bedanken möchte ich mich mit einigen Fotos.

Es freut mich, dass auch bei Dir Erinnerungen aufgefrischt werden konnten und ich bedanke mich (für die schönen Fotos). Genau so habe ich das Teatro marittimo der Villa Adriana in Erinnerung. :nod:

@ dentaria
Da sieht man mal wieder sehr gut, dass es nichts Spektakuläres braucht um Rom so richtig zu genießen.

Schön, dass Du trotz vieler Arbeit mitgehst einfach so durch Rom, wo man wirklich immer und überall etwas für sich entdecken kann.

Leider habe ich zur Zeit wenig Zeit fürs Forum, da ich mein Haus verkauft habe, es jetzt räumen muss und ein neues Heim kaufen oder bauen muss!

Ich habe davon gelesen und wünsche Dir gute Nerven ;) und viel Glück und guten Erfolg bei der Suche nach einem neuen "Zuhause" :nod:.

@ pecorella
... ich finde es auch immer wieder schön, wenn du alte Bilder mit einfügst.
Ja, wenn man Rom nun schon seit 50 Jahren kennt - und leider viel zu selten besuchen kann :( -, dann verfällt man halt doch leicht in ein "ja, damals ..." :blush:, Ich hoffe, dass es nicht langweilig wird.

Gruß
Pasquetta
 
Und weiter geht es noch ein bisschen durch das ganz gewöhnliche, alltägliche "römische Chaos" ;).


Wir schlagen uns tapfer durch das Gedränge entlang der verschiedene Foren rechts und links der Via dei Fori Imperiali



und flüchten schließlich in die frühchristliche Kirche SS. Cosma e Damiano, erbaut auf dem antiken Forum Pacis. Die Mauern des Kirchengebäudes sind der noch einzige erhaltene Teil des Friedenstempels.


Durch den stimmungsvollen Kreuzgang gelangen wir in die Kirche mit dem wunderschönen Apsismosaik im byzantinischen Stil, das den triumphierenden Christus – auf rötlich gefärbten Wolken - umgeben von Heiligen zeigt.




Leider drängen sich im Kirchenraum die Besucher. So voll habe ich diese Kirche noch nie erlebt, es war wohl eine größere Gruppe Jugendlicher, die Gottesdienst feiern wollten. So erübrigte es sich, hier ein wenig innehalten zu wollen. Ein Blick durch den Glasboden hinab in die Ausgrabungen des Rundtempels, der über das Forum zugänglich wäre, entschädigte ein wenig für die Unruhe, Hektik und das Durcheinander des Augenblicks.



Durch das Getümmel der Menschen – ich weiß, auch wir sind Touristen – haben wir unseren Weg gefunden – mit einem schönen Blick (ohne die Baugerüste) auf das Kolosseum –


hinauf nach S. Pietro in Vincoli. Dort blieb vor Schließung der Kirche gerade noch Zeit, den grandiosen Moses von Michelangelo zu bewundern.


Papst Julius II. beauftragte 1505 den damals dreißigjährigen Michelangelo ein gigantisches Grabmal für ihn zu schaffen. Michelangelo widmete sich diesem Plan mit großem Eifer - er sah 40 Figuren für das Grabmal vor und allein den passenden Marmor auszuwählen und abtransportieren zu lassen dauerte acht Monate - er wurde jedoch „ausgebremst“ u.a. mit dem Auftrag, die Decke der Sixtinischen Kapelle auszumalen. Der Papst verlor das Interesse an seinem Grabmal und erst vierzig Jahre nach Auftragserteilung wurden die wenigen, bereits fertig gestellten Figuren aufgestellt und dies nicht in St. Peter am Vatikan, sondern in St. Peter in Vincoli.


Michelangelo hat Moses dargestellt in dem Moment, als er mit den Gesetzestafeln in der Hand zum zweiten Mal und – entgegen früherer Auslegung – nicht zum ersten Mal vom Berg Sinai herab kam (damals zerschmetterte er dann aus Zorn über das Volk und sein „goldenes Kalb“ die Gesetzestafeln). Darauf deuten die „Strahlen“, früher als „Hörner“ bezeichnet, auf seinem Kopf hin. Im 2. Buch Mose (Exodus, 34,28ff.) wird beschrieben, dass Moses „vierzig Tage und vierzig Nächte“ beim Herrn auf dem Berg war und als er „die beiden Tafeln der Bundesurkunde in der Hand“ wieder zum Volk hinabstieg „die Haut seines Gesichtes Licht ausstrahlte“. Der tragisch-schmerzhafte Blick, der der Moses-Skulptur angedeutet wird, soll die Vorahnung ausdrücken, dass er das Gelobte Land nur aus der Ferne schauen wird, aber nicht mehr betreten darf.


Manch einem von uns wird die „Delle“ im rechten Knie der Statue aufgefallen sein. „Se non è vero, è ben trovato“ sagt man in Rom, „Wenn es nicht wahr ist, dann ist es gut erfunden“: Als Michelangelo die Skulptur fertig hatte war er selbst so von ihr und der Lebendigkeit, die sie ausstrahlt, beeindruckt, dass er sie zum Sprechen aufgefordert hat. Natürlich umsonst – und der jähzornige Meister soll mit dem Meißel wütend auf Moses' Knie eingeschlagen und geschrien haben: „Sprich mit mir!“ Die Kerbe sieht man noch heute.

Aber auch ein Gang durch die Kirche mit Blick auf "Kleinigkeiten" ist lohnend. Hier nur zwei als Beispiel:
Interessant finde ich das Mosaik aus dem ausgehende 7. Jh., das den heiligen Sebastian als bärtigen Mann in kaiserlicher Hoftracht zeigt. Er war Offizier der Leibwache von Kaiser Diokletian und starb wegen seines christlichen Glaubens den Märtyrertod. Erst später, ab der Zeit der Renaissance wird Sebastian ihn in der Regel als jungen Mann abgebildet, der von Pfeilen durchbohrt wird. Da der Pfeil als Zeichen für die Pest galt, wurde der hl. Sebastian der Schutzpatron gegen diese Krankheit. Um 680, während einer Pest, wurde in S. Pietro in Vincoli ein Altar ihm zu Ehren errichtet, vielleicht stammt das Mosaik davon...


Jeder der schon einmal mit dem Cusanuswerk "zu tun" hatte, dem wird der deutsche Theologe und Philosoph, geboren 1401 in Kues an der Mosel, Kardinal Nikolaus von Kues Begriff sein: hier das Epithaph seines Grabmonumentes, das ihn mit Petrus, der von einem Engel aus dem Kerker befreit wird, zeigt (Apostelgeschichte 12, 6.7). Nicolaus de Cusa ist in S. Pietro in Vincoli beigesetzt.


Nach der nun wohlverdienten Mittagspause war eigentlich der Besuch der frühchristlichen Kirche S. Stefano Rotondo auf dem Celio-Hügel – einer der sieben klassischen Hügel Roms - vorgesehen. Es wäre zu schön gewesen, diese besondere Rundkirche, die bereits Mitte des 5. Jh. auf dem Gelände einer römischen Kaserne über einem Mithräum erbaut wurde, wiederzusehen. Aber ausgerechnet heute hieß es „wegen außergewöhnlichen Arbeiten geschlossen“. Was für eine „Bescherung“ 8O, diese Öffnungszeiten der Kirchen in Rom :~...


Da in Rom kein Mangel an Kirchen herrscht, finden wir als Ersatz eine andere sehr sehenswerte: S. Clemente. Dort war nach der Mittagspause noch nicht geöffnet, dafür bereits eine lange Menschenschlange vor der Tür, die auf Einlass wartete. Aber pünktlich öffnet sich die Kirchentür und alles verteilt sich in das Innere und strömt in die Unterkirche. Es summt und brummt wie in einem Bienenstock. So einen Betrieb habe ich auch hier noch nicht erlebt. Ist das nun ein Gotteshaus oder eine museale Wandelhalle? Einfach sich in eine Bank setzen und die noch aus dem 6. Jh. stammende Schola Cantorum und das herrliche Apsismosaik ansehen: das Kreuz als Lebensbaum, dessen Akanthusranken sich weit verzweigen und in denen eine Fülle von ländlichen Szenen, Menschen, Tieren und Blumen versteckt sind. Auf Goldgrund dominieren die Farben Grün und Blau und die weißen Tauben und Schafe – jeweils zwölf an der Zahl, die Apostel symbolisierend. Den Anfangsvers des 42. Psalms nimmt die Darstellung der Hirsche auf, die zu den Wassern des Lebens kommen: „Wie der Hirsch lechzt nach frischem Wasser, so lechzt meine Seele, Gott, nach dir.“ Ein in sich wunderbar harmonisches Bild.

:)blush: Foto leider sehr "undeutlich" :~)

Die „Unterwelt“ von S. Clemente erspare ich mir dieses Mal, auch wenn man sie - vor allem als Rom-Anfänger - gesehen haben sollte, um diese Kirche und ihre Entstehungsgeschichte zu verstehen, angefangen von den Resten der abgebrannten und wieder aufgebauten römischen Häusern, über das Mithräum bis zur ersten Kirche mit der Freskenmalerei.

Nun reicht es erst einmal mit dem ganzen Trubel, Zeit für eine weitere storiella romana. An der nächsten Straßenecke fällt ein alter, etwas verfallen aussehender Anbau auf, hinter dessen Gitter noch ein verblasstes Madonnenbild zu erkennen oder mehr zu erahnen ist.

Die Ahnung eines Marienbildes im Inneren der kleinen, maroden Kapelle
habe ich mir erspart, dafür gibt es das Bild einer

Hausmadonna

Ecke Via di S. Giovanni in Laterano/Via dei Querceti



Maria mit ihrem Kind wurde an dieser Stelle angerufen, damit man nicht mehr der Päpstin Johanna gedachte, die genau hier – auf dem Weg vom Lateran nach St. Peter – ihr Kind geboren haben soll. Der "Vicus papessa" wurde seitdem für kirchliche Prozessionen gemieden – und der Name hat auch gar nichts mit einer papessa zu tun, sondern geht auf den Familiennamen der Adligen Papes zurück. Auch wenn uns der Roman von Donna Cross "Die Päpstin" oder auch der nach ihm gedrehte Film die Geschichte der Päpstin Johanna sehr anschaulich erzählt – und es wird seit Jahrhunderten viel über sie erzählt – so können wir la Papessa doch als Legende betrachten. Die heutige Geschichtsforschung geht davon aus, dass es kein reales historisches Vorbild für Johanna gab.



SS. Quattro Coronati liegt wie eine Festungsanlage auf dem Celio-Hügel. Nicht nur der Wehrturm lässt erkennen, dass das Kloster jahrhundertelang als Befestigung des Lateranpalastes diente. Angenehm still und geruhsam ist es hier. Außer uns und einem, sich auf dem Mäuerchen vor dem Torbogen ausruhenden Menschen, keiner zu sehen. Auch in der Kirche halten wir Stille – es wird extra darauf hingewiesen, dass es so sein soll – nur leisen Orgelspiel – probte eine der Schwestern oder war's vom Band? - ist zu hören.


Auf unser Klingeln öffnet eine der hier in Klausur lebenden Augustiner-Schwestern die Tür zum Kreuzgang, der Anfang des 13. Jh. entstand und in seiner Schlichtheit als einer der intimsten und friedvollsten Orte in Rom gilt. Das mag auch an den Schwestern liegen, die in diesem Kloster zuhause sind und ihre strengen Ordensregeln in Kontemplation und Schweigen leben.



Die Schwester gibt uns ein Zeichen, dass auch die Barbara-Kapelle geöffnet ist, in der man noch Reste von Fresken aus dem 9./13. Jh. erkennen kann (mein einziges Foto davon ist leider unscharf).


Ohne Sprechen ging auch der Einlass in das Oratorium des hl. Silvesters vor sich: Klingeln am Klausurgitter, Bitte um Einlass mit Abgabe des „Obolus“, leises Summen des Türöffners und wir standen in der Kapelle mit den wunderbaren Fresken, die uns die Geschichte von Kaiser Konstantin erzählen.

Konstantin, der am Aussatz erkrankt war und dem von den kapitolinischen Priestern geraten wurde


"im Blute unschuldiger Kinder zu baden, doch wird er von der Klage der Mütter von Mitleid ergriffen, und er schickt Mütter und Kinder nach Hause",


im Traum erhält er von Petrus und Paulus die Weisung, sich an Papst Silverster I. zu wenden, der ihm helfen kann.


Der Kaiser schickt Boten zum Berg Soracte, wo sich Silvester vor den andauernden Verfolgungen versteckt hält.


(kleines OT: den sie mühsam "ersteigen müssen,

Medium 233195 anzeigender Monte Soracte war schon immer ein "steiler Fels in der Landschaft" ;))

Der Papst kehrt nach Rom zurück und trifft sich mit Konstantin


Die Heilung erfolgt durch die Taufe


und der Kaiser kniet dankbar vor dem Papst – sprich: die weltliche Macht beugt sich der kirchlichen.


Er überlässt Papst Silvester das Phrygium, die spätere Tiara, Baldachin und Papstpalast als Zeichen der weltlichen Macht – die sogenannte „Konstantinische Schenkung“, was immer auch darunter verstanden wurde und wie sie sich auf die (Kirchen-)Geschichte ausgewirkt haben mag...


Kaiser Konstantin leistet als Zeichen der Unterwürfigkeit ... den rituellen Dienst eines Stallknechts, indem er das päpstliche Pferd führt.

(Die kursiv gedruckten Bildunterschriften sind Zitate aus: Konstantinische Schenkung, eine schöne Bilderdarstellung findet sich auch hier: Santi Quattro Coronati.)

Es gibt noch eine weitere Legende um Papst Silvester, die an der gegenüberliegenden Wand in leider nur noch teilweise erhaltenen Fresken dargestellt wird.
Silvester führte mit Rabbinern und Helena, der Mutter Konstantins, einen Disput um die Glaubensbekehrung. Dabei tötete einer der jüdischen Priester einen Stier, der "den Namen Gottes nicht ertragen konnte". Silvester erweckte ihn wieder zum Leben, was zur Folge hatte, dass sich die Rabbiner und auch Helena zum Christentum bekehrten. Und Helena (man erkennt sie auf beiden Bildern an ihrer Krone) in der Folge das "wahre Kreuz Christi" in Jerusaleum auffand...



Der Raum mit diesen Fresken sind schon ein ganz besonderes Schatzkästchen und bietet noch ein wunderschönes Bild.


An der Rückwand der Kapelle zeigt ein Fresko das Jüngste Gericht. Eine Abbildung des Weltgerichts wurde im Mittelalter oft an der inneren Westwand von Kirchen angebracht, damit die Gläubigen beim Verlassen der Kirche oder Kapelle noch einmal auf die letzten Dinge – und was sie beim Gericht erwartet - hingewiesen wurden. Hier ist es jedoch eine wunderschöne Abbildung, die mich jedes Mal wieder anrührt: ein eher gütiger Christus auf dem Thron, Maria und Johannes der Täufer sowie die Apostel an seinen Seiten und zwei Engel, von denen der eine die Posaune des Gerichtes bläst, der andere sorgfältig das sternenübersäte Firmament einrollt.


Nach dieser ruhigeren Phase nähern wir uns wieder dem Kolosseum und betrachten noch einmal seine gewaltigen Ausmaße und seine bröckelnden Bögen.



Und beim Betrachten dieser Bilder fällt mir ein, was ich von Stendhal, der auch ganz vergnüglich erzählen konnte, gelesen habe. Er berichtet (war es in den „Römischen Spaziergängen“ :?) von einem Engländer, der in Rom angekommen war und mit dem Pferd in das Kolosseum einritt. Nachdem er dort Arbeiter beobachtet hatte, die den Rand einer Mauer abstützten, meinte er zu Freunden: „Großer Gott, das Kolosseum ist das Beste, was ich in Rom gesehen habe. Dieses Gebäude gefällt mir, es wird prächtig sein, wenn es einmal fertig ist.“ :lol:

Zwei hinter Gitter :D


Wir gehen am Konstantin-Bogen vorbei


gelangen zum Circus Maximus und steigen weiter den Hügel hinauf. So „abgeschlagen“ dürften sich früher auch die Wettkämpfer in diesem größten Circus des antiken Roms gefühlt haben - vielleicht nicht gerade die großen Helden wie Ben Hur, wenn sie hier auf dem riesigen Oval bei den Wagenrennen ihre Runden drehten, wie es uns die Filmindustrie der späten 1950er Jahre vorgegaukelt hat. Der schöne Blick hinüber zu den Palastruinen des Palatin entschädigt jedoch für diese „Laufstrapazen“.


Der "Rosenbaum"
ein Rosenstock hat sich wunderschön mit einem Baum "verbündet".
:)

Aber noch sind wir nicht oben auf dem nächsten Hügel, dem Aventin.​
Auch hier „Aufstiegshilfe“, diesmal in Form von Rosenduft beim Gang durch den Rosengarten, in dem die Königin der Blume in ihren vielfältigsten Formen und Farben am Erblühen ist oder schon in Blüte steht.





Die Schönen am Wegesrand
"Zaun"blümchen des Rosengartens


Kühlender Fotostop beim Eingang zum Orangengarten bei „Giacomo“, dem Brunnen mit der schönen barocken Maske - stellt sie den Gott Oceanus dar? -, geschaffen Ende des 16.Jh. von Giacomo della Porta,



und der Marmorwanne aus den Thermen.


Im Orangengarten duftet es – wen wundert es – wunderbar nach Orangenblüten, die man zwischen den dunkelgrün glänzenden Blättern und neben den kräftig orange leuchtenden Früchten der Bitterorangen in den vielen Orangenbäumchen, die dem weitläufigen Garten seinen Namen gegeben haben, entdecken kann.


Die italienischen Pomeranzen finden ihre Verwendung vor allem als Zutat für – englische – Marmelade. Und wir genießen von der Terrasse des Orangengartens aus die herrliche Sicht auf Rom,

(Die Peterdom-Sicht ist eine ältere Aufnahme, das aktuelle Foto ist total "verwackelt". :~ :blush:)

um dann auch noch einen Blick in die Kirche S. Sabina zu werfen. S. Sabina gehört zu den ältesten und wichtigsten christlichen Basiliken in der Stadt und besticht durch ihre klaren Formen und den vielen Details aus der ursprünglichen Kirche – das Eingangsportal aus Zypressenholz mit der ältesten Darstellung von Christus am Kreuz, die Chorschranken aus Marmor oder die Reste eines Mosaiks an der Innenseite der Eingangswand, das die Judenkirche und die Heidenkirche darstellt. Durch die ungewöhnlich großen Alabasterfenster fällt das Sonnenlicht und gibt dem Raum eine ganz besondere Atmosphäre. Schon oft wurde diese frühchristliche Kirche hier im Forum beschrieben und mit schönen Bildern dargestellt. (u.a. hier: Römisches Kaleidoskop) Ich hielt mich diesmal in der Vorhalle auf,


warf einen Blick auf das Orangenbäumchen, das noch immer aus der Wurzel des Bäumchens wachsen soll, das der hl. Dominikus aus seiner spanischen Heimat mit nach Rom gebracht haben soll.


Und nebenher schaute ich noch aus – alle Tore zum Konvent waren jedoch verschlossen – nach einem Kunstwerk des Künstlers Tommaso Gismondi, auf den ich anlässlich unserer Lazio-Fahrt in Anagni aufmerksam geworden war, das im Garten des Dominikaner-Konvent zu sehen sein soll („Abendmahl“ in onore a San Tommaso d'Aquino). Leider dieses Mal (auch aus Zeitgründen) vergebens. Auch in St. Peter – wo es in den Grotten in der Kapelle der „Santi d'Europa“ zwei Bronzereliefs von ihm gibt – wurde mirgesagt, dass - purtroppo - dieser Trakt nur auf Anfrage zu besuchen wäre. Tempi passati, einst ;) konnte man den Umgang in den Grotten noch ganz ohne Hindernisse durchlaufen ... Also: Gismondi wird auf der To-do-Liste für einen evtl. weiteren Rom-Besuch bleiben.

Aber noch ist unser flotter Spaziergang dieses Tages nicht zu Ende. Trotz zügigem Schritt den Clivio hinab, kommen wir zu spät am Forum Boario an, um das der nachmittägliche Berufsverkehr brandet.


Die sehenswerte Kirche S. Maria in Cosmedin ist leider bereits geschlossen – und die Bocca della verità ist auch nur noch durch das Gittertor zu besichtigen. Aber dieser „Mund der Wahrheit“ ist in Wahrheit ja sowieso „nur“ ein antiker Kanaldeckel und hat nichts mit einem Lügendetektor zu tun. Also keine Bange: er beißt nicht.


Den passenden – krönenden – Abschluss dieses mit schönen Eindrücken übervollen Tages bildete jedoch der späte „Schlummertrunk“, eingenommen auf der Terrasse eines benachbarten Hotels mit grandiosem Blick auf die beleuchtete Kuppel und Fassade von St. Peter


und gegenüber der Apostolische Palast – wo man nun um diese Tages- bzw. Nachtzeit nicht mehr „kontrollieren“ kann, ob der Papst noch arbeitet oder schon schlafen gegangen ist. Papa Francesco zieht die einfachere Herberge vor und logiert im Gästehaus Santa Marta.


Wir saßen wirklich sehr schön hier, so hoch oben neben dem Petersplatz und genossen nicht nur die Aussicht und die netten Gespräche, sondern auch das „pasticcio“ mit der verirrten Möwe – die angeblich öfters hier am Brünnchen zu Gast ist – und den Versuchen eines „Möwenbändigers“ sie wieder in die Freiheit zu locken.


Die zuvor mit Hilfe eines Tischtuches „toreromäßigen“ Einfangversuche der beiden Mädchen vom Service hatten nicht den gewünschten Erfolg. Aber am Ende des Abends hatte alles wieder seine Richtigkeit und wir kehrten zufrieden ins Hotel zurück.


 
Zuletzt bearbeitet:
@ FestiNalente

Auch ich bin gerne Deinen Spuren gefolgt (mit stetig wachsen Schüben von Romitis - aber dieses Jahr wird´s wohl nix mit einem Rombesuch - es sei denn, ich führe alleine, wozu ich nun gar keine Lust habe :~:~:~)

Es freut mich, dass Du, Friedrich, auch mit unterwegs bist auf den (zum Glück nicht langweiligen :)) Wegen durch Rom und dabei auch noch die (unheilbare :twisted:) Romitis aufflackert. Und es stimmt schon: wie die meisten "Erkrankungen" wäre auch die Romitis am besten mit Unterstützung :~ zu kurieren. ;)
LG
Pasquetta

Ich habe die provisorischen Baustellen des letzten "römischen Durcheinanders" jetzt geräumt. Kommt Zeit, kommen auch noch weitere pasticci :lol:.
 
Deine eingängige Schilderung des Besuches von Quattro Coronati hat mich an den wunderschönen Besuch mit der Gruppe im letzten Jahr erinnert. Wir hatten das Glück, dass die sehr gesprächige Orgelschwester uns so manches erlaubte, was sonst, vor allem in der kleinen Barbarakapelle, nicht üblich ist. Sehr nett ist auch immer wieder die schon vor Jahrhunderten enttarnte Legende um den eigentlich sehr schwachen Papst Silvester.

Die Kopie des Marc Aurel gefällt mir allerdings auch nach deinem Lob nicht besser. Der "Bronzeüberzug" kommt mir immer noch wie billiger Kunststoff vor. Die oxidierten Flächen des Originals mit den wenigen Bronzeresten gefallen mir wesentlich besser.
 
Sehr hübsche Rosenbilder aus dem Roseto im Mai hast Du uns mitgebracht! :thumbup: Im April war noch kaum eine Blüte zu sehen.

Und nebenher schaute ich noch aus – alle Tore zum Konvent waren jedoch verschlossen – nach einem Kunstwerk des Künstlers Tommaso Gismondi, auf den ich anlässlich unserer Lazio-Fahrt in Anagni aufmerksam geworden war, das im Garten des Dominikaner-Konvent zu sehen sein soll („Abendmahl“ in onore a San Tommaso d'Aquino). Leider dieses Mal (auch aus Zeitgründen) vergebens.

Schade, dass es diesmal nicht geklappt hat aber vielleicht gelingt es Dir ja einmal einen Dominikaner davon zu überzeugen, Dir einen Blick in den giardino segreto zu werfen. Das Werk ist eine Zusammenarbeit von Vater Tommaso und Sohn Valerio Gismondi (geboren 1944).

Gismondi wird auf der To-do-Liste für einen evtl. weiteren Rom-Besuch bleiben.

Aus einem der von Dir im Lazio-Bericht verlinkten Dokumente war mir in Erinnerung geblieben, dass Tommaso Gismondi

sculture per la cappella del Beato Angelico a S. Maria sopra Minerva
geschaffen hat. Quelle: Tommaso Gismondi

Da wir am letzten Tag an der Kirche vorbeikamen, habe ich mich umgesehen, aber das Einzige, was dort vielleicht von Gismondi sein könnte, sind diese schlichten Kerzenleuchter:


 
Das sind so wunderschöne Rosenbilder - vielen Dank dafür!
Mein Mann und ich waren bisher nur zu Zeiten in Rom, wenn keine Rosen blühen oder nur ein paar spärliche. Umso schöner ist es, sie hier einmal sehen zu können.
 
Hallo Ludovico,

... Quattro Coronati ... Wir hatten das Glück, dass die sehr gesprächige Orgelschwester uns so manches erlaubte, was sonst, vor allem in der kleinen Barbarakapelle, nicht üblich ist.
:nod: ja, ich erinnere mich auch, dass Du sehr schöne Bilder von der Barbara-Kapelle eingestellt hast.
Die Kopie des Marc Aurel gefällt mir allerdings auch nach deinem Lob nicht besser. Der "Bronzeüberzug" kommt mir immer noch wie billiger Kunststoff vor. Die oxidierten Flächen des Originals mit den wenigen Bronzeresten gefallen mir wesentlich besser.
Da hast Du schon recht :nod:. Ich wollte damit auch "nur" sagen, dass es für mich gut ist, dass die Kopie auf dem Platz steht und das wunderbare Original nun im Museum ist (bei der ganzen "Umweltbelastung" der es ausgesetzt war) und somit hoffentlich uns noch lange erhalten bleibt - nicht nur von wegen "Weltuntergang" ;) Ich finde, dass das Original irgendwie mehr Leben ausstrahlt; ist es die "Patina", die das ausmacht? Das Gleiche ist mir auch z.B. beim Kapitolinischen Pferd aufgefallen...
 
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