Vor allem der Exkurs war sehr interessant und stimmt sogar schon auf das nächste tierische Lesevergnügen ein.
Nun ist der neue Beitrag fertig.
Hirsche und Rehe
Hirsche in der Krypta von S. Cecilia in Trastevere - Einstieg ins Thema
2010 haben die @Tre a Roma (Claude, Gaukler und ich) bei einem Besuch von S. Cecilia in Trastevere die Ausgrabungen und die Krypta mit ihren neo-byzantinischen Fresken besichtigt. Damals haben Claude und ich diese Darstellung zweier Hirsche fotografiert:
Diese Darstellung illustriert einen Vers aus Psalm 42: „Wie der Hirsch nach der Wasserquelle, so verlangt meine Seele nach dir, o Gott.“ Die Hirsche sind eine Darstellung der Seele des Gläubigen, der sich nach Gott, d.h. dem Wasser, das den spirituellen Durst stillt, sehnt.
Die sogenannte neue Krypta unter S. Cecilia entstand in dieser Form erst zwischen 1899 und 1901. Der damalige Titularkardinal der Kirche, Mariano Rampolla del Tindaro, liess einen großen rechteckigen Raum auf seine eigenen Kosten in historisierenden Formen ausbauen. Der Architekt Giovanni Battista Giovenale stattete den Raum mit Segelgewölben über zwölf freistehenden und achtzehn an die Wände angelehnten Marmorsäulen aus.
Einzelne Kapellen sind der Hl. Cecilia, der Hl. Agnes und der sizilianischen Hl. Agatha von Catania geweiht. Diese Heilige ist es auch, welche man in dem trompe l’oeil Monument in der Grabkapelle des aus Sizilien stammenden Kardinals Rampolla sieht.
Mehrere Lünetten in der Krypta sind mit Tiermosaiken geschmückt. Neben den Hirschen gibt es noch folgende christliche Symbole: Pfauen, Lämmer und Tauben, immer paarweise angeordnet.
Die Mosaiken wurden von Giuseppe Bravi (1868 bis nach 1901) ausgeführt. Dieser hat auch Grabkapellen auf dem Campo Verano ausgeschmückt.
Eine Mosaikinschrift erinnert an Kardinal Rampolla. Zum Abschluss noch ein paar Worte zu Kardinal Mariano Rampolla del Tindaro. 1901 war die Ausstattung der Krypta vollendet, die der Titularkardinal von S. Cecilia und Kardinalstaatsekretär Leos XIII. finanziert hatte. Zwei Jahre später, nach dem Tod Leos XIII., ging er als Favorit für dessen Nachfolge ins Konklave von 1903 hinein, aber es sollte anders kommen!
Als papabili wurden die Kardinäle Girolamo Maria Gotti, Angelo Di Pietro, Giuseppe Melchiorre Sarto und Serafino Vannutelli eingeschätzt. Favorit jedoch war der (noch amtierende) Kardinalstaatssekretär Leos XIII. Mariano Rampolla del Tindaro, der in den ersten zwei Wahlgängen deutlich voran lag. Nachdem Jan Kardinal Puzyna de Kosielsko im Auftrag von Kaiser Franz Joseph I. mitgeteilt hatte, dass dieser das Recht der Exklusive beanspruche und gegen die Wahl Rampollas sein Veto einlege, präsentierte Andrea Carlo Kardinal Ferrari mit Giuseppe Melchiorre Sarto einen Kompromisskandidaten. Dieser wurde nach fünf weiteren Wahlgängen mit 55 Stimmen, 13 mehr als nötig, gewählt. 1904 untersagte der neugewählte Papst die weitere Ausübung der Exklusive.
Zu den Hintergründen siehe bei Interesse auch: Papstwahl damals - DER SPIEGEL - Geschichte, „Ein armer Gefangener im Vatikan“ - DER SPIEGEL 34/1978 und 30Giorni | Als das Veto des Kaisers zur Wahl eines heiligen Papstes führte (von Andrea Tornielli)
Doch nun weiter mit den Tierdarstellungen. Neben den Hirschen aus der Krypta von S. Cecilia findet man viele weitere Darstellungen von Hirschen und Rehen aus allen Epochen in Rom.
1) Antike Rehe und Hirsche
- Hypogäum an der Via Livenza
- Ostia antica
- Vatikanische Museen
Gefunden wurde er 1822/23 bei Ausgrabungen am Tiberufer in der Nähe der Porta Portese. Papst Gregor XVI. bestimmte ihn zum Aufenthalt in seinem neu gegründeten Museo Gregorio Profano im Lateranpalast. Die Restaurierung des Hirschs wurde Giuseppe de Fabris anvertraut. Er leistete exzellente Arbeit und ergänzte fehlende Teile (Ohren, Geweih aus Bronze, Schwanz, Augen und Teile der Beine). Irgendwann verschwand der Hirsch in den Depots der Vatikanischen Museen. Dort wurde er von Giandomenico Spinola (geboren 1959) wiederentdeckt. Der Hirsch wurde erneut umsichtig restauriert und Spinola hatte die Idee, ihn an seinem jetzigen Standort aufstellen zu lassen.
Die Fachleute sind zu dem Schluss gekommen, dass der Hirsch aus spätrepublikanischer Zeit wohl in einem Garten gestanden hat, wo es auch Wasser gab, einen Brunnen oder ein Nymphäum. Es kann sich um die Gärten von Julius Caesar in Trastevere gehandelt haben. Der Hirsch war mit Sicherheit Bestandteil einer Skulpturengruppe. Darauf weist eine Stelle an einer seiner Flanken hin, die der Verankerung einer weiteren Figur gedient hat. Vielleicht war es eine mythologische Komposition, evt. eine dionysische Prozession. Begleiterin des Hirschen könnte dann z.B. Demeter oder eine Mänade gewesen sein. Diese wurden in Darstellungen oft von Satyrn und Tieren begleitet (Panther, Esel und Hirsch). Heutzutage kann der Hirsch die „Prozession“ der Besucher in den Vatikanischen Museen verfolgen.
Ebenfalls aus den Vatikanischen Museen stammt folgendes Detail eines Mosaiks aus Tivoli. Mehr zu diesem in Kürze in einem ergänzenden Beitrag zum Thema "Elefanten".
Hirsch und Reh entdeckt man auch in folgendem Fresko von Pinturicchio in den Borgia-Gemächern (Saal der Heiligenviten). Dargestellt ist die heilige Susanna im Bade.
2) Hirsch als mythologisches Sujet
Folgende Gips-Figur in der Galerie der Accademia di San Luca zeigt eine Gestalt der griechischen Mythologie, den aus der Geschichte der Argonauten bekannten Meleagros.
Bekannt ist die Eberjagd Meleagers, aber häufig wird er auch, wie hier, mit einem verwundeten Hirsch dargestellt. Die Skulptur ist ein Werk des englischen Bildhauers John Gibson (1790 bis 1866) aus dem 19. Jh.
3) Hirsche im christlichen Kontext
Dabei kommen mir nach jenen aus der Krypta von S. Cecilia noch folgende in den Sinn:
- S. Prassede
In der Zeno-Kapelle von S. Prassede sind an einer Wand zwei Rehe und zwei Hirsche auf einem Mosaik abgebildet. Sie gruppieren sich paarweise links und rechts der Darstellung eines Berges mit dem Gotteslamm. Am Fuss des Berges entspringen die vier Paradiesflüsse, von deren Quelle die Hirsche trinken. Wie in S. Cecilia handelt es sich wohl um eine Illustration des erwähnten Psalmverses 42,2.
- S. Clemente
Am unteren Rand in der Mitte sieht man wiederum die vier Paradiesflüsse, aus denen zwei Hirsche trinken. Hier ein Detail:
Eine zweite Szene genau darüber – in kleinerem Format – zeigt einen weiteren Hirsch, der mit einer einer roten Schlange kämpft Diese symbolisiert den Teufel. Der Hirsch ist in diesem Kontext ein Symboltier Christi.
Im "Physiologus" (einer Schrift zur frühchristlichen Naturdeutung) heißt es, dass "der Hirsch Wasser in jede Erdspalte speit, in welcher sich Giftschlangen verborgen halten; er schwemmt sie damit heraus und zertritt sie. So schlägt auch unser Herr die Schlange, den Teufel, mit dem Himmelswasser (…)
Quelle
- S. Giovanni in Laterano
Der im Mittelalter erweiterte Chorraum mit den 1288 bis 1292 von Jacopo Torriti und Jacopo da Camerino im Auftrag Nikolaus' IV. geschaffenen Mosaiken wurde 1884 unter Papst Leo XIII. leider komplett abgerissen und durch Virginio Vespignani (1808–1882) als historistische Rekonstruktion wiederaufgebaut. Die aktuellen Mosaiken sind zwar in Anlehnung an Torritis Originale entstanden, aber ein eher mittelmäßiges und etwas starres Werk des späten 19. Jahrhunderts (…)
Quelle
- Baptisterium von S. Giovanni in Laterano
Der Künstler entwarf zwei Bronzehirsche. Das Kunstwerk trägt den Titel „I cervi alle fonte“. Die Sockel sind mit Steinen und Pflanzen dekoriert und die Hirsche trinken von Quellen. Der eine Hirsch hält den Kopf tief gesenkt, der andere etwas weniger. Dieser blickt Richtung Eingang des Baptisteriums.
- S. Eustachio
Der Hirschkopf nimmt Bezug auf die Legende des Heiligen Eustachius.
Der Heilige und seine Familie sollen das Martyrium im Jahre 118 erlitten haben. Eustachius, der vor seiner Bekehrung Placidus genannt wurde, sei einst ein Heermeister einer Legion in Kleinasien unter dem Kaiser Trajan gewesen. Eines Tages begegnete ihm bei der Jagd ein Hirsch, der in seinem Geweih ein strahlenumwobenes Kruzifix trug. Vor Schreck fiel Placidus von seinem Pferd. Gleichzeitig hörte er die Stimme Christi, die sprach, er habe den Himmel und die Erde erschaffen. Er sei der Herr des Lichts und der Finsternis. Diese Erscheinung wiederholte sich mehrmals; auch Placidus Frau hörte die Stimme. Daraufhin ließ dieser sich mit seiner gesamten Familie taufen und erhielt dabei den Namen Eustachius.
4) Hirsche in einem weltlichen Kontext
- Den Hirschkopf findet man auch nicht weit entfernt von S. Eustachio in der Via degli Staderari als Motiv am sogenannten Bücherbrunnen.
Der Hirschkopf ist das Symbol des Rione S. Eustachio. Allerdings ist dies der VIII. Rione und nicht, wie irrtümlich auf dem Brunnen angegeben, der IV. Der Stadtteilbrunnen von Pietro Lombardi stammt aus dem Jahr 1927.
- Ganz viele Hirsche findet man auch im Innenhof des Palazzo Maffei Marescotti zwischen der Via dei Cestari und der Via della Pigna.
Hier eine Detailaufnahme aus dem weltweiten Netz.
- Ein hübscher kleiner Hirsch ist an der freskierten Decke der Loggia Mattei auf dem Palatin abgebildet:
- Im Viertel Casal Bertone, an der Piazza Tommaso de Cristoforis, befindet sich ein grosses Mietshaus, das als Palazzo dei ferrovieri oder dei cervi bekannt ist. Der Palazzo wurde 1929 für Eisenbahner und ihre Familien gebaut. Auf den Säulen neben dem grossen Torbogen, der den Eingang bildet, stehen hoch oben zwei Hirsche. Siehe hier.
Zwei Hirsche in Rom, was machen sie dort, wie sind sie dorthin gekommen? Wir wissen es nicht, aber es heißt, dass diese beiden anmutigen Geschöpfe einst imposante und verzweigte Geweihe trugen. Das große Gebäude war für die Eisenbahner gebaut worden, Leute, die ständig auf Achse waren, die wenig zu Hause waren und ihre Frauen zwangsläufig ein wenig vernachlässigten. Zum Hohn und Spott wurde der Hirschpalast in der Nachbarschaft in palazzo dei cornuti. „Cornuto“ bedeutet übersetzt, die Hörner aufgesetzt bekommen, also der Gehörnte. Das ertrugen die männlichen Bewohner des palazzo dei cervi nicht und so stiegen eines Tages vor vielen Jahren einige der Eisenbahner auf eine Leiter, kletterten zu den Hirschen hinauf und sägten die Geweihe kurzerhand ab. Wer weiss, ob sie nicht heute noch in einem dunklen Keller liegen.
Quelle
Während die einen schwören, genau so habe es sich zugetragen, sind Andere sicher, dass die Geweihe nie existiert haben. Siehe Kommentare unter: Piazza Tommaso De Cristoforis
- Eine Darstellung mit zwei Hirschen und einer Raubkatze vom Beginn der 1940er Jahre findet man in einem Rundmosaik, das den Travertinfussboden in Saal 1 des Museo della mura in der Porta San Sebastiano schmückt.