Ich habe lange überlegt, ob ich meine Gefühle während meines achten Romaufenthalts mit der Veröffentlichung über ein Internet-Forum derart "in die Welt streue". Es wird ein kurzer Bericht über eine andere, sehr aufwühlende und bewegende Rom-Reise. Sicherlich meine schwerste. Ich weiß nicht, ob ich hier bis zum Ende weiterschreiben werde, aber ich fange einfach mal an:
Prolog
Wie wird sie mich aufnehmen, wie wird sie mir gegenübertreten? Zügig rumpelnd kämpft sich der Leonardo-Express durch die dichter werdenden Randgebiete und Wohnareale. Es ist der Besuch bei einer Geliebten – einer Geliebten, die mich für immer an sich gefesselt hat und die mich süchtig nach ihr gemacht hat. Muratella, Magliana – ich nähere mich ihr unaufhaltsam. Wird sie mir zur Begrüßung ihr strahlendstes Lächeln schenken oder wird sie mich mit der Arroganz einer Diva links liegen lassen?
Termini. Zum achten Mal habe ich ein Rendezvous mit ihr. Meine irdische, große Liebe hat mich nach 15 Jahren verlassen – kann mir meine überirdische Geliebte über den Schmerz hinweghelfen? Wie viele Tränen habe ich in den letzten Monaten geweint, wie viele Nächte durchwacht? Kann ich mich an ihrer Grandezza, an ihrem Charisma, an ihrem Überlebenswillen und ihrer Standhaftigkeit aufrichten und mit ihr zusammen meinen eigenen Neubeginn einleiten?
Die kommenden drei Tage werden es zeigen. Ich bin nervös und aufgeregt zugleich. Das erste Mal besuche ich sie ganz allein. Ich will mit ihr alleine sein. Sie ist voll von Erinnerungen, die mich in den kommenden Tagen wie bösartige Geschwüre an glückliche Tage erinnern werden, aber sie ist auch voll von Unbekanntem, von versteckten Geheimnissen, die ich für mich zu entdecken hoffe.
„Buongiorno, principessa roma! – Da bin ich.“ Tief in mir bewegt mich ein nicht zu definierendes Gefühl. Sachlich betrachtet bin ich soeben auf dem Hauptbahnhof der italienischen Hauptstadt angekommen. Ich selbst spüre eine freudige Erregung, ähnlich dieser ebenso häufig wie kitschig zitierten „Schmetterlinge im Bauch“, in mir erklingt eine fanfarengleiche Sinfonie in jubilierenden Tönen – „Bella Roma“ ich habe Dich endlich, endlich wieder. Aber ich weiß schon jetzt, dieses Hochgefühl wird nicht lange anhalten, die Traurigkeit wird von mir Besitz ergreifen und sie wird versuchen, mir die Freude an dieser Reise zu nehmen.
[hotel]159[/hotel]Termini - Metro Linia A - ein erster Spaziergang durch die Straßen von Prati, das sind die Stationen auf meinem Weg zum Hotel Arcangelo in der Via Boezio. Das Haus ist angenehm, das kleine Zimmer raubt mir aber die Luft zum atmen und ich muss raus in die Freiheit, ich möchte "mein Rom" begrüßen. Aber ist es noch "mein Rom"? War es nicht immer auch "unser Rom"?
Das Castel S'Angelo kann ich noch ertragen, ebenso den Gang über die Ponte S'Angelo. Aber schon der Anblick der Dachterrasse unserer Ferienwohnung aus dem Jahr 2008 an der Piazza dell' oro treibt mir zum ersten Mal die Tränen in die Augen. Der gleiche Obdachlose liegt auf den Stufen von San Giovanni dei Fiorentini, die Erinnerungen fahren in meinem Kopf Achterbahn. Ich gehe die Via Giulia entlang, Regentropfen sorgen für eine skurille Mischung von Wasserarten unterschiedlicher Herkunft in meinem Gesicht. Eine davon schmeckt verdammt nach Salz. Bitteres Salz. Mir begegnet kaum ein Mensch an diesem Spätnachmittag im Januar. In der Kirche hinter dem Palazzo Farnese bin ich alleine mit meinen Gedanken. Ich entzünde zwei Kerzen und bewege in mir die Dinge, die ich mir wünsche. Den Namen dieser Kirche kann ich mir auch anschließend nicht merken (Santa Maria... de la morte...?!?). Wohl aber werde ich ewig daran denken, welche Gefühle mich in diesen Momenten durchdrangen.
Die Gegend um den Campo de fiori - 2005, 2006, 2007, 2008 und 2009 waren wir zusammen hier, das ist "unser Viertel". Die Via dei Giubbonari wirkt grau und traurig auf mich, der Largo dei Librari scheint seine Schönheit verloren zu haben.
"Jetzt reiss dich zusammen, du bist in Rom!" Ich treibe mich selbst an und bin nach einem kurzen Besuch in der Chiesa di Santa Brigida pünktlich um kurz vor 17.00 Uhr am Hauptportal des Palazzo Farnese. Hier habe ich eine Führung gebucht. Jetzt freue ich mich darauf, endlich diesen wunderschönen Palast einmal von innen bewundern zu dürfen. Die Freude wird nicht enttäuscht! Eine intime Besichtigung im kleinen Kreis, ein Rundgang durch den Garten, hinein durch die monumentalen Treppenaufgänge in die üppig und reich bebilderten Säle des Gebäudes der französischen Botschaft. Auf einer Empore decken fleißige Hände eine opulente Tafel für ein am Abend stattfindendes Galadinner. Schweres Tafelsilber, geschmackvolle Blumendekoration, feierliches Geschirr - die Bilder des bevorstehenden Ereignisses lassen sich in der Fantasie vortrefflich darstellen. Kopfkino.
Der Palast war der erwartete Höhepunkt. Nach einer Stunde strebe ich der Piazza Navona zu. Regen. Melancholie. Aber ich bin doch in Rom und nicht in Paris?! Irgendwie werde ich wie ferngesteuert von Kirchen angezogen. In der Santa Maria dell' Anima setze ich mich einen Moment und höre der deutschen Predigt zu. Mit dem Inhalt kann ich mich nicht identifizieren, er wirkt auf mich provozierend und polemisierend. Geschmacksache - ich empfinde es in diesem Moment aber so. Über die Via Governo Vecchio lasse ich mich treiben und lande irgendwann auf der anderen Tiberseite in der "Hostaria da Cesare", wo ich nun endlich, nach vielen Stunden, meinen Drang nach einem guten, römischen Essen und dem dazugehörigen Wein nachkommen werde. Schwertfisch-Carpaccio, Tagliorini in Scampicreme, Puntarelle-Salat, Pana Cotta - es ist schon so, kulinarische Genüsse können auch den Geist besänftigen und vorübergehend für ein wohliges Gefühl sorgen.
Nach dem Essen mache ich eine große Runde in Richtung Piazza San Pietro. Vor der Krippe halte ich inne, kämpfe wieder den Tränen. Und verliere. Was mache ich ALLEINE in Rom? Alles in mir schreit, die Ereignisse der letzten Monate branden wie eine Sturmflut durch meinen Kopf. So sehen Verlierer aus.
Vorbei an der Engelsburg und der kleinen, winterlichen Eisbahn, auf der wenige, junge Römer staksig ihre Bahnen drehen, führt mich mein Weg zurück zur Via Boezio.
Rom ist diesmal ein Stück Vergangenheitsbewältigung und ein Stück Zukunftsbeginn für mich. Ich weiß nur noch nicht, wohin das Pendel derzeit mehr ausschlägt. Meine Gedanken haben mich selbst erschlagen, sie können an diesem Abend zu keinem neuen Ziel führen. Ich bin leer und schlafe.
Prolog
Wie wird sie mich aufnehmen, wie wird sie mir gegenübertreten? Zügig rumpelnd kämpft sich der Leonardo-Express durch die dichter werdenden Randgebiete und Wohnareale. Es ist der Besuch bei einer Geliebten – einer Geliebten, die mich für immer an sich gefesselt hat und die mich süchtig nach ihr gemacht hat. Muratella, Magliana – ich nähere mich ihr unaufhaltsam. Wird sie mir zur Begrüßung ihr strahlendstes Lächeln schenken oder wird sie mich mit der Arroganz einer Diva links liegen lassen?
Termini. Zum achten Mal habe ich ein Rendezvous mit ihr. Meine irdische, große Liebe hat mich nach 15 Jahren verlassen – kann mir meine überirdische Geliebte über den Schmerz hinweghelfen? Wie viele Tränen habe ich in den letzten Monaten geweint, wie viele Nächte durchwacht? Kann ich mich an ihrer Grandezza, an ihrem Charisma, an ihrem Überlebenswillen und ihrer Standhaftigkeit aufrichten und mit ihr zusammen meinen eigenen Neubeginn einleiten?
Die kommenden drei Tage werden es zeigen. Ich bin nervös und aufgeregt zugleich. Das erste Mal besuche ich sie ganz allein. Ich will mit ihr alleine sein. Sie ist voll von Erinnerungen, die mich in den kommenden Tagen wie bösartige Geschwüre an glückliche Tage erinnern werden, aber sie ist auch voll von Unbekanntem, von versteckten Geheimnissen, die ich für mich zu entdecken hoffe.
„Buongiorno, principessa roma! – Da bin ich.“ Tief in mir bewegt mich ein nicht zu definierendes Gefühl. Sachlich betrachtet bin ich soeben auf dem Hauptbahnhof der italienischen Hauptstadt angekommen. Ich selbst spüre eine freudige Erregung, ähnlich dieser ebenso häufig wie kitschig zitierten „Schmetterlinge im Bauch“, in mir erklingt eine fanfarengleiche Sinfonie in jubilierenden Tönen – „Bella Roma“ ich habe Dich endlich, endlich wieder. Aber ich weiß schon jetzt, dieses Hochgefühl wird nicht lange anhalten, die Traurigkeit wird von mir Besitz ergreifen und sie wird versuchen, mir die Freude an dieser Reise zu nehmen.
[hotel]159[/hotel]Termini - Metro Linia A - ein erster Spaziergang durch die Straßen von Prati, das sind die Stationen auf meinem Weg zum Hotel Arcangelo in der Via Boezio. Das Haus ist angenehm, das kleine Zimmer raubt mir aber die Luft zum atmen und ich muss raus in die Freiheit, ich möchte "mein Rom" begrüßen. Aber ist es noch "mein Rom"? War es nicht immer auch "unser Rom"?
Das Castel S'Angelo kann ich noch ertragen, ebenso den Gang über die Ponte S'Angelo. Aber schon der Anblick der Dachterrasse unserer Ferienwohnung aus dem Jahr 2008 an der Piazza dell' oro treibt mir zum ersten Mal die Tränen in die Augen. Der gleiche Obdachlose liegt auf den Stufen von San Giovanni dei Fiorentini, die Erinnerungen fahren in meinem Kopf Achterbahn. Ich gehe die Via Giulia entlang, Regentropfen sorgen für eine skurille Mischung von Wasserarten unterschiedlicher Herkunft in meinem Gesicht. Eine davon schmeckt verdammt nach Salz. Bitteres Salz. Mir begegnet kaum ein Mensch an diesem Spätnachmittag im Januar. In der Kirche hinter dem Palazzo Farnese bin ich alleine mit meinen Gedanken. Ich entzünde zwei Kerzen und bewege in mir die Dinge, die ich mir wünsche. Den Namen dieser Kirche kann ich mir auch anschließend nicht merken (Santa Maria... de la morte...?!?). Wohl aber werde ich ewig daran denken, welche Gefühle mich in diesen Momenten durchdrangen.
Die Gegend um den Campo de fiori - 2005, 2006, 2007, 2008 und 2009 waren wir zusammen hier, das ist "unser Viertel". Die Via dei Giubbonari wirkt grau und traurig auf mich, der Largo dei Librari scheint seine Schönheit verloren zu haben.
"Jetzt reiss dich zusammen, du bist in Rom!" Ich treibe mich selbst an und bin nach einem kurzen Besuch in der Chiesa di Santa Brigida pünktlich um kurz vor 17.00 Uhr am Hauptportal des Palazzo Farnese. Hier habe ich eine Führung gebucht. Jetzt freue ich mich darauf, endlich diesen wunderschönen Palast einmal von innen bewundern zu dürfen. Die Freude wird nicht enttäuscht! Eine intime Besichtigung im kleinen Kreis, ein Rundgang durch den Garten, hinein durch die monumentalen Treppenaufgänge in die üppig und reich bebilderten Säle des Gebäudes der französischen Botschaft. Auf einer Empore decken fleißige Hände eine opulente Tafel für ein am Abend stattfindendes Galadinner. Schweres Tafelsilber, geschmackvolle Blumendekoration, feierliches Geschirr - die Bilder des bevorstehenden Ereignisses lassen sich in der Fantasie vortrefflich darstellen. Kopfkino.
Der Palast war der erwartete Höhepunkt. Nach einer Stunde strebe ich der Piazza Navona zu. Regen. Melancholie. Aber ich bin doch in Rom und nicht in Paris?! Irgendwie werde ich wie ferngesteuert von Kirchen angezogen. In der Santa Maria dell' Anima setze ich mich einen Moment und höre der deutschen Predigt zu. Mit dem Inhalt kann ich mich nicht identifizieren, er wirkt auf mich provozierend und polemisierend. Geschmacksache - ich empfinde es in diesem Moment aber so. Über die Via Governo Vecchio lasse ich mich treiben und lande irgendwann auf der anderen Tiberseite in der "Hostaria da Cesare", wo ich nun endlich, nach vielen Stunden, meinen Drang nach einem guten, römischen Essen und dem dazugehörigen Wein nachkommen werde. Schwertfisch-Carpaccio, Tagliorini in Scampicreme, Puntarelle-Salat, Pana Cotta - es ist schon so, kulinarische Genüsse können auch den Geist besänftigen und vorübergehend für ein wohliges Gefühl sorgen.
Nach dem Essen mache ich eine große Runde in Richtung Piazza San Pietro. Vor der Krippe halte ich inne, kämpfe wieder den Tränen. Und verliere. Was mache ich ALLEINE in Rom? Alles in mir schreit, die Ereignisse der letzten Monate branden wie eine Sturmflut durch meinen Kopf. So sehen Verlierer aus.
Vorbei an der Engelsburg und der kleinen, winterlichen Eisbahn, auf der wenige, junge Römer staksig ihre Bahnen drehen, führt mich mein Weg zurück zur Via Boezio.
Rom ist diesmal ein Stück Vergangenheitsbewältigung und ein Stück Zukunftsbeginn für mich. Ich weiß nur noch nicht, wohin das Pendel derzeit mehr ausschlägt. Meine Gedanken haben mich selbst erschlagen, sie können an diesem Abend zu keinem neuen Ziel führen. Ich bin leer und schlafe.