Porta Pia 1870: Tage, die Geschichte schrieben

Gaukler

Caesar
Stammrömer
... racconto di Stefano Tomassini su Repubblica in edicola e, in versione multimediale, sul sito.
Porta Pia im September 1870: Tage, die Geschichte schrieben.
Von Samstag, dem 5. September, bis zum 2. Oktober erzählt zum 150. Jahrestag der Historiker Stefano Tomassini in der Repubblica (sowohl in der Beilage als auch auf der Website) das Tagebuch dieser denkwürdigen Ereignisse, die zum Durchbruch an der Porta Pia und zur Annektion des Vatikanstaats führten.

Angemerkt sei: Dieses Thema habe ich eröffnet für (ganz ausnahmsweise nur) diejenigen unter uns Foristi, die Italienisch zumindest lesen können. Denn es wäre zu umfangreich, das alles auch nur in groben Zügen zu übersetzen. Zudem dürften die meisten von uns ohnehin wissen, was sich damals an der Porta Pia zugetragen hat (oder könnten es andernfalls im Internet nachlesen, z.B. hier: Capture of Rome - Wikipedia).

Das Video zeigt auch einige wenige Impressionen aus dem Museo Storico dei Bersaglieri. Wer sich interessiert für diese Ereignisse rund um die Staatswerdung Italiens, dem sei der Besuch empfohlen.
 
Hier nun weiterhin im Sinne meiner Anmerkung von gestern:
Dieses Thema habe ich eröffnet für (ganz ausnahmsweise nur) diejenigen unter uns Foristi, die Italienisch zumindest lesen können.


Der Spaziergang des Papstes und das Blut der Italiener.
Wie ein Spaziergang des Papstes über den Corso zur Piazza Venezia von seinen Mitbürgern, Leute mit "Saft [und Kraft] in den Adern", verstanden wird als eine Demonstration heiterer Gelassenheit.

So beginnt die heutige Fortsetzung des "Tagebuchs 1870", das u.a. auch in kurz kommentierten zeitgenössischen Darstellungen sowie anhand von Kartenmaterial die "15 Tage, die Italien schufen" darstellt.
I quindici giorni che fecero l'Italia.
Wobei übrigens diese Formulierung gewählt sein dürfte in Anlehnung an den berühmten, Massimo D'Azeglio zugeschriebenen und sicherlich auch hierzuforum recht bekannten Ausspruch bzgl. der Staatswerdung 1861 (vgl. z.B. hier: 17 marzo 1861: Unità d’Italia):
Fatta l'Italia, bisogna fare gli italiani.
Nachdem nun Italien erschaffen ist, müssen die Italiener erschaffen werden.


Auf der Karte kann man die einzelnen Etappen anklicken des "triumphalen Ritts von Orvieto nach Rom des Heeres Raffaele Cadornas, der Einnahme der künftigen Hauptstadt entgegen".
Da Orvieto a Roma la cavalcata trionfale dell'esercito di Cadorna verso la presa della futura Capitale.


Wobei wir ja übrigens zur ersten Etappe einen "Zeitzeugen" ;) in unseren Reihen haben, nämlich @Bixio:
Orvieto
8 settembre 1870
Nino Bixio prende il comando della Seconda Divisione che punta a Civitavecchia.
Orvieto, 8. September 1870
Nino Bixio übernimmt das Kommando über die zweite Division, welche auf Civitavecchia zusteuert.

Gelle, Bixio? ;)
 
Wobei wir ja übrigens zur ersten Etappe einen "Zeitzeugen" ;) in unseren Reihen haben, nämlich @Bixio:

Oh ja, Gauki! :)
Ich kann mich noch gut erinnern. Schön, dass du an die turbulenten Tage erinnerst.

Wenn auch die Zusammenarbeit mit Raffaele Cadorna bei der Einnahme von Rom nicht unproblematisch war, wir haben es geschafft.
Das Museo Storico dei Bersaglieri in der Porta Pia ist nur wenige Schritte von der Bresche in der Stadtmauer, die unsere Bersaglieri geschlagen haben, entfernt und enthält einige Erinnerungsstücke von damals.

Ich für meinen Teil erinnere mich noch lieber an die Zusammenarbeit mit meinem Freund Giuseppe Garibaldi bei der Verteidigung Roms im Sommer 1849 auf dem Gianicolo und an die "Spedizione dei Mille" 1860 , die die Initialzündung für die spätere nationale Einheit war.

Bleib gesund, Gauki und sei gegrüßt vom alten Kämpfer

Nino Bixio
 
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@Gaukler
Danke für die leserfreundliche Aufbereitung dieses Teils der Repubblica-Serie zu den historischen Ereignissen des Jahres 1870.
So sattelfest in der Materie wie @Bixio bin ich nicht, aber am Thema interessiert.
Daher habe ich dieser Tage auch ein Exemplar von Luca di Fulvio: Es war einmal in Italien vorbestellt. Der Roman spielt vor dem Hintergrund der Ereignisse von 1870 in Rom.
 
Euer Interesse freut mich natürlich - und zudem Bixios Ergänzungen ... waschechte oral history, sozusagen. ;)

Apropos: Ein wenig ergänzt hat mittlerweile auch die Repubblica ihren Beitrag. Man findet nunmehr unter dem Link von heute Vormittag auch diesen weiteren: Porta Pia, l'ora del via libera: "Andiamo a Roma". Dort eingefügt ist nun eine knappe Handvoll weiterer Bilder von einst und jetzt.
Der Text als solcher schildert ausführlich den Zusammenhang (m.E. jedoch hierzuforum im Wesentlichen ohnehin nicht unbekannt) des Sieges über die päpstlichen Truppen mit dem deutsch-französischen Krieg 1870/71. Denn während 1849 Frankreich erfolgreich als Schutzmacht des Kirchenstaates fungiert hatte (Bixio erwähnte ja vorhin die Kooperation mit Garibaldi in diesen Kämpfen), konnten diesmal keine französischen Soldaten dem Pontifex zu Hilfe kommen.


Übrigens nur ganz nebenbei, nämlich mit Blick auf die in gewissem Umfang parallelen Entwicklungen unserer beiden Nationen in jener Zeit, eine kleine Assoziation hierzu:
I quindici giorni che fecero l'Italia.
Wobei diese Formulierung gewählt sein dürfte in Anlehnung an den berühmten, Massimo D'Azeglio zugeschriebenen (...) Ausspruch (...):
Nachdem nun Italien erschaffen ist, müssen die Italiener erschaffen werden.
Hingegen Otto von Bismarcks damalige Devise lautete ganz anders, optimistisch und selbstbewusst:
Setzen wir Deutschland in den Sattel - reiten wird es dann schon können.
 
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Hingegen die neue Folge von gestern (wofür mir allerdings leider die Zeit fehlte) kann man wieder ganz normal lesen:
Der Mann, der die Kardinäle in den Tiber werfen wollte.
Darüber, wie 60.000 Mann den schicksalhaften Tag erwarten. Nino Bixio: "Die Truppen beginnen einzutreffen, und es steht zu hoffen, dass wir heute oder morgen in der Lage sein werden, die berühmte Grenze [d.h. des Kirchenstaats] zu überschreiten."

Unser Zeitzeuge ;) hierzuforum spielte ja schon am Sonntag an auf seine Differenzen mit dem Oberbefehlshaber:
Raffaele Cadorna (...) in agosto lo aveva rifiutato, prendendo come argomento certe sue intemperanze, in particolare quella di aver dichiarato di voler buttare nel Tevere tutti i cardinali.
Im August hatte Raffaele Cadorna ihn zunächst [als Kommandeur] zurückgewiesen unter Hinweis auf gewisse Unmäßigkeiten, insbesondere seine Ankündigung, sämtliche Kardinäle in den Tiber werfen zu wollen.

Nachdem ihm aber später dennoch eine Division übertragen worden war, schrieb er den eingangs zitierten Satz bzgl. der Ankunft der Truppen usw. in einem Brief an seine Frau Adelaide.
Ora Nino Bixio, come fa quasi tutti i giorni, scrive alla moglie Adelaide: “Le truppe cominciano ad arrivare (...). Io comando una Divisione (...) destinata ad operare nel territorio Romano (...) indipendente dal Corpo di Cadorna, che opera in Val di Tevere direttamente su Roma. Io miro a Viterbo e Civitavecchia (...)."
Ich kommandiere eine Division, die auf römischem Territorium operieren soll unabhängig vom Corps Cadornas; er wird im Tibertal direkt auf Rom vorrücken. Hingegen ich marschiere auf Viterbo und Civitavecchia.
 
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Das Schicksal des Papststaates war mit dem Fortgang des deutsch-französischen Krieges und der Niederlage Napoleons III, der den Kirchenstaat ja zuvor noch gerettet hatte, ohnehin besiegelt. Dass die zahlenmäßig völlig unterlegenen päpstlichen Truppen ohne französische Unterstützung absolut keine Chance hatten gegen die Piemontesen war unter diesen Umständen von vornherein klar. Die Erstürmung der Porta Pia wird da gerne gewaltig überhöht, militärisch war die Besetzung des Kirchenstaats kein Problem und auch keine strategische Glanztat. Die Kräfteverhältnisse waren den päpstlichen Verantwortlichen auch völlig klar und so war der Widerstand an der Porta Pia auch eher symbolischer Natur und nach den ersten paar Schüssen streckten die päpstlichen Truppen auch sofort die Waffen. An sich war die Vollendung des Risorgimento überwiegend das Verdienst der Deutschen im Krieg gegen Frankreich und dass Sig. Garibaldi im weiteren Verlauf dieses Krieges den - allerdings sinnlosen und auch ziemlich untauglichen - Versuch unternahm die Franzosen im Burgund mit ein paar tausend Mann zu unterstützen, weil die ja nun Republikaner geworden waren, ist einer der trüben Treppenwitze der Geschichte und diese Einmischung Garibaldis in einen Krieg, der ihn nichts anging und die Unterstützung einer Armee, die davon im Wesentlichen wie auch die Regierung nur mäßig begeistert war, war wahrlich kein Ruhmesblatt für ihn.
Bixio war übrigens an diesem Nachspiel zur Eroberung Roms meines Wissens nicht beteiligt, aber geändert hätte das ohnehin nichts.
 
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Tut mir leid jetzt ein wenig Wasser in den nationalen Überschwangswein der Italiener giessen zu müssen, aber so war es nun mal in dieser Zeit. Mit ein bisschen Verhandlungsgeschick hätte der General Cadorna vermutlich Rom auch im Alleingang erobern können aber "die Ehre der Truppe" verbot es beiden Seiten, einen solch "gewaltigen" Kampf ohne jedes Blutvergiessen zu beenden. Wie gesagt, so war es in diesen Zeiten eben. Und nicht nur in Italien.
 
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Auf der Karte kann man die einzelnen Etappen anklicken des "triumphalen Ritts von Orvieto nach Rom des Heeres Raffaele Cadornas, der Einnahme der künftigen Hauptstadt entgegen".
Dort liest man unter dem 9. und 10. September von der erfolglosen Mission des Grafen Gustavo Ponza di San Martino, am Abend seiner Anreise aus Florenz Kardinalstaatssekretär Giacomo Antonelli sowie am Folgetag Papst Pius IX. zu einer kampflosen Übergabe der Stadt Rom zu bewegen.

Die heutige Folge der Repubblica beschreibt im Wesentlichen das Zusammentreffen mit Antonelli, unter der Überschrift: L'offerta rifiutata e la città sguarnita = das zurückgewiesene Angebot und die unbewachte Stadt.
 
Ja, eine unblutige Übergabe hätte nach damaligem Verständnis eben die Ehre verletzt. Nicht dass da an der Porta Pia viele Soldaten gefallen wären aber völlig unnötig war das Ganze. Es sollte eben eine gewaltsame Übernahme provoziert werden.
 
Tja, das damalige Verständnis ...
Es waren halt alle Akteure Kinder ihrer Zeit und damit großenteils den Vorstellungen derselben verhaftet.
 
Da hast Du nur zu recht. Ich ärgere mich ohnehin immer wenn Leute aus den heutigen Anschauungen und den heutigen historischen Kenntnissen heraus über vergangene Ereignisse urteilen oder irgendwelche Personen für Taten oder Worte verurteilen, die vor 2-300 Jahren gefallen sind. Aus heutiger Sicht wäre da jeder ein Held. In der historischen Situation hätte das bei den meisten Schlauschwätzern garantiert ganz anders ausgesehen. Das ändert natürlich nichts an der Einordnung entsprechender Ereignisse. Aber das ganze dann mit heutigen moralischen Maßstäben zu messen und zu verurteilen ist in aller Regel unangebracht.
 
Sehr richtig: Es kann uns bzw. kann den jeweils Heutigen, die sich mit der Geschichte befassen (was in sehr bescheidenem Umfang auch für mich gilt, nach etwas über 30 Jahren in unserem Erzbistumsarchiv), im Prinzip stets nur um eine möglichst angemessene Einordnung gehen.

Wenden wir uns der aktuellen Repubblica-Folge zu; erwartungsgemäß handelt sie vom Zusammentreffen des Grafen Gustavo Ponza mit Papst Pius IX. am 10.9.1870:
"Ich werde Euch [= Anrede des Pontifex im Plural majestatis] gegen die Revolutionäre verteidigen." Auf diese Weise versucht der König [in seinem Brief], den Papst hinter's Licht zu führen.

Da ich im Laufe der Jahre einigermaßen viel gelesen habe über die Ereignisse, die letztlich zur Hauptstadtwerdung Roms im 19. Jh. führten, möchte ich dem zweiten Satz dieser Überschrift zumindest in gewissem Umfang widersprechen. Denn Viktor Emanuel meint es durchaus aufrichtig, wenn er sich an den Heiligen Vater wendet "mit der Liebe des Sohnes".
Beatissimo Padre, con affetto di Figlio, con lealtà di Re, con animo d'Italiano, m'indirizzo (...) al cuore di Vostra Santità.
In der Tat hat der König, als zutiefst überzeugter Katholik, für den Rest seines Lebens darunter gelitten, diesen Frevel (in seinen Augen) begangen zu haben an Pius IX.
 
Es ergeht der Befehl: "Die Truppen sollen in Roms Provinzen einziehen".
Darüber, wie man in Florenz [1864-1870 vorläufige Hauptstadt] beschloss, in Aktion zu treten, und wie Cadorna - in Uneinigkeit mit der Regierung - die Stadt von Osten her angreifen wollte.

Wie im weiteren Text zu lesen, wurden dem Oberbefehlshaber aus dem Ministerrat einige durchaus nicht immer widerspruchsfreie Befehle übermittelt; ferner ein hehres Proklamandum, das die Bevölkerung beruhigen sollte:
L'esercito, simbolo e prova della concordia e dell'unità nazionale, viene tra voi con affetto fraterno, per tutelare la sicurezza d'Italia e le vostre libertà. Voi saprete provare all'Europa come l'esercizio di tutti i vostri diritti possa congiungersi col rispetto alla dignità ed all'autorità spirituale del Sommo Pontefice.
Das Heer, Symbol und Beweis der nationalen Eintracht und Einheit, kommt zu euch mit brüderlicher Liebe, um die Sicherheit Italiens und eure Freiheit zu schützen. Ihr solltet Europa zu zeigen verstehen, wie das Heer aller eurer Rechte sich zu verbinden vermag mit dem Respekt für die Würde und die geistliche Autorität des Höchsten Pontifex.
 
Der kurze Kampf um Civita Castellana am 12.9.1870: Nach nur einer Stunde wurde die Stadt eingenommen.
Alle ore 10 e 10 minuti, un’ora precisa dopo la prima cannonata, sventola sul forte la bandiera bianca.
Um 10.10 h, genau eine Stunde nach dem ersten Kanonenschuss, weht über der Festung die weiße Fahne.
 
Edmondo De Amicis erzählt den Krieg: "Die Truppen paradieren in Nepi."

Kurz gefasst: Auch dort handelte es sich um eine weitgehend widerstandslose Besetzung - wie auch die von Corneto/Tarquinia durch Nino Bixio.
Anche Bixio ha preso Corneto, che sarebbe poi Tarquinia, senza combattere.
 
ja, das war klar. Wie ich schon gesagt habe, . Das Schicksal des Kirchenstaates war mit dem Ende Napoleons III. besiegelt. Was sich dann noch zwischen piemontesischen und päpstlichen Truppen abspielte, war militärisch irrelevant. Politisch waren die Entwicklungen natürlich höchst bedeutend, aber militärisch war das Kleinkram.
 
Durchaus bereitwillig stimme ich dir zu: Es ging damals (wie übrigens ziemlich oft ja auch noch heute) sehr wesentlich darum, bella figura zu machen.
 
Cadorna und jener Sonnenuntergang hinter dem Cupolone:
Mittwoch, 14. September 1870: Auch an diesem Tag hielten die Feindseligkeiten - bei La Storta - sich in Grenzen: Es fielen nur ein Lanzenreiter und drei päpstliche Zuaven. Kriegsberichterstatter Ugo Pesci beschreibt die Kuppel des Petersdoms als umgeben von dichtem Dunst in einem violetten Streifen und ohne klares Profil im flammenden Rot der Abendsonne.
La Storta, 14 settembre 1870, mercoledì — Cadorna, puntuale, era qui alle dieci di mattina, con l’undicesima divisione. La dodicesima è già più avanti: al Casale della Giustiniana. Basta salire su qualche altura e Roma si vede. Pesci, che è arrivato un po’ più tardi, si è incuriosito delle centinaia di soldati che «s’avviavano come attratti da una forza invisibile verso un rialzo di terra arida e scura a destra della strada». Dev’essere andato a vedere anche lui: «Fatti un centocinquanta passi, appariva loro sull’orizzonte, circonfuso nei gravi vapori, il profilo della cupola di San Pietro e una striscia violacea, senza contorni netti e ben definiti, risaltava sul rosso infuocato del tramonto». (...) Il bilancio è di tre caduti fra gli zuavi, uno fra i lancieri.
 
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