Hallo,

wir sind gerade von einem einwöchigen Aufenthalt in Rom zurück und sind total begeistert, aber natürlich auch ziemlich erschöpft vom vielen Laufen und Besichtigen. In Rom ist uns aufgefallen, dass es zwar in sehr vielen Restaurants Pizzen gibt, aber gerade in den alten Hosterien, die mit römischer Küche werben, nicht.

Unsere Frage daher: Welche Rolle spielen Pizzen eigentlich in der italienischen Küche? Gehören sie "eigentlich" gar nicht dazu und sind nur Zugeständnis an die vielen Touristen, die gerne schnell und billig essen wollen?

Über eine Antwort eines kulinarischen Kenners würden wir uns freuen!

Rita und Wolfgang
alias SternchenUndET
 
Hm, Resauranttipp scheint das ja keiner zu sein - ich verschiebe mal ins passende Forum.

Was die Unterscheidung verschiedener Gastronomietypen angeht, ist der Italiener[TM ;)] da etwas unterscheidungsfreudiger als wir Deutschen.

Zunächst kann man mal unterscheiden:

  1. gibt es die klassiche Menüfolge aus Antipasti - Primo - Secondo - Dolce/Frutti.
    Ja, wenn Italiener essen gehen, nehmen sie meistens das ganze Programm. Wem das insgesamt zuviel ist, lässt einen Schritt aus oder nimmt z.B. beim Primo mezza porzione, also eine halbe Portion. Geht bei Pasta ja ganz gut.
  2. gibt es Pizza. Die hat in der klassischen Menüfolge nichts verloren. Die isst man alleine, bestenfalls noch ein Dolce danach. So mancher wollte schon beweisen, wie gut er die italienischen Sitten kennt und hat extra erst Pasta (als Primo) und dann Pizza (als Secondo) bestellt... :twisted:
Daran anschließend versuch ich mich mal in einer Typologie, wobei manche Grenzen freilich fließend sind:
  • Pizzeria
    Das ist einfach: Hier gibt es hauptsächlich eines, nämlich Pizza. Meist wenig anderes.

  • Ristorante - Pizzeria
    Hier kriegt man sowohl alles, was zur klassischen Menüfolge gehört (also Vorspeisenauswahl, Pasta, Fleischgerichte, Fisch...), kann aber auch Pizza essen.

  • Ristorante
    Das, was wir auch als Restaurant bezeichnen würden. Hier kann man die klassische Speisenfolge zu sich nehmen. Traditionell die Betriebe, die höheren Anspruch an die eigene Küche und oft auch höhere Preise haben. Orientieren kann man sich danach aber nicht, dazu unten noch mehr.

  • Trattoria
    Zwischen Osteria und Ristorante angesiedelt. Meist mit umfangreicherer Karte als die Osteria, häufig spezialisiert auf die lokale/regionale Küche.

  • Osteria
    Vom Charme her in der Regel die rustikalsten Gasthäuser. Nicht im Sinne von "Spelunke", aber vom Charakter her das Nachbarschafts-Gasthaus um die Ecke. Oft mit nur wenigen Gerichten auf der Karte, die dafür täglich/wöchentlich wechseln. Dafür ist das gebotene nicht selten wirklich exzellent, frisch zubereitet und im Preis moderat. So wie sich die Italiener in der Nachbarschaft das halt auch wünschen würden. :) Nicht selten steht tatsächlich la Mamma am Herd. Pizza auch hier Fehlanzeige.

So, nun zur Einschränkung meiner Typen: Mittlerweile sind die Grenzen vor allem in den großen, touristisch geprägten Städten fließend. Man findet mittlerweile auch Edel-Restaurants, die sich Osteria nennen und so den Charme (und die dort oft zu findende Qualität!), der bei der Bezeichnung offenbar mitschwingt, für sich in Anspruch zu nehmen.
 
Gut beschrieben, cellarius :thumbup:

Ergänzen sollte man noch die regionale Präferenz. Pizza ist eigentlich ein neapolitanisches Gericht (Pizza Margherita), daneben gibt es römische Pizza (als Pizza rossa oder Pizza bianca, völlig ohne Tomaten(sauce)). In Italien ist die Pizza üblicherweise weniger belegt als in Deutschland und man isst eine Margherita und Napoli viel öfter als bei uns, wo man eher eine Hackfleischpizza mit grünen Bohnen, Kürbisstücken, Lachsstreifen, Apfelspalten und Bio-Tomaten bestellt x(

Zu Pizza trinkt man klassisch Bier (ausser die Wassertrinker natürlich ;)), zur Menüfolge Wein (und kein Bier). Touristen (bloody tourists) machen das natürlich anders. :D

patta
 
Hallo Ihr beiden "Diktatoren",

vielen Dank für die ausführlichen und wirklich hilfreichen Erklärungen!

Viele Grüße
Rita und Wolfgang
alias SternchenUndET
 
Nach meiner Erfahrung ist die Pizza in Italien in etwa zu vergleichen mit der Currywurst aus der Imbisbude bei uns. Allerdings gibt es inzwischen auch Lokale, die gute Pizza als ihre Spezialität auf den Tisch bringen; und das übrigens nicht nur für Touris. Ich selbst kenne im Norden Roms ein solches Restaurant, Stella Gemella Via Anerio Felice, 8/16, I-00199 Roma. Hier habe ich bisher keine Touristen, außer uns selbst und unseren Begleitern, entdeckt.
Ähnliches gilt für die Gegend um Neapel.

Ansonsten hat Cellarius die Typologie der Lokale sehr schön, kurz und treffend beschrieben.

Grúß Ludovico ROB
 
So, nun zur Einschränkung meiner Typen: Mittlerweile sind die Grenzen vor allem in den großen, touristisch geprägten Städten fließend. Man findet mittlerweile auch Edel-Restaurants, die sich Osteria nennen und so den Charme (und die dort oft zu findende Qualität!), der bei der Bezeichnung offenbar mitschwingt, für sich in Anspruch zu nehmen.

Hallo Cellarius,

alles sehr treffend beschrieben:thumbup:

Deine Einschätzung (oben) teile ich voll und ganz. Es ist schließlich das Wichtigste, was auf den Teller kommt(und in welcher Qualität). Das Ambiente kann das Essenserlebnis sicher bereichern, aber eben erst an zweiter Stelle. Davor sicher noch eine nette Begleitung ;)
 
Eine Pizza gibt oder gab es eigentlich nur abends.
Ein Italiener ißt auch wenig vom Rand und läßt einfach mal die Hälfte liegen.
Auch wird sie dort nicht so vollbelegt.
In Rom verwunderte mich die Dichte der Pizzerien schon.Das dürfte aber auch an dem bunten Touristengemisch dort liegen.
Nachfrage erzeugt das Angebot.
cu DL
 
Zurück
Oben