Via Margutta - Straße der Künstler

Beim nächsten Rombesuch werden wir sicher aufmerksamer durch die Via Margutta schlendern. :nod:

Ich auch - und bis es soweit ist, setzen wir den virtuellen Spaziergang in diesem Thread noch weiter fort. :nod:

Auch ich bedanke mich für die - wie gewohnt außerordentlich profunde - Recherche von Simone über die Via Margutta :thumbup:.

Vielen Dank für das nette Lob, das ich gerne zurückgebe, denn Du hast ja auch so Einiges zutage gefördert! :thumbup:

Ein niederländischer Künstler, der nachweislich in der Via Margutta gewohnt hat, ist Pieter van Laer, 1599 als Pieter Boddingh in Haarlem geboren, ist er ab 1626 und bis 1638 in Rom bezeugt.

Vielen Dank für diesen Beitrag zu den frühen Malern an der Via Margutta.

Vom nahenden Wochenende werde ich profitieren um einen Beitrag über die berühmte Artemisia Gentileschi (und ihren Vater Orazio) an der Via Margutta zusammenzustellen.
 
Ich möchte mich auch bei Euch allen bedanken, die Ihr hier so viele interessante Beiträge zur Via Margutta eingestellt habt.
Da wird eine kleine, bisher eher unscheinbare Straße plötzlich zu einem lockenden Programmpunkt für die nächste Rom-Reise. :nod:
 
Genau das dachte ich auch Colle Marina. Man geht dann mit ganz anderen Augen durch diese Straße, durch die ich bisher nur einfach hindurch gegangen bin :roll:
 
Pericle Fazzini

Zu den international bekannten Künstlern, die im 20. Jahrhundert ihr Quartier in der Via Margutta aufschlugen, gehört der italienische Bildhauer Pericle Fazzini. Geboren am 4. Mai 1913 in Grottammare in den Marken, kam er 1929 nach Rom. Nach der künstlerischen Ausbildung und ersten Erfolgen, bezieht er 1938 ein Atelier in der Via Margutta, das er bis zu seinem Tod am 4. Dezember 1987 nicht aufgibt. Vgl. Wikipedia - Pericle Fazzini. Eine ausführliche Biographie in italienischer Sprache und einige Abbildungen seiner Werke findet man hier Scuola romana - Artisti - Pericle Fazzini.

Ein Photo des Künstlers in seinem Atelier in der Via Margutta: Seitorri.it. - Pericle Fazzini nel suo studio di Via Margutta .

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Seine Werke sind in vielen italienischen Museen, aber auch im Museum of Modern Art in New York und der Tate Gallery London vertreten.

1959 nahm Fazzini an der documenta 2 in Kassel teil. Vgl. Wikipedia - Pericle Fazzini La Sibilla.


Zu seinen Werken im öffentlichen Raum in Rom gehört die Fontana delle Falde Petrolifere vor dem Palazzo ENI im EUR-Viertel. Eine Abbildung des Brunnens findet man in dem Buch von Marvin Pulvers: 2000 Fountains in Rome. A complete Collection. Roma: L'Erma di Bretschneider 2002, S. 493, Nr. 1008 (Google Books).




Fazzinis bekannteste Skulptur dürfte aber ohne Zweifel „Die Auferstehung“ (La Resurrezione) in der vatikanischen Audienzhalle Aula Paolo VI. (oder Aula Nervi) sein, die er im Auftrag Pauls VI. in den Jahren zwischen 1972 und 1977 schuf. Dies konnte nicht im Atelier in der Via Margutta geschehen. Dem Künstler wurde dafür die Kirche San Lorenzo in Piscibus im Borgo Santo Spirito zur Verfügung gestellt. Eingeweiht wurde „Die Auferstehung“ am 28. September 1977. Vgl. Wikipedia - La Resurrezione - Pericle Fazzini und Art on Web.it. - Pericle Fazzini - La Resurrezione sowie (mit einer Aufnahme des Künstlers an einem Bozzetto der Skulptur) Whipart.it - Pericle Fazzini - La Resurrezione.

Das letzte künstlerische Werk Fazzinis ist eine Monumentalskulptur von Padre Pio auf der Piazza Padre Pio in San Giovanni Rotondo. Streetview auf Google maps. Sie wurde am 28. Juli 1987 eingeweiht.
 
Fazzinis bekannteste Skulptur dürfte aber ohne Zweifel „Die Auferstehung“ (La Resurrezione) in der vatikanischen Audienzhalle Aula Paolo VI. (oder Aula Nervi) sein, die er im Auftrag Pauls VI. in den Jahren zwischen 1972 und 1977 schuf.



Gießerei Valadier
Von der Via Margutta in den Vatikan führt auch dieser Beitrag (Artemisia Gentileschi wird sich noch etwas gedulden müssen).

Zufällig bin ich bei der Suche nach interessanten Informationen über die Via Margutta darauf gestossen, dass der Vater des bekannten Architekten und Städteplaners Giuseppe Valadier (1762 bis 1839) eine Gießerei an der Via Margutta betrieben hat.

Luigi Valadier (1726 bis 1785) war Gold- und Silberschmied, Bildhauer und Bronzegießer. Die Valadiers wohnten seit Februar 1763 in einem Palazzo an der Via del Babuino 89. Der Palazzo gehörte dem conte Fede. Die Familie Valadier lebte in der ersten Etage, in einer Wohnung Ecke Via del Babuino und Vicolo Alibert. Dieses Gemälde zeigt Caterina della Valle, die Ehefrau von Luigi Valadier, 1766 mit ihrem Sohn Giuseppe und ihrer Tochter Maria Clementina.

An der Rückseite des Palazzo Fede (heute auch Casa Valadier) mietete Luigi Valadier (ebenfalls vom conte) zwei Schuppen an der Via Margutta und richtete dort seine Schmiede und Gießerei ein. Heute entspricht wahrscheinlich das Haus mit der Nummer 62a (vielleicht aber auch dasjenige mit der Nummer 68 an der Via Margutta der Lage der Gießerei Luigi Valadiers. Mit absoluter Sicherheit lässt es sich leider nicht sagen.

Hier können wir einen Blick in die Gießerei werfen. Die irgendwann zwischen 1775 und 1781 entstandene Bleistiftzeichnung ist ein Werk des jungen Giuseppe Valadier.

Photos von Werken Luigi Valadiers kann man u.a. auf verschiedenen Wikimedia-Commons-Seiten bewundern. Siehe bei Interesse hier Bilder seiner Bronze-Kopie der Mars-Skulptur aus der Sammlung Ludovisi. Weitere Beispiele seiner Kunst unter diesem Link.

Der bekannteste aber auch fatalste Auftrag für Luigi Valadier kam aus dem Vatikan. Er hatte dort das Amt des Silberschmieds des Apostolischen Palastes inne. Eines Tages erhielt er Besuch von Papst Pius VI. Braschi, der ihm den Auftrag erteilte, die Hauptglocke für den Petersdom zu gießen! Ein wahrlich anspruchsvolles Unternehmen!

Dass der Campanone von St. Peter in der Via Margutta geschaffen wurde, darauf bin ich zufällig in dieser kurzen Notiz zur Via Margutta gestoßen:

Successivamente si passeggerà per Via Margutta, un angolo di quiete al centro di Roma, con la sua tradizione artistica, il ricordo di Canova, del Valadier, della fonderia per il campanone della basilica di San Pietro e infine, del set del film “Vacanze romane”.
Quelle: Associazione Lavoratori Intesa Sanpaolo

Der Auftrag soll Luigi Valadier allerdings in eine schwere Depression gestürzt haben. Er soll so sehr an seinen Fähigkeiten und am Erfolg des Unternehmens gezweifelt haben, dass er sich am Vorabend des geplanten Gusses der Glocke im Tiber ertränkte. Das war am 15. September 1785.

Er hatte allerdings auch mit dem Neid von Glockengießern zu kämpfen, denen es missfiel, dass keiner aus ihrer Zunft, sondern ein Gold- und Silberschmied den Auftrag erhalten hatte. Das machte dem auch noch wegen säumiger Zahler verschuldeten Mann so zu schaffen, so dass der Selbstmord wohl nicht einzig auf Zweifel am eigenen Können zurückzuführen ist.

Sein Sohn, Giuseppe Valadier, war damals erst 23 Jahre alt. Er übernahm die Gießerei und brachte die Arbeit 1786 zu Ende. Die Glocke wurde mit viel Aufwand auf einer Art Schlitten zum Petersdom transportiert, vom Papst gesegnet und an ihren Bestimmungsort an der Fassade des Petersdoms gebracht. Dort hängt sie heute noch in der Mitte der beiden kleinen Glocken und als vorderste von 4 großen Glocken.


April 2015
Dass wir Giuseppe Valadier den Entwurf und die Anfertigung der Uhr (und ihres "Zwillings") zu verdanken haben, war mir bekannt aber die Glocke hätte ich nicht mit ihm und seinem Vater in Verbindung gebracht.

Das folgende Bild zeigt die fertige Glocke auf ihrem Weg nach San Pietro. Gerade erst hat sie die Via Margutta verlassen und erreicht die Ecke Via del Babuino/Piazza di Spagna.


Aus: Giuseppe Valadier:
Disegni e spiegazione della fonderia:
principio e termine della campana di San Pietro, fusa dal Cav. Luigi Valadier
e Giuseppe di lui figlio nell’anno 1786. Roma 1786.
Gemeinfreies Bild von Wikimedia Commons
URL der Seite - URL der Datei

Die genannte Handschrift von Giuseppe Valadier enthält noch weitere Ansichten aus der Gießerei, von der Anfertigung der Glocke, der Glockenweihe durch den Papst ... Siehe dazu folgende interessante Seite: e-codices - Virtuelle Handschriftenbibliothek der Schweiz. Die verfügbaren Illustrationen hier als zu vergrössernde Thumbnails.
Tolle Nahaufnahmen der Glocken an der Fassade des Petersdoms findet man auf der Webseite campanologia.org in einem den Glocken von San Pietro gewidmeten Beitrag.

Man sieht dort auch, wie schön die Glocke aus der Via Margutta ist. Im unteren Bereich erkennt man ein breites Mäandermuster. Der mittlere Teil ist mit den Figuren der 12 Apostel dekoriert. In der Mitte Petrus (rechts) und Paulus (links). Über ihnen sind brennende Lampen als Symbol des Glaubens dargestellt. Dazwischen halten Putten ein Medaillon mit der Darstellung der Dreifaltigkeit. Über diesen Motiven folgt ein Triglyphenfries mit der Darstellung christlicher Symbole (zu erkennen sind z.B. Kreuz und Nägel, also Leidenswerkzeuge). Es folgt eine Inschrift und darüber kleine Cherubimköpfe mit den Insignien der Basilika und des Papsttums (Padiglione sowie Tiara und Schlüssel). Am oberen Rand (Platte) der Glocke sind die Figuren von Cherubim, die über den Rand zu blicken scheinen, angebracht. Die Krone der Glocke besteht aus Henkeln, die wie Delphine geformt sind, eine Anspielung auf Petrus. Die Putten, die über den Rand der Glocke zu lugen scheinen, stützen sich mit den Händen auf den Köpfen der Delphine ab.

Das alles kann man sehr gut auf diesem Photo der Webseite campanologia.org erkennen. Siehe dazu aber auch die Handschrift von Giuseppe Valadier (Abbildungen 22v und 23r)

Der unterste Durchmesser der Glocke beträgt 2.316 mm, ihr Gewicht wird auf rund 9000 kg geschätzt.

Interessante Informationen zu den Glocken von Sankt Peter auch auf der Wikipedia-Seite über den Petersdom. Dort erfährt man u.a. wann die Glocke der Valadiers und die anderen geschlagen werden resp. läuten:

Die sechs Kirchenglocken hängen hinter dem linken obersten Fenster der Frontfassade unterhalb der Uhr, wobei nur drei Glocken sichtbar sind, nämlich die größte Glocke, Campanone, in der Mitte und daneben die beiden kleinsten Glocken, Campanella seconda und Campanella prima. Dahinter befinden sich die übrigen drei Glocken, Campanoncino, Campana della Rota und Campana della Predica.

Die Läuteordnung der sechs Domglocken unterscheidet zwischen dem rhythmischen Anschlagen per Hammerwerk a doppio und dem (schwingenden) Läuten a slancio.[23] Vor der Elektrifizierung der Läuteanlage 1931 wurden das Anschlagen und das Läuten von Hand ausgeführt. Folgende Läutezeichen haben sich bewahrt:
  • Angelusläuten dreimal täglich: Campanone – a doppio (drei Schläge, vier Schläge, fünf Schläge, ein Schlag)
  • Einläuten des Sonntags um 7 Uhr und nach dem Angelusgebet gegen 12.15 Uhr: Campana della Predica, Campanoncino und Campanone – a doppio
  • Vesper an Sonntagen ca. 30 Minuten vor Beginn für rund 15 Minuten: Campanella seconda – a slancio (5 Minuten), danach Campana della Predica und Campanoncinoa doppio (5 Minuten), danach Campanone, Campanoncino und Campana della Predica – a doppio (5 Minuten)
  • Nach dem Angelusgebet an Festen und Hochfesten (ca. 12.15): Campanella seconda, Campanella prima, Campana della Predica und Campana della Rotaa slancio
  • Zu gottesdienstlichen Feiern ca. 45 Minuten vor Beginn für rund 15 Minuten: Campanella seconda, Campanella prima, Campana della Predica und Campana della Rota (an Festen und Hochfesten zusätzlich mit dem Campanoncino)
  • Nach dem päpstlichen Segen Urbi et orbi an Weihnachten und Ostern, nach dem Angelus am Hochfest Peter und Paul und nach der Wahl eines neuen Papstes: alle sechs Glocken – a slancio
  • Beim Tod eines Papstes: Campanone – a slancio
Der Uhrschlag erfolgt auf den drei Glocken im Schallfenster (6, 5 und 1) unterhalb des Zifferblattes. Die Viertelstunden werden mit den beiden Campanelle geschlagen, worauf jeweils die Anzahl der angebrochenen Stunde auf dem Campanone nachgeschlagen wird.[24]
Hier läutet der Campanone nach dem Tod Papst Johannes Pauls' II.

Ich liebe den Glockenschlag und das Glockengeläut von Sankt Peter, habe es aber bisher nicht mit dem Namen der Valadier und schon gar nicht mit dem der Via Margutta verbunden. Wieder ein neues Mosaiksteinchen im Bild von Rom!
 
Und hier ein weiteres Mosaiksteinchen zur Via Margutta ;).

Zu den international bekannten Künstlern, die im 20. Jahrhundert ihr Quartier in der Via Margutta aufschlugen, gehört der italienische Bildhauer Pericle Fazzini.

Ja, außer den Malern und Künstlern der schreibenden Zunft und der Filmwelt haben sich seit jeher auch die Bildhauer in der Via Margutta "eingerichtet".
Alcide Ticò - rechts im Bild - hatte sein Atelier in der Nr. 33 – wie Simone schon hier beschrieben hat – , der, wie so viele andere bildende Künstler und Dichter dieser Zeit, oft im Studio von Alessandro Monteleone, einem italienischen Bildhauer, der in der Via Margutta ein "gastfreundliches Haus" hatte, anzutreffen war.

Aber auch deutsche (bzw. deutschsprachige) Bildhauer gab es, die die Via Margutta bevorzugten. Z.B. den gebürtigen Wiener Ferdinand Seeboeck, der 1885 dort Wohnung und Atelier hatte. Sein Gästebuch führt auf, dass bei ihm alles, was damals in der römischen Kunstwelt Rang und Namen hatte, ein- und ausging. Seeboecks junge Braut Elisabeth Wegener-Passarge verstarb 1902 an Typhus. Er hat sie als Schlafende auf ihrem Grabmal auf dem Cimitero acattolico dargestellt. Erst 1919 kehrte er wieder nach Rom zurück und begann in den 1920 Jahren eine engere Verbindung mit dem Salvatorianer-Orden. Wer also nächstens wieder im Palazzo Cesi nächtigen oder einfach nur im Kreuzgang vorbeischauen wird, sollte sein Augenmerk auf die Salvator-Statue

und die Statue des Ordensgründers Pater Jordan richten, die von (bzw. nach einem Gipsabdruck von) Ferdinand Seeboeck geschaffen wurden.
Seeboeck gab 1950 sein Atelier in der Via Margutta 118 auf und zog mit seiner zweiten Frau, der Römerin Maria Giorgi, in eine kleinere Wohnung; 1952 starb er. Er wurde auf dem Campo Verano beigesetzt.

Der ausgebildete Steinmetz und Grabbildhauer Joseph von Kopf machte sich am 1. September 1852 zu Fuß von Freiburg i.Br. auf nach Rom, wo er am 13. Oktober ankam. Sein großzügiges Atelier hatte er in der Via Margutta 54.
Seine Werkstatt, [...] sei diejenige gewesen, „welche durch ihre Vornehmheit Deutsche und Fremde am lebhaftesten anzog.
Kopf war vor allem ein fleißiger Porträtist - Kaiser Wilhelm I. schätzte ihn sehr, mehr als 15 Büsten hat Kopf von/für ihn geschaffen – und ein noch fleißigerer Kunstsammler. Er war jedoch nicht nur als ehrgeizig, auch als geizig und eifersüchtig auf die jüngeren Kollegen bekannt. Auch seine - als selbst verfasst ausgegebene - Autobiografie soll nicht aus seiner Feder stammen, sondern von dem befreundeten Journalisten Hans Barth geschrieben worden sein.
Und wo begegnen wir auch diesen Beiden wieder: auf dem Cimitero acattolico: hier: Grabmal Joseph von Kopf - wikipedia

(Nachgelesen habe ich u.a. hier: Römische Memoiren - books.google.de Scheint ein interessantes - aber leider sehr teueres - Buch zu sein, gespickt mit vielen "Anekdoten" ;))

Und nun bin ich gespannt, wie die Via Margutta wieder ins Spiel kommt...
 
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Bevor ich ihn (Adolfo Apolloni) wieder aus den Augen verliere, hier noch ein Nachtrag zu den Bildhauern, die ihr Domizil in der Via Margutta hatten.

Da im Forum schon öfter über den "Bienen-Brunnen" von Bernini an der Piazza Barberini/Ecke Via Veneto berichtet wurde, ist vielleicht auch Adolfo Apolloni von Interesse.

Er wurde 1855 in Rom geboren und nach diversen Studien (u.a. an der Ingenieurfakultät der Sapienza-Universität neben San Pietro in Vincoli) folgte er seiner künstlerischen Begabung und schrieb sich – wie viele andere "bildhauende" Künstler (um nur z.B. Canova oder Thorvaldsen zu nennen, die auch die Gegend um die Via Margutta als Atelier-Standort bevorzugten) - in die Accademia di S. Luca ein und hatte sein Studio in der Via Margutta 53B. Sein weiterer Lebensweg führte ihn nach Amerika, 1884 kehrte er mit seiner Frau Martha nach Italien zurück, die zu seinem großen Leidwesen bereits 1889 verstarb. Seine vielfältigen Interessen brachten ihm viele Ämter ein – sei es in der Associazione Artistica Internazionale (damals noch kurz und bündig der Circolo artistico), als principe Presidente der Accademia di S. Luca oder Presidente der Scuola Artistica Industriale in Fano – bis hin zum Bürgermeister von Rom (1919/1920), in dieser Zeit ernannte ihn der König auch zum Senatore del Regno. Er gab das Atelier in der Via Margutta auf und zog in eine elegante Villa im Prati-Viertel. "Lebensmüde" verbrachte er seine letzten Jahre.

“A fare il Sindaco preferirei la trincea; tanto nell’uno o nell’altro luogo si può lasciar la pelle.“
(Quelle hier)
"Statt Bürgermeister zu sein, würde ich den Schützengraben vorziehen; aber an dem einen wie dem anderen Platz kommt man nicht mit heiler Haut davon"
hat er einem Freund anvertraut. Das klingt doch ziemlich resigniert. Er starb am 19. Oktober1923.


Adolfo Apolloni hat in seiner Zeit als Bürgermeister von Rom u.a. die Kapitolinischen Sammlungen neu geordnet und viele Monumente restaurieren lassen (darunter auch die Reiterstatue Marc Aurel). Und hier komme ich wieder auf den Bienen-Brunnen zurück. Die Muschelschale dieses von Bernini gestalteten Brunnens war ursprünglich in der Mauer des Palazzo Soderini an der Ecke Via Sistina integriert, die liegende Schale war als Pferdetränke gedacht.

Der Brunnen wurde 1880 (an anderer Stelle steht 1865) entfernt und im Deposito im Testaccio-Viertel zwischengelagert. 1915 sollte er an der Ecke Piazza Barberini/Via Veneto wieder aufgestellt werden, aber siehe da: er war nur noch teilweise erhalten, d.h. nur der mittlere Teil mit den Barberini-Bienen ist noch original Bernini. Und hier kommt Apolloni ins Spiel: er wurde beauftragt die fehlenden Teile zu ergänzen. Statt Marmor nahm er Travertin, „recycelt“ aus der abgerissenen Porta Salaria. Der Brunnen – nur noch eine ungefähre Kopie des Originals - wurde so gearbeitet, dass er „frei“ und nicht mehr an einer Hauswand stand und am 28. Januar 1916 eingeweiht.


Von Adolfo Apolloni – der u.a. viele Grabdenkmäler geschaffen hat (auch in Amerika) - finden sich in Rom Werke z.B. auf dem Campo Verano, am Monumento Vittorio Emanuele oder in S. Maria del Popolo.
 
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Aquarelle der Via Margutta
von Marcella Morlacchi

Marcella Morlacchi ist im Hauptberuf Architektin. Sie befasst sich u.a. intensiv mit den Farben der römischen Fassaden und hat von 2004 bis 2006 den "Piano di Tutela dell’Immagine dell’Area urbana del Municipio II del Comune di Roma: Piano del colore e Piano dell’Arredo urbano" ausgearbeitet, der 2008 in Kraft gereten ist.

Wer bereits auf der Panoramaterrasse (Terrazza delle Quadrighe) des Vittoriano stand, kennt wahrscheinlich ihre dort der Orientierung im Stadtbild dienenden 360°-Ansichten. Siehe: LE VEDUTE A VOLO D’UCCELLO – Marcella Morlacchi

Sie hat auch wunderschöne, sehr exakte Aquarelle bedeutender römischer Plätze und Straßen gemalt und Bücher herausgegeben.

Die den Straßen des römischen Zentrums gewidmete Seite ihrer Homepage LE STRADE – Marcella Morlacchi ist zwar mit einer Teilansicht der Via Margutta illustriert, aber leider ist dort keine Gesamtansicht abgebildet.

Ich habe diese allerdings an anderer Stelle im weltweiten Netz gefunden und hoffe, dass es den Freunden der Via Margutta Vergnügen bereitet, dank dieser Aquarelle dort zu virtuell zu flanieren. Die Ansichten lassen sich vergrößern.

Beide Straßenseiten in einem Bild

Die dem Pincio zugewandte Häuserzeile

Die Häuserzeile an der Rückseite der Via del Babuino

Ich hoffe, dass diese Links Bestand haben werden und freue mich, dank der Via Margutta von Marcella Morlacchi und ihrem Einsatz für die römischen Farben erfahren zu haben.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:

Die den Straßen des römischen Zentrums gewidmete Seite ihrer Homepage LE STRADE – Marcella Morlacchi ist zwar mit einer Teilansicht der Via Margutta illustriert, aber leider ist dort keine Gesamtansicht abgebildet.

Ich habe diese allerdings an anderer Stelle im weltweiten Netz gefunden und hoffe, dass es den Freunden der Via Margutta Vergnügen bereitet, dank dieser Aquarelle dort zu virtuell zu flanieren. Die Ansichten lassen sich vergrößern.

Beide Straßenseiten in einem Bild

Die dem Pincio zugewandte Häuserzeile

Die Häuserzeile an der Rückseite der Via del Babuino

Ich hoffe, dass diese Links Bestand haben werden und freue mich, dank der Via Margutta von Marcella Morlacchi und ihrem Einsatz für die römischen Farben erfahren zu haben. :thumbup:
Danke auch meinerseits für die schönen Links:!:
... nur noch 98 Tage und die Romitis wird wieder gelindert.:nod:;)
 
Noch ein Mosaiksteinchen zur Via Margutta:
Aus gegebenem Anlass ist mir wieder einmal das Buch "Sturz durch alle Spiegel" von Ursula Priess – Tochter von Max Frisch - aus dem Bücherregal entgegen gefallen und damit auch wieder eingefallen:
1964 wohnte der Schweizer Schriftsteller Max Frisch im gleichen Atelierhaus. Er kehrt dem Photographen den Rücken zu. Du sollst Dir kein Bildnis machen: Max Frisch in der Via Margutta 53b
Max Frisch wohnte von 1963 bis 1964 in besagtem Haus Nr. 53B. Allem Anschein nach hatte er in diesem Zeitraum dort (nacheinander) zwei verschiedene Wohnungen gemietet, eine davon war im oberen Stockwerk des Palazzo das ehemalige Atelier von Gisela Andersch. Der damals 51-jährige Frisch lebte nach der Trennung von Ingeborg Bachmann dort mit seiner neuen Lebensgefährtin, der 28 Jahre jüngeren Germanistik- und Romanistik-Studentin Marianne Oellers, die später seine Ehefrau wurde.
Wie man hier "Pia Zanetti und Max Frisch" (Bild 7) sehen kann, ist nichts mehr mit:]
Du sollst Dir kein Bildnis machen
;)

Für zwei verschiedene Wohnungen im Palazzo 53B spräche auch der Eintrag "Aus dem Berliner Journal" vom 13.2.:
... es ist ungefähr das siebente Mal, das M. und ich eine Küche einrichten ... 2. Rom, Via Margutta 53B (1963), 3. ebenda, Atelierwohnung in einem oberen Stockwerk (1963) ...
(Quelle: books.google.de)
In einer Bachmann-Rezension (books.google.de) von Marcel Reich-Ranicki aus dem Jahre 1983 liest man, dass Max Frisch auch mit Ingeborg Bachmann in der Via Margutta 53B gewohnt hat (wie auch hier von Inge Feltrinelli erwähnt).
Also hätte der Zusatz aus Ingeborg Bachmann: Der dunkle Glanz der Freiheit - Die Biografie
Acht Häuser in Rom sind „Bachmann-Häuser“, an acht verschiedenen Adressen lebte Ingeborg Bachmann im Lauf von 20 Jahren. Eine Spurensuche.
seine Berechtigung.

Immer wieder spannend, welch' illustren Bewohner die Palazzi der Via Margutta gesehen haben und welche „Geschichten“ dazu gehören...
 
Zuletzt bearbeitet:
Elfriede Brüning: Rom, hauptpostlagernd

und

"Rom. Via Margutta"
Fernsehspiel. Deutscher Fernsehfunk 1962

Zur Wirkungsgeschichte der Via Margutta gehören die 1958 im Verlag Neues Leben erschienene Erzählung "Rom, hauptpostlagernd" von Elfriede Brüning (1910-2014) und das nach dieser Erzählung enstandene Fernsehspiel "Rom. Via Margutta", das 1962 und als Wiederholung 1964 vom Deutschen Fernsehfunk der DDR ausgestrahlt wurde.

Als Elfriede Brüning am 5. August 2014 im Alter von 103 Jahren starb, war sie die letzte Überlebende des 1928 gegründeten Bundes proletarisch-revolutionärer Schriftsteller gewesen. In der Weimarer Republik hatte sie in Berliner Tageszeitungen publiziert und trat 1930 in die Kommunistische Partei Deutschlands, KPD, ein. Zwischen 1933 und 1945 war sie im kommunistischen Widerstand gegen das nationalsozialistische Regime engagiert und zeitweise im Gefängnis. Als freie Schriftstellerin in Berlin hatte sie nach dem Zweiten Weltkrieg in der DDR als Verfasserin zahlreicher Romane, Erzählungen, aber auch von Fernsehdrehbüchern ein großes Publikum. An ihrer sozialistischen Überzeugung hat sie bis zu ihrem Tode festgehalten. Dafür liefert dieses Interview in der Süddeutschen Zeitung anlässlich ihres 100. Geburtstages ein beredtes Zeugnis.

Ihre Erzählung "Rom, hauptpostlagernd" ist in erster Auflage 1958 im Verlag Neues Leben in Berlin erschienen. In den im Bundesarchiv aufbewahrten Akten des Ministeriums für Kultur der DDR hat sich der Antrag des Verlages zum Druck der Erzählung erhalten. Es wurde eine Auflagenhöhe von 20.000 Exemplaren beantragt bei einem projektierten Verkaufspreis von 4,20 Mark. Der Papierbedarf wurde für den Text auf 2944 kg Werkdruckprapier 70g und für den Umschlag auf 197 kg (120g) veranschlagt. Die Digitalisate des Bundearchivs lassen sich direkt verlinken: Druckantrag und Berechnung des Papierbedarfs. Der Katalog der Deutschen Nationalbibliotek weist einen tatsächlichen Verkaufspreis von 5,40 Mark aus

1960 beantragte der Verlag der Nationen beim Ministerium für Kultur eine zweite Auflage der Erzählung, die in der populären Taschenbuch-Reihe "Roman für alle" erscheinen sollte. Auflagenhöhe 50.000 Exemplare, Verkaufspreis 1,75 Mark. Der Papierbedarf für den Druck des Textes wurde auf 6,566 t bei 60g/qm-Papier, für den Umschlag auf 0,475t bei 200g/qm-Papier veranschlagt. Druckantrag und Berechnung des Papierbedarfs. In den Akten hat sich für diese zweite Auflage auch das Verlagsgutachten erhalten.
Die Verfasserin sieht Italien in seiner bezaubernden Schönheit und das Italien der klaffenden sozialen Gegensätze - der fürchterlichen Armut und des protzenden Reichtums. Vor allem richtet sie ihr Augenmerk auf die Engherzigkeit, den Kastengeist und die Verworfenheit der römischen Gesellschaft und zeigt die Macht, die in den Händen einiger weniger liegt - zum Verderben der anderen.
Bundesarchiv - Verlagsgutachten "Rom, hauptpostlagernd"


"Rom, hauptpostlagernd" erschiend 1961 in zweiter Auflage als Band 107 der Reihe "Roman für alle".

Baustelle. Weiteres folgt

 
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Acht Häuser in Rom sind „Bachmann-Häuser“, an acht verschiedenen Adressen lebte Ingeborg Bachmann im Lauf von 20 Jahren.
Immer wieder spannend, welch' illustren Bewohner die Palazzi der Via Margutta gesehen haben und welche „Geschichten“ dazu gehören ...
Das stimmt.

Aber in 20 Jahren achtmal umzuziehen - also alle zweieinhalb Jahre ... :rolleyes:
 
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Ich hoffe der Hinweis auf eine aktuelle Fotoausstellung an der Via Margutta ist hier nicht fehl am Platz.

Die Galleria Francesca Antonacci Damiano Lapiccirella, via Margutta 54 stellt vom 11. bis 31. Mai 2017 42 Schwarz-Weiss-Fotos mit Rom-Motiven des New Yorker Fotografen Marshall Vernet aus.
Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 10 bis 13 und 16 bis 19.30 Uhr.
Samstag: nach Voranmeldung

Diese Fotostrecke der Repubblica enthält alle 42 sehenswerten Bilder: Roma, la cinestoria in black: in mostra le opere del fotografo newyorkese Marshall Vernet - 1 di 1 - Roma - Repubblica.it

Webseite des Fotografen: vernet
Webseite der Ausstellung auf der Homepage der Galerie: Marshall Vernet - A Roam Through Rome - Antonacci Lapiccirella Fine Art
 
Als in Rom läutet den Frühling ein der Teilbericht über die Via Margutta "angekündigt" wurde, habe ich endlich mal das Büchlein Rom, hauptpostlagernd gelesen, mit Vergnügen - wie immer, wenn die Lektüre über Rom geht, bzw. die Handlung dort spielt -, aber auch mit viel ':roll:'.

Zur Wirkungsgeschichte der Via Margutta gehören die 1958 im Verlag Neues Leben erschienene Erzählung "Rom, hauptpostlagernd" von Elfriede Brüning (1910-2014)
...
Als freie Schriftstellerin in Berlin hatte sie nach dem Zweiten Weltkrieg in der DDR als Verfasserin zahlreicher Romane, Erzählungen, aber auch von Fernsehdrehbüchern ein großes Publikum.

Die Verfasserin sieht Italien in seiner bezaubernden Schönheit und das Italien der klaffenden sozialen Gegensätze - der fürchterlichen Armut und des protzenden Reichtums. Vor allem richtet sie ihr Augenmerk auf die Engherzigkeit, den Kastengeist und die Verworfenheit der römischen Gesellschaft und zeigt die Macht, die in den Händen einiger weniger liegt - zum Verderben der anderen.

Das "Verlagsgutachten" beschreibt den Inhalt meiner Meinung nach ganz gut, auch wenn ich die Handlung nicht mehr so gut "nachvollziehen" konnte: Kunststudentin kommt nach Rom - Via Margutta ist einer der Hauptschauplätze - und erlebt "so manches" :twisted: ;), - na ja, man ist in den frühen 50er Jahren des letzten Jahrhunderts - bis hin (ich verrate es jetzt einfach mal) zum Selbstmord, der vielleicht gar keiner war 8O.
Von Elfriede Brüning hatte ich bisher nichts gelesen; gefallen hat mir an obigem Büchlein, wie sie die Geschichte "aufgezogen" hat: sie entdeckt auf dem Campo Verano das Grab einer in Rom verstorbenen Deutschen, entwickelt darum die Geschichte dieser junge Frau - erzählt in Brief- und Tagbuch-Form - und versucht im Ausklang diesen "Fall" zu seiner Auflösung zu verhelfen. Liebe, Intrigen, Verrat und natürlich vor allem die große Rom-Sehnsucht der Protagonistin - alles findet sich auf diesen 190 Seiten.
 
Die künstlerische Tradition, die in der Via Margutta von der Associazione Artistica Internazionale begründet wurde und die mit Sicherheit wohl in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts ihre Blütezeit erlebte, wird heute von Cento Pittori Via Margutta fortgesetzt.
Dazu der aktuelle Hinweis auf die diesjährige Freilicht-Ausstellung, 31.10.-4.11.2018: Comunicati Associazione Cento Pittori.
Tutti i giorni dalle ore 10.00 alle 21.00. Ingresso libero.
Zu besuchen täglich von 10.00 bis 21.00 h; Eintritt frei.
 
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Ein aktueller Repubblica-Artikel (leider mit Bezahlschranke) zeichnet die Zukunft der Straße eher düster: Sie werde vernichtet durch hohe Mieten und Verkehrsbeschränkung.

Addio via Margutta: "Uccisa dal caro affitti e dal traffico limitato"

Die Geschäfte werden geschlossen eins nach dem anderen, so klagen die Inhaber. Wer noch standhält: Herrenfriseur und Steinmetz.
Eine Oase der Ruhe, wo man bummeln kann zwischen Werkstätten, Läden und Kunstgalerien. Heutzutage jedoch ist diese Straße - einst so beliebt während des Dolce Vita, Wohnort von Federico Fellini sowie bevorzugter Aufenthaltsort von Picasso, Wagner, Goethe und Truman Capote - nur noch eine Geister-Erscheinung ihrer Vergangenheit.
ll grido di dolore dei negozianti: "Le botteghe chiudono una dopo l'altra". Resistono il barbiere e il marmista. (...)
Un'oasi di tranquillità dove passeggiare tra laboratori, botteghe e gallerie d'arte. Ma oggi quella strada tanto amata durante la Dolce Vita, indirizzo dell'abitazione di Federico Fellini, luogo amato da Picasso, Wagner, Goethe e Truman Capote, oggi non è altro che il fantasma del suo passato.
 
Andrea Camilleri und die Via Margutta
Nach dem Tod von Andrea Camilleri am Mittwoch, dem 17. Juli 2019 habe ich Artikel über und Nachrufe auf ihn gelesen, vor allem aber in seinen eigenen Werken gestöbert. Dabei bin ich u.a. auf folgenden Text

mit seinen Erinnerungen an die verschiedenen Gesichter der Via Margutta gestossen. Veröffentlicht wurden sie erstmalig in der Repubblica am 6.11.2005. Man findet den Text auch hier: I volti di via Margutta

Für jene, die des Italienischen nicht mächtig sind, fasse ich zusammen: Camilleri berichtet zunächst, dass er 1949 aus seinem heimatlichen Sizilien nach Rom kam nachdem er die Aufnahmeprüfung für einen Studienplatz an der Accademia nazionale d’arte drammatica bestanden hatte.

Ein Regie-Assistent mit Vornamen Alfredo, ein paar Jahre älter als der junge Camilleri, führte diesen in die Welt der Maler, Bildhauer, Musiker und Künstler jeder Art ein, welche die Straßen des Tridente rings um die Piazza del Popolo bevölkerten. Beliebter Treffpunkt war das Café Luxor, Vorgänger des heutigen Café Canova.

Eines Tages, während Camilleri dort einen Cappuccino trank, wurde er von einem Mann angesprochen, dem sein brauner Anzug mit dem Logo der Accademia aufgefallen war. Camilleri erzählte, dass er an der Akademie Regie studiere. Als der der Unbekannte sich vorstellte, staunte Camilleri nicht schlecht: Es war Mario Mafai, ein 1902 geborener Maler des italienischen Expressionismus für dessen Bilderserie „Demolizioni“ Camilleri sich begeisterte. Siehe u.a. hier und hier.

Auf gemeinsamen Spaziergängen zeigte Mafai Camilleri das doppelte Gesicht der Via Margutta. 1949 wirkte diese noch abgelegener als später, eher wie eine französische, als eine italienische Straße, wenig belebt und sehr ruhig. Es war nichts Besonderes an der Straße, ausser, dass viele Künstler in ihr lebten und arbeiteten. Eines Tages begleitete Camilleri Mafai zu einem von dessen Freunden. Es war kurz vor Sonnenuntergang und nachdem sie das Portal des Hauses durchschritten hatten, lernte Camilleri die andere Seite der Via Margutta kennen: Immer höher ging es über unzählige Treppen hinauf zum Appartement des Freundes von Mafai. Als die Tür geöffnet wurde, sahen die Besucher in ein so gleißendes Licht, dass Camilleri einen Moment glaubte, es käme von Scheinwerfern und es werde ein Film gedreht. Aber es war nur das Licht des Sonnenuntergangs, das sich im Glas einer Terrassentür spiegelte. Während Mafai sich mit dem Freund unterhielt, trat Camilleri auf die Terrasse und entdeckte überrascht die Rückseite der Via Margutta mit ihren in luftiger Höhe zum Abhang der Villa Borghese und der Villa Medici hin gelegenen Treppen, Dachterrassen, Lauben, kleinen Gärten … Dort wehten bunte zum Trocknen aufgehängte Tücher, standen Staffeleien mit noch unvollendeten Gemälden und Weinflaschen auf Tischchen um den kommenden Abend zu geniessen. Er sah spielende Kinder und Bewohner in ihren Liegstühlen, gemütlich ein Buch lesend. Andere strickten Strümpfe, noch andere waren mit Gartenarbeit beschäftigt … Dieses versteckte Leben hinter anonymen Fassaden hatte Camilleri hier nicht vermutet.

Camilleri setzt seine Geschichte über die Gesichter der Via Margutta fort mit einer Episode aus den späten sechziger Jahren, die ihm ein etwas unheimlicheres Bild der Strasse vermittelte. Die Rai verfilmte damals eine Erzählung von Joseph Conrad und der Regisseur Flaminio Bollini, ein Freund Camilleris, hatte sich in den Kopf gesetzt, als Komparsen echte Malaien zu verpflichten. Camilleri sollte diese auftreiben. Man sagte ihm, wenn es eine Chance gäbe, die gewünschten Komparsen zu finden, dann durch die Vermittlung eines Mannes namens Namura.
Camilleri rief besagten "doctor Namura", wie er sich nannte, an und erklärte, dass er rund 15 Malaien jeden Alters für Dreharbeiten suche, Männer, Frauen, Kinder jeden Alters. Namura bestellte den Film-Regisseur und Andrea Camilleri für den nächsten Abend um 9 Uhr zu seiner Unterkunft in der Via Margutta, wo er ihnen 40 mögliche Komparsen präsentieren wollte.
Camilleri und der Regisseur hatten das Gefühl einem asiatischen Schurken aus einem James-Bond-Film zu begegnen, aber sie folgten ihm sechs Stockwerke hinauf zu seiner Wohnung. Der grosse Raum, den sie betraten, war nur spärlich erhellt. Bei einer Tasse Tee wurde lange und zäh über den Lohn verhandelt, den die Komparsen erhalten sollten. Danach tauchten zunächst zwei wild blickende, halbnackte Gestalten mit Messern zwischen den Zähnen auf. Auf der Dachterrasse hinter Büschen versteckt tauchten mindestens 40 weitere schweigende und bedrohlich wirkende „Malaien“ auf. Wo hatte Namura diese nur aufgetrieben und warum wollte er, dass die Auswahl in der Dunkelheit stattfand, fragte sich Camilleri. Vielleicht weil nicht alle Asiaten waren, sondern als Asiaten zurechtgemachte Römer, Neapolitaner … Schnell traf Camilleri seine Auswahl und verliess nach dieser seltsamen Erfahrung die Via Margutta.

Schliesslich berichtet Camilleri von einem weiteren, für ihn noch beunruhigerenden Erlebnis in Zusammenhang mit der Via Margutta. Sein Freund Bollini plante eine TV-Serie. Im Drehbuch war die fiktive Gestalt eines Malers vorgesehen, der 100 Jahre zuvor in der Via Margutta gelebt hatte. Bollini fragte Camilleri, wie er diese Gestalt nennen solle. Camilleri antwortete spontan „Tagliaferri“. Dieser Vorschlag war eigentlich als Scherz gedacht. Camilleri kannte einen Mario Tagliaferri, der sich mit einem Freund Camilleris, dem Bildhauer Angelo Canevari, ein Studio teilte.
Als die Arbeiten von Bollini und anderen Beteiligten an den Drehbüchern weiter fortschritten, blieb es bei diesem Namen. Dem Drehbuch zufolge hatte der fiktive Maler Tagliaferri einst sein Studio an der Via Margutta 33. Im fertigen Film wird das Appartment mit der Nummer 13 gezeigt, wo Tagliaferri einst gelebt haben sollte. Das Eingangsportal zum Haus hingegen ist, Camilleri zufolge, ein anderes Portal in der Via Margutta, das der Regisseur Daniele D’Anza offenbar für geeigneter hielt. Er liess allerdings die Hausnummer 33 dort anbringen.


Via Margutta 33 im März 2017​

Die Serie mit dem Titel „Il segno del comando“ war 1971 ein grosser Erfolg und wurde mehrmals von der Rai wiederholt.

Ein paar Jahre nach der Erstausstrahlung wurde Camilleri zum Intendanten des Senders gerufen. Eine Dame war vorstellig geworden und wollte mit Verantwortlichen über eine Szene des Films sprechen. Camilleri hatte zwar nicht an der Filmproduktion teilgenommen, wusste aber über alles Bescheid, da Bollini ihn regelmässig auf dem Laufenden gehalten hatte. Camilleri traf die vornehme alte Dame, die sich mit dem Nachnamen Tagliaferri vorstellte. Nach vielen Jahren in Argentinien war sie nach Italien zurückgekehrt und hatte die Fernsehserie gesehen. Sie fragte, ob es nicht möglich sei, eine Szene vor einer eventuellen erneuten Ausstrahlung zu ändern. Camilleri antwortete, das sei leider nicht möglich, fragte aber woher ihr Anliegen komme. Sie erzählte ihm dann, dass es sie sehr mitgenommen habe, das Haus in der Via Margutta 33 wiederzusehen. Dort habe 30 Jahre zuvor ihr einziger Sohn gelebt, gearbeitet und sei dort auf tragische Weise ums Leben gekommen: der Maler Tagliaferri! Es muss schon etwas gespenstisch gewesen sein, dies zu erfahren!

"Il segno del comando" war eine fünfteilige Fernsehserie welche die RAI erstmals zwischen dem 16. Mai und dem 13. Juni 1971 ausstrahlte. Siehe: Il segno del comando - RaiPlay

A inventare questa storia gialla, gotica, "byroniana" e fantastica furono Giuseppe D'Agata, Flaminio Bollini, Dante Guardamagna e Lucio Mandarà.

Leider kann man sich die Videos der einzelnen Episoden nicht im Ausland ansehen, aber einen Auszug aus der ersten Episode, in der nach dem Vorspann der Hauptdarsteller Professor Edward Forster, gespielt von Ugo Pagliai, in der Via Margutta vorfährt und die Wohnung des Malers Tagliaferri aufsucht, wo er dessen Modell antrifft, kann man sich hier ansehen: Ugo Pagliai: ottant'anni di teatro e televisione -

Die Filmmusik wurde ebenfalls sehr beliebt. Siehe: Din don, che spavento - la Repubblica.it

Hier ein Video:


Die Beliebtheit der Serie führte dazu, dass man sich auf die Suche nach den exakten Drehorten der einzelnen Teile machte. Davon zeugen z.B. folgende Webseiten: LE LOCATION ESATTE DEL "SEGNO DEL COMANDO" und I luoghi de il segno del comando. Die Fotos auf der zweiten Seite zeigen Aufnahmen von Schauplätzen des Films 1971 und 2008. Hier jene zur Szene aus der Via Margutta:

Aus dem Drehbuch für den Film ging 1987 der Roman „Il segno del comando“ (Das Medaillon der Macht) von Giuseppe d‘Agata hervor. Er wurde auch ins Deutsche übersetzt. D'Agata hatte bereits am Drehbuch für die Fernsehserie von 1971 mitgewirkt und es als Einziger zu Ende gebracht. Siehe: E' morto Giuseppe D'Agata scrisse "Il medico della mutua" - Bologna - Repubblica.it

Suo fu anche "Il segno del comando', sceneggiato che la Rai produsse nel 1971 con un cast che comprendeva Ugo Pagliai, Carla Gravina e Rossella Falk.

Anfang der 90er Jahre gab es eine Neuverfilmung von "Il segno del comando". Die Schäuplätze wurden nach London und Paris verlegt, aber dem Film war kein Erfolg beschieden. Siehe: IL PROFESSOR FOSTER VENT' ANNI DOPO - la Repubblica.it
 
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