Im Herzen des Empire
Erinnerungen an eine Reise nach London
vom 4. - 9. April 2017
Inhaltsverzeichnis
4. April 2017
Anreise - Westminster - An der Themse - Mews I
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5. April 2017
Mews II - Um den Marble Arch herum - Lincoln's Inn - Middle Temple Hall - Islington
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6. April 2017
Im Hyde Park - Um die St Paul's Cathedral herum - Postman's Park - The Charterhouse - Buckingham Palace und Belgravia
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7. April 2017
Von der ersten Ampel bis zum letzten Konzert der Beatles: Parliament Square, Whitehall, St James, Piccadilly und Soho - Tower Bridge und Themsefahrt
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8. April 2017
Shakespeare's Globe und Borough Market - In der Westminster Abbey -
Parkanlagen
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9.April 2017
Abreise und Ankommen
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4. April 2017
Anreise - Westminster - An der Themse - Mews I
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Zum ersten Mal machte ich mich mit einer größeren Reisegruppe auf den Weg. Die meisten Mitglieder der Reisegesellschaft waren mir vor Reiseantritt noch unbekannt. Das gemeinsame Ziel war London, eine Stadt, die ich schon seit langem einen Besuch abstatten wollte.
Am Morgen des 3. April trudelten die einzelnen Reisegefährten zur vereinbarten Zeit an den Schaltern der British Airways auf dem Frankfurter Flughafen ein. Die Gruppe bestand aus 16 Teilnehmern (im Alter von 16-75 Jahren), die zum größtenteils Lehrer waren, so auch unser Reiseführer Dieter, der seit 1970 regelmäßig ins Herz des Britischen Empires reist. Im Vorfeld hatte er uns versprochen, dass wir London abseits der üblichen Touristenwege erleben würden. Nur so viel: Er sollte sein Wort halten. Natürlich kamen wir auch an dem einen oder anderen Touristenmagnet vorbei, aber davon später mehr.
Nach einem ruhigen Flug landeten wir auf Europas größtem Flughafen: Heathrow Airport. Von dort aus ging es mit der Tube in den Stadtteil Bayswater. Unser Domizil für die nächsten Tage war das Stylotel, ein kleines Hotel.
Klein, im wahrsten Sinne des Wortes: Kleine Lobby, kleiner Aufzug, kleiner Frühstücksraum und kleine Zimmer. Ich muss zugeben, dass diese Enge mich während des Aufenthaltes mal mehr und mal weniger nervte, aber dafür war es super sauber und das Personal war freundlich und zuvorkommend und das Frühstück war total in Ordnung. Ein großer Vorteil war es, dass das Hotel 15 Gehminuten vom Hyde Park und nur 5 Minuten von der U-Bahn Station Paddington entfernt liegt.
Nachdem wir im Hotel angekommen waren, gewährte uns unser Reiseleiter 40 Minuten zum Auspacken. Man konnte ihm förmlich seine Unruhe anmerken, um endlich loslegen zu können, um uns sein London zeigen zu können.
Westminster
Von Paddington fuhren wir nach Westminster. Als wir aus der Station kamen, stand Big Ben vor uns. An diesem Nachmittag zeigte sich London von seiner berüchtigten grauen Seite, aber auch nur an diesen Abend!
Eigentlich heißt der Uhrenturm des britischen Parlamentsgebäudes seit dem diamantenen Thronjubiläum der Queen (2012) Elizabeth Tower. Big Ben ist ursprünglich der Name der größten Glocke, die sich im Turm befindet und die vollen Stunden anzeigt. Im Laufe der Zeit ist der Name von der Glocke zum gesamten Turm übergegangen. Er dauerte auch gar nicht lange bis ich den berühmten Glockenschlag hörte – die Stimme Britanniens, die ich mir allerdings viel lauter vorgestellt hatte! Im Nachhinein habe ich erfahren, dass die Glocken am Anfang des 20. Jahrhunderts in einem Radius von 20 Kilometern zu hören waren. An der Lautstärke der Glocken hat sich in all den Jahren nichts geändert, dafür aber die der Stadt. Unser erstes Ziel sollte die Westminster Abbey sein.
Nein, nicht das ehrwürdige Kirchenschiff, indem sich die Touristen drängeln, sondern die zwei Kreuzgänge, die von den meisten Besuchern der Abbey sträflich übersehen werden. Man kann sie von einem Seiteneingang separat besuchen und sind im Gegensatz zur Kirche kostenlos. Allerdings hatten wir kein Glück, da die offizielle Öffnungszeit schon vorüber war und in der Kirche das Abendgebet stattfand (während der Gottesdienstzeiten ist ein Besuch nicht möglich). Dieser Start gefiel unserem Reiseleiter gar nicht, aber er versprach uns, dass wir die Kreuzgänge noch sehen würden. So streunten wir durch ein paar typisch englische Straßenzüge im Umkreis der Abbey. Dicht an dicht standen die Häuser aus dunklem Backstein und wurden jeweils von einem schwarzen Eisenzaun geschützt.
Vor einem besonders schönen Haus blieben wir stehen und unser Reiseleiter erzählte, dass die Spitzen der schwarzen Zäune ursprünglich farbig gestrichen waren. Als Prinz Albert, der Ehemann von Queen Viktoria, starb verfiel die Königin in eine tiefe Trauer. Die Londoner waren davon so gerührt, dass sie die Spitzen ihrer Zäune (finials) als Zeichen ihrer Anteilnahme ebenfalls schwarz strichen – und so ist es bis zum heutigen Tag geblieben. Dieter erzählte uns noch einiges aus dieser Zeit und es brauchte nicht viel Phantasie, um sich das Geklapper der Pferdegespanne vorzustellen, die im Fackelschein ihre Herrschaften nach einer abendlichen Gesellschaft nach Hause brachten. Während wir in diese längst vergangenen Tage eintauchten, öffnete sich Haustür und der heutige Besitzer trat hinaus und fragte etwas erstaunt, was denn an seinem Zuhause so spannend sei, dass sich gleich eine ganze Gruppe davor versammelt habe? Er wurde aufgeklärt und er erzählte uns etwas über die Geschichte der Straße und welche Persönlichkeiten in ihr für eine kurze oder längerer Zeit residiert haben. Nach einiger Zeit gesellte sich auch die kleine Tochter des Hausbesitzers zu uns und es war eine ganz herzliche Begegnung. Solche Begebenheiten sollten sich in den nächsten Tagen noch öfters wiederholen. Die Londoner sind vielleicht in den ersten Sekunden ihrem Gegenüber etwas skeptisch, aber dann sehr aufgeschlossen und herzlich. Nun schlenderten wir am Parlamentsgebäude vorbei und auf dem Viktoria Tower, dem zweiten Turm des Palace of Westminster, wehte der Union Jack, die britische Nationalflagge, die den Vorübergehenden anzeigte, dass zumindest in einer der beiden Kammern des Parlaments noch debattiert wurde. Wenn sich die Queen im Parlament aufhält weht am Flaggenmast anstelle des Union Jack der Royal Standard. Der Viktoria Tower ist auch ein gewaltiges Archiv: Jedes Gesetz, das durch das Unter- und Oberhaus beschlossen wurde, wird bis zum heutigen Tag auf Pergament geschrieben und verwahrt. Beim Brand des Westminster Palace sind die bis dahin verwahrten Unterlagen des Unterhauses vernichtet worden, die Dokumente des Oberhauses befanden sich vor dem Brand im Jewel Tower - und sind noch erhalten. So ist der Viktoria Tower das Gedächtnis des britischen Parlaments - wenn auch unvollständig.
Wir kamen auch an der Westminster Hall vorbei, dem ältesten Teil des Parlaments. Die Hall wurde im Jahr 1097 erbaut und blieb vom Brand des alten Westminster Palace im Jahr 1834 verschont, da verschiedene Feuerwehren der Stadt (die von umliegenden Pfarrgemeinden gestellt wurden) alles daran getan haben, um dieses wunderbare Gebäude zu retten.
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite lag auf einer Rasenfläche ein riesiges Blumenmeer. Die Blumen wurden im Gedenken an die Opfer des Anschlags vom März 2017 dort niedergelegt, der sich genau einer Woche zuvor ereignet hatte. Der Anschlag hatte sich zwar auf der Westminster Bridge ereignet, aber da dort nicht genug Platz war, wählte man diesen Ort zum Gedenken aus. An der Westminster Bridge stiegen wir zur Themse hinunter.
An der Themse
Hier erfuhren wir, dass der Engländer den Fluss gern auch Father Thames nennt. Am gegenüberliegenden Flussufer drehte das London Eye gemütlich seine Runden
und wir verschnauften auf Bänken, die aus der viktorianischen Zeit stammten und an die ‘Ägyptische Phase‘ erinnern, die einst in London herrschte.
Als Ägypten britische Kolonie war und das Interesse an den dortigen Ausgrabungen zunahm, verfiel London in einer regelrechten Hysterie für das ferne Land am Nil. Das Auspacken von Mumien in den Salons der vornehmen Gesellschaft war sicher die makaberste Form dieser Leidenschaft. So ist es nicht ganz verwunderlich, dass man am Themseufer auch einen Obelisk findet, der aus Heliopolis stammt und von Thutmosis III. im 15. Jahrhundert v. Chr. vor dem Tempel des Sonnengottes errichtet wurde. Neben diesem Obelisken stand ein weiterer vor dem Heiligtum. Beide sind unter der Bezeichnung Nadeln der Kleopatra bekannt geworden, obwohl kein historischer Zusammenhang zur Pharaonin besteht. Beide Nadeln wurden wurden im 19. Jahrhundert vom ägyptischen Vizekönig Mehemed Ali nach Großbritannien und in den USA verschenkt. So findet man den Zwilling des Londoner Obelisken im Central Park in New York. Gelegentlich wird ein dritter Obelisk zu den Nadeln der Kleopatra gezählt, der heute auf dem Place de la Concorde in Paris steht.
Auf unserem Spaziergang begegnete uns die erste rote Telefonzelle und das berühmte Schild von New Scotland Yard
und ein Denkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges, das mit Kränzen aus künstlichen Mohnblumen geschmückt war. Das Gedenken an die gefallenen Soldaten der beiden Weltkriege ist tief in der britischen Seele verwurzelt. So wird alljährlich der 11. November als Remembrance Day - Erinnerungstag begangen, der umgangssprachlich auch Poppy Day genannt wird.
In den Wochen um diesen Tag herum trägt Mann und Frau selbstverständlich eine stilisierte Mohnblume am Revers. Der Ursprung, dass der Mohn zum Symbol dieser Erinnerung wurde, liegt in einem Gedicht von John McCrae, das den Titel In FandersFields trägt.Hier findet man die deutsche Übersetzung des Gedichtes.
Manchmal sollte man sich auch umschauen:
Auf der Hungerford Bridge schauten wir auf dem Fluss. Ich wußte, dass die Themse, wenn sie durch London fließt, alles andere als ein Rinnsal ist und trotzdem war ich über ihre Breite überrascht. In der Ferne sah ich zum ersten Mal die Kuppel der St Pauls's Cathedral.
Nun erreichten wir die Viktoria Embankment Gardens. In einem der angrenzenden Häuser schrieb Rudyard Kipling seine Erzählung Das Dschungelbuch.
Hier trennte sich unsere Gruppe für eine kurze Zeit, denn während sich die Damen geschlossen auf die Suche nach einem WC begaben, schauten sich verbleibenden Herren einen keinen Teil der Gardens an. Wieder vereint kamen zu der Straße Strand. Hier verlief bis zum Bau des Thames Embankent das Ufer des Flusses. Nun waren es nur noch einige Minuten bis zum Spaghetti House. Hier sollte unser erstes Abendessen stattfinden. Unser Reiseleiter hatte die Restaurants im Vorfeld reserviert und hatte uns versprochen, dass wir auch nicht viel mehr zahlen müssten, als in einem deutschen Lokal. Von Freunden und Bekannten hatte ich die abenteuerlichsten Geschichten gehört, was die Qualität und die Preisgestaltung Londoner Restaurants betrifft. Das Spaghetti House war in Ordnung und die Speisen waren okay, verdienen aber keiner besonderen Würdigung. Für mich persönlich gab es an diesem Abend eine Premiere: Ich trank mein erstes italienischen Bier - ein Peroni!
Mews I
Nach dem Essen machten wir uns auf den Weg zurück zum Hotel, aber der Abend war noch nicht zu Ende, denn Dieter zeigte uns eine Mews. Dieser Begriff war mir bis dato nicht geläufig. Eine Mews ist eine kleine Straße, die sich hinter den Herrschaftshäuser befindet und aus kleinen Häusern besteht in denen sich die Pferdeställe und Unterstellmöglichkeiten für Kutschen befanden.
Im Obergeschoss wohnte der Kutscher mit seiner Familie auf engstem Raum. Der Pferdemist wurde einfach auf der Straße entsorgt und so waren die Mews ein Ort fürchterlichen Gestanks. Unsere Mews ist die einzige in London, in der noch Pferde anzutreffen sind. Die Hyde Park Stables sind ein Pferdeverleih. Hier kann man sich ein Pferd mieten, um gemütlich im Hyde Park auszureiten. Etwas anderes faszinierte mich an der Mews: Vor den Häusern standen Kübel in denen Oliven- und Zitronenbäume, Palmen und anderen mediterranen Pflanzen wuchsen. Manche Kübel waren so groß, dass sie unmöglich in den Häusern untergestellt werden können. Aber das müssen sie auch nicht, denn London fällt das Thermometer selten unter Null Grad und so gedeihen in London diese Pflanzen ganzjährig im Freien – und nicht nur in den Mews, sondern auch in den Parkanlagen. Das hätte ich nicht erwartet!
Vor dem Hotel teilte sich unsere Gruppe nochmals: Während ein Teil müde ins Bett fiel, besuchte der Rest ein Pub, um einen Absacker zu nehmen. Im Pub lernten wir, das man das Getränk am Tresen bestellt und auch gleich bezahlt. Bei ein, zwei Bieren klang dann dieser erster Abend aus.
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