Ich, Claudius, Kaiser und Gott.

cellarius

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Ein Klassiker und Höhepunkt des Genres des historischen Romans, den man gelesen haben muss - nicht weil man muss, sondern weil es Spass macht!

Ranke-Graves lässt in seinem Meisterwerk Kaiser Claudius seine Memoiren schreiben - besser gesagt: "Tiberius Claudius Drusus Nero Germanicus und so weiter", wie sich der Kaiser selbst im ersten Satz vorstellt. Der etwa 450-seiteige Band der deutschen Ausgabe ist eine stark gekürzte Fassung des englischen Originals, das zwei Bücher von insgesamt über 1000 Seiten umfasst: I, Claudius und Claudius the God. Erträglich wird dies dadurch, dass der Autor selbst sowohl die Übersetzung als auch die Kürzung besorgte - es handelt sich, wenn man so will, um eine andere Fassung des Originals. Wer des Englischen mächtig ist, sollte sich aber dennoch die beiden Originalbände gönnen.

Ranke-Graves beginnt mit Claudius' Kindheit, und so gerät der Roman auch zu einer Familiengeschichte des iulisch-claudischen Kaiserhauses. Claudius selbst - so die fiktive Autobiographie - überlebte die Intrigen nur, weil er als stotternder, hinkender Idiot galt, der zum Regieren ohnehin nicht geeignet war und damit keine Gefahr für irgend jemandes Ambitionen werden konnte.

Der erste Band umfasst die Jahre bis zu seiner - eher zufälligen - Krönung zum Kaiser (nach der Ermordung Caligulas fanden ihn die Prätorianer versteckt hinter einem Vorhang): Geradezu ein Treppenwitz der Geschichte, denn Claudius war das, was man am ehesten einen Republikaner nennen würde: Er war gegen das Kaisertum und hätte am liebsten die Herrschaft von Volk und Senat restauriert gesehen.

Der zweite Band umfasst die Jahre als Herrscher bis zu Claudius Ermordung. Höhepunkte sind natürlich die Ereignisse um seine wenig treue und intrigante Frau Messalina, aber auch der Schriftwechsel mit Herodes Agrippa, dem König der Juden, ist hochinteressant, und nicht nur deshalb, weil dieser gelegentlich von einem Mann namens Jesus berichtet, der ihm enorme Probleme bereitet.
 
Zuletzt bearbeitet:
Eine der in der Regel ausgezeichneten Biographien bei De Imperatoribus Romanis ist auch Claudius gewidmet. Das dortige Fazit bezieht sich explizit auf Graves' wirkmächtige Version des Kaisers:

Conclusion

Robert Graves' fictional characterization of Claudius as an essentially benign man with a keen intelligence has tended to dominate the wider public's view of this emperor. Close study of the sources, however, reveals a somewhat different kind of man. In addition to his scholarly and cautious nature, he had a cruel streak, as suggested by his addiction to gladiatorial games and his fondness for watching his defeated opponents executed.[[32]] He conducted closed-door (in camera ) trials of leading citizens that frequently resulted in their ruin or deaths -- an unprecedented and tyrannical pattern of behavior. He had his wife Messalina executed, and he personally presided over a kangaroo court in the Praetorian Camp in which many of her hangers-on lost their lives. He abandoned his own son Britannicus to his fate and favored the advancement of Nero as his successor. While he cannot be blamed for the disastrous way Nero's rule turned out, he must take some responsibility for putting that most unsuitable youth on the throne. At the same time, his reign was marked by some notable successes: the invasion of Britain, stability and good government in the provinces, and successful management of client kingdoms. Claudius, then, is a more enigmatic figure than the other Julio-Claudian emperors: at once careful, intelligent, aware and respectful of tradition, but given to bouts of rage and cruelty, willing to sacrifice precedent to expediency, and utterly ruthless in his treatment of those who crossed him. Augustus's suspicion that there was more to the timid Claudius than met the eye was more than fully borne out by the events of his unexpected reign.
Roman Emperors - DIR Claudius
 
Keine spannende Erzählung, aber ein unterhaltsamer Bericht

Ich habe nur die kurze deutsche Version gelesen. Ich fand sie nicht spannend, aber unterhaltsam. Hier meine ausführliche Meinung:

In dem Roman "Ich, Claudius, Kaiser und Gott" schreibt der römische Kaiser Claudius in der Ich-Perspektive über sein Leben. Dem Autor gelingt es, über das Leben des Claudius unterhaltsam zu berichten, ohne jedoch mitreißend oder hochspannend zu sein. Das große Plus des Romans ist die historische Genauigkeit, mit der über das Leben des Claudius berichtet wird, wenngleich der Autor natürlich auch die ein oder andere Geschichte hinzudichtet, dazu zählt z. B. die Behauptung, Claudius sei Republikaner gewesen oder Herodes hätte versucht, den gesamten Osten des Reiches zu einer Erhebung gegen Rom anzustacheln.

Die deutsche Ausgabe wurde gegenüber der englischen um die Hälfte gekürzt. Leider merkt man das an einigen Stellen: Der Leser lernt die Figuren nicht näher kennen, die Motive für die Handlungen dieser Figuren bleiben im Dunkeln. Das Hauptmotiv des Autors wird jedoch schon im Vorwort klar: Er fühlt Claudius von der Geschichtsschreibung ungerecht behandelt und will mit diesem Roman einiges geraderücken.

Der Beginn des Romans besteht nicht aus einer linear fortschreitenden Handlung, sondern aus Kapiteln, die jeweils ein bestimmtes Thema behandeln, z. B.: Livia, Tiberius, Claudius' Kindheit. Nachdem diese Dinge geklärt sind, kommt nach 50 Seiten endlich die Handlung in Gang.
Die zahlreichen Intrigen, Machtwechsel und Frauengeschichten bieten genug Stoff für eine hochspannende Geschichte, die Hauptfigur Claudius schwebt ständig in Lebensgefahr. Trotzdem kam bei mir nie Spannung auf. Warum? Zum einen liegt es an der Ich-Perspektive. Logisch: Die Ich-Person kann nicht umkommen, wenn das Buch noch ein paar hundert Seiten dick ist. Zum anderen stumpfte ich nach dem zwölften Giftmord auf fünfzig Seiten ab. Die meisten dieser Todesfälle haben mich nicht im Geringsten berührt: Ich habe nicht mit den Opfern mitgelitten, ich kannte sie ja kaum, weil der Autor sie vor ihrem Tod - wenn überhaupt - nur schemenhaft vorstellte. Manchmal waren Figuren schon wieder tot, kaum dass sie in die Handlung eingeführt waren. Zwischen den Giftmorden und anderen Arten der Hinrichtung klingt der Roman manchmal wie ein Geschichtsbuch, wenn er z. B. die Machtübernahme des Tiberius beschreibt; auch die Schilderung der Verwaltungsreformen des Claudius ist nicht gerade hochspannend, gleiches gilt für die Bestimmungen des Claudius gegen Wasserdiebstahl.
Die Beziehungen des Claudius zu seinen Frauen werden ohne Emotionen geschildert. Zu Messalina schreibt er, dass er sich in sie verliebt hat, weil sie schön ist. Das ist alles.
Insgesamt wird Claudius als sympathischer und kluger Mensch mit einigen Macken dargestellt. Er ist sensibel und naiv (v. a. gegenüber Messalina), bis zu seiner Machtergreifung hat er nur ein Ziel: Er will nicht auffallen und ein ruhiges, zurückgezogenes Leben führen, von seinen Verwandten lässt er sich herumschubsen und verspotten; und am Ende tut er immer das, was man von ihm verlangt, er fügt sich in sein Schicksal. Ein mitreißender Charakter sieht anders aus.

Die Darstellung bleibt trocken, meist schildert Claudius die Ereignisse in Berichtsform, so dass keine Bilder entstehen, was gerade für mich als TV-Geschädigten wichtig wäre. Dies gipfelt in grausamen Formulierungen wie: Sie befanden sich in einer sehr wenig zuversichtlichen Stimmung.
Häufig wird die indirekte Rede benutzt, so wirkte die Handlung auf mich oft distanziert.
Auch bei der Darstellung der Schauplätze schafft es der Autor nicht, anschaulich zu beschreiben. Dem Leser wird nicht mitgeteilt, wie Paläste oder Tempel gebaut sind und wo sie stehen. Meist huscht Claudius von einer Szene zur nächsten, an keinem Schauplatz verharrt er lange, so bleiben die Szenen oberflächlich, ohne Intensität.
Was mir überhaupt nicht gefallen hat: Es werden Städte- und Ländernamen aus der Gegenwart erwähnt, z. B. Thüringen, Mannheim, Deutschland (statt Germanien), Franzosen (statt Gallier), Hermann (obwohl Claudius vermutlich Arminius schreiben würde). Auch andere Begriffe werden mit Worten aus der Gegenwart beschrieben: Marktplatz (statt Forum), Regimenter (statt Legionen), Gouverneur (statt Statthalter), Pfennig (statt Sesterz oder Kupfer-As). Ich finde diese Darstellung nicht authentisch und nach heutigem Verständnis auch nicht korrekt. Franzosen und Gallier haben nur das Land gemeinsam, das sie besiedeln. Im Nachwort erklärt der Autor, dass er durch diese zeitgenössischen Begriffe den Text leichter verständlich machen wollte für diejenigen, die sich bei den Römern nicht auskennen. Da ist etwas dran, allerdings können heutzutage wohl die meisten Leser Historischer Romane mit Begriffen wie Germanen, Legionen, Forum etwas anfangen. Andere Begriffe könnte man in einem Glossar erläutern.
In einer Szene beweist Robert von Ranke Graves, dass er Szenen intensiv und bildhaft schildern kann: Bei der Schlacht gegen die Britannier. Ich konnte mir den Ablauf der Schlacht gut vorstellen, v. a. weil schon vor der Schlacht das Schlachtfeld und die Taktik der Römer beschrieben wurden. Warum nicht immer so?
Fazit: Das Buch ließ sich flüssig lesen, aber es hat mich niemals in den Bann gezogen. Es gibt tausende Romane, die spannender sind. Wer also an einer spannenden Erzählung interessiert ist, sollte von diesem Roman die Finger lassen. Wer aber speziell über diese Epoche oder über Claudius mehr erfahren möchte, wird von diesem Buch nicht enttäuscht werden, allerdings würde in diesem Fall ein Sachbuch verlässlichere Informationen liefern.
 
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