Kaum eine soziologische Darstellung von Italiens jüngster Zeitgeschichte kann mit Elena Ferrantes Bestseller mithalten. Unverblümter und emphatischer wurde die italienische Nachkriegsgesellschaft noch selten porträtiert.
...
Noch deutlicher als in den früheren Bänden zeichnet Ferrante hier die Zeitgeschichte Italiens nach: der Streit zwischen Kommunisten und Sozialisten, das Verschwinden der Christlichdemokraten – weggefegt von den Staatsanwälten der Aktion «Mani pulite» –, Berlusconis Aufstieg. Durch das Prisma dieses Romans schauen die Leser zurück – und zugleich in die unmittelbare Gegenwart ihrer Erfahrungswelt: Die Frauen sind in diesen Männerkriegen meistens nur Zuschauerinnen, oder sie sitzen wie immer am kürzeren Hebel. Auch diese Fratze einer in alten Rollenmustern erstarrten Gesellschaft schaut einem aus Elena Ferrantes Spiegel entgegen. Das heutige verunsicherte Italien wird sich darin problemlos erkennen – und vergnügt weiterwursteln.