Vom 'Casco Dell'Acqua' ins grüne Herz (cuor verde) Italiens

Seneca

Centurio
Stammrömer
Das Country House 'Casco Dell'Acqua' - eine ideale Adresse zum Entspannen und Entdecken


Gottseidank gibt es noch einige Gebiete in Italien, die vom alles vereinnahmenden Tourismus verschont geblieben sind. Dazu gehört Umbrien, das grüne Herz (cuor verde) der 'Peninsula'. Wir haben Anfang Mai zwölf wunderbare, abwechslungsreiche Tage in dieser Region erlebt und waren während unseres Aufenthaltes in einem tollen Quartier untergekommen, das unsere Erwartungen weit übertroffen hatte; es hat uns so gut gefallen, dass es eine Schande wäre, würde ich die positiven Eindrücke, die wir von diesem Haus mitgenommen haben, nicht hier im Forum weiterreichen. Es ist das ‚Casco Dell’acqua’ - mitten in der Valle Umbra gelegen, nicht weit vom geschäftigen Foligno und in Sichtweite der hochgelegenen Orte Montefalco (berühmt für seinen herrlichen Rotwein) und Trevi.


Aus dem ‚Casco Dell’Acqua’, einem ehemaligen Landhaus, ist heute nach gründlicher Renovierung ein kleines, familiär geführtes Hotel bzw. Gutshof (azienda agrituristica) entstanden. Man hat es technisch auf den neusten Stand gebracht (überall befinden sich Sensoren, die jeden Winkel dieses unter dem Aspekt der 'sicurezza' futuristisch wirkenden Gebäudes überwachen, und im Durchgang zum Frühstücksraum hat man eine CD-Anlage installiert, die sich so steuern lässt, dass die Musik direkt am gewünschten Platz ankommt). Das Haus verfügt über mehrere Apartments, die viel Raum bieten und gut ausgestattet sind, bestehend aus Schlafzimmer, Bad und einem Wohn-Ess-Bereich mit eingebauter Kochecke, so dass man sich – unabhängig vom angebotenen Service des Hauses - auch selbst versorgen kann. Wir hatten mezza pensione gebucht und diese Entscheidung nicht bereut. Jeden Morgen gab es - fürs Auge wunderbar angerichtet - ein reichhaltiges Frühstück mit einer Vielzahl frisch zubereiteter Torten, bestrichen mit hausgemachter Konfitüre und belegt mit Früchten der Saison, gab es die verführerische Versuchung der leichten, locker gebackenen Rollen (rotolo), gefüllt mit einer cremigen, wohlschmeckenden Ricotta-Masse, und ein herzhaftes Omelette rundete diese Auswahl der Leckereien ab.


Am Abend verwöhnte man uns mit einem typisch umbrischen Essen (cena), das à la minute auf den Tisch kam; nicht nur dadurch verdiente die Küche unsere Anerkennung (wir honorierten die Leistung mit einem guten Trinkgeld!), sondern auch deshalb, weil es zu ihrem Selbstverständnis gehörte, keine TK-Ware zu verwenden, sondern nur frische Produkte der Region zu verarbeiten: vorweg gab es ein ‚amuse-bouche’, dann folgte ein Pasta-Gericht, danach der Hauptgang, und ein kleines Dessert, ein dolce, schloss das Menu ab. Zu jedem Gericht empfahl uns Luigi einen passenden Wein (Grechetto / Trebbiano oder einen geschmeidigen Perticaia Rosso di Montefalco), und wir nahmen seinen Rat dankbar an. Da wir Anfang Mai die meiste Zeit unter uns waren, aßen wir im geräumigen Durchgangsraum, in dem für uns ein ovaler, nussbaumfarbener Holztisch liebevoll eingedeckt war. Von diesem Raum gelangte man - nach links orientiert - in den Frühstücksbereich und nach rechts gewandt in das angegliederte Restaurant, einen kleinen freundlichen Saal ausgestattet mit modernen Sitzgruppen, den abends ein angenehm helles Licht ausleuchtete. Blickfang war ein riesiger Kamin, in dessen Holzglut Luigi die schmackhaften T-Bone-Steaks (das erstklassige Fleisch stammte von den weißen Chianina-Rindern, die in der Nähe der winzigen Ortschaft Casaletto auf einem riesigen wald- und wiesenreichen Gelände aufwachsen und deren Aufzucht in den Zuständigkeitsbereich von Rita [der Frau Luigis] fällt!) und die kleinen Salsicce vor unseren Augen zubereitete.



Drei Flügeltüren mit harmonisch geschwungenen Rundbögen führen auf eine sonnige Außenterrasse, die unmittelbar ans Ufer des Clitunno angrenzt, der schnurgerade, von Staketen befriedet und von Bäumen und Buschwerk gesäumt, schnellfließend vorüberzieht. Zum Anwesen, das man über eine geschwungene Brücke aus roten Ziegelsteinen und direkt dahinter durch ein automatisch sich öffnendes und schließendes Metalltor aus dunkel eloxierten Gitterstäben erreicht, gehört ein riesiger Parkplatz vor und hinter einem Gerätehaus, ein Swimmingpool mit großer Liegewiese und eine Spielecke für die Kleinsten.
Das ‚Casco Dell’acqua’ ist ein idealer Ausgangspunkt, um Umbriens bekannteste Städte kennenzulernen oder um in die faszinierende Landschaft der Apenninenausläufer einzutauchen mit ihren tief eingeschnittenen Tälern und steil aufragenden Bergen.


Perugia, Assisi und Spello im Schnelldurchlauf

Bei der Städtetour sollte man in keinem Fall auf den Besuch Perugia’s, der Hauptstadt Umbriens, verzichten; dieser Ort hat uns mehr durch seine Lage (das centro storico erstreckt sich über mehrere Hügel) als durch seine Sehenswürdigkeiten beeindruckt. Als absoluter Höhepunkt in Erinnerung geblieben ist uns das wunderbare, kleinformatige Fresco in der winzigen Capella di S. Severo, die im Gassengewirr des nördlichen Altstadtviertels nur schwer zu finden ist. Diese Arbeit ist ein Gemeinschaftswerk Peruginos und seines Schülers Raffaelo, der übrigens den oberen Teil des Bildnisses fertig gestellt hat und dessen sitzende Figur des auferstandenen Christus mit entblößtem Oberkörper und den erhobenen Händen, flankiert von den auf einer Wolkenbank sitzenden Heiligen, die berühmte Christusdarstellung aus der Disputà in den vatikanischen Stanzen vorwegnimmt.



Während in Perugia die wenigen Touristen im Stadtbild kaum auffielen, befand sich Assisi dagegen im Ausnahmezustand: hunderte von Pilgergruppen, vor allem aus Osteuropa, strömten in die Doppelbasilica des heiligen Franziskus, und das Gewusel in der Chiesa Superiore (Oberkirche) mit dem berühmtem Freskenzyklus Giottos weckte Erinnerungen an Szenen aus dem Pantheon und der Sistina. Zu einer Lachnummer geriet der mit dünner Stimme, in leirig-weinerlichem Tonfall vorgetragene Aufruf „No photo! Silenzio!“ des Kustoden, der uns den ganzen Tag nicht mehr aus dem Kopf gehen sollte und uns Alte dazu animierte, ihn bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit zu wiederholen. Hatte er sich wirklich eingebildet, er könne die Volksfeststimmung der Heerscharen von Besuchern auf normale Lautstärke 'herunterbrechen' und sie zur inneren Einkehr und andächtigen Betrachtungsweise der Kunst des Meisters aus Florenz bewegen?
Abgesehen vom Rummel rund um die Basilica di S. Francesco lohnt es sich, durch dieses mittelalterlich geprägte Städtchen mit seinem Geflecht aus Gassen, Gässchen, Treppen und Plätzen zu streifen; es ergeben sich immer wieder schöne Weitblicke in die anmutige Landschaft der Valle umbra, so von der Aussichtsterrasse vor Sa. Chiara, deren hell leuchtende Außenfassade nichts ahnen lässt von der beklemmenden Atmosphäre unten in der Krypta, wo man durch eine große Scheibe in einem Mauerdurchbruch auf die sterblichen Überreste der in einem gläsernen Sarg ruhenden Heiligen schaut.

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Nicht weit von Assisi – sozusagen um die Ecke – erwartet den Besucher ein weiterer Höhepunkt, das vom Geist des Mittelalters durchwehte Spello mit seinen stillen Gassen, verwinkelten Ecken, engen Durchgängen und dem die Stadt überragenden Belvedere, wo die Blicke über die umbrische Ebene hinüberschweifen zur Bergkette der Monti Martani und zum aussichtsreichen Montefalco, dessen dominierende Lage so einzigartig ist, dass man diesem Städtchen den Titel ‚ringhiera dell’Umbria’ (also Aussichtsbalkon Umbriens) verliehen hat.


Für uns ist Spello als schönster Ort in Erinnerung geblieben. Besonders beeindruckt waren wir von der Capella Baglioni in der Kirche S. Maria Maggiore, deren Wände der Maler Pinturicchio mit drei großen Fresken überzogen hat; ihre Farben besitzen eine solche Leuchtkraft und die Motive verraten eine solche Detailgenauigkeit, dass man sich nur schwer davon lösen kann. Hier erlebt man die Kunst der Renaissance ganz nah, ganz intensiv, ganz ungestört.


Ein weiterer Ort zum Verweilen – als Kontrast zum eben Beschriebenen – ist der idyllische Innenhof der Bar Bonci, dessen Größe überrascht, weil von außen nicht einsehbar. Auf dem weitläufigen Areal unter dem schattenspendenden Blätterdach hoher Bäume kann man die wohltuende Ruhe, die besondere Atmosphäre dieses Ortes genießen bei einem Cappuccino, einem leckeren Gelato oder einem Glas Perticaia – einem großen Gewächs von rubinroter Farbe und der perfekten Balance von Frucht und Säure.



Die Quellen (Fonti) des Clitunno und Spoleto - Innen- und Außenansichten

Südlich von ‚Casco Dell’acqua’ passiert man das weithin sichtbare Trevi, das sich über mehrere Stufen eine Bergflanke hochzieht. Seine exponierte Lage ist ein Blickfang und lässt diese Stadt zur wahren Hüterin über die Valle umbra werden. Deshalb wollten wir ihr auf dem Rückweg unbedingt einen Kurzbesuch abstatten.
Bevor man das nächste, größere und absolut sehenswerte Ziel - Spoleto - erreicht, ist die Hinweistafel zu den Fonti del Clitunno am großen Parkplatz in der langgezogenen Rechtskurve unübersehbar. Es lohnt sich, an den Quellen des Clitumnus, die schon Plinius in seinen Versen besungen hat, einen Zwischenstopp einzulegen – handelt es sich doch um eine paradiesisch schöne Auenlandschaft (Eintritt!) mit saftig-grünen Wiesen und altem Baumbestand, wo sich das kristallklare Wasser aus mehreren Quelltöpfen in großen Becken sammelt, um sich schließlich zum schnell dahinfließenden Clitunno zu vereinigen.



Weiter geht’s auf der Via Flaminia (SS Nr.3) in südlicher Richtung durch den Straßentunnel, der den Hügel unterhöhlt, auf dem sich die Rocca Albornoz, die einst mächtige Festung der Päpste erhebt. Wir folgen den Schildern, die uns zum Parcheggio Spoletosfera geleiten, von dem man bequem auf einem aus Rollbändern und Aufzug bestehenden System zur oberen Altstadt von Spoleto gelangt. Ausgangspunkt ist Pza. Della Liberta, wo sich auch gleich eine Touristeninformation befindet. Vielleicht lag es am Übermaß der vielen Eindrücke, die sich schon in den ersten Tagen unseres Aufenthaltes aufgetürmt hatten und unserer Aufnahmefähigkeit Grenzen setzten, dass wir uns bei der Besichtigung Spoletos nur auf die wichtigsten Sehenswürdigkeiten beschränkten: ein flüchtiger Blick auf die steinernen Ränge des Teatro Romano über eine Metallgitterabsperrung hinweg genügte, dann ging es über ein schmales Sträßchen hinauf zum Arco di Druso, von dessen einstiger Pracht nur spärliche Reste übriggeblieben sind, bei deren Anblick wir nicht vor Ehrfurcht erstarrten. Da haben wir schon besser erhaltene Ruinen aus Europas reicher Vergangenheit gesehen. Über die Pza. del Mercato stießen wir auf die Via Fontesecca, die gut beschirmt vom dunklen Schatten der Häuserfronten übergeht in die Via Saffi, die weiter ansteigend aus der Altstadt führt und ihre Fortsetzung findet in der Via del Ponte.
Als habe man in die lange Reihe der eng aneinander gebauten Häuser eine Bresche geschlagen, öffnet sich plötzlich der Blick auf den tiefer liegenden Dom S. M. Assunta mit dem schlanken, himmelwärts strebenden Campanile, der wie eine dekorative Bühnenwand in einem antiken Theater sich über der sonnendurchfluteten Piazza erhebt. Auffallend die reich gegliederte Fassade aus hellem Stein; über eine von filigranen Bögen getragene Vorhalle betritt man das Innere der Kirche, in deren Giebel weithin sichtbar ein großes Mosaik erstrahlt, das Christus als Weltenrichter mit segnender Gebärde auf goldenem Grund darstellt, flankiert von der Gottesmutter Maria und seinem Lieblingsjünger Johannes. Das Mosaik ist eingelassen in eine nischenförmige Öffnung, die die Form eines gestauchten Spitzbogens hat, und ist umrahmt von einem flachen Fries, das die Konturen der tiefer liegenden Fläche noch besonders hervorhebt. Insgesamt umschließen acht Fensterrosen dieses etwas streng wirkende Bildnis, wobei die mittlere, die größte der Fensterrosen, beispielhaft steht für das handwerkliche Können, auf dessen Fundament die Steinmetzkunst solche Meisterwerke hervorbringen konnte; sie besteht aus einem inneren 'Rad', das ein nach allen Seiten ausstrahlender Blütenstern ausfüllt, und aus einem äußeren 'Rad'; daraus erklärt sich der Ring, der den Raum zwischen den beiden Radien einnimmt, und der zu einer Umlaufbahn für eine Serie von kleinen Kreisen wird. Wie bei einem modernen Wälzlager ein Käfig dafür sorgt, dass die Kugeln den gleichen Abstand wahren, so sorgt ein steinerner Kranz aus kleinen und großen Schlingen - durchzogen von einem schmalen Band mit jeweils wechselnden Mustern dunkler und heller Dreiecke und ineinander greifender Quadrate - dafür, dass die Kreise exakt in ihrer Position bleiben. Und im Hintergrund bricht sich das Licht der Sonne im Cyan-Blau des Fensterglases, das wiederum das Motiv der Zirkel aufgreift und überzogen ist von einem dicht en Netz kleinster Kreise, die alle miteinander verbunden sind, indem sie sich in ihren Peripherien berühren.

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Die nächste Attraktion, der Ponte delle Torri, lag schon außerhalb der Altstadt, sozusagen im Rücken der Rocca Albornoz, der früheren Trutzburg der Päpste mit ihren mächtigen Wehrtürmen – verhasst bei den Einwohnern als zu Stein gewordenes Symbol klerikaler Macht. Die malerisch in die Landschaft eingebettete Brücke erreicht man bequem auf der aussichtsreichen Via del Ponte bzw. della Rocca, welche die Zitadelle ringförmig umschließt, in der übrigens Lucrezia Borgia, die ‚Kleopatra’ der Renaissance, für kurze Zeit als Regentin über das Dukat von Spoleto lebte. Mit seinen zehn Bögen auf hohen rechteckigen und in geringem Abstand von einander errichteten Pfeilern aus hellen Backsteinen überspannt der Ponte delle Torri eine tiefe Schlucht, die den Burgberg vom Monte Luco trennt und in die sich der Torrente Tessino eingegraben hat. Über einen schmalen Gang im Schatten einer hohen Mauer, der sowohl schwindelerregende Tiefblicke wie auch großartige Weitblicke über die bewaldeten, durchsonnten Hänge der letzten Apenninenausläufer erlaubt, erreicht man auf der anderen Talseite die Ruinen der Fortezza dei Mulini. Von hier aus beginnt der lange Aufstieg zur Spitze des Hausberges von Spoleto auf der Corta di Monteluco, einem alten, gepflasterten, von Steineichen beschatteten Pilgerweg, der sich in vielen Windungen die steilen Hänge hinaufzieht. Oben angekommen, entschädigt ein herrliches Panorama den geduldig aufwärts strebenden Wanderer für all seine Strapazen, und der Zauber einer großartigen, von den Wohltaten der Natur reich beschenkten Landschaft legt sich über seine Sinne: in der Ferne – im Lichtblau des Horizontes – hebt sich die Silhouette der Monti Martani ab, in der Ebene durchschneidet das geschwungene Band der Flaminia die Valle umbra, und tief unten schmiegt sich das malerische Spoleto, in dessen Mauern die Vergangenheit eine Vielzahl bemerkenswerter Spuren hinterlassen hat, an die westliche Flanke des Monte Luco.


Da wir uns den anstrengenden Aufstieg ersparen wollten, wählten wir die leichtere Variante, den Giro dei Condotti, der östlich von Spoleto in weitem Bogen ungefähr 6km um die Stadt führt und bis auf den letzten Teil, wo er sich wieder ins Tal des Tessino neigt, fast eben verläuft. Er fängt – links abzweigend - oberhalb des Brückenkopfes an und schlängelt sich in unzähligen Windungen hangparallel um den Monteluco mit phantastischen Blicken auf die Bogenbrücke, das Kastell und später auf die reich gegliederte, sich einen Berghang hinaufziehende Stadt. An einer Aussichtsterrasse, wo man die majestätische Erhabenheit der alten Festungsanlage in ihrer vollen Größe zu sehen bekommt, wendet sich der Pfad nach rechts, senkt sich in ein Seitental hinein, quert auf einer kleinen Steinbrücke ein Bachbett und stößt wieder ansteigend auf einen breiten Feldweg. Im Schatten des tief hängenden Blätterdaches, bei angenehm milden Temperaturen und bei einer Luft, die angereichert war vom balsamischen Duft der Kräuter und Pflanzen, kamen wir rasch vorwärts, und bei jedem Schritt spürten wir uns im Einklang mit der Natur. Der Frieden und die Ruhe, die über der Landschaft lagen, sorgten für eine heitere Stimmung. Die Gegenseite war allerdings nicht mehr so schattig wie vorhin, sondern mehr der Sonne ausgesetzt. Dafür rückte das Panorama der geduckten Häuser Spoletos, der sie überragenden Türme und der die Szene dominierenden Rocca näher, und vor uns und rechts von uns breitete sich das ganze Spektrum umbrischer Landschaftsvielfalt aus. Als sich allmählich immer deutlicher die Konturen von S. Ponziano und der zu ihr gehörenden Klostergebäude (nicht weit von der Via Flaminia gelegen) abzeichneten, begann der anfangs steile und zu Ausrutschern verleitende Abstieg auf einer grob abgezogenen, buckligen Betonpiste ins Tessino-Tal. Unser Weg endete an der Via del Tiro a Segno. Damit hatte eine wirklich herrliche Runde um Spoleto ihren Abschluss gefunden – fast gefunden. Da wir unser Auto genau auf der gegenüberliegenden Seite geparkt hatten, und weil wir einen mühsamen Fußmarsch quer durch die Altstadt vermeiden wollten, entschieden wir uns, die Rolltreppen zu nehmen, deren Eingang – halb verdeckt von der hohen Stadtmauer – wir in wenigen Minuten erreichten. Auf italienisch trägt diese Anlage einen geradezu bombastischen Namen: percorso pedonale meccanizato Ponzianina – Rocca Albornoziana! Schnell beförderten uns die scale mobili zur Via della Rocca. Dann ging es zügig zurück durchs centro storico über die Pza. della Liberta zur nächsten Station, von der wir kurze Zeit später zu unserem Ausgangspunkt, dem Parcheggio Spoletosfera, kamen.


Wie Fixsterne hoch über der umbrischen Ebene aufstrahlend: Campello sul Clitunno und Trevi

Da es noch zu früh war, direkt zum Quartier zurückzufahren, legten wir noch zwei Zwischenstopps ein: zuerst stiegen wir vor den Toren des kleinen, fast kreisrunden Wehrdorfes Campello sul Clitunno aus, das aussichtsreich hoch über der Valle umbra auf einer Felsterrasse liegt und dessen Inneres mit der Pfarrkirche im Zentrum und ihrem wuchtigen Turm noch heute von einer imposanten Ringmauer geschützt wird. Schlendert man durch die verwinkelten Gassen, spürt man noch viel vom mittelalterlichen Erbe, das sich dieses Festungsdorf bewahrt hat, obwohl die meisten Häuser, die man nach dem schweren Erdbeben von 1997 wieder schön restauriert hat, einen eher verwaisten Eindruck hinterließen, da nicht ständig bewohnt.

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Dann ging es hinüber nach Trevi, das nur einen Katzensprung von Campello sul Clitunno entfernt ist. Weithin sichtbar bedecken die Häuserreihen, fast konzentrische Kreise bildend, einen Bergkegel, und auf dem höchsten Punkt werden sie überragt von der Kuppel der Pfarrkirche S. Emiliano. Wohl kaum eine andere Stadt in der umbrischen Ebene kann an die dominierende und originelle Lage Trevis heranreichen. Wer auf der Via Ciufelli hinausfährt nach S. Martino, dem Franziskanerkloster, der wird mit dem schönsten Blick auf Trevi belohnt. Schaut man von der Aussichtsterrasse vor der Kirche hinüber auf die andere Seite, dann zeigt sich aus dieser Perspektive, wie steil der Berghang in Wirklichkeit ist, an dem sich die Häuser, jeden Halt nutzend, festklammern. Wenn sich dann noch am Abend die am fernen Horizont versinkende Sonne mit ihren letzten warmen Strahlen verabschiedet und ihr magisches Licht Land und Stadt mit rötlich-goldenem Schmelz überzieht, dann wird der Zauber, der von diesem Naturs chauspiel ausgeht, zu einem visuellen Erlebnis, das sich als bleibende Erinnerung tief ins Gedächtnis einsenkt.



Die Valnerina - das tiefe Tal der Nera: Naturschönheit im wundervollen Einklang mit steinernen Zeugnissen tiefer Religiosität

Umbrien eilt der Ruf voraus, Italiens „grünes Herz“ (cuor verde) zu sein. Verlässt man die Valle umbra und fährt hinüber ins Valnerina, das tiefe Tal der Nera, dann wird bei ihrem Anblick sinnfällig, dass dieses Urteil keine Übertreibung, kein Ergebnis von Schwärmerei ist, sondern Spiegel der Realität. Es ist ratsam, nicht durch den modernen Straßentunnel von Spoleto nach S. Anatolica di Narco zu fahren, sondern die schmale kurvenreiche Bergstraße zu nehmen. Urplötzlich befindet man sich in einer anderen, noch ursprünglichen Welt: Bilder einer phantastischen Berglandschaft strömen auf den Betrachter ein und lassen ihn nicht mehr los: da grüßen von ferne die bewaldeten Höhenzüge herüber, unterbrochen vom Grün der Weiden und den Tupfern der kleinen Weiler, dann wieder schaut man hinunter bis auf den Grund der weiten Täler, in die hinein die Sonne mit ihrem einflutenden Licht die Natur erstrahlen lässt und ihr eine Sinfonie der unterschiedlichsten Farben entlockt.
Wer an Geschichte und christlicher Kultur interessiert ist, wird um den Besuch des wohl bedeutendsten Bauwerkes der Valnerina nicht herumkommen: ich meine die ehemalige Benediktinerabtei S. Pietro in Valle; in ihrem Klostertrakt befindet sich heute ein luxuriöses Hotel. Von Colleponte aus führt ein schmales, kurvenreiches Sträßchen steil hinauf zur Abbazia, die einsam auf einer Bergterrasse liegt, umgeben von dichten Wäldern. Da das Sträßchen in eine strada bianca überging, hielten wir an einer Stelle unterhalb des Klosters an. Prompt verfehlten wir den richtigen Zugang und schlugen einen Weg ein, der stetig ansteigend sich immer weiter vom Klosterkomplex entfernte, so dass sich für uns, von den Bäumen fast verdeckt, nur der Blick auf die Dächer der Anlage und den alles dominierenden Glockenturm eröffnete, der sich über einer quadratischen Grundfläche erhebt und alles andere als wuchtig wirkt, weil die vier Außenwände – in mehrere Etagen unterteilt – jeweils durch doppelte, hochstrebende, von Bögen überspannte Maueröffnungen unterbrochen sind.


Die tief eingeschnittene Valnerina, eingebettet zwischen steil aufragenden und dicht bewaldeten Bergflanken, deren dunkelgrüne Farbe dem Tal bisweilen ein herbes und düsteres Aussehen verleihen, lässt sich in leichten Tagestouren entlang der mattgrün schimmernden Nera durchwandern von Ferentillo bis Borgo Cerreto.


Wir hatten uns für eine kurze, unspektakuläre ‚passeggiata’ entschieden, die auf einem breiten Waldweg von Scheggino nach Ceselli (und wieder zurück) führte, und die uns wegen eines kleinen Zwischenfalls gut in Erinnerung geblieben ist. Wir hatten wohl die Hälfte der Strecke zurückgelegt, als uns plötzlich ein kräftiger Kerl mittleren Alters, vor Anstrengung schwitzend und in abgerissenen Kleidern, in den Weg stellte. Er hatte an einer schwer zugänglichen Stelle Reisig geschnitten und war gerade dabei, die langen Ruten auf einen Anhänger zu laden. Uns war sofort sein wirrer Blick und seine unsympathische Erscheinung aufgefallen. Weil er uns wohl für ‚Americani’ hielt, fing er an, wie von einem bösen Dämon besessen, sie und damit auch uns in übelster Weise zu beschimpfen und steigerte sich dermaßen in Rage, dass wir uns total überrumpelt fühlten. Auf so einen hasserfüllten, aggressiven Monolog, vorgetragen in einer Lautstärke, die nur der Rechtfertigung seiner abstrusen Ideen diente, waren wir nicht eingestellt. Weil er außerdem den Dialekt der Region sprach, konnten wir nur Fragmente seiner verqueren Gedanken verstehen. Als wir ihm erklärten, dass wir Deutsche seien und dass uns die Liebe zu Italien hier nach Umbrien geführt habe, stellte er seine Hasstiraden ein und ließ uns ziehen. „Das war gerade krass“, sagte ich zu den anderen, nachdem wir uns wieder beruhigt hatten, und zwischen uns und dem Ort des Geschehens ein gebührender Abstand lag.

Für den übernächsten Tag hatten wir eine ‚echte’ Wanderung geplant, die hoch über der Valle Castoriana, einem Nebental der Valle Nera, an der kleinen Kirche S. Salvatore (bei Campi Vecchio) beginnen und weiter unten an der Abbazia S. Eutizio (bei Piedivalle) enden sollte. Leider war an diesem Tag das Wetter so regnerisch, dass wir die Tour abbrechen mussten. Unser Interesse an S. Eutizio blieb davon unberührt, und trotz der widrigen Umstände konnte uns nichts davon abhalten, die kleine, versteckt liegende Abtei in Augenschein zu nehmen, die sich im Schutz einer hohen Felswand oberhalb der winzigen Ortschaft Piedivalle erhebt, und die an diesem Vormittag unter dem Dauerregen Umbriens wie ausgestorben wirkte. Zum Kloster gehören die Wirtschafts- und Wohngebäude, allesamt unauffällig und zur Straße, die von Piedivalle zur Abtei hinaufführt, hin errichtet und wegen der eingeschränkten Platzverhältnisse in einer Linie hintereinander gereiht; obwohl bewohnt wirkte die Stille, die sie umgab, fast unheimlich.


Mittelpunkt dieser Anlage ist die kleine Kirche aus hellem Gestein, deren gegiebelte Westfront eine schöne Fensterrose zeigt in Form einer aufspringenden Blüte und mit den Symbolen der Evangelisten in den Ecken des sie umgebenden Quadrats. Wie beim Dom von Spoleto besteht die Rosette aus zwei konzentrischen Kreisen. Von einem Punkt in der Mitte entfaltet der Kelch seine Blätter, die strahlenförmig ausgreifen und die ein schmaler Ring mit gezahnten Ausfräsungen begrenzt. Das Motiv der stilisierten Blütenblätter kehrt auch im Feld des äußeren Kreises wieder. Optisch glaubt man einen Strahlenkranz vor sich zu sehen, der scheinbar um die Sternblume kreist. Ein breiter, ornamentreicher Ring mit umlaufender, verblasster Inschrift schließt dieses Maßwerk aus Stein ab.
Der schmucklose Innenraum mit den dunklen Bankreihen auf beiden Seiten des Mittelganges erinnert an eine längliche Halle, in der ein Treppenaufgang zum erhöht liegenden Altarraum führt, so dass die Zeremonie des Gottesdienstes den Charakter eines Bühnenereignisses erhält; beeindruckend auch die Krypta, ein idealer Ort zum Meditieren, dessen tonnenschweres Kreuzgewölbe von kurzen, 'stämmig' wirkenden Säulen getragen wird.


Setzt man die Entdeckungstour fort, gelangt man durch das Dunkel eines gewölbten Durchgangs in einen romantischen Innenhof, mit hellen Steinplatten in polygonalem Verbund ausgelegt; teilweise aus dem Fels geschlagen, ist er von drei Seiten umschlossen und öffnet sich zur Talseite hin, so dass eine stete Verbindung besteht zur Welt ‚draußen’ und die Natur mit ihrer bukolischen Schönheit immer gegenwärtig bleibt. Blickfang ist der Brunnen, der vor einer Wand, über und über bewachsen vom Grün und Rot einer Hängerose, aufgestellt ist, und der sein frisches Quellwasser aus drei eisernen, länglich gezogenen Zuläufen empfängt, das seit ewigen Zeiten mit gleichem Druck und gleichem Strahl in ein steinernes, mit Rautenmuster verziertes Becken plätschert, die Form einer Truhe bzw. eines Troges beschreibend.


Auf einem kurzen, etwas abenteuerlichen Weg kann man rechts über eine Steintreppe hochsteigen zum gedrungen wirkenden Glockenturm mit seinen bogenförmigen Schallöffnungen in der unteren und oberen Etage, der sich auf einem gemauerten Sockel über eine Felskante erhebt und dessen Geläut noch heute die verbliebenen Ordensleute daran erinnert, sich zu den festgesetzten Gebetsstunden in der Abteikirche von S. Eutizio zu versammeln. Von hier oben schaut man über die Dächer der Klosteranlage weit hinunter in die Valle Castoriana und hinüber zu den bewaldeten, steil aufragenden Berghängen. Man kann sich der Stille, die über diesem einsamen Tal liegt, nicht entziehen, und auch dem Frieden nicht, mit dem diese Landschaft gesegnet ist. Ich befürchte, dass dem eiligen Touristen, dem nur die Höhepunkte Umbriens wichtig sind, diese versteckt liegenden Orte inmitten einer noch unversehrten Natur nie zu Gesicht bekommen wird.


Die Cascate (Wasserfälle) delle Marmore - eine Touristenattraktion mit Tücken


Nur die berühmten Cascate delle Marmore (nicht weit von Terni entfernt) könnten ihn wegen ihres Bekanntheitsgrades dazu bewegen, einen Umweg in diese Gegend zu machen. Man sagt ihnen nach, sie seien die schönsten Wasserfälle Italiens. In der Tat ist es ein grandioses Schauspiel, wenn die gewaltigen Wassermassen des (gezähmten) Velino über drei Gefällstufen ins Nera-Tal stürzen – donnernd, Gischt aufsprühend und Nebelfahnen aufwirbelnd; und wenn die Sonne in den Schleier Millionen funkelnder Perlen und glitzender Wassertropfen prächtige Regenbögen hineinzaubert. Da die Wasser des Velino der Stromerzeugung dienen, sind die cascate auch nur zu bestimmten Zeiten (meistens am Nachmittag) in Betrieb. Das plötzliche Aufheulen einer Sirene, deren anschwellender Ton das ganze Tal erfüllt, kündet den wartenden Besuchern, vor allem den vor Ungeduld kaum zu zügelnden Schulklassen das nahe Schauspiel an. Den Empfehlungen des ‚Reise-knowhow’ vertrauend haben wir als Ausgangspunkt den Belvedere superiore gewählt, zu dem sich aus Richtung Terni kommend ein kurvenreiches Panoramasträßchen hinaufschraubt, und der sich in einem parkähnlichen Areal befindet. Für uns leider kein idealer Einstieg, da sich ein Treppenweg in Serpentinen steil nach unten windet. Wir haben es nur zu einem kleinen unbeleuchteten Tunnel geschafft mit der schönen Bezeichnung Galleria degli Innamorati; er führt unmittelbar an die Basis der ersten Kaskade. Ich habe mich ernsthaft gefragt, ob der permanente Sprühregen, der von überall her auf die kleine Aussichtskanzel herunterweht, die Verliebten (innamorati) noch enger zusammenschweißt und sie - trunken vor Glück und den Schwüren ewiger Liebe – versinken lässt im Meer der Gefühle?
Besser wäre es gewesen, vom Belvedere Inferiore, also von der Talseite aus, auf Entdeckungstour zu gehen – die herabstürzenden, weiß schäumenden Wassermassen immer vor Augen und sich langsam von Geländestufe zu Geländestufe hochzuarbeiten. Ein Großraumparkplatz direkt hinter dem kleinen Straßentunnel Richtung Ferentillo/Visso ist bereit, die Besucherströme, die vor allem am Wochenende hier einfallen, aufzunehmen.


Bevagna - ein Kleinod in der Valle umbra

Ein letzter Tipp zum Schluss: vom ‚Casco Dell’acqua’ lassen sich schöne Fahrradtouren unternehmen auf wenig befahrenen Straßen oder auf den zahlreichen Deichen, die man hier in der umbrischen Ebene aufgeschüttet hat, um den Entwässerungskanälen ein sicheres Geleit zu geben. Man kann sowohl in die südliche Richtung fahren zu den Quellen des Clitunno als auch die nördliche Route einschlagen Richtung Bettona.


Besonders gut gefallen hat uns das kleine, von einer mittelalterlichen Wehrmauer umschlossene Städtchen Bevagna, das sich bis heute den Charakter und Charme der vergangenen, aus heutiger Sicht so weit entrückten und mit dem Stigma des Finsteren behafteten Epoche bewahrt hat und idyllisch am Flüsschen Timia gelegen ist. Nähert man sich dem centro storico von der Porta Todi her, die einem Bollwerk gleich von zwei wuchtigen Türmen flankiert wird und zu der eine Brücke aus roten Ziegelsteinen führt, die mit großem Bogen das hier aufgestaute Flüsschen überspannt, dann schaut man auf eine markante Silhouette, die die Häuser, Türme und schlanken Zypressen als gezackte Linie gegen das Blau des Himmels zeichnen; nach rechts gewandt, bestimmt eine Gartenlandschaft mit klein parzellierten Flächen das Bild der Flussaue - ein exklusives Refugium der Stille und Ruhe, das durch eine hohe Natursteinmauer vor neugierigen Blicken geschützt ist, und das jetzt zu Beginn des Frühlings noch nicht mit dem üppigen Grün der Pflanzen, Kräuter, Stauden, Sträucher und anderer Kulturen überzogen war, sondern in dem die Obstbäume mit ihren kugeligen und pyramidalen Kronen und die langen, zeltartig aufgerichteten Holzstangen, an denen sich später die Kletterbohnen emporranken sollten, die einzigen Hinweise einer intensiven Nutzung lieferten.
Auf der linken Seite blickt man von oben auf ein altes Waschhaus (lavatoio) – eine langgezogene, licht- und luftdurchlässige Hallenkonstruktion, die angelehnt an den Brückenpfeiler der Stadtseite sich auf der Vorderfront zum Wasser hin öffnet, während auf der Rückseite eine halbhohe Mauer die in gebeugter Haltung arbeitenden und das Schicksal der Plackerei im Bewusstsein selbstloser Fürsorge tragenden Frauen gegen Durchzug und schräg einfallenden Regen abschirmt. Ich glaube, jeweils acht schlanke rechteckige Pfeiler auf beiden Seiten tragen das gegiebelte Dach, ausgelegt mit den rötlichen, teilweise schon stark verwitterten Tonpfannen in der für den Süden so typischen Mönch-Nonne-Deckung. Obwohl ein Relikt aus längst vergangenen Zeiten, wird das lavatoio noch heute genutzt; wir selbst konnten eine ältere Frau beobachten, wie sie auf einer hinten leicht hochgezogenen Steinbank ihre Wäsche kräftig scheuernd vom Schmutz befreite, um sie anschließend in der klaren, kaum wahrnehmbaren Strömung der Timia auszuspülen, mit dem Effekt, dass die freigesetzte Seifenlauge sofort riesige Fahnen und Schlieren bildete, die das klare Wasser milchig eintrübten.


Nach wenigen Augenblicken schon hatten wir das Zentrum, die Pza. Silvestri erreicht, die ein Ensemble aus drei Kirchen umrahmt, deren mittelalterlichen Fassaden die Gestalt des Platzes in besonderer Weise prägen. Die Blicke des Betrachters richten sich zunächst auf die Mitte des Platzes, wo ein pittoresker Brunnen die Aufmerksamkeit auf sich lenkt, bestehend aus einem steinernen, von Halbsäulen geschmückten Becken auf achteckigem Grund und einer aus dem Zentrum herausragenden Schale, die wie eine aufspringende Knospe geöffnet ist. Betritt man S. Silvestro und S. Michele durch ihre unscheinbaren Holzportale, so ist man beeindruckt von den klaren Linien und Formen romanischer Architektur: in ihrem Innern hat sich der Geist mittelalterlicher Baukunst auf wunderbare Weise erhalten.


Vor allem, wenn man nichtsahnend aus dem Schatten vor S. Michele in den hellen, lichtdurchfluteten Kirchenraum kommt, ist das Überraschungsmoment perfekt. Die Wirkung dieses Raumes und seines Lichts, das durch das große Rundfenster über dem Haupteingang einströmt, ist so überwältigend, dass man gezwungen wird innezuhalten, um die Atmosphäre, die von diesem alten Gemäuer abstrahlt, in sich aufzunehmen. Auf beiden Seiten des Hauptschiffes schwingen in scheinbar unendlicher Kette steinerne Bögen, aufgefangen von schlanken Säulen mit unterschiedlichen Kapitellen, vom Eingang bis tief hinein in die schlichte Apsis. Darüber erheben sich die hohen, weiß getünchten Wände, die hoch oben unterbrochen sind von einem Band schmaler Fensteröffnungen, und die ein einfaches Spitzdach abdeckt, deren dunkle Holzbalken sich kontrastreich gegen den hellen Putz abheben. Unwillkürlich fühlt man sich hineinversetzt in das Innere einer Basilica, wie sie einst auf dem Forum Romanum gestanden hat – so einzigartig ist die Raumwirkung.
Wie schon in S. Eutizio so führt auch in S. Michele eine imposante Treppenanlage, die die gesamte Breite des Mittelschiffs ausfüllt, hinauf zum Altarraum, den ein schlichter Altar aus rötlichem Marmor in Quaderform ziert und ihm zur Seite ein silbernes Kreuz mit Strahlenkranz, das auf einer schwarzen Holzstange aufgerichtet ist. So können die Zelebranten hinunterschauen auf die versammelte Gemeinde, während die Gläubigen im Gottesdienst ein spirituelles Ereignis erleben, weil sinnfällig wird, dass das Göttliche immer entrückt, immer Geheimnis bleibt, das sich dem Begreifen entzieht, und das zugleich durch die feierliche Form der Liturgie (durch Gebete, Anrufungen, Gesänge und vielfältige Zeremonien) ganz nahe erscheint, weil es zum Wesen des Göttlichen gehört, wenn es sich dem menschlichen Geist mitteilt, von oben herabzukommen.
 
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Was Umbrien angeht, so bin ich ein völliger Laie! Umso mehr lese ich mit Freude von den Eindrücken der Reise!
 
Multum illi dabis, etiam si nihil dederis praeter exemplum.

Du wirst viel geben, auch wenn du nichts gibst als dein Vorbild.




Seneca,

diese Vorgabe deines Namensvetters hast du in wunderbarer Weise umgesetzt.

Es ist ein Genuß, deinen inhaltlich, wie auch sprachlich schönen Schilderungen zu folgen.
So stelle ich mir Reisen vor, das für den Touristen und das besuchte Land gleichermaßen bekömmlich und ertragreich ist.

Glückwunsch

Bixio
 
Es ist ein Genuß, deinen inhaltlich, wie auch sprachlich schönen Schilderungen zu folgen.
So stelle ich mir Reisen vor, das für den Touristen und das besuchte Land gleichermaßen bekömmlich und ertragreich ist.

Da kann ich mich nur Bixio anschließen:!:. Dein Bericht dient mir erneut als Anregung, Umbrien nach langen Jahren wieder einmal aufzusuchen.

Eine schönen dritten Adventssonntag wünscht

mystagogus
 
Lieber Seneca,
mit Begeisterung habe ich deinen liebevoll geschriebenen und eindrucksvoll bebilderten Bericht gelesen. Da ich alle beschriebenen Orte (Ausnahme euer Quartier) kenne, haben deine Zeilen alte und auch taufrische Erinnerungen wach gerufen. Schließlich haben wir wenige Wochen nach euch auch die Valnerina und Spoleto durchstreift. Die Gegend um Assisi kennen wir von mehreren Besuchen bei unserem väterlichen Freund. Dieser hat uns auch die zuletzt beschriebene Kirche nahe gebracht. Als eingefleischter Kommunist mag er Kirchen weniger. Er führte mich etwa mit folgenden Worten in diese schlichte Kirche: Ludwig, jetzt zeige ich dir eine Kirche, wo selbst ich beten kann, wo mich nicht tausend Dinge ablenken.

Auch ich erholte mich gerne in Umbrien und gönne meiner Lunge die frische Luft.
 
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Lieber Seneca,

auch ich habe mit Genuss deinen schönen Reisebericht gelesen und die intensiven Bilder betrachtet.

Vielen Dank dafür :nod::nod::nod:
 
Hallo ihr Lieben,

herzlichen Dank für die vielen gut gemeinten Rückmeldungen. Ich freue mich, dass Euch mein kleiner Bericht gefallen hat. In der Tat gehört Umbrien zu unseren positiven Entdeckungen. Es ist ein Land, das der Tourismus Gottseidank noch nicht verdorben hat, und in dem vieles ursprünglich geblieben ist. Für uns hatte Umbrien zwei verschiedene Gesichter: auf der einen Seite die weite Ebene der Valle Umbra, eingebettet zwischen den Monti Martani (Weinanbau) und den Ausläufern des Apeninnenhauptkamms (Olivenanbau) mit den kleinen mittelalterlich geprägten Städten, die sich an Berghängen (z. B. Trevi) festklammern oder ganze Hügelkuppen (z. B Spello) einnehmen, und auf der anderen Seite einsame Berglandschaften mit ihren dichten Wäldern, in denen die eingesprenkelten Weiler und Dörfer wie bunte Farbtupfer wirkten. Am besten ist es, diese Gegend auf schönen Wanderungen zu durchstreifen.
Mein Bericht gibt nur einen kleinen Ausschnitt dessen wieder, was wir tatsächlich erlebt haben. Nicht erwähnt habe ich den Ausflug zur wunderbar gelegenen und bestens erhaltenen Abtei von Sassovivo (in der Nähe von Foligno), nicht erwähnt habe ich die anschließende Wanderung zu den Wasserfällen des Menotre. Auch auf unsere Fahrt zum Lago Trasimeno mit der Besichtigung der kleinen Insel Polvese bin ich nicht eingegangen; ebenso habe ich den Besuch Orvietos nicht zur Sprache gebracht, dessen dicht gedrängte Häuser einen steilen Felsen aus Tuffgestein erobert haben.

Viele Grüße
Seneca
 
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Hallo Seneca,

auch ich habe mit Interesse Deinen Bericht über das "grüne Umbrien" mitgelesen und feststellen müssen, dass ich diesen Landstrich Italiens bisher nur sehr unzureichend kenne. Gut, die "Magneten" Assisi, Perugia, den Lago Trasimeno, Orvieto, das Rieti-Tal liegt glaube ich schon im Latium... - Aber Deine Reisebeschreibung zeigt auf, dass die einzige nicht an das Meer grenzende Region Italiens wirklich das "cuore verde" dieses Landes ist. Die romantischen Bilder tragen dazu bei, dass es als Wunschziel notiert werden wird ;).

Pasquetta
 
Hallo Pasquetta,

schön, dass Du Umbrien auf Deine Prioritätenliste gesetzt hast. Nach einer gründlichen Beschäftigung mit dieser Region dürfte Dir eine Entscheidung nicht schwerfallen. Obwohl abseits der touristischen Pfade bietet dieses Gebiet alles, was einen Italienurlaub unvergesslich macht: schöne Städte (Orvieto, Narni, Spello, Perugia, Assisi usw.), großartige Kunst und malerische Landschaften. Von Rom aus erreicht man Umbrien in gut zwei Stunden. Natürlich steht und fällt so ein Urlaub mit der Wahl des Quartiers. Wenn Du ein Haus mit Wohlfühlatmosphäre suchst, kann ich Dir das 'Casco Dell'Acqua' wärmstens empfehlen. Es ist ein Juwel unter den Unterkünften.

Liebe Grüße
Seneca
 
Wenn ich Deinen Bericht lese, und die Fotos betrachte, dann gehe ich mal davon aus, dass es Dir gesundheitlich wesentlich besser geht?

Hofft
Padre
 
Hallo Padre,

im Vergleich zum letzten Jahr geht es mir jetzt wesentlich besser. Ich habe mich gut an die neue Hornhaut gewöhnt, und bis heute hat es keine Rezidive mehr gegeben. Allerdings ist das Sehen nach wie vor eingeschränkt (ich sehe auf dem linken Auge nur schemenhaft, und alles erscheint verzerrt). Und vom täglichen Tropfen und Salben bin ich auch noch nicht los. Anfang Januar werden die ersten Fäden gezogen. Ich hoffe, dass sich dadurch die Hornhaut weiter glättet und sich meine Sehkraft weiter verbessert. Es kann ja nur aufwärts gehen.

Liebe Grüße
Seneca
 
im Vergleich zum letzten Jahr geht es mir jetzt wesentlich besser. Ich habe mich gut an die neue Hornhaut gewöhnt, und bis heute hat es keine Rezidive mehr gegeben./
Lieber Seneca,
ich freue mich sehr, dass es Dir nun besser geht - auch wenn es noch nicht so ist, wie Du es Dir gerne wünscht. Ich wünsche Dir weiterhin alles Gute und Gottes Segen und ein gutes und friedvolles Weihnachtsfest für Dich und Deiner Lieben!

Ganz liebe Grüße ins Sauerland

Dein
Padre
 
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An Padres Genesungswüsche schließe ich mich gerne an.

Vielen Dank für den schönen Bericht, der zu einem Besuch einlädt.​
 
Danke dentaria, jetzt hab' ich es begriffen!

im Vergleich zum letzten Jahr geht es mir jetzt wesentlich besser. Ich habe mich gut an die neue Hornhaut gewöhnt, und bis heute hat es keine Rezidive mehr gegeben.

Lieber Seneca,
ich freue mich sehr, dass es Dir nun besser geht - auch wenn es noch nicht so ist, wie Du es Dir gerne wünscht. Ich wünsche Dir weiterhin alles Gute und Gottes Segen und ein gutes und friedvolles Weihnachtsfest für Dich und Deiner Lieben!

Ganz liebe Grüße ins Sauerland

Dein
Padre
 
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VIELEN DANK

:thumbup: :nod: :thumbup: :nod: :thumbup:

für den interessanten und sehr schön bebilderten Bericht

:thumbup::thumbup::thumbup:​
 
Cara dentaria, lieber Padre, chère petite Astérixe,

schön, dass Ihr noch mal an mich gedacht habt. Auch ich wünsche Euch ein rundum zufriedenes, besinnliches Weihnachtsfest als Gegenentwurf zum rauschhaften Konsumverhalten (‚Süßer die Kassen nie klingen als zu der Weihnachtszeit’) eines Großteils unserer Bevölkerung und zur Volksfeststimmung auf den Weihnachtsmärkten, wo sich beim ‚Vorglühen’ im Rudel das richtige Gefühl für die Feiertage einstellen soll - in der unheiligen Allianz plumper Vertraulichkeit und körperlicher Nähe und begleitet vom gutturalen Gegröle von Stimmungsliedern auf Ballermann-Niveau, wenn von einem gewissen Alkoholpegel an alle Hemmungen fallen.
Vielleicht sollten wir alle mal wieder über den eigentlichen Sinn von Weihnachten nachdenken und uns der Botschaft der heiligen Nacht stellen, die wie viele andere biblische Ereignisse eine ungeheuerliche, mit menschlicher Vernunft nicht zu erklärende Tat gottgewollter Realität verkündet: nämlich die Neuschöpfung Gottes im Kind von Bethlehem oder wenn man so will, eine besondere Form der Selbsterschaffung, die die innere Verbundenheit von Vater und Sohn widerspiegelt und der ein intensiver, innergöttlicher Dialog vorausgeht.

In diesem Sinne frohe Weihnachten und alles Gute für das neue Jahr 2014 Euer

Seneca
 
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