Rom und Umgebung - Stadtführer

Ulysses

Civis Romanus
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Iwanowski - Reiseführer enthalten ausführliche und fundierte Informationen zu Geschichte, Geographie, Sprache, Kultur, Sehenswürdigkeiten und allem, was dem Fremden in der Fremde nützlich ist. Sie sind nach meiner bisherigen Erfahrung durchweg gut recheriert und bis hin zu Fahrplänen und Öffnungszeiten zuverlässig. Ausführliche Rundgänge mit vielen brauchbaren Insidertips, Plan- und Kartenmaterial. Umfangreiches Glossar und Stichwortverzeichnis. Der Romführer kommt als Paperback im Taschenbuchformat mit 480 Seiten für 18,95 Euro in dritter Auflage. Das ist nicht billig, aber allemal sein Geld Wert.
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AW: Rom und Umgebung - Stadtführer

Da ich in Vergangenheit mit "Iwanowski" Führern ebenfalls schon positive Erfahrungen gemacht habe, habe ich mir Gestern die hier besprochene Auflage von "Rom und Umgebung" in der Stadtbibliothek besorgt.

Leider muss ich sagen dass der durchaus positive Gesamteindruck vor dem Hintergrund des Anspruches eines gut recherchierten Führers durch Fehler (unvollständige Aktualisierung) und meiner Ansicht nach zu sehr durch die persönliche Meinung des Autors geprägte Ausführungen getrübt wird. Ich möchte aber ausdrücklich betonen, dass ich hier weder die Qualität der Iwanowski Reihe insgesamt noch die grundsätzliche Sachkenntnis der Autoren bestreiten möchte.

Hier einige exemplarische Beispiele um meine Kritik zu illustrieren:

1.) Ausführungen zum historischen Hintergrund

Die Ausführungen zur Geschichte der modernen italienischen Republik/Politik enden mit dem Beginn der 1.Regierung Prodi (1996) und der Euro-Einführung 1998. Augenscheinlich wurde hier seit dem Erscheinen der Erstauflage nichts mehr ergänzt. Natürlich ist ein Reiseführer keine historische Abhandlung oder politikwissenschaftliche Einführung. Aber ich finde wenn man schon den Anspruch erhebt solche Zusammenhänge aktuell darzustellen sollte der Führer bei Erscheinen einer neuen Auflage auch auf dem zu dem Zeitpunkt neuesten Stand sein.

2.) Papsttum


Im Kapitel über die Päpste wurde zwar Benedikt XVI. ergänzt, gleiches unterblieb allerdings für die Tabelle der Päpste. Auch an anderer Stelle wird in einem Text noch von Johnannes Paul II. als amtierendem Papst gesprochen. Keine große Sache, aber Indiz für eine eher nachlässige Korrektur.

3.) Die Römer und die Gastfreundschaft

-Zitat: [...]"Gastfreundschaft, wie sie die Griechen erfunden und über Jahrhunderte kultiviert haben, sollte man in Rom nicht erwarten, dafür tummeln sich auch zuviele Touristen in der Ewigen Stadt. Diese bringen zunächst einmal gutes Geld und damit basta [...] (S.50)

Solche Aussagen finde ich problematisch. Was erwartet der Autor? Rom ist eine Millionenstadt - nicht erst seit ein paar Jahren. Dass man dort als Tourist normalerweise nicht von "megaenthusiastischen Einheimischen" sofort als Gast in ihre Privatwohnung geschleppt wird ist für mich einfach logisch und nicht der Rede wert. In London, Paris, Berlin, Stockholm usw. erwartet dass doch auch niemand - warum dann in Rom? Dass es in Athen anders ist halte ich übrigens (war aber noch nicht dort) auch für weniger wahrscheinlich.

4. Das Vatikanische Geheimarchiv

Hierzu schreiben Kränzle/Brinke: "Berühmt-berüchtigt ist das Vatikanische Geheimarchiv [...] für das überhaupt erst seit 1998 Zugangsgenehmigungen erteilt werden." (S.375)

Diese Information ist definitiv falsch. Hier werden "Legenden" über die vatikanischen Institutionen weiter verbreitet. Tatsächlich haben Wissenschaftlicher die echtes Forschungsinteresse nachweisen können schon seit 1881 zu immer mehr Teilen des Archivs Zugang. Die Akten bis 1922 sind mittlerweile seit Jahrzehnten komplett zugänglich, seit 2005 nun auch jene bis 1939. vgl. DAS VATIKANISCHE GEHEIMARCHIV: GESTERN

Mir ist unverständlich weshalb in einem Reiseführer solche Dinge derart verfälscht dargestellt werden. Sie sind ja nicht schwierig zu recherchieren. Wenn man sie aufnimmt, dann bitte richtig!

5. Ausführungen zu Stadt, Gesellschaft, Menschen, Politik, Arbeitnehmern usw.

Problematisch finde ich außerdem die allgemeine Tendenz in den Ausführungen zur Stadt, ihren Menschen, der Kommunalpolitik usw.

Dort wird alles in allem das Bild einer zwar schönen und liebenswerten, aber letztendlich doch verkommenen, von Problemen beladenen Stadt vermittelt deren Zukunft nicht unbedingt positiv zu bewerten ist, deren Bewohner in überkommenen Gesellschaftstrukturen "gefesselt" sind usw.
Sicher gibt es viele Probleme, aber ich finde es schon etwas unfair wenn man als letztlich Außenstehender zumindest indirekt die grundsätzliche Fähigkeit zur nachhaltigen Lösung von Problemen anzweifelt.
Unter anderem heisst es dass im Rahmen des Jahr 2000 zwar einiges Restauriert wurde/werde, dass aber schon in wenigen Jahren wieder vieles verfallen werde, dann wieder "Weiss erneut zu Grau würde". Hier wird überdies deutlich dass auch an dieser Stelle seit nun über 7 Jahren nicht aktualisiert wurde. Denn es heisst u.a. : "[...] doch wie wird es 2001 aussehen?[...]"

Nicht besonders nett finde ich im übrigen z.B. über die Stadt mit Bezug auf den hauptstadtbedingt überdurchschnittlich großen öffentlichen Dienst und die damit verbundenen Kosten bei (angeblich) geringer Arbeitsleistung der betreffenden Staatsbediensteten zu schreiben: "[...] von der böse Zungen behaupten, sie sei die "Stadt der Schmarotzer"[...]"
Das sind doch typische Vorurteile wie sie auch mancher/manchem hier im Forum im Bezug auf seine/ihre jeweilige Berufsgruppe nicht unbekannt sein mögen... Ich finde es sollte nicht Aufgabe eines Reiseführers sein, derartige Vorurteile -wenn auch mit relativierenden weitergehenden Ausführungen - als eine Art "Common Sense" zu präsentieren. Natürlich sind Fragen der mangelnden Motivation im Öffentlichen Dienst usw. bedeutend. Aber ich finde schon in diesem Kontext riecht das ziemlich stark nach Vorurteilen.

Fazit: Es handelt sich um einen recht ausführlichen Führer, der jedoch teilweise nachlässig aktualisiert und offensichtlich nicht wirklich vollständig überarbeitet worden ist. Häufig vermittelt er ein eher einseitiges Bild der Situation in Rom und Italien.
Da er sehr viele Sehenswürdigkeiten auführlich und gut beschreibt ist er grundsätzlich trotz allem brauchbar. Vor dem Hintergrund der bereits bei der ersten Durchsicht gefundenen Fehler und problematischen Ausführungen ist er aus meiner Sicht aber nicht die erste Wahl.
 
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