Zu Rom gewesen - auf alten und neuen Wegen durch die Ewige Stadt

Lieber amator, auch ich verfolge sehr gerne Deine ausführlichen Beschreibungen. Dieser letzte Tag war doch sehr umfangreich und gleichzeitig abwechslungsreich. Uns geht es oft ähnlich und das ist auch nicht schlimm, wenn man irgendwann sagen muss, dieses oder jenes bleibt für den nächsten Besuch. [emoji3]
 
Deine Wanderung zu vielen schönen Zeilen in Rom habe ich schon bei der Lektüre als anstrengend empfunden. ;) Du hast sicher gut daran getan auf Deine innere Stimme zu hören und nach dem Espresso eine längere Rast einzulegen. :nod: Von der Kirche S. Maria Liberatrice stelle ich Dir gerne ein Photo zu Verfügung:

Vielen Dank für das schöne Foto.
Jetzt in der Rückschau war es die einzig sinnvolle Lösung. In diesem Moment sieht man das natürlich etwas anders. Vielleicht war das Programm davor doch nicht so "ohne". Gerade die Größe der Villa Doria unterschätzt man doch etwas, obwohl ich ja maximal die Hälfte gesehen habe.

Lieber amator, auch ich verfolge sehr gerne Deine ausführlichen Beschreibungen. Dieser letzte Tag war doch sehr umfangreich und gleichzeitig abwechslungsreich. Uns geht es oft ähnlich und das ist auch nicht schlimm, wenn man irgendwann sagen muss, dieses oder jenes bleibt für den nächsten Besuch. [emoji3]
Liebe Angela, ich danke dir sehr. Das beruhigt mich aber, dass das auch erfahreneren so geht. :nod:
 
Lieber Amator,

du hast mir bekannte Wege ganz neu kombiniert und ich habe gestaunt wo du überall herum gekommen bist.

Jedenfalls hast du überall schöne Erinnerungen geweckt, ob auf dem Gianicolo, der Villa Doria Pamphili oder im EUR- Viertel.

Deine Fotos sind sehr schön und auch gut im Bericht platziert. Ich verfolge sehr gerne deine Wege.

Liebe Grüße

Tizia
 
Lieber Amator,

du hast mir bekannte Wege ganz neu kombiniert und ich habe gestaunt wo du überall herum gekommen bist.

Vielen Dank, Tizia. Ich muss zugeben, die Zusammenstellung war auch eher zufällig. Dass ich den Gianicolo und die Villa Doria miteinander kombinieren, war schnell klar. Die Frage war nur, wie es dann weitergehen sollte, da ja nichts mehr in der Nähe lag, was mich interessiert hätte. Da sowohl San Paolo, als auch der Testaccio, als auch EUR an den anderen Tagen noch nicht reingepasst hatten, sollten diese Orte noch folgen. Daher hatte der Tag doch etwas zusammengestückeltes, was aber auch seinen Reiz hatte.
 
5. Tag: An der Königin der Straßen

Und schon war der 5. Tag meiner Reise gekommen. Es wird wohl immer ein Mysterium bleiben, warum ich mir den anstrengendsten Tag bei jeder Reise für den letzten Tag aufhebe. Denn heute wollte ich die Via Appia in all ihren Facetten erkunden, da ich bis jetzt nie weiter als San Callisto gekommen war. Natürlich hatte ich den gestrigen Tag mit dem kleinen Durchhänger noch im Hinterkopf. Genauso war mir klar, dass auf dem Teil der Straße, den ich besuchen wollte, ein Abkürzen oder Umsteigen auf öffentliche Verkehrsmittel größtenteils nicht möglich sein würde. Daher hoffte ich doch sehr, dass meine Kondition heute besser halten würde.

Noch mehr als bei anderen Tagestouren sollte man bei der Via Appia von vorneherein recht genau wissen, was man genau sehen möchte und wie die örtlichen Gegebenheiten sind. Außerdem sollte überlegt werden, wo man den Einstieg wählt. Hinzukommt, dass die Via Appia rein sprachlich oft als pars pro toto für den Parco regionale dell'Appia antica verwendet wird. Dieser umfasst nämlich deutlich mehr als nur die genannte Straße selbst und die angrenzenden Sehenswürdigkeiten. Als weitere beliebte Anlaufstellen sind das Tal der Caffarella oder der Aquäduktpark zu nennen. Hinzu kommen die Gräber an der Via Latina, sowie der Park- Abschnitt Tor Fiscale oder das Landgut Tormarancia. Diese Abschnitte miteinander zu verbinden ist schwierig, da sie durch den modernen Straßenbau kein zusammenhängendes Gebiet bilden und selbst die stillen Teile des Parks häufig von stark befahrenen Straßen durchzogen sind. Hier hilft es, wenn man ein Fahrrad hat, wie der jüngste Bericht von pehda beweist (Von Rom bis Venedig auf byzantinischen Spuren - Seite 7).

Da ich aber mein Tagesprogramm per pedes Apostolorum bewältigen wollte, musste ich mich entscheiden. Die Entscheidung fiel schließlich auf die „klassische“ Variante entlang der Via Appia Antica. Allerdings wollte ich nicht dort beginnen, wo ich vor 4 Jahren aufgehört hatte, sprich an San Callisto, sondern an der Quintilier-Villa und mich quasi zurück in die Stadt arbeiten. Da mir zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar war, zu welcher Seite man die Quintilier-Villa verlassen konnte, behielt ich mir auch die Option im Hinterkopf, die Villa mit dem Tal der Caffarella zu verbinden, falls ich wieder zur Via Appia nuova zurückmüsse.

Von Termini fuhr ich mit der Metro bis Colli Albani und stieg in einen Bus der Linie 664, der bereits wartete. Schon nach wenigen Metern merkt man auf dieser Strecke schnell, dass man weit vom Zentrum entfernt ist. Nach einem Schlenker durch typische Außenbezirk Siedlungen nimmt der Bus Kurs auf die Via Appia Nuova, die wirklich kein Hingucker ist. Irgendwann, in etwa zu dem Zeitpunkt, an dem man sich fragt, ob man etwa in den falschen Bus gestiegen ist oder ob der Fahrer sich verirrt hat, taucht vor einem die imposante Gestalt der Quintilier-Villa am Straßenrand auf. Jetzt heißt es schnell aussteigen und schon ist man am Haupteingang.

Die Quintilier-Villa ist ein Gebäudekomplex aus dem 2. Jahrhundert, der von zwei Brüdern erbaut wurde, die aus der römischen Provinz Asia stammten (in etwa der Westen der heutigen Türkei). Sie waren anscheinend wohlhabend, bekleideten hohe Ämter (bis hin zum Konsulat) und waren wohl wichtige politische Träger in ihrer Heimat. Zu Beginn der Regierungszeit Kaiser Commodus (180-192) ging das Gelände in den kaiserlichen Besitz über. Wie es dazu kam, ist nicht geklärt. An dieser Stelle wird häufig berichtet (Wikipedia tut dies z.B.), dass Commodus die Brüder unter einem Vorwand habe hinrichten lassen, um an ihren Besitz zu gelangen. Das Problem hieran ist, dass dies nur von der tendenziösen Historia Augusta berichtet wird, die mit einigem zeitlichen Abstand niedergeschrieben wurde. Die Historia zieht hiermit also eine Verbindung zur sogenannten Lucilla Verschwörung gegen den Kaiser. In Folge derer ließ Commodus in der Tat einige mutmaßliche Verschwörer, vor allem Aristokraten hinrichten, was die römische Nobilität auf Dauer gegen ihn aufbrachte. Eine Parallelstelle beim Zeitgenossen Cassius Dio mag hier vielleicht weiterhelfen. Dort heißt es, dass die Brüder aufgrund ihres exzellenten Rufes und ihrer Bildung großen Einfluss ausgeübt hätten und dass man ihnen zwar keine Verschwörung nachweisen konnte, man aber wusste, dass sie mit der aktuellen Lage in Rom unzufrieden waren. Glaubt man dieser Aussage, so könnten hinter der Ermordung wohl eher politische Motive gesteckt haben, so dass die gezielten Hinrichtungen nach der gescheiterten Verschwörung im Grunde dazu instrumentalisiert wurden, um eine „Säuberung“ der einflussreichen Schichten durchzuführen, die Commodus‘ noch junge Regierung hätten gefährden können. Keine Seltenheit bei einem Herrscherwechsel im antiken Rom.


Wie dem auch sei, ich machte mich nun an die Besichtigung dieses imposanten Geländes. Es ist gar nicht einmal wegen der noch erhaltenen Gebäude, sondern vielmehr wegen der Weitläufigkeit so imposant und insbesondere, weil es sich durch den Wildwuchs der Jahrhunderte so wunderbar in die umliegende Natur einfügt. Erst seit wenigen Jahren macht sich die Stadt Rom um die systematische Erschließung dieses Geländes verdient, die Arbeiten sind allerdings noch längst nicht abgeschlossen. Aufgrund der großen Fläche an Wiesen sind permanente Instandhaltungsarbeiten, z.B. Rasenmähen und die „Freilegung“ bestimmter Wege von Nöten. So auch an diesem Tag: Von weitem hörte man schon unzählige Arbeiter bei ihren Aufgaben auf dem Gelände. Auch an den Ausgrabungen im Bereich der ehemaligen Thermenanlagen sah man fleißige Handwerker, die in den abgesperrten Bereichen zu Werke gingen.


Nachdem man zunächst durch ein Antiquarium mit einigen Fundstücken gelaufen ist, tritt man ins Freie und wirft das erste Mal einen Blick auf das riesige Gelände, in dessen Zentrum der private Bereich der Villa mit den Thermenanlagen steht. Hier durchläuft man die vielen verschiedenen Ebenen und entdeckt erst wie verschachtelt und vielfältig die Räumlichkeiten sind, die von unten wie ein recht einheitlicher Komplex aussahen. Weiter geht es entlang der großen Zisterne, vorbei an den Überresten des Aquädukts, welches das große Nymphäum versorgt hatte. Dieses wartet am anderen Ende des Geländes, direkt an der Via Appia Antica, auf den Besucher. Von dort aus geht es an einer Aussichtsplattform vorbei, von der man das Gelände nochmal gut überblicken kann, auf das angrenzende Gelände von Santa Maria Nova. Diesen Teil des Geländes hat Simone wunderbar beschrieben (Vgl. Villa der Quintilier), so dass ich hier ganz frech darauf verweise.


Stundenlang hätte ich auf diesem schönen Stückchen Erde verbringen können. Hinter jeder Ecke verbarg sich etwas Neues, das meine Aufmerksamkeit fesselte. Und allein schon dieses satte Grün um mich herum brachte mich in beste Frühlingsstimmung, da es zu diesem Zeitpunkt in Deutschland ja noch alles andere als frühlingshaft war. Besucher gab es außer mir kaum welche. Diejenigen, die mir begegnet sind, schauten mich des Öfteren etwas fragend an. Wahrscheinlich war ich so beseelt, dass ich für sie aussah wie ein Kind im Bonbonladen. Da ich meinen Rucksack nicht im Empfangsbereich abgeben musste und auch das Tor zur Via Appia Antica offenstand, konnte ich meinen Spaziergang wie geplant fortsetzen, somit war der weitere Verlauf des Tages nun vorbestimmt.

Wenn ich vorhin ausgesehen haben sollte, wie ein Kind im Bonbonladen, dann fehlt mir jetzt allerdings des nötigen Superlativ, um zu beschreiben wie groß die Freude beim Betrachten und vor allem beim Spazieren auf der Via Appia war. Die Gleichmäßigkeit dieser Straße, nicht nur im Streckenverlauf, sondern schon bei den Baumaterialien begeistert mich heute noch. Und was ich noch toller fand: ich war praktisch alleine dort. Ca. alle 5min begegnete mir jemand, meist Fahrradfahrer oder Jogger, ganz selten mal ein Auto. So lief ich vor mich hin, an den zahlreichen Grabstätten vorbei. Immer weiter trugen mich meine Füße bis eine Stimme im Kopf mir sagte, dass ich ja den ganzen Weg wieder zurückmüsse. Das war in etwa auf Höhe von Casal Rotondo, einem der interessantesten Mausoleen der Via Appia. Dieses Monument wurde lange Zeit dem Konsul Marcus Valerius Messalla Corvinus zugeschrieben, was in der jüngeren Forschung aber eher umstritten ist. Etwa auf dieser Höhe befand sich wohl der 6. Meilenstein, was meinen Entschluss nun bekräftigte doch endlich umzudrehen, schließlich würde ich noch umgerechnet rund 6km Fußmarsch vor mir haben.


Je näher ich der Stadt kam, desto zahlreicher wurden die Menschen, wobei das Wort zahlreich doch eher in Anführungszeichen zu setzen ist, verglichen mit Fotos, die ich teilweise von der Via Appia an Sonntagen gesehen habe. Immer wieder reizte mich ein schön gestaltetes Grab am Rand. Auch die im Beitrag von Simone beschriebenen Ziegen leisteten mir bei meiner Mittagspause im Schatten Gesellschaft. Immer wieder wechselte für kurze Zeit die Beschaffenheit des Kopfsteinpflasters, sehr zum Ärger einiger Fahrradfahrer. Bester Laune erreichte ich nach ca. 1 Stunde Laufzeit den Capo di Bove. Dieses ehemalige Landgut aus dem 2. vorchristlichen Jahrhundert, ist heute ein umgebautes Museum mit angeschlossenen Ausgrabungen. Es dokumentiert sehr anschaulich den Umgang der Römer mit der Via Appia, sowie die gezielten Maßnahmen der letzten Jahre sie als „lebendiges Museum“ anzuerkennen und entsprechend zu pflegen. Anhand einiger alter Fotos stockte mir schon sehr der Atem wie sorglos man, vor allem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, mit dieser Straße umgegangen war. Da kann man wirklich von Glück reden, dass sie noch in diesem Zustand existiert.


Nach einer ausgiebigen Rast und einer Unterhaltung mit der Museumsaufsicht ging es dann weiter. Die Dame erklärte mir netterweise wie ich den restlichen Weg gestalten könne, wo ich auf Busse treffe und in welcher Reihenfolge ich doch weitermachen solle. Im Prinzip habe ich das alles gewusst, aber der Dame war deutlich anzumerken, dass sie froh war mal mit jemandem reden zu dürfen und so entwickelte sich doch noch ein nettes Gespräch.

Als nächstes ging es zum Grabmal der Cecilia Metella. Über ihre Person ist wenig bekannt. Eine an der Außenwand des Mausoleums angebrachte Inschrift bezeugt sie als Frau des Crassus. Damit könnte Marcus Licinius Crassus gemeint sein, der im Jahre 72 v.Chr. den sogenannten Spartakus Aufstand niederschlug und später mit Caesar und Pompeius das erste Triumvirat der römischen Geschichte bildete. Träfe diese Zuschreibung zu, so müsste ihr Tod in die Endphase der Republik fallen. Schon von weitem sieht man den rund elf Meter hohen Rundbau, der auf einem Betonpodium ruht, welches mit Travertinblöcken verkleidet wurde. So spektakulär das Äußere ist, so wenig kann der Komplex innen begeistern. Das wenige, das zugänglich ist, zeigt vor allem Fundstücke und Spolien. Von den Räumlichkeiten ist wenig zu sehen, wodurch man sich nur sehr schwer hineindenken kann. Schade, da hätte ich mir mehr erwartet.


Deutlich mehr hatte mich die Maxentiusvilla begeistern können. Dieser Name ist vielleicht etwas irreführend, denn im Grund bezeichnet er einen Komplex mehrerer Gebäude, von denen heute noch Überreste erhalten sind. Zentrum der Anlage ist der Circus des Maxentius, einer der am besten erhaltenen der Antike. Er maß 513 x 91 m und bot Platz für rund 10000 Zuschauer. Wer heute auf den grasüberwucherten Flächen steht, wird sich erstmal der wahren Größe bewusst und kommt zwangsläufig ins Staunen. Von dort aus hat man im Übrigen auch einen deutlich besseren Blick auf das Grabmal der Cecilia Metella als von der Straße aus. Auf dem weiter südlich gelegenen Teil des Geländes findet sich das Mausoleum für Maxentius‘ Sohn Valerius Romulus. Dieser Rundtempel, den Kaiser Maxentius kurz vor seiner eigenen Niederlage gegen Konstatin errichten ließ, sollte möglicherweise als dynastische Grablege dienen. Jedenfalls zeigt sich hierin auch die programmatische Anlehnung des Kaisers an die Anfänge Roms und den Romuluskult.


Langsam merkte ich wie viele Kilometer ich heute doch schon in den Beinen hatte. Auf der anderen Seite freute ich mich, dass ich, im Gegensatz zu gestern, keinen Durchhänger hatte und den letzten Kilometer in Angriff nehmen konnte. Dieser Kilometer ist das genaue Gegenstück zu meinen ersten Metern am Morgen. Hier ist nicht nur der Verkehr erlaubt, er wird auch übermäßig genutzt, so dass der Fußgänger am Wegesrand, durch den nicht vorhandenen Gehweg öfter mal um sein Leben fürchtet. Schnell überwand ich das Gröbste und gelangte zur Kirche S. Sebastiano fuori le mura, bekannt durch die darunterliegenden Katakomben. Diese wollte ich nicht besichtigen, aber wenn man schon einmal dort ist, sollte man sich zumindest die Kirche nicht entgehen lassen.


Diese Kirche gehört zu den sieben Pilgerkirchen, die ich nun, nach der Besichtigung von San Lorenzo und Santa Croce am 2. Tag, alle einmal gesehen hatte. Sie spielt für die Geschichte der frühen Christen in Rom eine große Rolle, da man dort die Reliquien der Hl. Petrus und Paulus während der Christenverfolgung aufbewahrte. Somit ist es kein Wunder, dass gerade dort Katakomben gefunden wurden, die ja bekanntlich nicht nur Bestattungsort, sondern auch heimlicher Versammlungsort der frühen Christen waren. Die zu Zeiten Konstantins erbaute Basilika erhielt im 8. Jahrhundert das Patrozinium des Hl. Sebastian. Ebenso befand sich das gesamte Mittelalter hindurch bis in die Neuzeit ein angeschlossenes Kloster.


Um mich nicht noch mehr dem Verkehr preiszugeben, nahm ich nun den Fußweg parallel zur Via Appia, der auf das Gelände der Katakombe S. Callisto führte. Dort war es schön ruhig und leer, gerne hätte ich mir dort eine kleine Sitzgelegenheit in der Sonne gewünscht, doch dieser Wunsch blieb mir verwehrt. Mein ursprüngliches Vorhaben mich noch etwas länger an der genannten Katakombe aufzuhalten, verwarf ich schnell, denn dort waren gerade mehrere Reisebusse eingetroffen und es wimmelte nur so von Menschen. Als ich das letzte Mal dort war, schrieben wir Mitte November und man konnte die Besucher an einer Hand abzählen. Umso mehr wunderte es mich diesen Ort derart überlaufen zu sehen. Daher machte ich mich auf den Weg zur Haltestelle und fuhr zurück in die Stadt.


Mittlerweile war es nach 17 Uhr und ich war durch meine fast 7,5h an der Via Appia doch ziemlich platt. Aber da mein Kombiticket ja noch die Caracalla Therme beinhaltete und der Bus ohnehin dran vorbeifuhr, dachte ich, dass es nicht schaden könne, kurz reinzuschauen. Zwar hielt sich mein Interesse aufgrund der Müdigkeit doch sehr in Grenzen, doch kam hier einmal mehr der Schwabe in mir durch, der mir befahl, kein Geld zu vergeuden. So wanderte ich entlang der imposanten Überreste der riesigen Thermenanlagen, die in der Abendsonne einen ganz speziellen Glanz ausstrahlten. Ich ließ die Landschaft auf mich wirken, aber so recht wollte der Funke einfach nicht mehr überspringen. Wahrscheinlich war ich einfach doch zu müde, vielleicht lag es aber auch an den zahlreichen Schülergruppen, die abwechselnd in drei Sprachen ihren Unmut über diese langweiligen alten Steine äußerten. Zu einem Teil wird es aber auch daran gelegen haben, dass mir letztes Jahr die Diokletiantherme einfach besser gefallen hatte, weil man dort die verschiedenen Umbauphasen und die Wiederverwertung des Baumaterials deutlicher sehen konnten. Bei der Caracallatherme steht das Ganze etwas ohne Kontext da. Wie dem auch sei, ich flanierte noch etwas übers Gelände bevor ich mich zur Abendlektüre in die Villa Celimontana zurückzog.


Ich glaube, ich bin in Rom noch nie so viel gelaufen wie heute. Dennoch war es trotz der Strapazen einer der schönsten Tage, die ich je in Rom hatte. Und die Via Appia sieht mich definitiv wieder!
 
Hallo Amator,

vielen Dank für den schönen Tagesbericht. Bei meinem ersten richtigen Romaufenthalt bin ich mit dem Fahrrad die Via Appia Antica entlanggefahren bis zum Ende der bepflasterten Straße. Für die imposanten Monumente fehlte mir damals der Kontext wie für dich in den Caracallas-Thermen. Ich denke man muss sich schon sehr intensiv mit der Antiken Baugeschichte beschäftigen um die Trümmerreste einordnen zu können.

Das tolle an den ollen Steinen ist nach meinem Empfindern dass dadurch viel freie Fläche in einer dicht bebauten Stadt erhalten ist mit sattem Grün, Blumen und Tieren sowie viel blauem Himmel.

Und am schönsten sind die Überreste vergangener Pracht in der Morgen- oder Abendsonne. Da erstrahlen sie einfach am meisten und beschwören alte Zeiten herauf.

Verzeih mir, aber ich musste über deine Bemerkung vom sparsamen Schwaben sehr lachen. Ich bin im Schwabenländle geboren und aufgewachsen und kann dein Denken sehr gut nachempfinden. ;)

Deine Bilder sind wie immer klasse. Ich staune immer wieder aufs neue über die tollen Perspektiven.

Nun bin ich gespannt was du am nächsten Tag erlebt hast.

Viele Grüße

Tizia
 
Ein sehr schöner Tagesbericht, lieber Amator, und ein guter Ansatz, das Feld von hinten aufzurollen. Das bietet sich mit dem neuen Zugang der Quintiliervilla zur Appia Antica nun wirklich an.
Ich bin bei jedem Rom-Besuch in der Gegend, dieser lange Blick geradeaus in die Ferne ist mir sehr lieb.
Ich teile jedoch auch Deine kritischen Anmerkungen zum Grab der Cecilia Metella und der Caracallathermen, beides genügt mir von außen zu sehen.
 
Verzeih mir, aber ich musste über deine Bemerkung vom sparsamen Schwaben sehr lachen. Ich bin im Schwabenländle geboren und aufgewachsen und kann dein Denken sehr gut nachempfinden. ;)
Das ging mir genauso, denn auch ich bin im Schwabenländle aufgewachsen (lang ist´s her). ;)

Sehr schön, Dein Tagesbericht von der Via Appia! So weit draußen war ich noch nie - wohl hauptsächlich deshalb, weil wir gar nicht auf die Idee kamen, "hinten" anzufangen. ;)
Das sollte man tatsächlich auch einmal so machen. :nod:
 
Wobei es genau diese Empfehlung (großenteils meinerseits, aber nicht nur) seit mindestens einem halben Jahr in einer ganzen Reihe unserer Reiseplanungsthreads gibt. :] ;)
 
Schon klar, aber ich sprach von vergangenen Zeiten. ;)
 
Es wird halt maßgeblich ermöglicht durch die Verlängerung (vor reichlich einem Jahr) der Linie 118 direkt bis zur Quintilier-Villa. :thumbup: Denn auf diese Weise erspart man sich die Metrofahrt und den Anschluss-Bus (hängt aber natürlich auch vom individuellen Ausgangspunkt ab, welche Verbindung man bevorzugt).

Seitdem bin ich die Sache schon dreimal von dort aus angegangen (allerdings ohne den Zusatz eines weiteren Weges auf der Appia noch über den Quintilier-Aus-/Eingang hinaus stadtauswärts, wie @amator ihn unter die Hufe genommen hat :thumbup:) und teile die Begeisterung für diese Gegend voll und ganz.
 
Was für eine wunderbare Tour über die Via Appia Antica samt den guten Beschreibungen, es macht Lust es dir gleich zu tun lieber Amator.
 
Von dort aus geht es an einer Aussichtsplattform vorbei, von der man das Gelände nochmal gut überblicken kann, auf das angrenzende Gelände von Santa Maria Nova. Diesen Teil des Geländes hat Simone wunderbar beschrieben (Vgl. Villa der Quintilier), so dass ich hier ganz frech darauf verweise.​

Es freut mich sehr, dass Dein Ausflug an die Via Appia und ins römische Grün ;) ein so gelungener war!

Vielen Dank für den Link zu meiner Beschreibung von S. Maria Nova, ein Fleckchen Erde, das es mir wirklich angetan hat. :nod:

Mit einer freundlichen Dame in Capo di Bove haben wir uns auch eine Weile unterhalten. Vielleicht erkennst Du sie hier wieder:

 
Ich denke man muss sich schon sehr intensiv mit der Antiken Baugeschichte beschäftigen um die Trümmerreste einordnen zu können.
Liebe Tizia,

zunächst vielen Dank für dein Lob und das Interesse an meinem Bericht. Ich denke, du hast das Grundproblem sehr gut erkannt. Bei Thermen kommt eben hinzu, dass sie prinzipiell alle gleich funktionieren und daher gleich aufgebaut sind. Was sie unterscheidet ist meist nur die Größe.

Verzeih mir, aber ich musste über deine Bemerkung vom sparsamen Schwaben sehr lachen. Ich bin im Schwabenländle geboren und aufgewachsen und kann dein Denken sehr gut nachempfinden. ;)
Da gibt es nichts zu verzeihen, meine Bemerkung war ja durchaus humoristisch gemeint :nod: Ich hätte nicht gedacht, dass sie sogar andere Foristi aus eigener Erfahrung damit identifizieren. Aber umso schöner, dann muss ich schon nichts näher erklären. :thumbup:

Ein sehr schöner Tagesbericht, lieber Amator, und ein guter Ansatz, das Feld von hinten aufzurollen. Das bietet sich mit dem neuen Zugang der Quintiliervilla zur Appia Antica nun wirklich an.
Vielen Dank, pehda. Ja, das bietet sich wirklich sehr gut an, vor allem, da die Quintilier-Villa am Morgen noch sehr ruhig ist und man sich ganz darauf einlassen kann. Noch schöner wäre es, wenn man vom Ende der Via Appia, also in etwa um den 10. Meilenstein, eine gute Verbindung zurück hätte. Dann könnte man die Villa auch gut mit diesem Teil der Strecke verbinden.

Das ging mir genauso, denn auch ich bin im Schwabenländle aufgewachsen (lang ist´s her). ;)
Vielen Dank, liebe Angela. Mensch, so viele Leute mit schwäbischen Wurzeln, das hätte ich nun wirklich nicht gedacht. Und wie schön, dass ihr denselben Eigenhumor teilt :lol:
 
Wobei es genau diese Empfehlung (großenteils meinerseits, aber nicht nur) seit mindestens einem halben Jahr in einer ganzen Reihe unserer Reiseplanungsthreads gibt. :] ;)
Das ist auf jeden Fall wahr. Diese Variante verdanke ich auch deiner Empfehlung in den genannten Threads :thumbup:

Denn auf diese Weise erspart man sich die Metrofahrt und den Anschluss-Bus (hängt aber natürlich auch vom individuellen Ausgangspunkt ab, welche Verbindung man bevorzugt).
Richtig. Für mich war die Variante über Termini geschickter. Bei der Fahrt mit der 664 muss man sich eben ein bisschen orientieren, denn entlang der Via Appia Nuova sieht irgendwie alles gleich aus.

Was für eine wunderbare Tour über die Via Appia Antica samt den guten Beschreibungen, es macht Lust es dir gleich zu tun lieber Amator.
Kann ich nur empfehlen, pecorella. Das schöne ist ja, dass man Teile der Via Appia auch gut mit anderen Touren verbinden kann, wie die jüngsten Berichte ja wieder gezeigt haben. Zu Fuß ist man halt etwas limitiert. Doch ich fand gerade das zurückwandern in die Stadt irgendwie reizvoll.

Mit einer freundlichen Dame in Capo di Bove haben wir uns auch eine Weile unterhalten. Vielleicht erkennst Du sie hier wieder:

Vielen Dank, Simone. Ja, das müsste sie gewesen sein, da bin ich mir recht sicher. Sie war wirklich sehr zuvorkommend. Ich hätte mich nur gerne besser ausdrücken können.
 
Mit einer freundlichen Dame in Capo di Bove haben wir uns auch eine Weile unterhalten. Vielleicht erkennst Du sie hier wieder:

Ja, das müsste sie gewesen sein, da bin ich mir recht sicher. Sie war wirklich sehr zuvorkommend. Ich hätte mich nur gerne besser ausdrücken können.
Das ist auch einer meiner Gründe, so gern nach Rom zu reisen: Da verstehe :idea: ;) ich mich mit den Leuten.

Aber auch dir ist die Verständigung doch offenbar gut gelungen. :thumbup:

Wie das zweite Photo zeigt, hat sie uns dann auch noch mitgenommen auf den eigentlich gesperrten Teil des Geländes. 8) Man sieht, dass ich mit ihr Konversation mache, während Simone photographiert.

Dieser Modus (ich würde ihn jedoch nicht eine "Taktik" nennen, wiewohl er gewisse nachgerade taktische Vorteile hat) ist übrigens uns Tre a Roma schon öfter nützlich gewesen: Während Gauki die Konversation betreibt bzw. aufrechterhält, vor allem durch interessierte Nachfragen, haben die anderen beiden mehr Zeit zum Photographieren ... vor allem an solchen Orten, wo man uns Zutritt gewährt hat nur ausnahmsweise und aufgrund unseres lebhaft bekundeten Interesses. 8) :proud: ;)
 
Denn auf diese Weise erspart man sich die Metrofahrt und den Anschluss-Bus (hängt aber natürlich auch vom individuellen Ausgangspunkt ab, welche Verbindung man bevorzugt).
Richtig. Für mich war die Variante über Termini geschickter. Bei der Fahrt mit der 664 muss man sich eben ein bisschen orientieren, denn entlang der Via Appia Nuova sieht irgendwie alles gleich aus.
Eben darum schreibe ich in den Reiseplanungs-Threads immer, man könne zwar aussteigen [aus dem Bus 118], wenn man die Ruinen der Quintilier-Villa sähe - könne aber auch auf Nummer Sicher gehen und einfach sitzen bleiben bis zum capolinea. Denn in aller Regel beraten wir hier ja Rom-Neulinge, weswegen ich mich so weit wie irgend möglich an den guten alten Führungs-Grundsatz halte: Nur das Einfache gelingt. :thumbup:

Und eben darum empfehle ich (sofern das wenigstens einigermaßen zu vertreten ist unter den jeweiligen Voraussetzungen) auch lieber die Linie 118 als die Kombination aus Metro und 664.
 
Das ist auch einer meiner Gründe, so gern nach Rom zu reisen: Da verstehe :idea: ;) ich mich mit den Leuten.

Aber auch dir ist die Verständigung doch offenbar gut gelungen. :thumbup:
Ja, das Verstehen ist auch nicht so sehr das Problem. Ich lese ja auch hier im Alltag öfter italienische Texte oder schaue Filme auf Italienisch. Aber das aktive Sprechen klemmt schon noch ziemlich, da geht außer einfachen Sätzen (noch) nichts.

Aber selbst damit kann man schon eine Menge bewegen, deswegen ist mir euer Modus durchaus schlüssig. Wenn ich überlege, wie nett die Leute immer reagiert haben, wenn ich z.B. im Restaurant den kompletten Bestellvorgang auf Italienisch durchführe (das geht mittlerweile schon gut), dann kann ich es umso weniger verstehe, warum so viele es nicht mal versuchen.
So kam es dann, dass ich (wohl dank meines Auftretens) in einem Lokal ein kostenloses dolce + caffè bekommen haben, während meine Tischnachbarn nur ihre Rechnung auf den Tisch geknallt bekamen.
 
Ja, die Sprache öffnet halt Herzen :thumbup: ... und wie ich nun also weiss, hast bzgl. des Italienischen du ja auch schon den Schlüssel in der Hand. ;)
 
6. Tag - Tempus Fugit


So schnell kann es gehen. Kaum in Rom angekommen, schrieben wir schon wieder den sechsten und damit letzten Tag. Diese Abreisetage haben ja erfahrungsgemäß ihren eigenen Charakter. Traditionell ging mein Rückflug, wie jedes Mal, um 13.55 Uhr, was bedeutete, dass ich morgens maximal noch 2h zur Verfügung hatte. Zu wenig, um noch wirklich etwas zu unternehmen, zu viel, um sie einfach verstreichen zu lassen. Daher entschloss ich mich in der Nähe zu bleiben und mir zwei Kirchen anzusehen, für die ich bis jetzt nie wirklich Zeit gefunden hatte.

Als ich nach draußen trat, traf mich als erstes eine unglaubliche Schwüle, dafür dass es erst 9 Uhr morgens war. Auch der Himmel zeigte sich in einem bedrohlichen Grau, als ob es jeden Moment zu regnen beginnen würde. Da kamen sofort Gedanken an den Heimflug im Gewitter vor zwei Jahren wieder auf. Aber für den Moment genügte es, dass es noch trocken blieb. Ich passierte den Bahnhof Termini und die Piazza della Repubblica und stand nun vor der Kirche Santa Maria degli Angeli e dei Martiri.

Ich glaube, dass ich in den vier Jahren Rom an keiner Kirche so oft vorbeigekommen bin. Umso erstaunlicher, dass ich noch nie drinnen war, insbesondere wenn man bedenkt, dass ich letztes Jahr die Diokletianthermen besichtigt hatte, in die diese Kirche ja quasi integriert wurde. Dass diese Kirche aus den Überresten der Thermen konstruiert wurde, sieht man vor allem an der Verwendung eher untypischer Bauformen, wie beispielsweise der übermäßigen Exedra oder der Rundräume an der Kirchenfront, die aber typisch für Bereiche der Thermen waren. Die entscheidende Frage ist hierbei, wann der Um- bzw. Rückbau der im 4. Jahrhundert errichteten Thermen stattgefunden hatte.

Es spricht einiges dafür, dass der Umbau schon recht früh einsetzte, denn in einem Synodalprotokoll des Jahres 499 finden wir bereits die Unterschrift eines Priesters der Kirche S. Ciriaco in Termis. Ähnliche und leicht abgewandelte Formulierungen, die auch auf die Lage der Kirche hinweisen, finden wir das gesamte Mittelalter hindurch. Durch einige Unglücksfälle geriet diese Kirche aber in völlige Bedeutungslosigkeit und könnte im Laufe des 15. Jahrhunderts bereits verlassen und verfallen gewesen sein. Ein Zustand, den die Kirche mit den restlichen Teilen der Thermen teilte. Allerdings hat dieser verfallene Zustand fälschlicherweise zu der Ansicht geführt, dass das Gelände bereits mit dem Verfall der ursprünglichen Thermen im 5. Jahrhundert nicht mehr genutzt wurde. Ob S. Ciriaco in Termis tatsächlich als Vorgängerkirche von Santa Maria degli Angeli angesehen werden kann, bleibt aber umstritten.


Die jüngere Geschichte der Kirche ist dagegen deutlich bekannter. Kein geringerer als Michelangelo machte sich um sie verdient, der ab 1560 die Leitung der Bauarbeiten übernahm. Auffällig ist, dass er, im Gegensatz zu manch anderem Künstler der Zeit, sehr schonend mit dem erhaltenen Material und den lokalen Gegebenheiten umging. So konnte er das ehemalige Tepidarium, sowie Teile des Frigidariums für die Kirche weiternutzen. Beachtlich ist ebenso, dass durch die Kirche ein Meridian verläuft, den der kanonische Sekretär Francesco Bianchini dort anlegte. Die 45m lange Linie wurde 1702 durch Papst Clemens XI. abgesegnet und ihrer Bestimmung übergeben. Daher wird sie häufig als linea Clementina bezeichnet.


Was mich im Inneren wohl am Meisten fasziniert hat, ist die unterschiedliche Wirkung des Lichtes. Wie bereits gesagt, bewölkte es sich gerade draußen, aber dennoch schaute immer mal wieder die Sonne zwischen den Wolken durch, wodurch ich fast minütlich den Wechsel der Lichtverhältnisse in der Kirche beobachten konnte. Besonders die vergoldeten Altäre erstrahlten besonders intensiv, sobald genügend Licht einfiel, während die Vorhalle im bewölkten Zustand extrem düster wirkte. Vergnügt durch dieses wechselnde Spiel lief ich umher und genoss dieses Schauspiel der anderen Art. Wie gerne hätte ich noch lange einfach so dort gestanden und zugesehen, aber ich durfte ja die Uhr nicht ganz aus den Augen verlieren. Daher verließ ich die Kirche, schwor mir aber, bald wiederzukommen, dann mit mehr Zeit.

Weiter führte mich mein Weg zur Kirche Santa Maria della Vittoria, ebenfalls ein Ort, der mir bis jetzt immer entgangen war, fragt mich nicht wie. Zunächst fotografierte ich die Außenfassade, was bei dem Verkehr vor der Kirche gar nicht so einfach ist, zumindest wenn man kein Auto mit drauf haben will. Der Herr, den ihr auf dem Foto seht, hatte doch tatsächlich die Frechheit zu behaupten, ich müsse ihn jetzt für das Foto etwas zahlen. Mit ein paar unfreundlichen Worten, sowie finsterem Gesichtsausdruck a la Romana, hatte ich meinen Standpunkt in dieser Angelegenheit aber hinreichend deutlich gemacht und er ließ mich freundlicherweise auch so eintreten.

Hier haben wir es wieder mit einer Kirche zu tun, die nicht auf eine weitreichende Geschichte zurückgreifen kann. Dennoch gab es für die heutige Kirche wohl schon einen Vorgängerbau, der dem hl. Paulus geweiht war. Seit wann dieser bestand, wie man ihn sich vorzustellen hat und wie lange er bestanden hatte, das sind alles Fragen, die praktisch nicht geklärt werden können, weshalb die Geschichte der Kirche meist mit der Zeit um 1600 einsetzt. Trotzdem lassen sich ein paar wenige Dinge halbwegs gesichert nennen: Auf den einschlägigen Romplänen aus dem späten 16. Jahrhundert findet sich neben S. Susanna keine zweite Kirche in nächster Nähe. Allerdings lässt der Plan des Antonio Tempesta schon eine Art Querstraße erkennen, die in ein Gebiet führte, das in erster Linie für Weingärten genutzt wurde. Dort stand auch ein Haus, das von einem Eremiten bewohnt wurde und auch, nach zeitgenössischen Aussagen, als Zuflucht vor Unwettern diente. Möglicherweise lag die Pauluskapelle/-kirche weiter zurückgesetzt in den Gärten.

Ab 1607 ging das Gelände nahe der Kapelle in den Besitz der Karmeliten über, um dort ein Konventsgebäude einzurichten. Man wählte diesen Ort gerade wegen seiner Abgeschiedenheit – ein weiterer Hinweis auf die Größe und die geringe Bedeutung des Vorgängerbaus. Der Konvent wurde 1612 eröffnet, die Kirche, die zunächst den Titel „S. Paolo rapito al terzo cielo“ trug, allerdings erst 1626 endgültig fertiggestellt. Weshalb sie heute S. Maria della Vittoria heißt ist längst Legende. 1620 siegte die Katholische Liga bei der Schlacht am Weißen Berg über die protestantischen Truppen. Im katholischen Tross hielt sich P. Dominicus, Kaplan der Karmeliten, auf, der während der Schlacht eine Ikone mit der Geburt Christi um den Hals trug. Im Nachhinein wurde dieser Ikone eine siegbringende Kraft zugesprochen, weshalb sie zurück nach Rom gebracht wurde und über Umwege in die Pauluskirche kam, die ab diesem Tag der Maria della Vittoria gewidmet war.


Das Innere der Kirche kam mir geradezu dunkel und gedrungen vor, unterbrochen nur durch den Glanz der typisch barocken Goldverzierungen. Nach einiger Zeit hatte ich mich etwas orientiert und betrachtete aufmerksam die Seitenkapellen. Die wenigen Besucher, die dort waren, konzentrierten sich alle auf Berninis Verzückung der hl. Teresa. Diese studierte ich ausgiebig und stellte fest, dass ich die Skulptur anders empfand als auf Bildern, die ich kannte. Außerdem hatte ich das Gefühl, dass sie eine andere Wirkung entfaltet, je nach dem aus welchem Winkel man sie betrachtet. Wenn Bernini das so gewollt hat, dann sage ich: ganz große Kunst!


Ein Blick auf die Uhr sagte mir dann aber, dass ich nun endgültig zurück musste, sonst würde der Flughafentransfer stressig werden. Also ging ich schweren Herzens hinaus; der bettelnde Herr hielt nun auch gebührenden Abstand zu mir. In der Unterkunft angekommen, traf ich auf meine beiden Vermieterinnen, von denen ich mich noch ordentlich verabschieden konnte. Leider hatten sie schlechte Nachrichten, denn sie spielen mit dem Gedanken das B&B nach 8 Jahren aufzugeben. Grund dafür ist ein neues Gesetz, dass B&B Betreiber zwingt ab einem bestimmten Umsatz die doppelten Abgaben zu zahlen. Sprich sie können es sich jetzt raussuchen, ob sie weitermachen wie immer und dann die Hälfte verdienen oder ob sie die Anzahl der Gäste begrenzen, um unter der Grenze zu bleiben und dann ebenso weniger zu verdienen als bisher. Keine schönen Aussichten, wir unterhielten uns noch eine Weile über die Kapriolen der italienischen Politik. Dann wünschte ich ihnen alles Gute und wir alle sprachen die gemeinsame Hoffnung aus, dass wir uns nächstes Jahr doch noch wiedersehen.

Liebe Foristi, ich danke euch, dass ihr mir so treu durch Rom gefolgt seid. Noch ist der Bericht aber nicht zu Ende. Es folgt noch ein Resümee, dafür muss ich das Ganze aber nochmal 1-2 Wochen sacken lassen!
 
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