Zu Rom gewesen - auf alten und neuen Wegen durch die Ewige Stadt

Praefatio ad lectorem


Liebe Foristi,

auch dieses Jahr möchte ich euch mittels eines Reiseberichtes an meinen Erlebnissen in Rom teilhaben lassen. Wer sich an meinen letzten Bericht erinnert, der wird etwas verwundert sein nun doch von einer weiteren Romreise zu lesen. Nun, es sei nur so viel gesagt: es hat sich, wie so oft im Leben, ein Türchen geöffnet, wodurch mir eine weitere Reise vergönnt war. Es ist mir daher eine Freude in Schrift und Bild davon zu berichten. Wie wird der neue Bericht aussehen? So ganz weiß ich das selbst nicht. Ich neige ja durchaus zu wortreichen Erläuterungen und Exkursen, was auch dieses Mal sicher wieder der Fall sein wird. Andererseits treten viele bekannte Orte auf, bei denen ich, der Einfachheit halber, auf Bestehendes verweisen werde. Auch den Bildern möchte ich dieses Mal mehr Raum bieten, denn ich habe einige sehr schöne Exemplare gemacht. Dadurch sollte auch der flüchtige Leser (nicht negativ gemeint) einen besseren Eindruck erhalten können. Und natürlich wird auch den Emotionen und Gedanken wieder Raum geboten, für stures Aufzählen war ich noch nie zu haben. Also lassen wir uns – gemeinsam – überraschen, wie das Endprodukt aussehen wird.

Während der Vorbereitung fragt man sich an einem gewissen Punkt zwangsläufig, wie die Reise denn aussehen sollte. Im Gegensatz zu letztem Mal hatte ich keine spezielle Ausstellung oder Event, das mich besonders angezogen hätte. Das Hl. Jahr vor Ort miterleben zu dürfen galt mir bereits als Anlass genug. Doch auch weitere persönliche Abliegen waren vorhanden, ohne dass ein gezieltes Programm dahinter gestanden hätte: Bei der Lektüre zahlreicher Reiseberichte war mir aufgefallen, dass ich trotz dreier Besuche, die nicht gerade wenig Programm beinhaltet hatten, noch größere Lücken hatte, teilweise Dinge, die manch einer schon beim Erstbesuch ansieht. Aber auch bestimmte Regionen wie den Gianicolo oder die Gegend um die Porta Maggiore hatte ich nie gesehen. Daher wollte ich zu einem großen Teil diese Lücken bzw. die weißen Flecken auf meiner persönlichen römischen Landkarte füllen. Dass dies mit einem gewissen organisatorischen Aufwand verbunden ist, da viele Ziele nicht gerade dicht beieinander liegen, das weiß der erfahrene Romreisende natürlich. Daher war eine gute Planung notwendig, wodurch das „sich treiben lassen“, was ich das letzte Mal sehr genossen hatte, doch etwas in Gefahr geriet. Dennoch hoffte ich, eine gesunde Mischung erstellt zu haben – ob ich das am Ende auch so sah, davon werdet ihr noch lesen.

Als Ausgangspunkt diente mir wieder die Via Cavour im schönen Monti-Viertel, wo ich bereits freudig erwartet wurde. Allerdings legte mir die letzte Woche vor der Abreise einige Hindernisse in den Weg. Zum einen war da ein Berg Arbeit, der noch abgearbeitet werden wollte, um einigermaßen guten Gewissens nach Rom fahren zu können. Zum anderen brach mir zwei Tage vor dem Abflug noch ein Stück eines Zahnes ab, der noch erneuert werden musste, bevor ich flog. Beides zusammen führte nun dazu, dass ich mit einem Schlafdefizit nach Rom kam, das ich in dieser Form bestenfalls aus Jugendtagen kannte (und wer mein Programm kennt, der weiß, dass ich vor Ort nicht gerade dazu neige, lange und viel zu schlafen). Doch um es vorwegzunehmen, es hat trotz aller widrigen Umstände dann doch alles irgendwie funktioniert. Kleinere Pannen kennt man ja, die gehören ja auch dazu. Was mir nun in den 6 Tagen wiederfahren ist, davon soll dieser Bericht handeln.
 
Hallo, amator_antiquitatis,
vielen Dank für das Inhaltsverzeichnis und das Vorwort. Beides liest sich spannend und ich freue mich auf die Fortsetzungen :nod:.

Herzlichen Gruß
Padre
 
Danke für den Beginn deines Berichtes Amator , ich vefolge ihn gerne weiter und dsrf schon mal sagen : Monti ist klasse!

Gesendet von meinem GT-I9195 mit Tapatalk
 
Auch ich danke dir für den Beginn deines Reiseberichts und bin gespannt was du alles erlebt hast :)
 
Den bisherigen Kommentaren schließe ich mich gerne an. Vielleicht kann ich ja bei meinem bevorstehenden Romaufenthalt das Eine oder Andere aufgreifen. Ich bin erstmals kaum vorbereitet, bin mir aber sicher, dass sich vor Ort ein interessantes Programm gestalten wird (vor allem auch mit Hilfe dieses Forums).
 
1. Tag: Entlang der Aurelianischen Mauer

Kaum angekommen, wollte ich gleich mit meinem heutigen Spaziergang beginnen. Dies hatte zwei Gründe: Erstens wegen der schon etwas fortgeschrittenen Zeit, es war bereits nach 15 Uhr und zweitens, da das Wetter so aussah als könnte es jeden Moment zu regnen beginnen. Auf der Via Cavour herrschte das gewohnt geschäftige Treiben und wieder einmal genoss ich es sehr als Einzelperson, anscheinend, nicht als Tourist erkannt zu werden (oder lag es am fehlenden Rucksack?) Bald bog ich zur Kirche San Pietro in Vincoli ab, der ich kurz einige Blicke widmete, ohne aber hineinzugehen. Auffällig war, dass dort, im Gegensatz zu meinem letzten Besuch wenige Leute standen und dass dort die Carabinieri patrouillierten – ein Umstand, der mir noch häufig begegnen sollte. Weiter durch den neu gestalteten Parco Colle Oppio, der nun deutlich freundlicher und einladender wirkt – was vielleicht auch an der, zumindest zu diesem Zeitpunkt, geringen Anzahl an fliegenden Händlern liegen könnte, die dort in der Regel massig auftraten.

Wohin wollte ich überhaupt? Bei meinem letzten Besuch hatte ich den Celio sehr ins Herz geschlossen, vor allem wegen seiner Ruhe und der relativen Nähe zu meinem B&B. Was damals noch zu meinem Glück gefehlt hatte, war die Kirchen Santo Stefano Rotondo, die geschlossen hatte. Genau dorthin war ich nun unterwegs, sozusagen als krönenden Einstieg. Wieder einmal fiel mir besonders die schwindende Geräuschkulisse auf, nachdem man das Kolosseum passiert. Über die Via Claudia ging es den Celio hinauf zur Kirche (zur historischen und geographischen Bedeutung des Celio hatte ich mich letztes Mal ausführlich geäußert – Fünf unvergessliche Tage im April).

Die Kirche Santo Stefano Rotondo ist schon deswegen eine kleine Besonderheit in Rom, weil sie eine Rundkirche ist. Doch neben der architektonischen Auffälligkeit braucht sie sich auch bei der Innenausstattung nicht zu verstecken. Besonders interessant war der Freskenzyklus, der quasi einmal durch den Innenraum führt und dabei in Bild und Wort die Geschichte der Christenverfolgung in Rom erzählt. Der Zyklus geht auf Niccolo Circignani, genannt Pomarancio, zurück, der diesen Ende des 16. Jahrhunderts schuf. Der italienische Maler wurde bei seiner Arbeit an den Fresken maßgeblich von der Schrift „De sanctorum martyrum cruciatibus“ (Über die Qualen der heiligen Märtyrer) des Antonio Gallonio (1557-1605) beeinflusst. Dieser in Rom selbst entstandene Text aus der Feder eines Paters aus dem Orden der Oratorianer trägt deutliche Züge der Gegenreformation, was letztendlich auch in die Ausgestaltung der Fresken eingeflossen sein dürfte.


Die Fresken sind folgendermaßen gestaltet: Unter einer szenischen Darstellung eines oder mehrerer Märtyrer wird das Bild erklärt, sprich: Wer ist zu sehen? Was ist zu sehen? Zu welcher Zeit spielt es? Dies hat seine Bedeutung, schließlich ist der Zyklus chronologisch angelegt, vom Urchristentum bis zur Zeit des Julian Apostata.


Gerade diese Fokussierung auf Märtyrer und deren Bedeutung für den christlichen (lies: vor allem katholischen) Glauben spielt eine besondere Bedeutung bei der Frage nach dem Ursprüngen dieser Kirche. Hierüber wurde viel spekuliert, allerdings ohne zu eindeutigen Ergebnissen zu kommen. Problematisch erwies sich hierbei, dass zahlreiche Forscher, bedingt durch die ungewöhnliche Bauform zu dem Schluss verleitet wurden, es handle sich dabei zweifellos um ein Gebäude mit heidnischem Ursprung, vergleichbar mit dem Pantheon. Dies steht wiederum in direktem Widerspruch mit der ersten schriftlichen Erwähnung der Kirche Ende des 5. Jahrhunderts/Anfang des 6. Jahrhunderts. Allerdings ist hierzu kritisch anzumerken, dass eine so späte Entstehung einer Kirche, die dem Erzmärtyrer Stephan, also einer Figur der Apostelgeschichte, gewidmet ist, doch recht fragwürdig ist – sein Kult ist wesentlich früher nachweisbar. Letztendlich bleibt festzuhalten, dass wir es hier definitiv mit einer Kirche aus der Zeit des frühen Christentums zu tun haben, die, trotz Änderungen in der Frühen Neuzeit, noch einen großen Teil ihres ursprünglichen Charakters behalten hat.

Nach diesen eindrucksvollen Ansichten ging es für mich bereits wieder den Celio hinab zur Porta Metronia. Sie ist eines von insgesamt 18 größeren Toren in der Aurelianischen Mauer und auch heute noch ein viel umfahrener Knotenpunkt.


Die Aurelianische Mauer gilt als die wohl wichtigste Stadtmauer Roms und entstand im Grundstock Ende des 3. Jahrhunderts, wurde aber bis zum 5. Jahrhundert ständig erweitert und ausgebaut. Es ist sicherlich kein Wunder, dass ihre Erbauung in eine Zeit der Instabilität und des Drucks von außen fällt. Man schätzt ihre Gesamtlänge auf etwa 19km, von denen auch heute noch einige Teile in gut erhaltenem Zustand vorhanden sind – teilweise auch durch mittelalterliche Umbauten bedingt. Alle 100 Fuß (entspricht etwa 30 Metern) gab es einen Wachturm, was auf die Länge der Mauer addiert die stolze Summe von rund 383 Stück ergibt.


Faszinierend finde ich immer wieder wie solche Bauwerke auch in den modernen Stadtbau integriert sind. Durchschreitet man die oben genannte Porta Metronia so sieht man zu seiner linken ein reines Wohnviertel, ohne großartige Geschäfte und dergleichen. Vor einem erstreckt sich ein breiter Grünstreifen, auf dem Menschen ihre Hunde ausführen. Umrahmt wird das Ganze von zahlreichen Nasoni und Sitzbänken, auf denen sich einige Jugendliche gerade versammelt haben und vermutlich das abendliche Programm planen. Alles ganz normal und dann fällt der Blick auf die rechte Seite und vor einem erhebt sich dieser Koloss aus Steinen, der, bevor man das Tor durchschritten hatte, gar nicht sichtbar war. Ich wandere also immer der Mauer entlang Richtung Südosten, genieße diese ruhige, heimelige Atmosphäre und vergesse fast, dass ich gerade noch entlang des tosenden Feierabendverkehrs gelaufen bin.


Am nächsten Tor, der Porta Latina, verlasse ich die Mauer fürs Erste und biege in die gleichnamige Straße ab. Wer nun aber denkt hier in einer verkehrsberuhigten Zone zu sein, der irrt. Neben hochgezogenen Mauern windet sich die enge Straße, teilweise noch mit Kopfsteinpflaster durchsetzt, für rund 600m bis zur nächsten Kreuzung. In diesem Schlauch kommt fast ein wenig das Gefühl auf, bereits an der Via Appia zu sein – ein Gefühl, das der Realität gar nicht so fern ist, wie sich bald zeigen sollte. Mein nächstes Ziel die Kirche San Giovanni a Porta Latina liegt hier gleich um die Ecke.


Ich betrete eine Art Innenhof und stehe vor der Kirche, die gerade von der Straße aus noch gänzlich unsichtbar war. Auffällig sind schon von weitem der schöne gearbeitete Campanile aus der Zeit um 1000, sowie ein Brunnen im Innenhof, der bereits auf das 8. Jahrhundert zurückgehen dürfte. Im Inneren präsentiert sich die Kirche recht schlicht, aber dennoch anmutig. Es handelt sich um eine dreischiffige Säulenbasilika mit offenem Dachstuhl. Die Durchgänge zu den Seitenschiffen werden gestützt durch fünf Säulenpaare aus Granit. Geschmückt sind die Wände des Mittelschiffes durch Fresken aus dem späten 12. Jahrhundert, die erst durch die Arbeiten Paul Stygers im 19. Jahrhundert wiederentdeckt wurden.


Auch hier liegen die Ursprünge etwas im Dunkeln, auch wenn es nicht derart divergierende Hypothesen gibt wie noch bei Santo Stefano. Man vermutet eine Entstehung im späten 5. Jahrhundert zur Zeit des Papstes Gelasius (492-496), vor allem wegen der ausgiebigen Förderung des Johannes-Kultes in dieser Zeit. Aber auch die Gestaltung des Chores weist architektonisch auf eher ostchristliche Vorbilder hin, was ebenso für eine frühe Entstehung spräche. Auch wenn wir die genaue Zeit nicht besser fassen können, wissen wir von umfangreichen Umbauphasen Ende des 8. und Mitte des 12. Jahrhunderts. Doch hat die Kirche gerade wegen ihrer schlichten Art doch noch einiges ihres altertümlichen Charakters behalten.

Statt zurück zur Porta Latina zu gehen, folge ich der Straße entlang der hochgezogenen Mauern, bis die Straße am nächsten Knotenpunkt auf die Via di Porta S. Sebastiano trifft. Dieser Punkt ist interessant, schließlich kommt die Straße hier an dieser Stelle mit der alten Via Appia Antica in Kontakt, die im heutigen Rom (zumindest an dieser Stelle) noch anders heißt. Hier befinden sich sozusagen die ersten Meter der antiken Straße, die ein wenig weiter nordwestlich an der Porta Capena ihren Ursprung hat, aber erst hier an dieser Kreuzung (bedingt durch den modernen Straßenbau) auch als solche erkennbar ist.


Auf der gegenüberliegenden Seite befindet sich die wenig beachtete Kirche San Cesareo (de Appia). Bei einer Kirche an einer solchen Stelle läge die Vermutung nahe, dass auch sie, wie San Giovanni a Porta Latina, ihren Ursprung in frühchristlicher Zeit hätte. Tatsächlich haben Ausgrabungen unter der Kirche zwei antike Räume hervorgebracht, die mit kostbaren Bodenmosaiken ausgestattet waren, wie man sie aus Ostia Antica kennt. Man hat diese Räumlichkeiten als Teile eines spätantiken Privathauses mit Badeanlagen identifiziert, das in dieser Form wohl noch im 4./5. Jahrhundert bewohnt war. Erst zu einem späteren Zeitpunkt wurde der Komplex mit einer Kirche überbaut. Hier sehen wir deutlich eine Parallele zur Kirche Santi Giovanni e Paolo auf dem Celio, mit dem Unterschied, dass der Umbau dort bereits in der Spätantike und somit rund 300 Jahre früher begann. Über die Bedeutung dieser Kirche ist wenig bekannt, allerdings unterstand sie im Hochmittelalter direkt dem Bischof von Tusculum. 1302 ordnete Papst Bonifaz VIII. an, dass die Kirche, wohl auch bedingt durch ihre wirtschaftliche Not, an den Spitalorden der Kreuzherren übergeben werde, die daraufhin dort ein Hospital unterhielten. Ob an diese Kirche jemals ein Kloster angeschlossen war, bleibt aber umstritten.

Leider ist diese Kirche nur sehr sporadisch zu besichtigen und in diesem Moment geschlossen (geöffnet samstags 10-16 Uhr und sonntags 10-12 Uhr). Nun bestände die Möglichkeit die Via Appia auf den ersten Metern zu begleiten. Man käme nun ebenso schlauchartig wie in der Via Latina wieder zurück zur Aurelianischen Mauer und zwar an der Porta S. Sebastiano, die allgemein als eines der schönsten erhaltenen Tore dieser Mauer gilt. Das Gelände zwischen diesen beiden Straßen beherbergt obendrein ein archäologisch bedeutendes Gelände, nämlich das sogenannte Grab der Scipionen. Dieser unterirdische Grabkomplex, der die letzte Ruhestätte einer bedeutenden patrizischen Familie ist, datiert ins 3. vorchristliche Jahrhundert zurück. Hier wird bereits der Bestattungscharakter der Via Appia deutlich, der sich außerhalb der Mauern zu späteren Zeiten noch deutlicher offenbart hatte. Da es allerdings just in diesem Moment zu regnen beginnt, kehre ich nicht zur Mauer zurück, sondern setze meinen Weg über die Piazzale Numa Pompilio fort.


Nahe der Caracalla Thermen, die ich mir an einem anderen Tag ansehen werde, stoße ich auf die nächste interessante Kirche (man merkt die hohe Dichte in diesem Teil der Stadt, denn schräg gegenüber auf der anderen Straßenseite befände sich mit San Sisto bereits die nächste): Santi Nereo e Achilleo. Hinter diesen beiden Titularheiligen verbergen sich vermutlich zwei konvertierte römische Soldaten, die um das Jahr 300 das Martyrium erlitten haben sollen. Allerdings ist diese Nachricht mit Vorsicht zu genießen, denn gerade zu Beginn des 4. Jahrhunderts ist die conversio römischer Soldaten zum Christentum ein gängiges literarisches Motiv, wie das bekannteste Beispiel der Thebaischen Legion verdeutlicht. Unabhängig davon konnten Ausgrabungen im Bereich der Kirche eine weitzurückreichende Bebauung nachweisen (eine immer wiederkehrende Gemeinsamkeit in diesem Teil der Stadt, wie mir scheint). Dabei scheint diese Region schon früh kultischen Charakter besessen zu haben. Schon der römische Satiriker Juvenal berichtet, dass es in der Gegend um die Porta Capena eine jüdische Gemeinde gegeben habe. Aber auch Abkömmlinge andere Bevölkerungsgruppen aus dem Orient könnten hier früh ansässig gewesen sein. Unterhalb der Kirche Santi Nereo e Achilleo wurden Fragmente gefunden, die die These nährten, es habe in der nahen Umgebung der Kirche sogar einen Isis-Tempel gegeben.

Gesichert ist die Existenz der Kirche aber erst Ende des 4. Jahrhunderts durch eine Inschrift in der gleichnamigen Coemeterialbasilika im Bereich der Domitilla-Katakombe. Allerdings bekam die Kirche dieses, doch recht seltene, Doppelpatrozinium erst später, wahrscheinlich gegen Ende des 6. Jahrhunderts (in einem Synodaldekret des Jahres 595 taucht der Name das erste Mal anstelle des bis dahin gebräuchlichen Titulus Fasciola auf). Im Inneren befindet sich ein Triumphbogen, der auf die Zeit Papst Leos III. zurückgeht. Die darauf gezeigte Darstellung der Verklärung Christi ist ein Motiv das für Rom sehr selten ist und recht eindeutig auf byzantinischen Einfluss hinweist. Ebenso finden sich an den Hochwänden des Langhauses szenische Darstellungen von Märtyrern. Diese schuf ebenfalls Niccolo Circignani, dessen Werk bereits aus Santo Stefano Rotondo bekannt ist.

Leider war auch diese Kirche geschlossen und hat, nach neusten Informationen, noch seltener geöffnet als San Cesareo (sonntags von 12.00 – 12.30 Uhr). Schade, denn es war bereits mein dritter Anlauf diese Kirche einmal von innen zu sehen. Aber keine Zeit in Trauer zu schwelgen. Der Tag neigt sich langsam dem Ende zu und auch der Regen lässt schon wieder nach, daher umrunde ich die Caracalla Thermen und stoße auf die Kirche Santa Balbina. Sie befindet sich auf einer kleinen Anhöhe, so dass man von ihrem Vorplatz einen guten Ausblick auf das Stadion der Caracalla Thermen hat.


Auch hier liegen die genauen Ursprünge im Dunkeln (ein Satz, den ich heute glaube ich schon öfter geschrieben habe!). Die erste schriftliche Erwähnung ist die Subskription eines Priesters dieser Kirche auf der schon erwähnten Synode von 595. Doch sind dieser Gebäudekomplex, vor allem mögliche Vorgängerbauten, deutlich älter. Die gängige Theorie hierzu ist, dass das darunter liegende Gebäude einen Teil der sogenannte domus Cilonis darstellt, ein Palast den Kaiser Septimus Severus dem Stadtpräfekten Lucius Cilo geschenkt hatte. Dieser Komplex wurde im Laufe des 4. Jahrhunderts zu seiner späteren Gestalt umgebaut, ob bereits damals als frühchristliche Kirche oder profane Aula ist ungewiss. Während des 9. Jahrhunderts wurden zahlreiche Umbauarbeiten durchgeführt, sowohl im Inneren als auch außen. Danach verschwindet die Kirche für mehrere Jahrhunderte aus den Quellen.


Leider wird mir auch hier der Zutritt verwehrt, die Kirche hat nur Sonntagvormittag von 10.30 – 11.30 Uhr geöffnet. Während ich bei den letzten beiden Kirchen wusste, dass sie geschlossen sein dürften und ich eher „auf gut Glück“ vorbei wollte, war ich hier überzeugt eine offene Kirche anzutreffen. Leider stellte sich im Nachhinein heraus, dass 0606.it unterschiedliche Öffnungszeiten angibt, je nach eingestellter Sprache. Aber nun gut, ich warf einige Blicke auf den Vorhof und das nicht uninteressante Mauerwerk und überlegte, nun wieder zu meinem B&B zurückzukehren.

Da fiel mir gerade noch ein, dass ich mich ja gar nicht weit vom Aventin entfernt befand und ich diesem schönen Hügel vor zwei Jahren zum letzten Mal die Ehre erwiesen hatte. Also nicht lange gefragt: ich überquere an der Metro Station Circo Massimo die Straße und biege gleich ab, um die Ruhe dieses Viertels zu genießen. Immer wieder erstaunlich wie viel nur wenige Meter ausmachen können. Etwas versteckt zwischen Wohngebäuden finde ich schließlich die Kirche Santa Prisca, die ich damals nicht besuchen konnte – und das Beste, sie hat noch geöffnet.


Mit Prisca hat diese Kirche eine Patronin, die bereits in den Paulusbriefen erwähnt wird. Die Beziehung zwischen dem Apostel und Prisca, sowie ihrem Ehemann Aquila ist freilich legendär, doch zeigt sich bereits früh eine Verehrung ihrer Person. Bekannt ist die Kirche vor allem wegen des darunter entdeckten Miträums, das neben dem unter San Clemente zu den am Besten erhaltenen in Rom zählt.

Doch gerade als ich die Kirche betreten will, wird zur Messe gerufen und ich ziehe mich zurück. Damit lasse ich es für heute auch gut sein. Ganz will ich aber trotzdem nicht gehen, sondern suche den Orangengarten auf, wo ich mich erstmal ausruhe. Der Blick über Rom ist trotz wolkenverhangenem Himmel sehr schön und irgendwie beruhigend. Ja, jetzt fühle ich mich erst recht in der Stadt angekommen und merke wie viel ich alleine in diesen knapp 4h seit ich hier bin schon wieder gesehen habe: die vielen frühchristlichen Kirchen an Orten, an denen man sie kaum vermutet hätte und immer wieder die Aurelianische Mauer, die mich auf meinem Spaziergang bis kurz vor dem Aventin immer wieder begleitet hat. Und woran ich wirklich merke, dass ich angekommen bin? Ich konnte nur 2 der 6 angestrebten Kirchen tatsächlich besuchen und dennoch war es für mich ein schöner, lehrreicher Nachmittag, den ich jederzeit wieder so machen würde – mehr Beweise braucht es nicht!
 
Das war ein sehr schöner Spaziergang, der mir gut gefallen hat. Manche Ecken davon kenne ich schon oder war bereits in unmittelbarer Nähe. An der Piazzale Numo Pampilio habe ich einmal verzweifelt auf einen Bus gewartet. :nod:

Von der Kirche Santa Balbina hättest du auch weiter über den kleinen Aventin über die Piazza Gian Lorenzo Bernini mit San Saba hinüber zum großen Aventin gekonnt. Das ist ein sehr schöner Weg. Aber am Circo Massimo vorbei ist natürlich auch interessant.

Jedenfalls mag ich diese Gegend und kannte einen Großteil deiner Ausführungen nicht. (ich "stolpere" oft eher durch Rom) Umso besser wenn man die Hintergründe kennt.

Vielen Dank und ich bin gespannt welche Lücken sich bei dir schließen
 
Es hat Spaß gemacht, dich in diesen ersten Stunden in Rom begleiten zu können. Und was du da schon alles gesehen hast - alle Achtung! Da sind auch für mich viele neue Kirchen und neue Erkenntnisse heraus gekommen.
Vielen Dank dafür!
 
Von der Kirche Santa Balbina hättest du auch weiter über den kleinen Aventin über die Piazza Gian Lorenzo Bernini mit San Saba hinüber zum großen Aventin gekonnt. Das ist ein sehr schöner Weg. Aber am Circo Massimo vorbei ist natürlich auch interessant.
Vielen Dank, Tizia, für dein Feedback. Es freut mich, dass dir die ersten Schritte bereits gefallen haben :nod:

Ja, im Nachhinein ist mir auch aufgefallen, dass ich diesen Weg hätte gehen können. Da merkt man halt in welchen Ecken man sich schon ganz gut auskennt und in welchen nicht. Da es schon etwas später am Tag war, habe ich, glaube ich zumindest heute in der Rückschau, einfach den direkten Weg genommen. Dieser Teil des Spazierganges war ja auch nicht geplant. Aber im Nachhinein fand ich es sehr schön, dass ich nicht einfach nach Hause gegangen bin, sondern noch eine spontane Idee hatte ;)

Es hat Spaß gemacht, dich in diesen ersten Stunden in Rom begleiten zu können. Und was du da schon alles gesehen hast - alle Achtung! Da sind auch für mich viele neue Kirchen und neue Erkenntnisse heraus gekommen.
Vielen Dank dafür!

Danke Marina, dass es auch dir gefallen hat. Wie viel das in so kurzer Zeit war, das habe ich ehrlich gesagt erst beim Schreiben des Berichtes so richtig begriffen. In diesem Moment war einfach nur Tatendrang da - man wartet fast ein Jahr auf diesen Moment und dann soll es gleich auch losgehen. Aber um es schon mal vorwegzunehmen, gegenüber den anderen Tagen war die Laufleistung noch recht gemütlich :lol:
 
- man wartet fast ein Jahr auf diesen Moment und dann soll es gleich auch losgehen. Aber um es schon mal vorwegzunehmen, gegenüber den anderen Tagen war die Laufleistung noch recht gemütlich :lol:

Das kommt mir bekannt vor - und auch, dass man so viel Schönes am Wegrand entdecken kann, mal geplant und mal ungeplant.
Auch ich folge sehr gerne Deiner ausführlichen Reiseberichterstattung und gerade die Ecke an der Porta Latina hat uns auch sehr gut gefallen, genauso wie die Kirche dort.

Gespannt warte ich geduldig auf die weiteren Teile des Berichts.

Liebe Grüße

Angela
 
Das kommt mir bekannt vor - und auch, dass man so viel Schönes am Wegrand entdecken kann, mal geplant und mal ungeplant.
Auch ich folge sehr gerne Deiner ausführlichen Reiseberichterstattung und gerade die Ecke an der Porta Latina hat uns auch sehr gut gefallen, genauso wie die Kirche dort.
Danke, Angela :thumbup:
Ja, ich glaube so geht es jedem mehr oder weniger. Der Unterschied zwischen Erstreise und "Wiederholungstätern" liegt wohl am Ehesten darin, dass man mit der Zeit spontaner reagieren kann und nicht permanent das Gefühl hat etwas zu verpassen, wenn man von der Planung abweicht oder einfach einem Impuls nachgeht. Jedenfalls versuche ich dorthin zu kommen. Wahrscheinlich wird es mir gelingen, wenn ich mal soviele Reisen hinter mir habe, wie viele von euch.
 
Lieber Amator,

vielen Dank für Deine ausführliche Berichterstattung, ich verfolge sie mit großem Interesse und habe (schon wieder :~) viele Dinge gefunden, ich beim nächsten Mal auch sehen möchte.

Die Erfahrungen, bei weiteren Besuchen entspannter zu sein, haben wir dieses Mal auch schon gemacht, obwohl es für uns erst der Zweit- bzw. Drittbesuch war. Beim ersten Mal wären wir z.B. niemals einfach in einen Bus gestiegen, dessen Haltestellen wir nicht kennen.
 
Zuletzt bearbeitet:
vielen Dank für Deine ausführliche Berichterstattung, ich verfolge sie mit großem Interesse und habe (schon wieder :~) viele Dinge gefunden, ich beim nächsten Mal auch sehen möchte.
Vielen Dank, Sunny.
Es freut mich, dass ich bereits zu deiner kommenden Reiseplanung beitragen konnte. Vielleicht hast du ja bei den Kirchen mehr Glück. Wobei deren Öffnungszeiten zum Teil wirklich schwer mit der restlichen Planung in Einklang zu bringen sind.
 
Hallo Amator, danke für den sehr interessanten ersten Tagesbericht. Ich glaube, ich bin ja am selben Tag wie Du nach Rom gekommen, und auch ich bin von der Via Cavour ausgehend, später in San Stefano Rotondo gelandet (wenngleich davor und danach wieder total anderswo). Auch an der Via Latina, der Aurelianischen Mauer und im Orangengarten war ich an anderen Tagen. Insgesamt war ich bei der Lektüre also ganz erstaunt über die vielen Überschneidungen - bin gespannt, ob das so weitergeht! ;)
 
Hallo Amator, danke für den sehr interessanten ersten Tagesbericht. Ich glaube, ich bin ja am selben Tag wie Du nach Rom gekommen, und auch ich bin von der Via Cavour ausgehend, später in San Stefano Rotondo gelandet (wenngleich davor und danach wieder total anderswo). Auch an der Via Latina, der Aurelianischen Mauer und im Orangengarten war ich an anderen Tagen. Insgesamt war ich bei der Lektüre also ganz erstaunt über die vielen Überschneidungen - bin gespannt, ob das so weitergeht! ;)
Hallo pehda. Das ist ja wirklich witzig, dass wir fast den gleichen Weg am selben Tag gegangen sind und das ohne vorherige Absprache ;) Also falls du mich gesehen hast, ich war der, der immer vor den geschlossenen Kirchen stand :lol:

PS: Bald geht es weiter, Tag 2 ist schon in Arbeit!
 
2. Tag: Die Lücken schließen sich

Zu Beginn des zweiten Tages warf ich zunächst einen Blick an den Himmel und war angenehm überrascht, denn im Gegensatz zum gestrigen Tag zeigte sich mal die Sonne. Das war umso verwunderlicher, war doch weiterhin bedecktes, regnerisches Wetter angesagt. Froh, dass ich meine Pläne nicht ändern musste, machte ich mich auf den Weg. Allerdings, um es bereits vorwegzunehmen, sollte das schöne Wetter heute nur eine Momentaufnahme sein.

Wie bereits im Vorbericht angekündigt, war es ein zentrales Anliegen dieser Reise genau die Gegenden Roms zu besuchen, die ich bis jetzt noch nicht oder nur flüchtig besichtigt hatte. Einer dieser weißen Flecken war der Norden Roms, also grob gesagt alles nördlich der Villa Borghese und westlich der Via Nomentana. Nun ist diese Gegend, das wissen die erfahrenen Romreisenden, sicherlich ein angenehmer Aufenthaltsort, aber sicherlich nicht gerade mit Sehenswürdigkeiten übersät. Mit der Priscilla-Katakombe und der Villa Ada gibt es dort aber zwei Orte, die schon lange auf meiner Wunschliste standen. Ersteres, weil ich bei meiner ersten Reise, vor vier Jahren, die Calixtus-Katakombe besichtigt hatte und nun gerne mal einen Vergleich hätte. Zweiteres, weil mir die römischen Parks wahnsinnig gut gefallen, sei es als Rückzugsort oder Rastplatz für die Mittagspause. Daher war es ein Herzenswunsch diesen recht großen, aber noch als sehr ursprünglich geltenden Park einmal unter die Lupe zu nehmen.

Beflügelt durch dieses unerwartet schöne, wenn auch windige, Wetter lief ich zu Termini und nahm den Bus 310 zur Piazza Vescovio und stieg kurz vor Ende der halbstündigen Fahrt an der Priscilla-Katakombe aus. Wer bis dato nur die Katakomben an der Via Appia kennt, der wird zunächst verwundert sein, in einer so dicht bebauten und bewohnten Gegend die letzte Ruhestätte zehntausender Menschen quasi unter den Füßen zu haben. Um dies zu verstehen, muss man sich das antike Stadtbild einmal mehr vor Augen halten. Die heutige Via Salaria, an der die Katakombe liegt, folgt einem antiken Vorbild gleichen Namens. Diese Straße ist, wie auch die Via Appia, eine der antiken Ausfallstraßen aus der Stadt, mit dem Unterschied, dass die Via Salaria bereits im 5. Jahrhundert vor Christus in etruskischer Zeit belegt ist. Dies hat zur Folge, dass dieses Gebiet vor den antiken Stadtmauern lag und somit für Begräbnisse genutzt werden konnte. Die mit knapp 40000 Bestattungen größte Katakombe Roms entstand zwischen dem 2. und 5. Jahrhundert auf dem Privatgelände einer gewissen Priscilla. Über sie ist nicht viel aus den Quellen bekannt, sie scheint aber der stadtrömischen Nobilität angehört zu haben, wodurch sie überhaupt erst über diesen Grundbesitz verfügen konnte. Im Römischen Martyrologium wird ihrer Person am 16. Januar gedacht als Freund und Förderer der frühen Christen in Rom.


Man betritt von der Via Salaria kommend zunächst ein schlichtes Gebäude, das gleichzeitig einen Benediktinerinnen Konvent beherbergt. Dort heißt es erst einmal warten, denn die Katakomben darf man (wie überall in Rom) nur im Zuge einer Führung betreten. Da die Priscilla Katakomben nicht gerade zu den Top10 Sehenswürdigkeiten zählen, kann es schon mal ein wenig dauern, bis eine deutsche Führung zustande kommt. Daher frage ich zunächst (auf Italienisch), welche Führungen als nächstes anstünden. Man teilt mir mit, dass gerade eine deutsche Gruppe gekommen sei und dass die deutsche Führung nach der italienischen Großgruppe, die bereits draußen warte, dann als zweite dran wäre. Während der rund 30-40min Wartezeit durchstreife ich den Souvenirladen und genieße die Sonne auf der Terrasse (dem offiziellen Treffpunkt der Führungen), wo die italienische Gruppe gerade noch eine Morgenandacht hält. Dann kann es endlich losgehen; leider sind dort unten keine Fotos erlaubt, deswegen versuche ich es möglichst anschaulich zu erzählen.

Eines vorweg: Wer schon einmal in einer römischen Katakombe war, der wird hier nichts Neues entdecken. Die römischen Katakomben unterscheiden sich eher in kleinen Feinheiten, wie z.B. dem Anteil von Malereien oder der Anzahl von berühmten Bestattungen. Die Priscilla Katakombe erstreckt sich unterirdisch auf einer Gesamtlänge von knapp 13km, von denen nur ein Bruchteil zu besichtigen ist. Durch ihre Ausdehnung reicht sie unter den angrenzenden Park der Villa Ada. Dies hat zur Folge, dass man gelegentlich durch Schächte die Oberfläche des Parks, die Bäume, etc. sehen kann. Typisch sind auch hier die langen in Tuffstein geschlagenen Reihen von Nischengräbern, die in mehreren Etagen angeordnet sind. Die Nischen variieren je nach Größe des Verstorbenen, so dass man teilweise auf deren Alter und Konstitution schließen kann. Nur wenige andersartige Gräber, sogenannte cubicula (wörtlich: Schlafräume) sind vorhanden. Diese waren in erster Linie aber den Märtyrern vorbehalten. Die Katakomben sind von oben nach unten angelegt, was sich damit erklären lässt, dass jede neue „Schicht“ aus neuem Platzbedarf entstanden ist und man einfach den bisherigen Boden sozusagen tiefergelegt und somit neuen Raum für weitere Nischen geschaffen hatte. Das heutige Bodenniveau entspricht demnach dem Endstadium der Grabungen.

Durch das enge Gewirr der langen Tunnel und Nischen werden wir im Halbdunkel geführt. Man mag sich kaum vorstellen, wie die ersten Archäologen hier mit Fackeln und dergleichen durchgekrochen sind. Immer wieder halten wir an um gut erhaltene Malereien zu betrachten, wie z.B. die älteste bildliche Darstellung der Jungfrau Maria. Es fällt mir auf, dass in dieser Katakombe weniger Räume als in San Callisto vorhanden sind, die als frühe Kultorte, z.B. für (geheime) Messen der Christen gedient haben könnten. Auch weist man uns auf keine Bestattungen früher Bischöfe von Rom hin. Dagegen ist die Anzahl an erhaltenen Malereien den Eintritt wirklich wert; es erinnert ein wenig an die Ausgrabungen unter den Case Romane. Auch wenn sich unsere Führerin wirklich Mühe gibt und meiner Meinung nach gutes Deutsch spricht, haben Teile der Gruppe etwas Schwierigkeiten ihr zu folgen. Ich versuche etwas auszuhelfen, was darin endet, dass die Führerin und ich die Führung ab nun gemeinsam durchführen. Das funktioniert gut, die Gruppe ist zufrieden und ich habe meine erste inoffizielle Führung in Rom gegeben.


Nachdem ich mich von der Gruppe verabschiedet habe, gehe ich über die Straße in die Villa Ada. Mein Blick gen Himmel wird skeptisch, denn während wir unter der Erde waren hat es sich verdunkelt und das schöne Wetter des Vormittags ist dahin. Dennoch möchte ich mir den zweitgrößten römischen Park nicht entgehen lassen, wenn ich schon in der Ecke bin. Der Park ist gewissermaßen dreiteilig. Der größte Teil ist ein öffentliches Gelände, das vor allem durch seine Pflanzen- und Tiervielfalt auffällt. Auf mehreren Höhenniveaus geht es vorbei an Zypressen, Pinien und Palmen. Im nördlichen Teil gibt es einen See, an den ich nach einiger Zeit gelange. In der Nähe des Zuganges von der Via Salaria befindet sich zusätzlich ein nicht-öffentlicher Teil, der der ägyptischen Botschaft gehört und streng bewacht wird. Ganz im Norden des Parks befindet sich dann noch der Monte Antenne, auf dem im Jahre 1884 der Forte Antenne gebaut wurde, eine von 15 Militärfestungen in Rom. Zurück geht der Name aber auf eine antike Siedlung namens Antemnae. Dort sollen bereits im 8. Jahrhundert vor Christus Menschen gesiedelt haben. Ihre Nachfahren gerieten mit Rom in Konflikt und scheinen über die Jahrhunderte in Vergessenheit geraten zu sein. Auch wenn es noch bauliche Funde aus der Zeit nach Christi gibt, dürfte die Siedlung ohne größere Bedeutung gewesen sein. Plinius der Ältere zählt die Siedlung in seiner Naturgeschichte (entstanden um 77 n. Chr.) bereits zu den verlorenen Städten. Nach mehreren Besitzerwechseln im 19./20. Jahrhundert ging der Park zu einem großen Teil in öffentlichen Besitz über; ein Teil davon gehört nach wie vor dem Haus Savoyen.


Ich flaniere durch den schön angelegten Park, der doch gar nicht so ruhig ist wie gedacht, aber natürlich weit weniger überlaufen als die Villa Borghese. Während ich versuche mich in diesem riesigen Gelände nicht zu verlaufen (Ausgänge sind nämlich Mangelware), begegne ich unzähligen Joggern und Leuten, die auf dem Fitnessparcours trainieren (trainieren die denn alle für den morgigen Marathon?). Schließlich erreiche ich über einige Umwege den See und setze mich dort nieder, um mein Mittagessen einzunehmen und etwas zu lesen. Leider wird die Sonne immer mehr Mangelware und auch der am Morgen schon vorhandene Wind frisch immer mehr auf, so dass es mir die Seiten meines Buches ständig umblättert. Im See beobachte ich einige sehr schöne Schildkröten, wie sie immer wieder auftauchen und an den Rand kommen, um dann blitzschnell wieder im trüben Wasser zu verschwinden. Auch wenn das Schauspiel seinen Reiz hat, macht mir der Himmel immer mehr Sorgen. Mittlerweile ist er in dunkles Grau übergegangen und es dürfte nicht mehr allzu lange halten. Also verlasse ich den Park, in der Hoffnung wieder in Gebiete zu kommen, die etwas mehr Regenschutz bieten.


Trotz des fluchtartigen Aufbruchs vergesse ich nicht auf meinem Rückweg im Coppedè-Viertel vorbeizuschauen. Längst kein Geheimtipp des Forums mehr ist die nach dem italienischen Architekten Gino Coppedè benannte Gegend im Stadtteil Trieste. Hier gestaltete der Künstler in der Zeit zwischen 1915-1926 ein Wohngebiet, in dem er zahlreiche architektonische Strömungen miteinfließen ließ. Es ist schwer anhand der vorhandenen Gebäude seinen Stil eindeutig zu definieren. Wir finden hier viele Elemente der Jugendstil Architektur, wie wir sie auch aus anderen Gegenden kennen. Allerdings ließ Coppedè auch Elemente aus dem Barock oder dem Manierismus einfließen, die seiner Komposition ein ungewöhnlich verspieltes Etwas verleihen. Rund um die Piazza Mincio genoss ich seine Gestaltung der exklusiven Villen und Palazzi, sowie den wunderbaren Froschbrunnen (fontana delle rane). Leider fallen just in diesem Moment die ersten richtig dicken Tropfen auf die Linse der Kamera, so dass ich zusammenpacke und in die nächste Straßenbahn steige.


Durch die Scheiben beobachte ich, dass sich das Wetter auch im Osten der Innenstadt nicht bessert, allerdings scheint der Regen auch nicht stärker zu werden. Am Campo Verano steige ich aus und versuche mein Glück aufs Neue. Vorbei an der Kirche San Lorenzo, die im Moment noch geschlossen hat, gehe ich auf das monumentale Hauptportal zu und werde mir hier schon der Größe dieses Friedhofs bewusst. Der im 19. Jahrhundert angelegte Friedhof gehört zwar nicht zu den prominentesten unter den Friedhöfen europäischer Großstädte, muss sich aber in Sachen Vielfalt und künstlerischer Gestaltung nicht verstecken. Auch wenn dort wenige Berühmtheiten (zumindest aus außer-italienischer Perspektive) ihre letzte Ruhe gefunden haben, finden sich dennoch zahlreiche monumentale Gräber und Mausoleen, in Form kleiner Häuser, Pyramiden, etc., dort. Daneben finden sich auch die klassisch südländischen Urnenwände, die auf dem Campo Verano allerdings beachtliche Höhen erreichen können.


So genieße ich die angenehme Ruhe und lasse die Bauwerke (ja, man muss manche Grabstätten tatsächlich so nennen) auf mich wirken. Vorbei geht es an langgezogenen Säulengängen unter denen zahlreiche Angehörige der für Italien bewegten Zeit zwischen 1849 und 1861 liegen. Weiter hinten warten die schlichteren Gräber, bevor ich auf das höher gelegene Gelände komme, das vor allem von Familiengräbern in Form von Häusern dominiert ist. Immer wieder fällt mein Blick auf die Lebensdaten und ich erstaune, wie häufig ein Mitte des 19. Jahrhunderts angelegtes Familiengrab seinen letzten Verstorbenen vor weniger als 10 Jahren verzeichnet. Kein Wunder, dass man an vielen Ecken noch Trauernde sieht. Ich versuche den gebührenden Abstand zu halten, ziehe mich in unbesuchte Ecken zurück und drohe mich mehrmals zu verlaufen. Das schlechte Wetter hat mich auch wieder eingeholt, der Himmel ist dunkelgrau und es tröpfelt immer wieder, wenn auch so schwach, dass sich der Schirm eigentlich nicht lohnt. Irgendwie passt diese Stimmung aber ganz gut zu einem Friedhof, finde ich.


Da es im Freien nun richtig unangenehm wird, ziehe ich es vor, die Besichtigung abzubrechen und lieber zur Kirche San Lorenzo fuori le mura zurückzugehen. Mittlerweile hat sie nämlich geöffnet und ich flüchte vor dem Regen in den Narthex der Kirche. Dort finden sich bereits einige schöne Fresken, Sarkophage und Überreste von Inschriften an den Wänden. Diese Gestaltung des Vorraumes erinnert mich persönlich ein wenig an S. Maria in Trastevere. Da gerade eine Gesellschaft in die Kirche geht, warte ich etwas und lasse diese Kunstwerke auf mich wirken.


Dass San Lorenzo zu den sieben Pilgerkirchen zählt und damit eine der wichtigsten Kirchen Roms ist, findet sich in jedem Reiseführer. Dass diese altehrwürdige Kirche dem heiligen Laurentius geweiht ist, verwundert ebenfalls wenig, ist er doch einer der Lieblingsheiligen der Römer. Zurückgehen soll ihre Errichtung bereits auf Kaiser Konstantin. Wie immer ist bei solchen Angaben Vorsicht geboten, denn die Legitimation auf den ersten christlichen Kaiser Roms ist ein beliebtes Mittel um Kirchen alt und bedeutend wirken zu lassen. Ihren hohen Rang unter den Kirchen Roms erhält San Lorenzo erst im Jahre 451 auf dem Konzil von Chalkedon. Die Kirche durchlief während der Jahrhunderte mehrerer Umbauphasen, von denen die des 13. Jahrhunderts wohl die größten Folgen hatte. Hier wurde eine benachbarte Kirche des 5. Jahrhunderts quasi mit San Lorenzo zusammengelegt, wodurch die integrierte Kirche nun als Chor von San Lorenzo diente. Durch diese Maßnahme erhielt die Pilgerkirche überhaupt erst die heutige Größe. Ebenso folgenreich war das Bombardement des Jahres 1943 bei dem die Kirche stark in Mitleidenschaft gezogen wurde. Trotz anschließender Restaurierung konnte sie nicht mehr gänzlich in den früheren Zustand gebracht werden.


Nach einigen Minuten gehe ich doch in die Kirche, schaue mich in Ruhe um und sehe, dass es sich bei der Gesellschaft wohl um eine Taufe handelt. Da die Herrschaften sich noch mit dem Priester unterhalten, nutze ich die Zeit und mache einen beschleunigten Rundgang (das Erlebnis der 4 geschlossenen Kirchen am Vortag wirkte noch sichtlich nach). Neben den Laurentius-Reliquien besichtige ich auch die letzte Ruhestätte Papst Pius IX., dessen ausdrücklicher Wunsch es war, nicht im Vatikan sondern hier bestattet zu werden. Nachdem ich alles doch etwas länger betrachten konnte als gedacht, nimmt im Chor der Kirche nun die Tauffeierlichkeit ihren Beginn. Ich sehe zu, dass ich zum Ausgang komme. Einige der noch anwesenden Touristen sind der Meinung Fotos der Taufe machen zu müssen, was ich ziemlich daneben finde. Die bösen Blicke der Gemeinde in deren Richtung bestätigen mir, dass die Verwandtschaft des Täuflings das gerade ähnlich empfindet. Schnell gehe ich hinaus, bevor noch jemand auf die Idee kommt, ich gehöre zu den Paparazzi.

Draußen hat es wieder aufgehört zu regnen. Der April macht heute auch in Rom seinem Namen alle Ehre. Während ich auf die Straßenbahn warte, geschieht das nicht mehr für möglich gehaltene: die Sonne schaut ganz vorsichtig durch die Wolken. Mein nächstes und letztes Ziel für diesen Tag ist die Kirche Santa Croce in Gerusalemme. Sie ist ebenso eine der Pilgerkirchen und wie schon die vorherige ein weißer Fleck auf meiner römischen Landkarte und dies obwohl ich schon öfter zumindest in der Nähe war. Nach einer recht holprigen Fahrt vorbei an der durchaus sehenswerten Porta Maggiore erreiche ich die Kirche, vor der wieder einige Polizisten patrouillieren.

Die heutige Kirche steht auf einem Gelände, dass du Beginn des 3. Jahrhunderts dem Kaiser Elagabal (218-222) gehörte. Die Baumaßnahmen an der Aurelianischen Stadtmauer (ab 270) zerschnitten das Gelände zur Hälfte, wodurch der außerhalb gelegene Teil aufgegeben wurde. Im 4. Jahrhundert soll Konstatins Mutter, Helena, dort residiert haben – der enge Bezug zu ihr wird, wenn er auch eher legendär sein dürfte, bis heute intensiv hochgehalten. In der Zeit um 350 wurde das Palatium Sessorium, so der Name des ehemaligen Palastes, zu einer Kirche umgebaut. Erst mit Papst Gregor I. erhält die Kirchen den Kardinalstitel, bis dahin ist sie der Kirche San Giovanni in Laterano unterstellt. Der Legende nach sollen bei Umbauarbeiten im 12. Jahrhundert Partikel vom echten Kreuz gefunden worden sein, die von da an dort aufbewahrt und verehrt wurden. Bezeichnenderweise soll der Fund unterhalb der Helena-Kapelle gelegen haben. Neben den Kreuzpartikeln werden dort zwei Dornen aus der Dornenkrone, sowie ein Nagel vom Kreuz Christi aufbewahrt.


Leider ist im Inneren das Fotografieren verboten, so dass ich mich ganz auf das Betrachten konzentriere. Gleich fällt mir der wunderschön gearbeitete Cosmatenboden auf, auch am Apsisfresko kann ich mich kaum sattsehen. Ich folge den zahlreichen Touristen hinunter zur Helena-Kapelle und zur Cappella Gregoriana, in der herrliche Ruhe herrscht und ich erstmal die Gedanken schweifen lasse. Auf dem Weg zur Reliquienkapelle komme ich am Gedenkraum von Antonietta Meo vorbei. Das kleine und früh verstorbene Mädchen, Nennolina genannt, ist der jüngste Mensch, der jemals zur Seligsprechung vorgeschlagen wurde. Ihr Vermächtnis, vor allem Auszüge aus ihren Briefen an Jesus, aber auch Kleidungsstücke sind dort ausgestellt. Irgendwie finde ich diese Ausstellung gruseliger als der Friedhof und die Katakombe zusammen, ich weiß nicht warum. Viel lieber schaue ich mir die Reliquienkapelle an, aber wirklich Ruhe bei der Betrachtung habe ich dort auch nicht, denn ein paar Touristen sind der meine die vorgegebene Laufrichtung müsse nicht eingehalten werden und blockieren mir minutenlang die Sicht. Da es schon spät ist, rege ich mich aber nicht mehr auf, sondern verlasse die Kirche. Auf dem Weg zur Metro werfe ich noch einen Blick auf den Lateran, der nun tatsächlich von der schönsten Abendsonne angestrahlt wird.

So endete der zweite Tag, an dem ich viele Orte aufsuchen konnte, die ich schon längst hätte besuchen wollen. Quer durch Rom ging meine heutige Tour, oberirdisch und unterirdisch, frühchristlich bis modern, durch Parks und dicht bebaute Siedlungen – es war von allem etwas dabei. Und auch wenn das Wetter nicht das Beste war, es hatte trotzdem großen Spaß gemacht.
 
Ja, der Campo Verano ... immer wieder einen Besuch wert. :nod: :thumbup:

So genieße ich die angenehme Ruhe und lasse die Bauwerke (ja, man muss manche Grabstätten tatsächlich so nennen) auf mich wirken. (...) Weiter hinten warten die schlichteren Gräber, bevor ich auf das höher gelegene Gelände komme, das vor allem von Familiengräbern in Form von Häusern dominiert ist.


Und so gibt es also nun im Forum doch 3 kleine Photos von einigen der zahlreichen Mausoleen auf dem Pincetto :eek: - wovon wir ja seinerzeit gelernt haben, das sei strikt untersagt:
Dann steigen wir hinauf zum oberen Teil des Geländes, wo wir auf diesen Wasserturm stoßen; darunter befindet sich ein tiefer Brunnen, der sämtliche Wasserstellen des Friedhofs speist.




Dort oben, auf dem sog. Pincetto, befinden sich viele aufwendig, zumeist im Jugendstil, gestaltete Mausoleen.
Wir haben gerade erst begonnen, sie zu betrachten, da erleben wir eine Überraschung: Dieses Auto kommt angefahren ...


... und ihm entsteigen zwei Friedhofsangestellte, welche uns freundlich, aber energisch klar machen, dass man eine Genehmigung benötige, um diese exklusive Totenstadt der Reichen und Mächtigen zu photographieren. :eek: Und nein, diese Genehmigung werde durchaus kostenlos erteilt - aber es müsse einer von uns für die ganze Gruppe unterschreiben, dass wir unsere Bilder nicht publizieren, weder im Internet noch sonst irgendwo.

So also kam Claude, die als einzige von uns ihren Ausweis (d.h. nicht nur eine Kopie) bei sich hatte, in den Genuss einer exklusiven Autofahrt über den Friedhof: Während einer der beiden Angestellten bei uns blieb, um uns gleichermaßen zu beaufsichtigen wie aber auch freundlich zu unterhalten, nahm der andere sie mit zur Überwachungszentrale, um ihren Ausweis zu photokopieren und das wertvolle Dokument auszustellen (es gibt dort zahlreiche Monitore, so erzählte sie uns später; und auf einem davon habe man uns wohl ausgemacht, als wir diesen Teil des Friedhofs betraten). Und so kommt ihr alle hier nun eben nicht :p :] in den Genuss der schönen Photos, die wir anschließend aufgrund dieser unserer Exklusiv-Lizenz :proud: ;) :smug: machen durften.

Tja, da bleibt euch also nur eines: selbst hinauszufahren zum Campo Verano und euch mit eigenen Augen umzusehen auf diesem besonderen Teil des Geländes - es lohnt sich! :thumbup: :nod: :thumbup:
 
Hallo Amator, auch ich habe mehr als einen zweifelnden Blick gen Himmel an diesem Tag gerichtet - die schöne Morgensonne hielt zwar nicht lange, aber so schlimm wurde es dann ja doch nicht.

Auch für mich war der römische Norden lange eine große Unbekannte, von der Villa Ada war ich schwer angetan und ich erlaube mir, noch ein paar sonnige Bilder von 2014 zu ergänzen.






Die mächtigen Pinien des letzten Bildes hatten es mir besonders angetan. Sollte ich einmal ein Quartier im Norden Roms haben, und mich im Grünen ausruhen wollen, so würde ich die Villa Ada klar der Villa Borghese vorziehen.

Die Priscilla-Katakomben fand ich ähnlich wie Du interessant, vor allem den Susanna-Zyklus, aber nicht "besser" oder "schlechter" als andere Katakomben.

Nun bin ich gespannt auf den Marathon-Tag. :twisted:
 
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