Über Ariccia und Albano Laziale ging es zu dem besonderen Ziel, das wir uns ausgesucht hatten: nach Ardea zum
"Museo Giacomo Manzù" (ehemals: "Raccolta Manzù").
Das Museum, das über 400 Werke von
Giacomo Manzù (einer der bedeutendsten Künstler unserer Zeit ? s.u.a.
hier) beherbergt und eine "Außenstelle" der Galleria Nazionale d'Arte Moderna in Rom ist, liegt "mitten auf dem Land", wo ehemals das Volk der
Rutuler lebte.
Kurz zur Geschichte des Museums: Inge Schabel, österreichische Primaballerina, Ehefrau von Manzù und sein bevorzugtes Modell, hatte bereits 1965 die Idee zu einer Sammlung der Werke ihres Mannes. Zwei Jahre später wurde mit dem Bau eines Museumsgebäudes begonnen und im Mai 1969 dann die "Raccolta Manzù" eröffnet, zehn Jahre später stiftete Manzù die Sammlung dem Italienischen Staat, seit 1981 ist sie für Besucher geöffnet. Nach seinem Wunsch fand Giacomo Manzù, der 1991 starb, im schönen Garten des Museums seine letzte Ruhestätte.
Die Werke die in der "Raccolta Manzù" zu bewundern – oder auch "nur" zu betrachten – sind, zu beschreiben würde hier den Rahmen sprengen.
Um diesen großartigen Künstler Manzù denen vorzustellen, die ihn noch nicht kennen und denen, die ihn kennen hoffentlich zur Freude hier ein kleiner Bilderbogen der Werke die in Ardea ausgestellt sind.
"Spielerei" die Kinder Giulia und Mileto "in carozza"
Obwohl Manzù selbst sagte, dass er zu viel in der Werkstatt bei der Arbeit und auf Reisen wäre, versuchte er soviel wie möglich bei seiner Familie zu sein und hielt "das Spiel" seiner Kinder in zahlreichen Skizzen fest.
Der Maler und das Modell
das bevorzugte war für Manzù seine Ehefrau Inge
"Guantanamera" - Inge in Ebenholz, 1968
Frauenbildnisse
"passa di danza"
und immer wieder das große Thema:
"gli amanti"
und
Mutter mit Kind - La pace
(ein Motiv für die "Porta des Krieges und des Friedens" der St. Laurentius-Kirche in Rotterdam)
Manzù, der Freund von Papst Johannes XXIII. (dessen Totenmaske er formte)
und über eine weite Strecke seines Schaffens:
das unterschiedlichste Bild zum "Thema "Kardinäle"
Studien und Werke zu den diversen Portalen am Dom in Salzburg,
in Rotterdam und St. Peter, Vatikan
Als Motiv für die Porta della Morte in St. Peter entstanden u.a. diese beiden Skulpturen, die in ihrer Art die Nacht, den Schlaf und somit den "Tod" symbolisieren:
die Schildkröte tötet durch ihren Biss eine Schlange
und
die schlafende Haselmaus.
Für mich sehr beeindruckend:
der bronzene David
Diesmal kein Held, wie ihn uns Michelangelo u.a. zeigen, sondern ein Hirtenjunge (wie ihn Manzù sicher aus dem Bergamasker Alpen gekannt hat), ängstlich bückt er sich nach dem Kiesel, mit angespanntem Rücken aus dem jede Rippe hervortritt...
Auch dieses Werk in Alabaster könnte ein David sein (leider habe ich mir nichts Konkretes dazu notiert)
Auch die griechische Mythologie kommt mit einer "Tebe" vor:
Zeichnungen Manzùs und Entwürfe für das Theater sind zu sehen.
und beeindruckend der "grande Streaptease"
wunderschön die Dame in Ebenholz
Was uns sehr zum staunen brachte waren die bronzenen Stühle mit Früchten und Gemüse - wie kann man aus diesem Material nur so etwas Schönes formen 8O.
Manzùs Frau Inge hat einmal in einem Interview erzählt, dass in seiner Werkstatt immer ein solcher alter Stuhl aus seinem Elternhaus stand, den sehr oft auch für andere Skulpturen als "Modell" nahm, z.B. hier
Söhnchen Mileto
oder hier:
Wir nahmen uns viel Zeit und Muße, um dieses wundervolle, stilsichere Museum – wieder einmal ganz allein – zu durchstreifen, nur ab und zu beäugt vom freundlichen Aufseher, und die beeindruckenden Skulpturen (vor allem aus Bronze, aber eben auch aus Ebenholz und die eine aus Alabaster), Entwürfe für das Theater, Zeichnungen und einige Gemälde mit Genuss anzusehen.
Auf unsere Nachfrage, wie man solche in gewisser Weise trotz ihrer Größe filigranen Werke aus Bronze schaffen könne, erzählte uns die freundliche Dame vom Museum, dass Manzùs Frau Inge davon berichtet hat, dass der Künstler oft die Bronzeskulpturen, die so fein gearbeitet sind, immer und immer wieder zerstört, zerschlagen hat wenn er nicht ganz zufrieden war. Ein vielfaches dessen, was er geschaffen hat, ist wieder eingeschmolzen worden. Er war ein Perfektionist, erst wenn er von einer Skulptur vollkommen überzeugt war, ließ er ihr die Form.
Blick nach Ardea
Kirchturm von San Pietro Apostolo
(12. Jh., erbaut auf den Resten eines antiken Tempels)
Über Albano Laziale – mit schönem Blick auf den Albaner See und das gegenüberliegende Rocca di Papa – erreichen wir Castel Gandolfo. Das Wehklagen der Betreiber der kleinen und größeren Geschäfte, Bars und Restaurants in den Gassen um und auf dem Platz vor dem Päpstlichen Palast ist angesichts der Leere die hier herrscht gut zu verstehen. Selbst in der Nebensaison war früher hier sicher mehr Leben. Nur ein paar versprengte "Bildungsreisende"
und sonstige Touristen sind an diesem sonnigen Frühlingsnachmittag auf der Piazza unterwegs.
Die eher schlichte Fassade des Päpstlichen Palastes (Urban VIII. beauftragte u.a. Architekten auch Carlo Maderno mit dem Bau) wird aufgelockert durch
das (sogenannte) „Rustikaportal“,
den kleinen verglasten Balkon und dem Uhrtürmchen darüber
- wer kennt nicht die Bilder, als Benedikt XVI. sich, nach seinem Amtsverzicht, am Abend des 28. Febr. 2013 von hier aus von den Menschen auf dem Platz verabschiedete –, und
das Wappen der Chigi (für den "weiteren Bauherrn" Alexander VII.). Das Portal und die Fensterläden sind geschlossen – was für einen "verwaisten" Eindruck dieser schöne Palazzo macht...
Über den Häusern der linken Längstseite der Piazza ragt die schöne Kuppel der Pfarrkirche von Castel Gandolfo, S. Tommaso da Villanova, auf. Gian Lorenzo Bernini ist der Architekt dieses schlichten, kleinen Zentralbaus auf dem Grundriss eines griechischen Kreuzes.
Die Innenausstattung ist etwas "opulenter", aber licht und leicht gestaltet, mit mehreren Altargemälden von Pietro da Cortona.
Hinter dieser Häuserreihe hat man einen wunderschönen "Seeblick" und kann sehr gut erkennen, dass der Albaner See – wie auch der Nemisee – vulkanischen Ursprungs ist und Castel Gandolfo hoch über dem Krater, auf dem Rand dieser "Caldera" liegt.
Nach einer kurzen Caffè-Pause auf der Piazza verlassen wir diesen schönen, ruhigen Ort durch die Porta romana, hinter deren Mauern sich ein Stück Vatikanstaat ausbreitet.
Und nachdem ich – wenn ich mich auf die Zehenspitzen stellte – über die Mauer das Meer in der beginnenden Sonnenuntergangstimmung sehen konnte,
kam der Wunsch auf, doch auch den zweiten Kratersee, den Nemisee, noch im Sonnenlicht sehen zu wollen, nachdem wir ihn ja bei unserem Besuch im Schiffsmuseum nur total verregnet erlebt hatten. Die Sonne beeilte sich zwar unterzugehen, aber auch wir beeilten uns und – nach einer raschen Fahrt über das hohe und über 300 m lange Viadukt der Via Appia – diese wichtige Zugangsstraße zu den Albanerbergen - von Ariccia nach Genzano di Roma (der Ort, der für seinen riesigen Blütenteppich berühmt ist, der jedes Jahr für das Fronleichnamsfest gelegt wird) gelangten wir *nach Nemi, wo die Abendpasseggiata in den Gassen und vor den Bars in vollem Gange war.
Der Ort wurde wunderhübsch von der Abendsonne beleuchtet, das hieß aber, der See lag von hier aus betrachtet, im Gegenlicht.
Also den Kraterrand auf dem engen, holprigen Sträßchen hinab – der Berghang ist gesprenkelt mit den gelben "Tupfern" der Mimosenbäume,
den See etwas umrunden und drüben wieder – auf einer recht gut ausgebauten Straße – hinauf. Und so genossen wir noch einen guten, ausgiebigen Blick in den leuchtenden „Spiegel der Diana“.
Das war der richtige Abschluss unserer Ausflüge durch die Castelli Romani.
Natürlich wären es die Castelli-Orte alle wert, sie ausführlicher zu besuchen, ihre Kirchen und Villen oder Palazzi anzuschauen, ein bisschen zu bummeln und evtl. römische Ausgrabungen zu erkunden. Aber Zeit und Aufnahmefähigkeit sind nun einmal begrenzt – und ich war mit dem, was wir "geschafft" hatten recht zufrieden. Und es sollen ja noch Wünsche offen bleiben für ein nächstes Mal. :~
Nun fehlte noch das Abendessen, das diesen letzten vollen Tag "im Lazio" krönen sollte. Wir wurden wieder herzlich willkommen geheißen im "Al Buco" in Grottaferrata und obwohl die kleine Trattoria bereits am – für Italiener – frühen Abend bis auf den letzten Tisch besetzt war, wurde auch für uns noch Platz geschaffen. Heute genossen hier quer durch alle Altersschichten und "Grüppchenkombinationen" vom Kleinkind über Jugend bis zu den Nonni alle die kulinarischen Köstlichkeiten, die die Küche wieder aufbot. Es wurde Konversation gemacht und Kontakte gepflegt, die Teller mit den verschiedensten herrlichen Antipasti – selbst die Trippa schmeckt hervorragend - geleert, da werden Spaghetti gewickelt oder Strozzapreti verschlungen, und das Tagliato di manzo con carciofi und einer leichten Soße war "fantastico". Der – auch anwesende - Winzer des guten Castelli-Weines hat das ihm ausgesprochene Lob verdient und das hausgemachte Dolce in Form eines Ricottacreme-Himbeermouse-Kuchens war ein Gedicht. Nach Caffè und Grappa machten wir den Tisch frei für einen kleinen Teil der noch vor der Tür wartenden und auf Platz hoffenden Gäste. Entweder wir hatten nur Glück oder es ist die Philosophie des Hauses, dem Gast das Gefühl zu geben, hier herzlich willkommen zu sein. Oder ist es unser verklärter Blick auf die "Italienità"?