Bericht: Venedig und seine Schätze

Liebe otium,
Wie lange dauerte denn der geführte Weg?
entschuldige, darauf habe ich ja noch gar nicht geantwortet.
Die Führung dauert ca. eine gute Stunde und hinterher geht es ohne Führung in die Museumsräume des Palazzo Ducale.
 

Was macht man in Venedig, wenn man gesundheitlich angeschlagen und fußlahm ist? Man lässt den Rest der Familie auf die Inseln fahren und die dortigen Schätze entdecken ...


Torcello mit Besichtigung der beiden Kirchen


nächster Halt mit Bummel: Burano


und Spaziergang durch die Gärten von Mazzorbo


an San Michele vorbei wieder zurück nach Venedig


... und legt selbst einen Ruhetag ein ;) bzw. erkundet mit Ruhepausen die kleinen Schätze in Hotelnähe :).


„Am Zattere“ ein bisschen in der Sonne sitzen und über den Canale della Giudecca zum Molino Stucky schauen.


Die Stucky-Mühle am Ende der Insel Giudecca ist Venedigs bedeutendstes Industriedenkmal. Die ehemalige Getreidemühle wurde Ende des 19. Jh. von dem in Venedig geborenen Schweizer Unternehmer Stucky im Stil der Backsteingotik errichtet und war vor dem Zweien Weltkrieg die größte Mühle Italiens. Sie erinnert fast ein bisschen an die Speicherhäuser in nordeuropäischen Hafenstädten. Die Mühle wurde 1955 geschlossen und der Gebäudekomplex stand Jahrzehnte leer, bis 2000 die Bauarbeiten für Wohnungen begannen. Im April 2003 wurde der für ein Hotel vorgesehene und architektonisch interessantere Gebäudeteil durch einen Großbrand fast ganz zerstört. Das Feuer entstand vermutlich durch Brandstiftung. Die ehemals strengen Auflagen der Denkmalpflege wurden gelockert, die äußere Rekonstruktion der beschädigten Gebäudeteile konnte zügig begonnen und das Luxushotel Molino Stucky Hilton mit angeschlossenem Kongresszentrum am 1. Juni 2007 eröffnet werden.
Spaziergang zur alten Gondelwerft am Rio San Trovaso, die seit dem 17. Jh. besteht. Auch wenn es noch andere Gondelwerften in der Stadt Venedig gibt, ich nehme an, keine liegt so pittoresk am Wasser wie der Squero San Trovaso.


Hier bei der „Berghütte“ mit dem Blumenbalkon werden Gondeln und Boote hauptsächlich repariert, vor allem für die „Schiffer-Gewerkschaft“, die Cooperativa Daniele Manin. Auffallend ist der Baustil der Werkstattgebäude, ein Holzhaus mitten unter den steinernen Palazzi. Früher arbeiteten hier oft Zimmerleute aus den Dolomiten; man nimmt an, dass diese die Werkstatt mit Lagerräumen eben im Stil ihrer Heimathäuser errichtet haben: zweckmäßig und aus Holz.


Und auch das Holz für die Gondeln kam zum größten Teil aus dem Cadore, einer „von den Dolomiten umrahmten Tallandschaft im norditalienischen Venetien“. Die Baumstämme wurden zusammengebunden und kamen als „Zattere“ (Flöße) am Canale della Giudecca an, dessen Uferpromenade dementsprechend Fondamenta Zattere heißt.



Direkt neben der Werft liegt die schlichte Kirche San Trovaso, die eigentlich den Heiligen Gervasius und Protasius geweiht ist (der Heiligenlegende nach Zwillinge, die zur Zeit Neros in Mailand den Märtyrertod starben), deren Name hier – wie in Venedig öfters geschehen – verkürzt wurde, zu „Trovaso“.


Martyrium der Heiligen Gervasius und Protasius
Altarbild von Giuseppe Ponga (Chioggia 1856 - Venedig 1925)
Die Kirche hat zwei fast gleichartige Fassaden - eine zum Campo hin und eine zum Rio.


Dem Erzählen nach wollten so die beiden verfeindeten „Clans“ Castellani (die hauptsächlich im Schiffbau tätig waren, rotes Barett und Schärpe trugen, eher der Aristokratie anhingen und drei von den Sestieri (darunter Castello) beherrschten) und Nicoletti (die Fischer waren, schwarze Mütze und Schärpe trugen, der demokratischen Richtung zugetan und ebenfalls drei Sestieri (darunter Santa Croce mit der Kirche San Nicola) „befehligten“) ein Zusammentreffen beim Kirchgang am Kirchenportal vermeiden. Wie mögen sie sich wohl im Kircheninneren während der Messfeier aus dem Weg gegangen sein?

Was gibt es besonders Bemerkswertes in der Kirche San Trovaso zu sehen? ;) Natürlich … Gemälde von Tintoretto, Vater und Sohn.


Eine der berühmten Abendmahlszenen von Jacopo Tintoretto, hier ein Frühwerk des Meisters, vermutlich um 1559 entstanden. Schon bei diesem Bild geht er ab von einer Darstellung des Abendmahls strukturiert, geordnet, frontal zum Betrachter; er stellt den Tisch schräg in den Raum und zeigt "Action" bis hin zum umgekippten Stuhl und dem Griff zur Weinflasche.

Man kann zu dieser Art der Abendmahldarstellung zweigeteilter Meinung sein. Jacob Burckhardt, ein Schweizer Kunsthistoriker des 19. Jh., bezeichnete sie als "zum gemeinsten Schmaus entwürdigt" , während das Gemälde in einem Artikel des Tagesspiegels zum 500. Geburtstag von Tintoretto als "dramatisch, wüst, vielschichtig" beschreiben wird.
„Jesus sitzt, wie es sich gehört, in der Mitte des Bildes, vom göttlichen Licht angestrahlt, aber mit leicht verzweifelten Gesichtsausdruck, so als wolle er fragen, was das denn hier jetzt alles soll. Um ihn herum nämlich muss es ein heftiges Besäufnis gegeben haben, seine Jünger liegen mehr als dass sie um ihn herumsitzen. Vorn sind ein umgestürzter Baststuhl, eine Korbflasche und ein irgendwie gleichfalls angetrunkenes Kätzchen zu sehen, hinter Jesus scheint sich ein Tempel zu öffnen mit zwei ephemeren Gestalten und einem Ausblick in eine Landschaft hinein. Was überdies der andächtig sittsam am linken Bildrand stehende Knabe zu bedeuten hat, bleibt unklar, ...“
Quelle: Der Tagesspiegel


Diese Art der Abendmahldarstellung von Tintoretto findet dann 1594 ihren Höhepunkt im weitaus berühmteren Bild in S. Giorgio Maggiore.

Vom Sohn Domenico stammt "Die Anbetung der Hl. Drei Könige"


und von Palma il Giovane sind zwei schöne Altarbilder: die doch seltenere Darstellung der Geburt Marias und eines der späten Bilder von ihm: "Madonna col bambino in gloria e santi".



Nun ist eine Pause angesagt – mit Blick über den Rio – hinüber und herüber.



Noch fand Ende Oktober letzten Jahres in Venedig die Biennale statt. Kunstwerke waren auch im öffentlichen Raum zu sehen, wie z.B. in der - ansonsten meist verschlossenen - Kirche Santa Maria della Visitazione, fast dirket neben der Gesuati-Kirche an der Fondamenta Zattere ai Gesuati.

Sie ist das erste Beispiel einer Renaissance-Kirche in Venedig, 1494 errichtet, wurde – als sie nicht mehr den Ansprüchen genügte und die wesentlich größere Nachbarkirche Santa Maria del Rosario erbaut wurde – Bibliothek, später Waisenhaus und gehört seit 1923 zum Komplex der Stiftung Don Orione Artigianelli (früher Waisenhaus und Wohnheim mit Berufsschule für Handwerker, Artigiani ). Heute befindet sich dort ein Konferenzzentrum.
Während der Biennale konnte man in der dort die Installation „The Death of James Lee Byars“ besichtigen.



Blick in die Kirche mit der Biennale-Installation „The Death of James Lee Byars".​
Dem Zitat aus Kunstforum.de ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen.
Byars selbst starb 1994 in Kairo an Krebs, aber seine zum Memento Mori gewordene Performance feiert in diesem Jahr in Venedig eine Wiedergeburt. Hier, im spirituellen Umfeld der barocken Chiesa di Santa Maria della Visitazione im Stadtteil Dorsoduro, fällt ein Moment der Kontemplation leicht. Dort, wo einst Byars, in Gold aufgebart, lag, kennzeichnen heute fünf Diamanten den Umriss des Künstlers. Aus Lautsprechern erklingen parallel die Klänge des libanesischen Komponisten Zad Moultaka, ‚Vocal Shadows‘, und in der Mitte des Saals erstrahlt der goldene Raum, der in der Abwesenheit des Künstlers, seine Gegenwart umso mehr spürbar werden lässt.


Die Kirche mit ihrer bemerkenswerten Holzflachdecke ist trotz ihrer Einfachheit sehenswert und auch ein Blick in die anderen klösterlichen Gebäude bzw. den Kreuzgang mit dem kleinen Garten lohnt sich.


Der ganze Gebäudekomplex entstand aus einem Kloster, das bereits 1423 von den Jesuaten (nicht zu verwechseln mit den Jesuiten) gegründet wurde, die sich um die Armen und Kranken des Viertels kümmern wollten. In den Wirren der Jahrhunderte wechselten die Besitzverhältnisse immer wieder, bis 1923 der italienische Priester Don Luigi Orione das Anwesen erwarb, um, wie bereits erwähnt, Waisen und Kindern aus zerrütteten Familien Unterkunft zu geben und eine Ausbildung zu ermöglichen. Heutezutage kann man sich in dieser schönen Umgebung „einquartieren“. Ein paar Eindrücke aus dem Kreuzgang bzw. Garten - diese sind bereits aus 2012, da ich diesmal seltsamerweise kaum Fotos dort gemacht habe (was man kennt vernachlässigt man leider manchmal :( ). Aber es sieht dort immer noch so idyllisch aus :).


Die letzte Ruhepause an diesem „Auszeit-Tag“ gestaltete sich gut auf dem stillen Campo Sant'Agnese – typisch venezianisch mit dem Pozzo in der Mitte, der alten Kirche daneben, dem Sotoportego, den großen Bäumen, die im Sommer sicher gut Schatten für die Bänke geben …
Auch der Campo Sant'Agnese wurde fotografisch vernachlässigt :confused:, obwohl ich doch mehrmals dort auf der Bank saß und das ambiente genossen habe. Einige gute gelaterie in der Nähe am Zattere haben das nötige "Proviant" fürs "Spazierengucken" geliefert ;).

Dieser Schlussstein an der Mauer der 'I Gesuati'-Kirche fiel mir auch diesmal wieder auf. Hund und Wappenschild mit Fackel, Stern und Lilie verweisen auf den heiligen Dominikus und die Dominikaner. In der Heiligenlegende des Dominikus heißt es
... dass Dominikus' Mutter vor seiner Geburt ein schwarz-weißes Hündchen sah, das mit einer brennenden Fackel im Maul die ganze Welt erleuchtete; diese Vision wurde ihr gedeutet auf die göttliche Redekunst des Knaben, den sie gebären werde.
Dominikus' Amme sah bei der Taufe in der Pfarrkirche in Caleruega einen goldenen Stern auf der Stirn des Kindes.
Die Lilie als Symbol für Weisheit, Mut, Reinheit, wird den Dominikanern zugeordnet, auch Dominikus wird oft mit einem Lilienstengel dargestellt.


Langsam belebt sich der kleine Platz, Mütter und nonni haben die Kinder von der Schule oder der scuola materna abgeholt, halten einen Plausch am Brunnen während die Kinder den Tauben nachjagen, Trettroller fahren oder einfach müde sind, es werden die biscotti für die merenda herausgeholt, jeder Vorüberkommende wird freundlich gegrüßt… Eine Weile später leert sich der Campo wieder, alles strebt vermutlich heimwärts.

Oder man beginnt den Abend – wie sollte es in Venedig auch anders sein ;) – mit einer Vaporetto-Fahrt auf dem Canal Grande ...


Fortsetzung hier
 
Zuletzt bearbeitet:
Vielen Dank für Deine Schilderung. Macht großen Spaß, es zu lesen. Ich hoffe, Du hast nun auch viel Freude am Konzert!

Eine Kleinigkeit (wahrscheinlich ein Test, ob wir auch sorgfältig lesen)
Kongresszentrum am 1. Juni 200 eröffnet werden.
(Farbe von mir). Wurde es schon in 2003 oder erst in 2004 fertig?
 
Vielen Dank für Deine Schilderung. Macht großen Spaß, es zu lesen. Ich hoffe, Du hast nun auch viel Freude am Konzert!
Schön, dass Du mitliest. Vielleicht kannst Du ja für Deinen Besuch in Venedig ein paar Anregungen mitnehmen. - Oh ja, das Konzert war sehr schön!

Eine Kleinigkeit (wahrscheinlich ein Test, ob wir auch sorgfältig lesen)
Kongresszentrum am 1. Juni 200 eröffnet werden.
(Farbe von mir). Wurde es schon in 2003 oder erst in 2004 fertig?

Test bestanden ;), so brauche ich den Flüchtigkeitsfehler nicht zuzugeben ;).
Das Hilton-Hotel im Molino Stucky-Gebäude wurde erst am 1. Juni 2007 eröffnet.

Die Baustelle ist auch aufgehoben, mal sehen wann auch die "Stauwelle" für eine Fortsetzung vorüber ist, wird wohl ein bisschen dauern.
 
Nach einigen kleinen, aber feinen Schätzen Venedigs folgen nun ein paar größere mit *.


Heute Morgen zeigt sich ein wenig der venezianische Nebel; er liegt über dem Wasser und taucht die Gebäude in ein weiches Licht. Die Überfahrt nach Murano ist sozusagen „weichgezeichnet“.

Mundgeblasene Schätze aus Murano-Glas

Als das Römische Reich im 4. Jh. n.Chr. zusammenbrach war es auch aus mit der antiken Glasproduktion, die Kenntnis davon ging verloren. Das „Geheimnis“ der Glasherstellung wurde erst wieder durch den Handel mit Byzanz entdeckt und von den Seefahrern neben anderen Schätzen nach Venedig gebracht. Das älteste Dokument das sich darauf bezieht, stammt von 982, in dem ein Benediktinermönch namens Fiolario erwähnt wird, der kleine Glasflaschen produzierte. Als „Murano-Glas“ kann man diesen Schatz Venedigs erst ab Ende des 13. Jh. bezeichnen.


Die Werkstätten befanden sich in den engen calli der Lagunenstadt, was natürlich ein hohes Brandrisiko war. 1291, nach einem besonders verherrenden Brand, wurde ein Gesetz erlassen, dass das Brennen von Glas in der Stadt untersagte und ab 1295 die Verlagerung der Glasöfen auf die Insel Murano angeordnete.

Das Wissen über die Glasherstellung war sozusagen ein streng gehütetes „Staatsgeheimnis“. Den angesehenen und gut bezahlten Glasbläsern - ihre Töchter durften sogar in den venezianischen Adel einheiraten - war unter Androhung der Todesstrafe verboten, ihr Wissen um die Glasprooduktion an Fremde weiterzugeben. Das schloss auch ein, dass kein vetraio ohne eine besondere Genehmigung die Insel verlassen durfte. Die Technik der Glasfertigung und die besondere Verarbeitung des Muranoglases sollten nicht durch Spione verraten werden. Trotz aller Verordnungen und Statuten gab es natürlich auch immer wieder „Ausreißer“, ob nun im verraten oder stehlen von Rezepturen über Färbmethoden und dergleichen oder gar in die Länder nördlich der Alpen zu „emigrieren“ und dort eigene Glashütten zu gründen.

Das venezianische cristallo war jedoch immer eine Luxus-Handelsgut und eine erträgliche Einnahmequelle für die Lagunenstadt. Trotz einigem auf und ab in der Produktion – Böhmen, Schlesien und andere Gebiete in Deutschland hatten sich auf eine Glasverarbeitung spezialisiert, die die Venezianer nicht beherrschten und auch der französische „Sonnenkönig“ Ludwig XIV. hatte Glasbläser für die Arbeit am Spiegelsaal im Schloss von Versailles abgeworben – konnte sich Murano mit seinen Glasbläsereien behaupten und erlebte durch den beginnenden Tourismus Anfang des 19. Jh. einen erneuten Aufschwung. Und noch heute genießen das einzigartige Muranoglas und seine Künstler hohes Ansehen, nur sie beherrschen die Technik, dieses in seinen leuchtenden Farben strahlende Glas herzustellen.

Inzwischen gibt es auf Murano an die hundert Glashütten. In etlichen davon arbeiten international bekannte Glaskünstler, die das Glas zu Kunstwerken der unterschiedlichsten Stilrichtungen oder zu „Gebrauchsgegenständen“ - allerdings der höchsten Preisklasse – verarbeiten.


All dies hat natürlich nichts zu tun mit dem „Murano-Glas“, das in vielen Souvenirläden in Murano oder Venedig angeboten wird und z.T. aus Fernost kommt bzw. für die Touristen in Serienproduktion angefertigt wurde.

Den Glasmachern darf man heutezutage bei der Anfertigung dieses besonderen und zerbrechlichen Schatzes aus Quarzsand, Kalk, Soda und anderer „Ingredienzien“, wie z.B Metalloxide, in gebührendem Abstand über die Schulter schauen – und das haben wir bei dieser Reise getan.


Nahe dem Anleger Colonna befindet sich die Vetreria Artistica Vivarini, eine Glasbläserei in der Glaskunst hergestellt wird. Hier kann man verfolgen, wie z.B. eine Frauenkopf geblasen und modeliert wird. Die Arbeit geht Hand in Hand mit dem Künstler; jeder weiß, was er - zügig - zu tun hat, bis aus dem flüssigen Glas ein Kunstwerk entstanden ist. Eine auch körperlich schwere und schweißstreibende Arbeit an den Öfen, in denen eine Hitze von 1400°C herrscht, bis das fertige Produkt zum langsamen Abkühlen bei 1000 bis 500°C in die „Kühlkammer“ kommt.
Fotografieren war hier ausdrücklich erlaubt - darum einfach eine Abfolge von Bildern, die vielleicht einen kleinen Eindruck von der Herstellung dieser Glas-Schätze vermittelt.


Dann folgt natürlich der Gang durch die Ausstellung – fotografieren ab dem „Schautisch“ wegen „Copyright“ der Künstler nicht mehr erlaubt.

Hier steht und hängt ein riesiges, zerbrechliches Vermögen. Das Aufsichtpersonal war sehr wachsam und überall sofort zur Stelle, wo ein Besucher länger stehen blieb. Lieber nicht daran denken, was passieren könnte, wenn man einen unbedachten „Fehltritt“ machen würde ... Bestellungen der Kunstobjekte, der Kronleuchter, Spiegel, Vasen, Schalen und schönsten Gläsern wären möglich, sprengten jedoch jeglichen Rahmen unserer finanziellen Möglichkeiten. Aber auch der Verkaufsraum war gut bestückt mit wunderschönen Glasdingen in allen Preislagen für eine kleine Erinnerung an den Glasschatz Venedigs.


Nun wäre es auch schön, zu sehen, wie man in so einem „ganz gewöhnlichen“ venezianischen Palazzo gewohnt hat, wie er z.B. auch mit den Murano-Schätzen ausgestattet war. Die den Touristen zugänglichen Palazzi sind meistens Museen und vermitteln nicht so sehr den Eindruck der Wohnkultur wohlhabender Venezianer früherer Zeiten.

Der Palazzo Mocenigo bei San Stae beherbergt zwar auch das "Museum und das Studienzentrum zur Geschichte der Stoffe, Kostüme und Parfüm", bietet darüber hinaus jedoch einen guten Eindruck wie man in einem vornehmen venezianischen Palazzo residiert hat. 2013 wurden die Innenräume datailgetreu restauriert und mit Einrichtungen (z.B. Bibliotheksschränke) und Möbeln (diese nicht unbedingt nur aus dem Besitz der Mocenigos) aus der Zeit des Baus ausgestattet. Es wurde besonders darauf geachtet, die Fresken und Stuckarbeiten zu erhalten sowie auch dem wertvollen Fußböden Beachtung zu schenken, so dass die Säle das Aussehen typischer Wohnräume für venezianische Adlige im 17./18. Jh. zurückerhielten. In einem neu zusammengestellten Rundgang kann man diese besichtigen.


Der bis Mitte des 20. Jh. von der Familie Mocenigo bewohnte Palazzo wurde 1945 von Alvise Nicolò, dem letzten Nachkommen der Mocenigos, der Stadt Venedig geschenkt (was später von einem Nachkommen der weiblichen Linie der Familie angefochten wurde). Die Mocenigo waren wichtige Mitglieder der venezianischen Aristokratie, sie stellten im Laufe der Jahrhunderte sieben Dogen für die Republik Venedig.

Der Palazzo hat zwei Fassaden, zum Kanal hin und zur schmalen Salizada, an der auch der Eingang liegt. Dort sieht man sehr schön die für die venezianische Architektur des 17./18. Jh. typischen Fenster - Serliane genannt - , die durch die Dreiteilung entfernt an einen Triumphbogen oder ein Triptychon erinnern.

Vom Erdgeschoß aus - mit dem zweiten Eingang, dem vom Wasser aus, wo man mit der Gondel anlegen konnte, und den kleinen Nebenräumen rechts und links als 'Garage' für Gondeln und 'Stauraum' für Waren etc., - gelangt man über eine herrschaftliche Treppe


in das Piano Nobile im 1. Stock mit dem Portego,


dem großen Empfangssalon, der als Durchgang und zu Repräsentationszwecken diente. Entsprechend war er ausgestattet, sozusagen nach dem Vorbild im Palazzo Ducale ;) mit Porträts der Mocenigo-Dogen und mit weiteren angesehenen Familienmitgliedern, die oft als Botschafter der Republik Venedig unterwegs waren waren.


Vom Portego geht es dann in die weiteren Räume. Auch diese prächtig ausgestattet und gut präsentiert im Rahmen des Museums, mit wunderschönen Ölgemälden, die auf meinen Fotos leider nicht so gut zur Geltung kommen:



Antonio Joli, Einzug des Botschafters Alvise Mocenigo auf die Piazza del Popolo am 17. Februar 1748


Pastell von Francesco Pavona, das Pisana Corner darstellt, die Ehefrau des Dogen Alvise IV., letzter Doge aus der Familie Mocenigo


Jeder Raum lädt ein genau hinzuschauen: Möbel aus dem 18. Jh., die noch original (restauriert) zum Palazzo Mocenigo gehören, kostbare Glaswaren „muranesi“ und Gläser nach böhmischer Art - „a uso di Boemia“ - mundgeblasen und goldverziert, Gemälde aus dem Museum Correr und Ca' Rezzonico, wertvollen Seidenstoffe (auch Tapeten) aus dem 16./17. Jh. vom Centro Studi di Storia del Tessuto e del Costume, das im Palazzo seinen Sitz hat, und Spitzenarbeiten aus Burano, während das chinesische Porzellan aus dem Schatz der Scuola Grande di San Rocco stammt.


Dieses Deckenfresko, das 1787 anlässlich der Hochzeit von – oft vergebener Name der Mocenigos – Alvise, einem Neffen des Dogen Alvise IV., mit Laura Correr angefertigt wurde, zeigt die allegorischen Figuren der Beschützer der Ehe - Fama, Gloria und Hymenaios.

Kleine Anekdoten zu den "Alvise"-Dogen:
Drei davon gab es zwischen 1700 und dem Ende der Republik, 1797, mit dem Namen Alvise. Der erste davon blieb ohne Nachkommen und vermachte sein ganzen Vermögen seinen Brüdern, mit der Auflage, seinen Namen – Alvise – jedem Erstgeborenen jedes Familienzweiges zu geben. Das erklärt die Häufung dieses Vornamens.

Einer der Alvise-Dogen, Alvise IV., machte seinem Stand keine so große „moralische“ Ehre: bei der jährlichen "Vermählung des Dogen mit dem Meer", der symbolträchtigen und unter hohem Aufwand am Festtag Christi Himmelfahrt abgehaltenen Staatsfeier, landete der kostbare Dogenring nicht im Meer, um die Verbindung zwischen der Serenissima und dem Element, das ihr den Reichtum gebracht hatte, zu symbolisieren, wie es seit Jahrhunderten Brauch war. Nein, dieser Dogenring fand sich später am Finger einer adligen Dame mit zweifelhaftem Ruf. Dieses Vorkommnis passte zu den damaligen innerpolitischen Skandalen, in die auch dieser Doge verwickelt war.

Im Roten Salon befinden sich schöne vergoldete Rokokorahmungen


und dieses allegorische Deckenfresko weist auf den militärischen Wert hin, als Garant des Friedens, des Wohlstands und der verantwortungsvollen Regierung.

Aus der Schule Bellinis stammt diese hübsche „Sacra Conversazione“, die Teil der Mocenigo-Kollektion ist, wie auch der wunderschöne Kronleuchter mit vielfarbigen Blumen, gefertig im 18. Jh. in der Muraner Glaswerkstatt des Meisters Giuseppe Lorenzo Briati.


Ein Blick nach unten:


das Wappen der Mocenigos – mit Dogenmütze –​
und nach oben:


wieder ein „Hochzeits“-Deckenfresko, mit Hymenaios, dem Gott der Hochzeit und der Braut, getroffen von Amors Pfeil, der Posia und des Frühlings gefülltes Füllhorn.


An der großen mit kostbarem Tuch bedeckten Tafel hat sicher gut und gerne eine familiäre Festgesellschaft unter venezianischen Adligen stattfinden können – festlich gekleidet, wie es die Kostüme aus dem 'Studienzentrum zur Geschichte der Stoffe, Kostüme und Parfüm' veranschaulichen.

Beachtenswert die prächtigen Spiegel und monumentalen Gemälde (250 auf 500 cm) von Antonio Stom, die mir - leider - erst beim nachlesen aufgefallen sind. Eines davon kann man auf dem Foto erahnen: Der Einzug des Botschafters Alvise II. Mocenigo in Konstantinopel 1710; beide sind auf dem Link zu Stom zu sehen.

Antonio Stom wird nach neuesten Erkenntnissen auch der Gemäldezyklus „Fasti di Casa Mocenigo“ - Einzug, Empfang und Ball zu Ehren von Kurfürstinwitwe Anna Maria Luisa de'Medici - zugeschrieben; die Marc Antonio Mocenigo, der Neffe Alvises II., in Auftrag gegeben hatte. Er war 1716/17 als „Capitano“ nach Verona entsandt worden; hier eine Ahnung vom Einzug in Verona.


Blick nach unten:


der bunte Terrazzoboden - „Terrazzo alla veneziana“ ist im Palazzo Mocenigo besonders schön​

und Blick nach oben:


noch ein Deckenfresko. Welches kann ich nicht mehr eindeutig zuordnen, ich vermute jedoch es zeigt allegorische Figuren, die die Verherrlichung der Mocenigo-Familienmitglieder darstellen soll.

(Quelle u.a.: Palazzo Mocenigo )

Und nun doch noch die Aufklärung zu den „modernen Fotobildern“. Z.Zt. unseres Besuches im Palazzo ist im Rahmen der Biennale die Ausstellung "Me and Fashion 1996-2018" von Brigitte Niedermair zu sehen. Ihre „Stillleben“ergeben eine schöne Paralelle zu den Räumen, den Bildern darin, den Stoffen – sehr interessant.

Den Abschluß des Rundgangs durch den Palazzo Mocenigo bildet die „Parfüm“-Abteilung mit alten Geräten zur Parfümherstellung, Duftproben von orientalischen Essenzen, Flakons für Parfüm u.v.m.


Durch die Kreuzzüge kamen die „duftenden Rohstoffe und Mixturen des Orients“ in das „Abendland“, in dem man bis dahin nur Lavendelwasser kannte und „aromatische Pflanzen“ zur Verwendung in Medizin und Küche. Venedig war der wichtigste Handelsplatz auch für diese „Schätze des Orients“ und so hat die Stadt eine alte Tradition in der Herstellung von „Parfüm“.
Wie mag „Venedig“ im 17./18. Jh. wohl „geduftet“ haben?


Die Duftwässerchen waren gefragt, schließlich war nicht nur die Geruchsbelästigung im öffentlichen Raum ziemlich penetrant, auch die Körperhygiene lag im argen, man tupfte und „trug“ lieber Parfüm... Was dem fröhlichen (Zusammen-)Leben sicher zugute kam. Übrigens: in Zeiten, in denen die Pest herrschte, hielt man sich an den Aberglauben, dass Parfüm vor Krankheiten und Epidemien schützen könne. Was dem Absatz von Parfüm natürlich zugute kam: Feinste Duftkreationen in wunderschönen Murano-Glas-Flakons (die man heutzutage im Museums-Shop so ähnlich auch noch erwerben kann ;) ).


Noch ein Einschub:


Auf dem Weg zum Vaporetto-Anleger kommen wir an der Kirche San Stae – was eigentlich „Sant'Eustachio“ heißen soll – vorbei.


Die alte Kirche war im 12. Jh. abgebrannt, ein neuer Kichenbau wurde errichtet, der 1678 umgebaut wurde, geplant diesmal mit der Fassade zum Canal Grande hin. Der Doge Alvise II – Familie Mocenigo, desser Palazzo ja gerade mal einen Steinwurf von der Kirche entfernt liegt - hinterließ 1709 eine große Summe für die Fertigstellung dieser überaus reich dekorierte Fassade; er wurde im Mittelschiff der Kirche seines Sestieres beigesetzt – ein Dogengrab ohne Prunk, wie er es selbst angeordnet hatte.


Fortsetzung hier
 
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So, die Baustelle ist geräumt und der Palazzo Mocenigo zur Besichtigung frei gegeben ;).

Und als Nachtrag wurde noch ein kurzes Video zum "Parfüm-Museum" eingeschoben.
 
Zuletzt bearbeitet:
Nach dem Betrachten von so vielen prächtigen und auch filigranen, zerbrechlichen Schätzen tut ein Spaziergang kreuz und quer durch Venedig gut, bevor wir uns nochmal einem der großen Schätze der Serenissima zuwenden.


Der Ponte dell'Accademia verbindet die Sestieri Dorsoduro und San Marco. Die ehemals als Provisorium gedachte Holzbrücke wurde in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts mit einer Stahlkonstruktion verstärkt, so dass sie wohl so wie sie jetzt den Canal Grande überspannt, bleiben wird. Von der „Accademia“ aus hat man einen der schönsten Blicke auf die Kirche Santa Maria della Salute und linkerhand, direkt an der Brücke, auf den im 19. Jh. aufwendig renovierten Palazzo Cavalli Franchetti, mit seinem schönen Bootsanleger mit rot-weißen Pfählen.


Die Biennale machte es auch hier möglich: nach dem Motto "Ist das Kunst ..." - Jean Dubuffet and Venice -"... oder kann das weg?" wurde schon wieder eingepackt.


Entlang an einem Teil des schönen Gartens des Palazzo Franchetti gelangt man auf den Campo Santo Stefano. Dort - unter dem nachdenklichen Blick des italienischen Schriftstellers und Politikers Niccolò Tommaseo -


schmeckt wie immer das Eis aus der Gelateria Paolin besonders gut. Commissario Brunetti ist uns nicht begegnet, vielleicht saß er bereits mit einem ombra auf seiner Terrasse...


Santo Stefano ist eine der bedeutendsten spätgotischen Kirchen Vendigs und leicht zu erkennen an ihrem 66 m hohen Kirchturm, der sich zwei Meter zur Seite neigt.

Durch die enge Calle führt der Weg auf den Campo San Maurizio, wo in der ehemaligen Pfarrkirche, die profaniert wurde, ein kleines, feines Museo della Musica eingerichtet wurde.

Den Campo säumen etliche alte Paläste, die beachtenswert sind, wie z.B. der Palazzo Molin, der auf dem Foto links zu erkennen ist,


oder der Palazzo Bellavite, auf dem Foto rechts, in dem etliche Monate auch der Schriftsteller Alessandro Manzoni logierte, dessen "Promessi sposi" vielleicht noch etlichen Italienischlernern als Pflichtlektüre, die sie fast zur Verzweiflung gebracht hat, in Erinnerung ist.

Der Weg über den Campo San Maurizio führt uns zur Kirche S. Maria del Giglio, deren reich geschmückte Fassade ich mir diesmal ein wenig genauer anschaue. Darauf neugierig gemacht hat mich Cees Nooteboom mit einer Betrachtung in seinem Büchlein "Venezianische Vignetten". Er sieht diese Barockfassade vom Bett seines Hotelzimmers aus und macht sich eingehend seine Gedanken darüber. Sie soll die einzige Kirchenfassade in Venedig sein, an der keine Heiligenfiguren zu erkennen sind. Dafür ist sie überladen mit Figuren und Hinweise auf „Heldentaten“ der Mitglieder der Familie Barbaro, die ihren Palazzo am Canal Grande neben dem oben erwähnten Palazzo Cavalli Franchetti haben.

Nach dem Aussterben der Barbaros verwahrloste der Palazzo - der eigentlich aus zwei Gebäuden besteht -, bis er Ende des 19.Jh. von der Familie Curtis aus Booston erworben, restauriert, als „kultureller Salon“ - mit einem prächtigen „Baalsaal“ - in Venedig betrieben wurde und noch immer in Familienbesitz ist.

Aber zurück zu Santa Maria del Giglio.

Die Kirche, der die Venezianer wieder einmal ihren Dialektnamen gegeben haben: Santa Maria Zobenigo (nach der Familie Jubanico, den Erbauern der ursprünglichen Kirche aus dem 10. Jh.), wurde 1680 völlig neu errichtet und da sie nicht gedreht wurde, zeigt die Prunkfassade nicht zum Campo hin, sondern zu einer schmalen Calle, was einen ganz besonderen Reiz hat (was diese Nachtaufnahme, wie ich finde, recht gut zeigt).

Antonio Barbaro hatte eine große Summe seines Vermögens zur Errichtung der Kirche hinterlassen, dafür sollte die Ausgestaltung der Fassade das Andenken an ihn und seine Familie erhalten. Entsprechend wurde sie ausgestaltet.

Zitat aus Nooteboom „Venezianische Vignetten“:
"... den meine Aussicht aus der dritten Etage ist die Hauptfassade der Giglio, Männer mit Perücken, Engel von unbändigen Ausmaßen, allegorische Gestalten, Feldherren, Seeschlachten, Stadtgrundrisse, menschliche oder göttliche Wesen unterschiedlicher Größe, Frontons, Kranzgesimse, Zwickel, Friese, Pilaster, Blendrahmen, Kragsteine, Putti, eine endlose Szenerie, die mich drei Morgen lang beschäftigen wird. ..."

Statt Heiligenfiguren wurden die Familienmitglieder dargestellt (die Brüder Barbaros - Giovanni Maria, Carlo, Francesco und Marino - im „Habitus ihrer öffentlichen Ämter“),


es finden sich Hinweise auf ihre „ruhmvollen Taten“ - Seeschlachten –


und in der Mitte über dem Portal der „edle Stifter“


Antonio Barbaro vor einem wallenden Vorhang,​
eingerahmt von allegorischen Figuren. Das ist venezianischer Barock, ausgeführt von flämischen und deutschen Bildhauern (Enrico Merengo = Heinrich Meyring aus Westfalen).


Beim treppauf treppab über die kleinen Kanäle finden wir uns auch auf dem Campo Manin, verschandelt von der Bausünde der Cassa di Risparmio, ein „modernes“ Bankgebäude - auf dem Foto nicht zu sehen - * von (u.a.) Luigi Nervi (Architekt z.B. der Audienzhalle im Vatikan und des Palazzo und Palazzetto dello Sport in Rom).
* Nachtrag:
hier ist noch ein älteres Bild von der "Bausünde", zu sehen hinter dem Löwen


Da suchen wir doch lieber durch die enge Calle de la Vida den Weg zur „Schneckenhaustreppe“, der Scala del Bovolo, die immer noch versteckt und wenig entdeckt im Innenhof des Palastes Contarini ein gutes Fotomotiv abgibt.


Die für eine Außentreppe sehr aufwendig gestaltete Wendeltreppe wurde 1499 im Stil der Renaissance erbaut und ist im Gegensatz zum gotischen Palazzo gut restauriert. Kleine venezianische Schätze neben dem Weg zu entdecken ...


Am weitläufigen Campo Sant'Angelo grüßt schon wieder der „schiefe Turm“ von Santo Stefano


und der heilige Augustinus, umgeben von seinen Augustiner-Eremiten, hält uns im Portaltympanon des Konventsgebäudes das Buch mit dem Anfangssatz der Augustinerregel entgegen.


Auf dem Weg über die Accademia-Brücke lugt der kleine Löwe aus dem Grün des Palastgartens der Franchetti


und drüben, im Garten des Palazzo Balbi Valier, erhebt sich das „Denkmal für das Maß des Unermesslichen“ („Monument to the Measure of the Immeasurable“),

der neun Meter hohe goldene „Mann der die Wolken misst“(„The Man who Measures the Clouds“), als Beitrag von Jan Fabre für die Biennale.



Fortsetzung hier
 
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Liebe Pasquetta,

emdlich habe ich mir dank des heutigen stürmischen Wetters auch einmal die Zeit und Muße nehmen können, um

Kleine venezianische Schätze neben dem Weg zu entdecken ...

Es hat sehr viel Spaß gemacht, mir Bilder und Beschreibungen von Orten in Venedig anzuschauen und zu lesen, die man wahrscheinlich in dieser Ausführlichkeit kaum in Reiseführern finden wird. Man spürt richtig, wie viel Spaß es auch Euch gemacht haben muss, so manche verborgenen Kleinodien aufzusuchen.
Deine Wortschöpfung "Spazierengucken" finde ich übrigens ganz zauberhaft!
 
Liebe ColleMarina,
es freut mich, dass Du mit mir Spaß am "Spazierengucken" in Venedig hattest. Ja, ich merke beim "aufarbeiten", wie viel es dort zu entdecken gab und noch geben würde ;).

Ein paar "Kleinodien" habe ich noch für die Mitleser, die es interessiert.
 
Ein strahlend schöner Morgen mit viel Herbstsonne über Venedig. Heute wollen wir das Highlight Venedigs besuchen: die Basilika San Marco auf der Piazza San Marco.


Beim Durchgang am Museum Correr kommen wir auf den einzigen Platz der Stadt, der die Bezeichnung piazza trägt, alle anderen „Plätze“ heißen campi (da ursprünglich nicht gepflastert, darum „Felder“), den „schönsten Salon Europas“, den Markusplatz.

Die Flut bildet Pfützen und es bieten sich schöne Fotomotive. Also müßig, die Piazza San Marco mit Worten zu beschreiben – besser Bilder sprechen lassen.


Eine Führung durch den Markusdom mit Schwerpunkt Pala d'oro und Schatzkammer war vorgesehen. Darum war es keine Schwierigkeit ohne längere Wartezeit in die Basilika zu gelangen. Sich in die Warteschlange für den „regulären“ Eintritt einreihen zu müssen wäre kein Vergnügen gewesen. Und für mein Empfinden war die Besichtigung der Basilika ebenso kein reines Vergnügen. Die Erinnerungen an die früheren Besuche in San Marco taten ihr übriges dazu. Abgesehen davon, dass man nur auf vorgegebenen „Trampelpfaden“ durch diesen herrlichen Raum gehen durfte, war es für mich noch störender, dass man fast durchgeschoben wurden, stehenbleiben und „spazierenschauen“ ist da kaum möglich. Gut, dass wir das auch schon anderes erlebt haben – einige Fotos davon aus 2012. (Ich erinnere mich nicht mehr, ob man damals noch – ohne Blitz – fotografieren durfte, oder … ;) )


Der kostbare Marmormosaikboden, wo er denn von den Menschenmassen auf dem Rundweg betreten werden muss, ist mit Teppichen abgedeckt; es gibt angeblich Überlegungen, ob man ihn mit einem Glasboden schützen und trotzdem sichbar machen soll.


Die Pala d'oro, das „Goldene Altarbild“, befindet sich hinter dem Hochaltar und
… bildet nicht nur das bekannteste Einzelkunstwerk im Inneren der überaus reich ausgestatteten Basilika San Marco, sondern eines der prächtigsten christlichen Altarbilder überhaupt. Dazu trägt neben den imposanten Maßen von 3,45 Metern Breite und 1,40 Metern Höhe die kostbare Ausstattung bei ...
Deren Aufzählung erspare ich mir, sie ist ja unter obigem Link nachlesbar. Nur soviel: Gold, Silber und "2.486 Juwelen" (die Angaben darüber schwanken ;) ) - Perlen, Granate, Smaragde, Saphire, Amethyste, Rubine, Topase und Kameen – erstrahlen in ihrem vollen Glanz.
Zu diesem eher materiellen Reichtum kommt die großteils hervorragende künstlerische Ausführung.
Diese Schauseite des Altarbildes, die nur zu ganz besonderen Anlässen gezeigt wurde, ist ein Meisterwerk der Goldschmiedekunst, ursprünglich entstanden Ende des 10. Jh. in Konstantinopel, im Lauf der Jahrhunderte erweitert und nach der Plünderung Konstantinopels 1204 nach Venedig "gebracht", wo sie Mitte des 14. Jh. mit den letzten Medaillons ihre endgültige Gestalt erhielt. Den Hauptteil der Darstellungen bilden Szenen aus dem Leben Jesu und des Heiligen Markus, aber auch Engel, Apostel und Evangelisten, Maria und u.a. der Doge Falier sind abgebildet.

Eine reiche Bildergeschichte, die man eigentlich in Ruhe und aus der Nähe entdecken und betrachten sollte. Aber ... der Andrang der Besucher reißt auch hier nicht ab, alles drängelt und schiebt sich vorbei, Handys und Fotoapparate gehen hoch und es wird fotografiert, obwohl es - auch ohne Blitz - im gesamten Dom verboten ist.

Der Tesoro des Markusdoms beinhaltet kostbare liturgische Gegenstände, die während der Zeremonien in der Basilika verwendet wurden; erlesene Goldschmiedekunst und Silbergegenstände, hergestellt in Konstantinopel. In einem kleinen Raum, dem „Allerheiligsten“, befinden sich kostbare Reliquiare (in verschiedensten Formen) mit Reliquien von Heiligen aus Konstantinopel und dem Heiligen Land - nicht so "mein Interessengebiet" -, die vom regen Reliquienhandel im Mittelalter zeugen.

Auch in der sogenannten Schatzkammer sind zahlreiche kostbare Objekte ausgestelllt – goldene Kelche, Becher, Hostienteller, reich bestückt mit Halbedelsteinen sowie Ikonen, Glaswaren usf. Ein Teil davon geht noch auf die Plünderung Konstantinopels durch die Venezianer Anfang des 13. Jh. zurück, anderes sind Schenkungen von Päpsten, von Dogen oder aus europäischen Königshäusern.

Schätze pur – und zum Sattsehen. Nachdem auch hier fotografieren verboten ist, zur besseren Verdeutlichung ein Link:

Nach so vielen Schätzen im Inneren des Markusdoms lohnt noch ein Blick auf die prächtige Fassade der Basilika, mit ihren Portalen, farbenfrohen Mosaiken, den Statuen der Stadtheiligen und dem goldenen Markus-Löwen sowie den vier Pferden auf der Loggia.


Es sind Kopien des berühmten antiken Vierergespanns aus vergoldeter "Bronze" - die wie man später feststellte Kupfer war -, das sich im Museum befindet, aus dem 1. Jh. n.Chr. stammt, ehemals auf dem Triumphbogen des Kaiser Nero in Rom stand und von Konstantin d.Gr. nach Konstantinopel mitgenommen wurde, 1204 als Kriegsbeute wieder nach Venedig zurück kam, fast vergessen wurde und über den "Umweg" Paris - Napoleon gefielen sie auch – 1815 endlich wieder ihren Platz auf der Loggia der Basilika fanden.

Die Mosaiken zeigen die Legende von der Überführung der Gebeine des hl. Markus nach Venedig – vom "Schmuggel" aus Alexandria, versteckt unter gepöckeltem Schweinefleisch, so dass die muslimischen Zöllner gar nicht erst in Versuchung kamen, genauer nachzusehen, bis zur Ankunft in Venedig, wo der Transport an der Stelle stoppte, an der dann die erste dem hl. Markus geweihte Kirche am Dogenpalast erbaut wurde. Auf dem nördlichen Portal, dem ältesten und einzigen aus dem 13 Jh. erhaltenen, ist der Markusdom zu sehen.


Gerechtfertigt wurde der Raub der Gebeine mit der Legende, dass Markus auf seinen Missionsfahrten, die er auf Wunsch des hl. Petrus nach Nordostitalien unternommen hatte, in die – damals noch unbewohnte – Lagune von Venedig kam und ihm von einem Engel geweissagt wurde, dass hier einmal seine Gebeine ruhen würden... Wie immer: se non è vero è ben trovato ...


Mittleres Portal: Jüngstes Gericht


Bogenspitzen: Stadtheilige Venedigs: Konstantin, Demetrius, Markus, Georg und Theodor​
Im Giebelfeld des mittleren, größeren Bogens unterhalb der Statue des heiligen Markus befindet sich ein goldenes Relief des schreitenden Markuslöwen. (Im Buch steht übrigens der Gruß des Engels an Markus: "pax tibi Marce" -Friede sei mit Dir, Markus.)

Die Fassade hat eine überreiche Dekoration aus Säulen,Skulpturen und Kapitellen verschiedenster Epochen, zum Teil noch antik, „erbeutet“ bei Eroberungen während des Kreuzzuges 1204. All das gibt dem "religösen" Bauwerk einen "orientalischen" Einschlag.




Zum Markusplatz gehörten früher auch noch die Scharen von Tauben – und die sie fütternden Touristen.


Im Mai 2008 wurde zum Glück und dringend nötigen Schutz der Bausubstanz ein Fütterungsverbot erlassen (es entzieht sich meiner Kenntnis, ob es eingehalten wird) und so die Taubenpopulation am Markusplatz gut reduziert – aber dazu gehören sie noch immer ;).


Von ein paar Schätzen auf unseren Spaziergängen durch Venedig bleibt noch zu berichten, aber der Aufenthalt dort neigt sich langsam dem Ende zu.
Fortsetzung hier
 
Zuletzt bearbeitet:
Liebe Pasquetta,
vielen Dank für deine Fortsetzung.

Deine Spaziergänge durch Venedig gefallen mir sehr gut.

Ich finde die persönlichen Berichte von euch allen hier im Forum immer viel schöner und informativer als einen Reiseführer.
 
Liebe Pasquetta,

mit viel Vergnügen und Freude habe ich Deine weiteren venezianischen Schätze betrachtet.
Vielen Dank für so viel schöne Fotos und interessante Erläuterungen. Auch wenn Venedig dieses Jahr (noch) nicht auf unserem Reiseplan steht - Du weißt ja, wie gerne ich mich dorthin entführen lasse ... ;)
 
Zur Zeit überlege ich ja, was wir uns im März in Venedig ansehen. Wir haben ja nur ca. 2 1/2 Tag (sonst Städte in Friaul und Venetien). Nachdem ich nun gestern bei einer längeren Bahnfahrt Deinen tollen Bericht nochmals von vorn bis zum derzeitigen Ende gelesen habe, ist mir wieder einmal klar geworden, dass es ganz egal ist, für welchen Gang ich mich entscheide. Es ist einfach überall sehr, sehr schön. Vielen Dank fürs "an-die-Hand-nehmen"!

Eine reiche Bildergeschichte, die man eigentlich in Ruhe und aus der Nähe entdecken und betrachten sollte. Aber ... der Andrang der Besucher reißt auch hier nicht ab, alles drängelt und schiebt sich vorbei, Handys und Fotoapparate gehen hoch und es wird fotografiert, obwohl es - auch ohne Blitz - im gesamten Dom verboten ist.
Wir waren das letzte Mal im März 2015 dort und haben viel fotografiert. Da wir das nicht machen, wenn es nicht erlaubt ist, wird es das Verbot damals wohl nicht gegeben haben (oder habe ich es tatsächlich übersehen??). Insgesamt hatten wir wohl Glück: ich bin recht lange vor (bzw. hinter) dem Altar gestanden. Wir mussten natürlich auch den vorgeschriebenen Gang gehen, aber ich bin mehrmals hin und her und auch zurück gegangen. Es war genügend Platz. Auch am Eingang gab's keine Schlange.
 
Bezüglich Fotografierverbot in Venedig:
Unsere Erfahrung ist, dass in den Chorus-Kirchen nicht mehr so streng darauf geachtet wird, nur in der Miracoli sind wir schon einige Male richtig böse ermahnt worden. In San Marco sind wir immer am liebsten zur Festmesse sonntags um 10.30 Uhr. Während der Messe fotografieren wir natürlich nicht, aber beim Hinausgehen hat sich der BEVA letztes Mal viel Zeit gelassen zum Fotografiern. ;)
 
Deine Spaziergänge durch Venedig gefallen mir sehr gut.
Liebe pecorella, es freut mich, wenn Du mit uns durch Venedig spazierst und Dir diese Spaziergänge auch noch gefallen. :)

Vielen Dank für so viel schöne Fotos und interessante Erläuterungen. ...
Gerne geschehen, liebe Angela ;) - viele, wenn nicht die meisten Fotos sind diesmal von unserem mitgereisten Sohn, der sie mir zur Verfügung gestellt hat (und der, wie ich finde und mich darüber freue, einen ganz guten Blick hat :cool: und zur Abwechslung oft mal einen anderen als ich).

Nachdem ich nun gestern bei einer längeren Bahnfahrt Deinen tollen Bericht nochmals von vorn bis zum derzeitigen Ende gelesen habe, ist mir wieder einmal klar geworden, dass es ganz egal ist, für welchen Gang ich mich entscheide. Es ist einfach überall sehr, sehr schön. Vielen Dank fürs "an-die-Hand-nehmen"!
Freut mich, liebe otium, dass "Venedig und seine Schätze" eine angenehme Reiselektüre war (ein bisschen geht es noch weiter) und ja, Du hast recht: egal was ihr auswählen werdet, in Venedig kann man kaum falsch wählen ;).

Wir waren das letzte Mal im März 2015 dort und haben viel fotografiert. ... Es war genügend Platz. Auch am Eingang gab's keine Schlange.
Bezüglich Fotografierverbot in Venedig:
..., nur in der Miracoli sind wir schon einige Male richtig böse ermahnt worden.
So ändern sich anscheinend alle Jahre mal die Sitten, Vorschriften und Verbote. Wenn ich mich recht erinnere, dann war auch 2012 das Fotografieren der Mosaike und vorallem der Pala d'Oro (eigentlich) verboten ;). Aber dieses Mal war es - ich habe es so empfunden - so schlimm (Andrang und Fotografieren), dass ich einfach aus Protest keine Fotos gemacht habe.
In San Marco sind wir immer am liebsten zur Festmesse sonntags um 10.30 Uhr. Während der Messe fotografieren wir natürlich nicht, aber beim Hinausgehen hat sich der BEVA letztes Mal viel Zeit gelassen zum Fotografiern. ;)
So ähnlich haben wir es bei der vorletzten Venedig-Reise auch gemacht. :)
 

ACTV-Streik - und so bewegen wir uns einen Tag ganz ohne Vaporetto, nur per pedes durch die Stadt, auf deren Kanäle es ruhig zugeht, nur die Gondeln haben Hochbetrieb.


Auf dem Weg zum Campo S. Giacomo dall'Orio machen wir erstmal kurz Halt am Campo S. Zan Degolà, der nach der gleichnamigen Kirche benannt ist. Wieder so ein „typischer venezianischer“ Name, 'Johannes der Enthauptete' stand dafür Pate: San Giovanni Decollato. Die kleine Kirche (sieht man auf dem Platz-Foto leider nicht :confused: ) ist eine der ältesten in Venedig, 8. bis 10. Jh., und ein schönes Bespiel venezianisch-byzantinischer Architektur.

Das Haupt des „Decollato“ sehen wir als kleines Relief, eingelassen in die Kirchenmauer.


Die Venezianer erzählen sich dazu jedoch eine andere makabre Geschichte als die vom enthaupteten Johannes. Angeblich ist es das Abbild des Kopfes eines gewissen Biasio. Biasio war (im 16. Jh.) der Betreiber einer Locanda und Fleischer, der für seine schmackhaften Würste und Fleischeintöpfe bekannt war. Die sich gut verkauften – bis … ein Arbeiter in seinem Teller eine Fingerkuppe mit einem winzigen Fingernagel fand. Und plötzlich erinnerten sich die Leute des Sestieres, dass immer wieder Kinder verschwanden und nicht mehr auftauchten... Biasio wurde verhaftet und er gestand, wie er seine „schmackhaften Fleischeintöpfe“ hergestellt hatte. Man konnte ihm allerdings nicht nachweisen, wie lange er schon seinen makabren Geschäften nachging. Er wurde verurteilt und durchlief das ganze Prozedere einer Hinrichtung, vom Händeabhacken, ans Pferd gebunden sein und zur Piazzetta San Marco geschleift werden,


wo er zwischen den beiden Säulen enthauptet, dann gevierteilt und öffentlich ausgestellen wurde. Seine Anwesen wurden dem Erdboden gleichgemacht. Und das alles ist keine bittere Legende: in den Registri dei Giustiati - den venezianischen Verzeichnissen der Hingerichteten – ist dieser Biasio vermerkt. An ihn erinnert noch die in der Nähe befindliche Riva di Biasio und die gleichnamige Vaporetto-Anlegestelle.

Wenn man vom Campo S. Zan Degolà zum Canal Grande vor geht, dann erreicht man den schönen Palazzo des Fondaco dei Turchi , das Handelshaus für osmanische - für die Venzianer türkischen – Händler, in dem jetzt das Städtische Museum für Naturgeschichte untergebracht ist.

Aber nun wollen wir uns angenehmeren Dingen zuwenden. Eine Rast auf dem Campo S. Giacomo dall'Orio gehört zu jedem Venedig-Aufenthalt.


Dieser Campo ist einer jener ursprünglichen, der noch immer etwas Volkstümliches, Venezianisches vermittelt. Dort trifft sich noch das popolino veneziano – das mit Recht auf sein Recht auf Wohnungen in der Stadt hinweist -


dort kann man wunderbar sitzen und einen Sprizz genießen,


oder einfach nur „spazierengucken“ im Schatten der hübschen Kirche S. Giacomo dall'Orio oder auch - del Luprio, was auf das Gebiet eines trockengelegtes Sumpfland hinweisen würde.


Richtung Ponte Rialto durch die engen Gassen bietet es sich an, einen Halt in einem Bacaro einzulegen und zu einem Ombra ein paar Cicchetti (wie diese) zu genießen


z. B. in der Cantina Do Spade.



Am abgeräumten Rialto-Markt vorbei


und über den Ponte - Blick zum Fondaco dei Tedeschi, dem ziemlich prächtigen „Lagerhaus“ der deutschen Kaufleute - und noch immer ist Streiktag,


passieren wir den Campo San Bartolomio mit dem Goldoni-Denkmal, das an den berühmten, in Venedig geborenen Komödiendichter erinnert … tja, man sollte auch mal sein Geburtshaus besuchen ...


Ein Schatzkästchen sollte man bei der „Schatzsuche“ in Venedig nicht vernachlässigen: Santa Maria dei Miracoli, ein Meisterwerk der Frührenaissance.

Wenig Platz hatten die Baumeister zur Verfügung zwischen dem Rio und der kleinen Calle, um eine Kirche für das als wundertätig angesehene Marienbild zu bauen. Statt Skulpturenschmuck verwendeten Pietro Lombardo und seine Söhne für die Fassade verschiedenfarbigen Marmor.


Auch im einschiffigen Kircheninnere ist farbiger Marmor der einzige Schmuck, was wiederum die Wirkung der vergoldeten Kassettendecke mit den Porträts von Propheten verstärkt.


Marmorstufen führen zum Chor hinauf, der von einer mit Rankenwerk und Figuren verzierten Balustrade eingefasst ist, und zur Apsis mit dem Bild der Madonna dei Miracoli.


Und noch ein Kirchenschatz Venedigs darf nicht ausgelassen werden: San Zaccaria im Sestiere von Castello.


Die Kirche gehörte zu einem Nonnenkloster, das 827 vom Dogen Giustiniano Parteciaco (unter dem die Überführung der Markusreliquien nach Venedig stattfand) gegründet wurde und das die Töchter venezianischer Adelsfamilien aufnahm, die aus welchen Gründen auch immer nicht zu verheiraten waren. Diese angesehenen Familien unterstützten das Kloster finanziell mit der reichen Mitgift der Töchter und der Aufenthalt dort gestaltete sich für sie „recht angenehm“. San Zaccaria galt als das „weltlichste“ Kloster in Venedig und war berühmt-berüchtigt für die festlichen Veranstaltungen, die „Amouren“ der frommen Frauen waren Stadtgespräch.

Das Kloster hatte immer eine enge und „besondere“ Beziehung zu den Dogen: nach der Einweihungsmesse 864 wurde der teilnehmende Doge beim Verlassen der Kirche von Verschwörern erschlagen, ein weiterer Doge 1172 in der Nähe der Kirche ermordet, acht Dogen wurden in der Kirche beigesetzt. Das Kloster war reich, hatte viel Grundbesitz – neben an die 150 Gebäuden in Venedig gehörte auch das Gebiet, auf dem heute die Markuskirche steht und ein Großteil der heutigen Piazza San Marco sowie viel Land auf der Terraferma dem Kloster. Es hatte immer die Wertschätzung der venezianischen Signoria, deren hohe Herren mit dem Dogen bis zum Ende der Repblik 1797 jedes Jahr an Ostern in einer feierlichen Prozession zum Kloster zogen. Es gibt davon und dem „gesellschaftlichen Leben“ der Patriziertöchter im Kloster recht anschauliche Gemälde von Francesco Guardi, Pietro Longhi u.a., (auf der Seite der Associazione Nazionale Carabinieri gibt es ein paar hübsche Bilder davon) und auch in der Kirche wird auf einem Gemälde der Besuch des Dogen dargestellt.

Im Zuge der Säkularisierung unter Napoleon wurde das Kloster aufgelöst und in ein Kasernengebäude umgewandelt, das heute von den Carabinieri genutzt wird.


San Zaccaria – die Kirche mit ihrer markanten mehrgeschossigen Fassade aus verschiedenen Marmorarten, entstand in der 2. Hälfte des 15. Jh.. Die Quellen wem die Kirche geweiht ist sind widerspüchlich, dem Propheten Zacharias oder Zacharias, Vater von Johannes dem Täufer. An der Fassade sind als spärlicher Skulpturenschmuck nur im unteren Geschoss Tondi mit Prophetenfiguren und über dem Portal eine verwitterte Statue zu sehen.

Das Innere der dreischiffigen Basilika ist reich mit Bildern bestückt.


Den Hauptaltar schmückt ein „Cristo morto“ von Jacobo di Palma der Jüngere und die Halbkuppel malte Giovanni Antonio Pellegrini im 18. Jh. mit einem Zacharias im Gewand eines Hohepriesters aus. Auch Palma il Giovane malte den Heiligen „Zacharias mit Engeln“ als Altarbild.


Zwar sind die Wände von San Zaccaria fast vollständig mit Bildern bedeckt, auch rund um die Hauptattraktion, worauf sich natürlich vor allem das Augenmerk richtet ;) , zu erkennen ist z.B.


Papst Benedikt III. besucht das Kloster vn San Zaccaria (1684, A. Celesti)


darunter rechts: Darstellung Marias im Tempel (ca. 1600, Antonio Vassilacchi)
und links: Vermählung Marias (dto.)​


aber die Hauptattraktion in San Zaccaria ist eben unbestritten eines der schönsten venezianischen Renaissance-Gemälde überhaupt,


die Sacra Conversazione – eigentlich die Pala di San Zaccaria - von Giovanni Bellini.​

Das Bild entstand 1505 - also ungefähr 30 Jahre nach der Sacra Conversazione, die wir in Santa Maria Gloriosa dei Frari gesehen haben – für den Ort, wo es sich heute wieder befindet. Auch Napoleons Kunstagenten gefiel dieses Bild; sie verschleppten es 1797 nach Paris. Dabei wurde es vom Holz auf Leinwand übertragen und oben und unten abgeschnitten.


Bellini hatte die Pala di San Zaccaria für die Kapelle in der wir es sehen gemalt - und dabei sogar die Architektur in seinem Bild der der Kapelle angeglichen. Seit seiner Rückkehr im 19. Jahrhundert passt es nicht mehr ganz in den urspünglichen Rahmen, da der Rundbogenabschluß begradigt und ein Teil des gemalten Fußbodens beseitigt worden waren. Ursprünglich gab es drei weitere Reihen von Fußbodenfließen, so dass die Figuren in einer größeren Distanz zum unteren Bildrand platziert waren und so vermutlich ein anderer Raumeindruck vermittelt wurde.

All dessen ungeachtet ist diese Sacra conversazione eine der schönesten, die man kennt. In ihrer gewohnten Anordnung und in den warmen, leuchtenden Farben gemalt, strahlt die „heilige Zusammenkunft“ Ruhe und Besinnlichkeit aus.

Bei Maria mit dem Jesuskind auf dem Thron haben sich eingefunden: Petrus, mit Schlüssel und Buch, die Heilige Katharina von Alexandria, mit dem Hinweis auf ihr Martyrium, das zerbrochene Rad, und der Märyrerpalme. Auf der anderen Seite sehen wir die Heilige Lucia von Syrakus abgebildet, mit der Glasschale, in der ihre ausgerissenen Augen liegen, und ebenfalls der Märyrerpalme sowie der Kirchenvater Hieronymus, „ganz in Rot“, versunken in sein Buch. Zu Füßen Marias sitzt ein Lira da braccio-spielender Engel, der zwar zum Betrachter schaut, aber doch eher seinem Spiel nachsinnt.

Was für ein Glück diese wunderschöne Sacra Conversazione betrachten zu können und das noch dazu in Ruhe und ohne Gedränge – die Besucher waren hier noch jedesmal überschaubar, als ob San Zaccaria ein Geheimtipp wäre ;) .


Wir verlassen den Campo San Zaccaria und mit Blick auf den Ponte dei Sospiri, die „Seufzerbrücke“, die den Dogenpalast über den Rio di Palazzo hinweg mit den Prigioni nuove, dem neuen Gefängnis verbindet, muss ich – nomen est omen - mit einem kleinen Seufzer leider feststellen, dass sich unser Venedig-Aufenthalt dem Ende nähert.


Zum Ausklang des letzten Tages in der Serenissima folgen noch ein paar gesammelte Eindrücke von Nachtspaziergängen bzw. -fahrten durch Venedig.
Der Canal Grande bei Sonnenuntergang


einige Stunden später werden an der Accademia die Stühle zusammengestellt und die Rosenverkäufer verlaufen sich



an den Hauptsehenswürdigkeiten sind die Nachtschwärmer noch gut unterwegs






aber entlang der kleinen Rii gibt es dann nur noch wenige Spaziergänger – Venedig gehört jetzt uns.



Fortsetzung hier
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Baustelle für einige der letzten besichtigten Schätze in Venedig ist aufgehoben (aber (noch) nicht auf Fehlerteufelchen durchgesehen :rolleyes: ). Viel Spaß denen bei der "Schatzsuche", die sie mitentdecken möchten.
 
Eine Rast auf dem Campo S. Giacomo dell'Orio gehört zu jedem Venedig-Aufenthalt.


Dieser Campo ist einer jener ursprünglichen, der noch immer etwas Volkstümliches, Venezianisches vermittelt.

dort kann man wunderbar sitzen und einen Sprizz genießen,


oder einfach nur „spazierengucken“ im Schatten der hübschen Kirche S. Giacomo dell'Orio oder auch - del Luprio, was auf das Gebiet eines trockengelegtes Sumpfland hinweisen würde.


Beim letzten Besuch im September 2019 hatten wir das Glück, in einem (wunderschönen) Quartier eine Minute vom Campo San Giacomo dall´Orio entfernt zu wohnen, so dass wir diesen Lieblingscampo mehrmals täglich überquerten, und sei es nur, im bis spät geöffneten COOP noch ein paar Dinge einzukaufen. Ich mag viele Campi in Venedig, aber dieser ist doch der schönste und ursprünglichste. Wie schön, dass man fast immer auch auf einer der Bänke Platz finden und sich dem Treiben hingeben kann!
Ein Schatzkästchen sollte man bei der „Schatzsuche“ in Venedig nicht vernachlässigen: Santa Maria dei Miracoli, ein Meisterwerk der Frührenaissance.
Ihr scheint ja auch in der Miracoli einen gnädigen Aufseher gehabt zu haben (wir auch beim letzten Besuch, davor kam er/sie immer sofort aus seinem Häuschen gestürmt).

Und noch ein Kirchenschatz Venedigs darf nicht ausgelassen werden: San Zaccaria im Sestiere von Castello.


Zwar sind die Wände von San Zaccaria fast vollständig mit Bildern bedeckt, auch rund um die Hauptattraktion, worauf sich natürlich vor allem das Augenmerk richtet ;)
Ich muss gestehen, dass ich die übrigen Bilder an den Wänden immer vernachlässige, so sehr freue ich mich auf die ...
... Hauptattraktion in San Zaccaria ist eben unbestritten eines der schönsten venezianischen Renaissance-Gemälde überhaupt,


die Sacra Conversazione – eigentlich die Pala di San Zaccaria - von Giovanni Bellini.

Was für ein Glück diese wunderschöne Sacra Conversazione betrachten zu können und das noch dazu in Ruhe und ohne Gedränge – die Besucher waren hier noch jedesmal überschaubar, als ob San Zaccaria ein Geheimtipp wäre ;) .
Wie wahr! Und doch sind wir nur wenige Schritte vom Riesentrubel um San Marco entfernt. Und immer öfter treffen wir auch dort auf "Kundige", die wissen, was die Hauptattraktion der Kirche (neben ihrer wunderbaren Renaissancefassade) ist.
Länger schon waren wir nicht in der Sakristei, das sollten wir vielleicht doch einmal wieder tun, auch dort sind wenige Besucher beim herrlichen Vivarini-Altar in der Cappella San Tarasio (der Apsis der früheren Kirche) und in der Kryta. Hinter dem Link verbirgt sich meine Lieblingsseite, was Kirchen in Venedig betrifft, leider auf englisch, was nicht meine Lieblingssprache ist, was ich aber bei der Fülle von zusammengetragenen Informationen zu übersehen bereit bin. ;) Bei Gelegenheit solltest Du da unbedingt einmal schmökern, liebe Pasquetta!
 
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