[tv] arte: Der Palast (Il Palazzo)

tacitus

Magnus
Stammrömer
Wurde gestern, 12.04.2009, um 23:40 Uhr auf arte gesendet, kann aber hier: Der Palast (Il Palazzo) - ARTE+7
noch gesehen werden.

Ein monströser Wohnblock am Stadtrand von Rom, liebevoll-ironisch "Il Palazzo" genannt, erwacht durch die Erzählungen seiner Bewohner zum Leben. Die Architektur wird zur Herausforderung an die Fantasie und Energie der Bewohner, sich den monumentalen Palast anzueignen.
Der liebevoll-ironisch "Il Palazzo" und böse das "Monster" genannte Wohnblock Corviale am Stadtrand von Rom gilt als das längste Hochhaus Europas: Knapp einen Kilometer lang ist es, zehn Etagen hoch. Inspiriert von Le Corbusiers Vision einer vertikalen Stadt liegt Corviale wie ein Monolith aus Stahlbeton in freier Landschaft. 8.000 Menschen leben hier.
Einige der Bewohner des "Palazzo" erzählen Katharina Copony ihre Geschichten, und im Verlauf des Films werden sie immer mehr zur Stimme des Riesengebäudes. Der Zuschauer erfährt von seiner Entstehung, Besetzung und Belebung.
Als Anfang der 80er Jahre durch ein neues Kündigungsgesetz auf einen Schlag alle eingesessenen Mieter aus dem Zentrum Roms vertrieben wurden, war "Il Palazzo" noch im Bau. Die vierte Etage, eigentlich als "innere Stadt" mit Einkaufspassage konzipiert, wurde niemals ganz fertig gestellt und schließlich von verzweifelten Wohnungssuchenden besetzt.
Das labyrinthische "Monster" mit seinen endlosen Gängen wurde für sie zur Heimat, die sie mit kleinen Garten-Nischen und Taubenschlägen ausgestattet haben, und um die Ecke wartet eine Futterstelle auf die wilden Katzen ...
Katharina Coponys Film erzählt davon, wie Menschen sich einen Ort aneigneten, der als architektonische Utopie gedacht war und als architektonische Zumutung in die Geschichte einging.
 
Ich habe mir die Sendung angeschaut. Ein wirklich grandioser Dokumentarfilm! Als ich 1982 das erste Mal nach Rom reiste, war der Stadtrand von Wellblechbütten besiedelt, in denen zum Teil vielköpfige Familien lebten. Keine zwei Jahrzehnte später sind diese Siedlungen Satellitenstädte gewichen, bei deren Besuch man kaum noch glaubt, in Rom zu sein. Ich habe mir bei meinen Aufenthalten in Tor Vergata einmal die Mühe gemacht, diese Stadtteile zu erkunden. Man gelangt überhaupt nur mit Mühe dahin: Man fährt die Metro der Linie A bis Endhaltestelle Anagnina und steigt dann noch einmal in einen Bus. Die Universität Roma II, Anfang der achtiger Jahre erbaut, um die Studenten aus dem Umland aufzunehmen, liegt mitten in einem dieser Wohngebiete, in denen man der großen sozialen Probleme schon beim ersten flüchtigen Blick ansichtig wird. Die Wahrnehmung von Rom ändert sich, wenn man sich auch einmal in diesen Gegenden bewegt. Deshalb hat mich der Dokumentarfilm so sehr angesprochen.
 
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