Spaziergang durch Rom - Addenda et Corrigenda

Wenn man die Steine und Münzen zu lesen versteht, wird Geschichte daraus.

Ja. Es ist sozusagen Geschichte zum Anfassen. Ach, eigentlich sammel' ich ja nicht Münzen, sondern das Wissen darüber. :)
Zur Zeit warte ich auf einen Republik-Quinar, der eng mit der Tiberinsel und dem Aeskulaptempel in Verbindung steht. Von letzterem bekommt man vor Ort eigentlich nichts mit... Aber das macht es gerade so interessant.


Hier ein Foto von der Seite Tempio di Cesare - Digitales Forum Romanum auf dem die Lage der archtitektonischen Überreste (links unterhalb der Bildmitte) zu erkennen ist.

Genau das isses. Da latscht man zigmal vorbei, und erst, wenn man sich intensiv beschäftigt, fällt es wirklich auf.

Grüsse
Rainer
 
Die Statue des Marsyas

Marsyas ist eine vielschichtige und komplexe Gestalt der antiken Mythologie, die eine weitaus wichtigere Stellung für die Stadt Rom und seine Bürger einnahm, als man das vermuten möchte. Seine Wurzeln stammen aus Phrygien, einer Region in der heutigen Türkei, wo er als Gott des gleichnamigen Flusses Marsyas nahe der Stadt Kalainai tätig war, die er im übrigen auch gegen die Galater beschützte. Es waren schliesslich die Griechen, die ihn dann kurzerhand zum Silen bzw. Satyr umfunktionierten, und ihn mit vielerlei Mythen und Geschichten bedachten. Die bekannteste von ihnen erzählt von einem Wettstreit unter Männern, namentlich zwischen Marsyas und Apoll. Den Stein ins Rollen gebracht hat aber die Göttin Athene, die vorher mal kurz eben die Flöte erfand, dieser aber schnell überdrüssig wurde, als sie merkte, dass ihr Anlitz durch das Flötenspiel entstellt wurde. Somit landete das Teil im Müll, worauf Marsyas darüber stolperte und Gefallen daran fand. Übermütig und grössenwahnsinnig forderte er den Gott auf der Kithara namens Apoll zu einem Musikwettbewerb heraus, wobei als Schiedsrichter die Musen tätig werden durften. Nach der instrumentalen Einlage beider Kontrahenten neigte sich die Waagschale Richtung der Herausforderers, jedoch bot der kluge Apoll noch eine gesangliche Zugabe, die ihm letztendlich den Siegeslorbeer einbrachte. Nun hatte man vorher vereinbart, dass der Gewinner mit dem Unterlegenen machen könne, was er wolle. Apoll hängte den armen Satyr an eine Fichte, dem heiligen Baum der Kybele, und liess ihm bei lebendigem Leibe die Haut abziehen. Mit dem dabei vergossenen Blut entstand dann der Fluss Marsyas, wie Ovid berichtet.

Von der blutigen Häutung des Marsyas erzählen zahlreiche Kunstwerke wie die Statuen des Marsyas aus dem Louvre in Paris bzw. im Kapitolinischen Museum zu Rom, aber auch ein Gemälde von Tizian.


Statue des Marsyas - Kapitolinisches Museum / Rom

Aber es existiert auch eine weniger blutige Darstellung des Satyrs. Auf dem Forum Romanum befand sich bereits zu republikanischen Zeiten eine Statue des Marsyas, der lässig einen "Weinschlauch" schultert und die rechte Hand zum freundlichen Gruss erhebt. Wann sie aufgestellt wurde, ist nicht bekannt, aber für das Jahr 273 v. Chr. wurde bereits eine solche Figur in der latinischen Kolonie Paestum nachgewiesen, wobei es sich um eine Bronzereplik des stadtrömischen Vorbildes handelte. Wie Servius berichtet, stand Marsyas unter dem Schutz des Gottes Liber; jenem alten Gott, der mit dem plebeischen Hügel, dem Aventin, assoziert war. Weitere antike Quellen erzählen uns, dass in damaliger Zeit in vielen Gemeinden italischen Rechts Statuen des Marsyas aufgestellt wurden, die im übrigen auch auf zahlreichen Provinzialmünzen belegt sind. Servius betont, dass die erhobene Hand des Satyrs sinnbildlich dafür stehe, dass es den Gemeinden an nichts fehlt. Der ominöse "Sack" wird grösstenteils als Weinschlauch bezeichnet. Meine Gedanken gehen jedoch dahin, dass es die abgezogene Haut des Geschundenen ist; ob er sie mit Wein gefüllt hat, lasse ich mal dahingestellt. Aber im Gesamtkonzept passt es sehr gut, dass Marsyas aus der Not eine Tugend gemacht hat und den Falerner "über das Volk ausschüttet". Zumindest hier besteht noch viel Interpretationsspielraum.

Die Statue stand sinnbildlich für die Freiheit aller Bürger der Römischen Republik, und so erhielt sie ihren Platz an der zentralen wichtigen Stelle des Forums, dem Ort des politischen Wirkens, dem Comitium. Nach neuesten Erkenntnissen vermutet man ihren genauen Platz dicht bei der Curia Hostilia neben dem Puteal - in etwa dort, wo der Lapis Niger zu finden ist. Alte Platzierungen, wie beispielsweise diejenige vom Modell des antiken Roms aus dem Museo della Civiltà Romana sind damit überholt.

Der Marsyas des Forum Romanums ist auch auf den plutei trajani abgebildet. Die Marmorreliefs zeigen ihn gleich zweimal. Diese doppelte Darstellung darf als Anhaltspunkt bzw. Verbindung der beiden Reliefs angesehen werden. Sie bieten nicht nur einen Blick über die damalige bauliche Situation des Forum Romanums, sondern beschreiben auch die rechtsstaatliche Ordnung und die Freigiebigkeit des Kaisers, die in der Alimentationsgruppe besonders zum Ausdruck kommt. Diese und auch die anderen Szenen wie das Congiarium, die kaiserliche Getreidespende, vermitteln in der Prominenz mit Marsyas das Konzept der Libertas. Von Trajan ist übrigens inschriftlich bezeugt, dass er seine Briefe mit der Abbildung des Marsyas zu siegeln pflegte. Andere Quellen berichten ferner darüber, dass die Bürger an der Statue des Marsyas Botschaften hinterliessen; ein Brauch, der uns ja von Pasquino bestens bekannt ist. Marsyas, die Freiheitsstatue Roms als Symbol für das römische Bürgerrecht.


plutei trajani


Natürlich kann ich auch die entsprechende Münze dazu vorstellen. Ein Denar der römischen Republik aus dem Jahr 82 v. Chr. zeigt auf seiner Rückseite die Statue des Marsyas mit dem "Weinschlauch". Rechts davon ist eine Statue auf einer Säule abgebildet, die allerdings nicht namentlich benannt werden kann, da der räumliche Kontext fehlt und die Figur nicht eindeutig identifizierbar ist. Ich arbeite daran...
Der Münzmeister Lucius Marcius Censorinus entstammte dem Geschlecht der Marsi, die angeblich ihren Namen auf Marsyas zurückleiten, doch wird diese These nach wie vor kontrovers diskutiert und ist nicht bewiesen.



Lucius Marcius Censorinus
Denar
82 v. Chr.
Av.: Kopf des Apollo n.r.
Rev.: L. CENSOR Marsyas steht m. "Weinschlauch" n.l.; r. Säule mit Statue
3,94 Gr.
Sydenham 737
Cr. 363
Anm.: Kleine Stempelbrüche auf dem Av., prachtvolle alte Patina

 
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Wieder einmal eine interessante Beschreibung, sowohl des Mythos als auch der entsprechenden Darstellungen auf Reliefs und Münze.

Warst du nicht auch vor ein paar Jahren in der Centrale Montemartini? Dort gibt es ja auch noch ein sehr schönes Relief von Apoll und Marsyas...
 
Vielen Dank für die Info.

Im MCM war ich schon zweimal, aber das Relief ist mir nicht aufgefallen. Ich habe es im Netz hier gefunden. Eine sehr schöne Darstellung. Weiterhin ist in Athen noch ein Relief zu bewundern; da ist noch zusätzlich der Skythe dargestellt, der später die blutige Tat ausführen durfte.

Grüsse
Rainer
 

Der Tempel des Asklepios

auf der Tiberinsel ist wieder so ein Bauwerk, von dem es keine Überreste gibt. Er gehörte zu einem heiligen Bezirk, der für Kult und Inkubation erforderlich war, und das in der Form eines flussaufwärts fahrenden Schiffes. Als im Jahre 293 v. Chr. in Rom eine Epedemie ausgebrochen war, befragte man die Sibyllinischen Bücher, wie man die Krankheit überwinden könne. Die Lösung war der griechische Heilgott Asklepios, den man jedoch erst einmal aus Epidauros, seiner bedeutendsten antiken Heilstätte, holen musste. Seine Therapie bestand vor allem in der Inkubation, dass heisst, die Kranken legten sich an heiliger Stelle nieder und bekamen im Traum Hinweise, welcher Heilmittel sie sich bedienen sollten, wenn die Heilung nicht schon vorher durch ein Wunder vollbracht war. Gemäß der Anweisung machte sich also eine Gesandtschaft auf nach Griechenland, und Asklepios folgte der freundlichen Einladung in die Urbs. Freiwillig segelte er in Inkarnation einer Schlage mit über das Meer und entlang des Tibers, bestimmte aber den Ort, wo er verweilen sollte, selbst. Wie es geschah, schildert uns Ovid:

Als zum Haupt der Welt, zu der römischen Stadt sie gelangt war,
richtet die Schlange sich auf, und oben gelehnt an den Mastbaum,
regt sie den Hals und späht umher nach gelegenem Wohnsitz.
In zwei Teile begibt sich der Strom mit umfliessenden Wellen -
Insel heisst die Statt, und neben dem Land in der Mitte
streckt er sich rechts und links mit zwei gleichmässigen Armen.
Dahin wendet sich jetzt zu gehen die phöbische Schlange
aus dem latinischen Kiel, und gekehrt in die himmlische Bildung
setzt sie dem Jammer ein Ziel und erscheint heilbringend der Hauptstadt.



Die Tiberinsel war nicht einfach so da, sondern entsprang getreu der römischen Tradition aus einer mystischen Sage. So soll sie im Anfang er römsischen Republik durch die Aufstauung des als sacrum den Unterirdischen geweihten tarquinischen Getreides entstanden sein. Das machte Sinn, denn bis dahin war sie unbewohnt und durch die sandigen Anschwemmungen auch nicht wirklich kultivierbar. So verwundert es nicht, dass sich bald nach dem Tempel noch andere Heiligtümer dort hinzugesellten. Livius berichtet uns von einem Tempel des Jupiter Iurarius, ein anderer wurde aus Strafgelder dem Faunus erbaut. Aber - viel wichtiger - auch die Flussgottheit Tiberinus hatte hier ihre Kultstätte, von derem lokalen Festtag im Dezember die amiternischen Fasten unterrichten. Der Tiber bedeutete für die Römer nicht nur die Grenze zur Abwehr von Feinden, nicht nur die Verbindung zur weiten Welt mittels der Schifffahrt, sondern auch Fruchtbarkeit. Darum verehrte man den Flussgott vor allem auch als Spender des lebenbringenden Wassers. Wenn Trockenheit herrschte ertönte von überall her der Ruf "Adesto Tiberine cum tuis undis!" - Erscheine, Tiberinus, mit deinen Wellen!


Sämtliche Tempelanlagen, von welchen die Insel ausschliesslich in Anspruch genommen war, sind verschwunden, und schon seit dem frühen Mittelalter sind moderne Gebäude an ihre Stelle getreten. Heute heisst die Insel von der Kirche des hl. Bartholomaeus, die auf den Resten des Asklepiostempels errichtet wurde, "Insula di S. Bartholomeo".




Was noch erhalten ist, sind die travertinverkleideten Peperinblöcke an der Ostspitze, die, als Schiffsbug ausgebaut, eine um einen Stab gewundene Schlange, einen grottig erhaltenen Kopf des Asklepios und ein stierkopfartiges Element für die Vertäuung zeigen.




Ein Kupferstich aus dem frühen 17. Jahrhundert zeigt die Tiberinsel als Phantasieschiff. Auf der linken Seite erkennt man den Tempel des Asklepios; die Sakralbauten auf der rechten Seite sind archäologisch nicht nachweisbar. Man weiss lediglich von einem Obelisken in der Mitte, der wie ein Schiffsmast gewirkt hat.



Ein Quinar der Republik aus dem Jahre 87 v. Chr. ist dem Gesamtkomplex von Asklepios und der Tiberinsel gewidmet. Auf seiner Vorderseite ist der Kopf des Neptun mit Dreizack abgebildet, der unter anderem auch für die fliessenden Gewässer und damit auch für den Tiber zuständig war. Die Rückseite zeigt den Altar des Asklepios unmissverständlich durch die sich um ihn windende Schlange. Vor ihm eine mit Kranz und Palmzweig schreitende Victoria, deren genaue Bedeutung noch nicht abschliessend geklärt ist. Nach Grueber "Coins of the Roman Republic in the British Museum" bezieht sie sich auf die damals abgehaltenen Spiele, auf die die Denare des Dossenus Bezug nehmen, die jeweils Jupiter, Juno und Minerva in Triumphialquadrigen zeigen. Ebenso möglich wäre eine direkte Verbindung zu einem damaligen Ereignis, beispielweise einer Seuche, die besiegt werden konnte. Es könnte sich natürlich auf den generellen Sieg (i.S.v. Grösse und Macht) der Medizin beziehen; wie so oft ist hier weiterhin der Forschungsgeist gefordert.



L. Rubrius Dossenus
Quinar
Rom
87 v. Chr.
Av.: Kopf des Neptun mit Lorbeerkranz n.r., dahinter Dreizack; DOS SEN
Rev.: Victoria mit Kranz und Palmzweig nach rechts schreitend, davor Altar, um den sich eine Schlange windet, L RVBRI
1,89 Gr.
Cr. 348/4
Syd. 708

Der (Silber)Quinar war eine römische Silbermünze und wurde ca. 211 v. Chr. nach der ersten Münzreform eingeführt. Als Untereinheit des neu eingeführten Denares, der neuen Standardmünze des römischen Reiches, lag sein Wert bei 1/2 Denar und wog ursprünglich etwas unter zwei Gramm. Da der römische Münzfuss auf dem As basierte, besass er einen Umrechnungskurs von fünf Assen; die ersten Ausgaben des Quinars waren daher mit der Wertzahl V versehen.
 
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Die Quelle der Iuturna

Der Lacus Iuturnae wird erstmals erwähnt von Frontinus in seinem Werk "De Aquis Urbis Romae", das sich mit der Wasserversorgung der Stadt Rom beschäftigt. Bevor der Censor Appius Claudius den Aquaedukt erfand, mussten die Römer ihr Wasser aus dem Tiber, Brunnen und den wenigen Quellen auf dem Stadtgebiet schöpfen. Die wichtigste davon entsprang direkt am Fuss des Palatin auf dem Forum Romanum. Damals wie heute war die Versorgung mit Trinkwasser für die Stadt und ihre Einwohner überlebenswichtig, so dass man die Quelle getreu der römischen Tradition umgehend unter Schutzherrschaft stellte, damit sie auch schön weitersprudelt. Aber schon damals war der Vorrat an Göttern, die sich um solche Belange kümmerten, aufgebraucht, und so musste man sich über die Grenzen der Stadt hinaus bemühen, um etwas passendes zu finden. Die Wahl fiel schliesslich auf die Quellnymphe Iuturna, und da brauchte man gar nicht weit zu gehen, hatte sie doch ihren Wirkungsort in Lavinium, dem religiösen Zentrum des latinischen Städtebundes - nur wenige Kilometer von Rom entfernt und romantisch an der Küste gelegen. Bedingt durch die innige Freundschaft mit Jupiter - nach Ovid hatte er sich sogar in die Schöne verliebt, wurde ihr die wichtige Aufgabe zuteil, sich um die Quellen, Teiche und Flüsse zu kümmern. Genau das brauchte man in Rom gerade, und kurzerhand wurde der Kult in die Urbs übertragen, wo Iuturna fortan über die Quelle ihre schützende Hand hielt.

So ist es nicht verwunderlich, dass sich ein ganzer Komplex von Mythen und Geschichten rund um diese Quelle zusammenfand. Castor und Pollux, die beiden Dioskuren, wurden ebenfalls involviert. Als Überbringer guter Nachrichten passten sie prima in das Gesamtkonzept. Darüber hinaus galt das Wasser der Iuturna als heilkräftig, wodurch schon eine gewisse Verbindung zu den Dioskuren bestand, die man bei Krankheiten anrief, und von denen es hiess, dass sie durch Träume Kranke heilten. Aber dies ist eine andere Geschichte, und den beiden Reitern, die durch die Stadt wuselten, und denen wir auch im heutigen Rom immer wieder begegnen, soll ein eigenes Kapitel vorbehalten sein.

Zurück zur Quelle, die schon in republikanischer Zeit in ein fast quadratisches Marmorbecken gefasst war. Hier standen zwei Statuen der Dioskurenzwillinge, die nach der Schlacht am See Regillus, als sie die Römer gerettet hatten, hier ein zweites Mal erschienen, um ihre Pferde zu tränken. Damals tobte der erste Latinerkrieg, der nur lückenhaft und in legendärer Form überliefert ist. Der Sage nach gelang es den Römern, die von den Latinern hochverehrten Dioskuren auf ihre Seite zu ziehen, sie nach dem Sieg nach Rom zu schicken, wo sie ihre Pferde am Lacus Iuturnae tränkten, ehe sie die frohe Siegesbotschaft der Stadt verkündeten. Nicht zuletzt zeugt der in unmittelbarer Nähe errichtete Dioskurentempel, der in besagter Schlacht gelobt wurde, von den Zusammenhängen.

Die Quelle der Iuturna ist eines der letzten wichtigen Baudenkmäler des Forum Romanums, das restauriert und der Öffentlichkeit erst im Jahre 2015 zugänglich gemacht wurde. Im Wasserbecken finden wir eine Kopie des Marmoraltars aus dem 2. Jh. n.Chr., welcher im Brunnen gefunden wurde. Hier ist die ganze Sippe nett vereint: Dargestellt sind auf seiner Front die Dioskuren auf ihren Lanzen gestützt, an den Seiten aber auch ihre mythologischen Eltern Zeus und Leda mit ihrem aufwirbelndem Gewand und schliesslich rückseitig Helena, die Schwester der Zwillinge.






Das Original des Altars, aber auch die beiden Statuen der Dioskuren wurden 2015 im Rahmen einer kleinen Sonderausstellung im "Tempel des Romulus" ausgestellt. Die Bruchstücke der Reiterstandbilder lassen in ihrem etwas aufgelockerten Stand der Figuren und der archaischen Darstellung erkennen, dass sie bereits in der ersten Hälfte des 5. Jh. v.Chr. als Arbeit eines grossgriechischen Meisters erschaffen wurden. Sie überlebten viele Jahrhunderte bis zum Verfall des Forums. Ausserdem wurde ein Puteal mit einer Weihinschrift des M. Barbatius Pollio gefunden, der zu Zeiten des Augustus kurulischer Ädil war.









Diese und viele andere prachtvolle im Forum ausgegrabene Relikte werden im Antiquarium aufbewahrt. Es ist das Museum des Forum Romanums, und es ist vielen deswegen kein Begriff, weil es seit vielen Jahren geschlossen ist. Ich warte auf die geplante Wiedereröffnung, die bereits 2016 als 'Museo del foro romano' angekündigt wurde. In Italien ticken die Uhren bekanntlich anders; ein Artikel von September 2018 versprach dann wiederum eine bevorstehende Eröffnung für das Jahr 2019 im Rahmen des geplanten "Archäologischen Park des Kolosseums". Nun ist schon fast Weihnachten, und eigentlich hatte ich mich bei meiner bald anstehenden Romreise auf die Besichtigung gefreut. Tja, auch das ist Rom...


Immerhin bleibt mir noch eine schöne Münze. Ein seltener Denar der Republik zeigt auf seiner Rückseite die Dioskuren, die an der der Quelle der Iuturna ihre Pferde tränken. Die Brunnenfassung kann natürlich nicht mit dem oben gezeigten Puteal aus der augusteischen Zeit übereinstimmen, doch ist anzunehmen, dass auch zu Zeiten der Prägung der vorliegenden Münze eine solche vorhanden war.



C. Poblicius Malleolus, A. Postumius Sp. f. Albinus and L. Metellus
Denar
Rom
96 v. Chr.
Av.: Kopf des Apollon mit Lorbeerkranz n. r., links Stern, rechts X - ROMA
Rev.: Die Dioskuren tränken ihre Pferde am Brunnen der Iuturna, über den Köpfen jeweils Stern, links Mondsichel, - A ALBINVS S F
Craw. 335/10a
Syd. 612
 
Der Tempel der Vesta

Der Tempel der Vesta gehört zusammen mit dem Haus der Vestalinnen und der Regia zu einem Komplex im Herzen des Forum Romanums. Die Regia war ursprünglich Teil eines Königspalastes; in späteren Zeiten residierte hier der Pontifex Maximus. Die Vestalinnen wohnten gleich nebenan und gleichermassen nahe der heiligen Tempelstätte, die zu behüten sie gelobt hatten.

Das Heiligtum gilt als eines der ältesten und vornehmsten Sakralbauten Roms, denn der Ursprung des Vesta-Kultes reicht weit zurück in die Zeit der ersten Könige. Der Sage nach sei bereits die Mutter des Romulus, Rhea Siliva, Vestalin gewesen. Der legendären Überlieferung zufolge soll Numa Pompilius, dem das Kultleben Roms sehr am Herzen lag, den Vestatempel errichtet haben. Er war es auch, der das ältere königliche Feuer auf das Feuerheiligtum der Vesta übertragen hat. Es war kein zerstörendes Feuer wie das des Vulcanus, sondern ein warmes, lebendspendendes, das auch im häuslichen Herd glühte. Das Herdfeuer galt als Symbol von Frieden und Wohlergehen und war umschliessendes Sinnbild wohlgeordneter Verhältnisse. So wurde Vesta, die neue Beschützerin des Herdfeuers, die im übrigen kein anthropomorphes Kultbild besass, in Gestalt des heiligen Feuers in ihrem Tempel verehrt.


Zum Tempel gehörte ein Nebenraum, in dem nicht nur die Kultmittel aufbewahrt wurden, sondern auch die sacra, die heiligen Gegenstände. Es handelt sich dabei um die sogenannten pignora imperii, Unterpfänder des Reiches, die den göttergewollten Fortbestand der römischen Herrschaft garantierten. Darunter befand sich das troische Palladium, ein archaisches Götterbild, das die Form einer Statuette der der stehenden, bewaffneten Pallas Athena hatte. Der Sage nach ist sie einst als Gabe der Athena vom Himmel gefallen und versprach der Stadt, in der es sich befand, Schutz. So gelang die Eroberung Trojas erst, als der listenreiche Odysseus das Palladium in seinen Besitz bringen konnte. Schliesslich wurde es Aeneas, dem legänderen Stammvater Roms, ausgehändigt, dem es sodann gelang, den troischen Talisman zusammen mit seinem greisen Vater sicher aus dem brennenden Ilion zu schaffen. Von dort gelangte das Palladium dann nach Italien, wo es letztendlich im Vestatempel seine neue Heimstätte fand.

Auf einem Denar der Sabina ist rückseitig Vesta dargestellt, die in ihrer Hand das Palladium hoch hält. Die Vorderseite zeigt das zänkische Eheweib des Hadrian übrigens mit ihrer ganz besonderen und bei Münzsammlern beliebten 'Hochsteckfrisur'.



Sabina
Denar
Rom
128-134 n. Chr.
Av.: Drapierte Büste mit Diadem n. r. - SABINA AVGVSTA HADRIANI AVG P P
Rev.: verschleierte Vesta sitzt mit Szepter und Palladium n. l.
2,57 Gr.
RIC 413a

Über die wichtige Relique wachte ein weibliches Sextett, die Vestalinnen. Der Kult wurde von sechs jungfräulichen Priesterinnen besorgt, die in klösterlicher Abgeschiedenheit im Atrium Vestae auf dem Forum lebten. Bereits im Alter zwischen sechs und zehn Jahren wurden die Mädchen vom Pontifex Maximus aus patrizischen Familien "ergriffen" (lat. capere) und den Vestalinnen zur Erziehung übergeben, so dass es nicht an Nachwuchs für das spätere Amt mangelte. Damit waren sie nicht nur der väterlichen Gewalt entzogen, sondern auch aus der gesamten römischen Rechtsordnung ausgegliedert. Nunmehr unterlagen sie ausschliesslich dem priesterlichen Recht- und Sittenkodex mit all seinen Vor- und Nachteilen. Sie genossen die Vorrechte eines volljährigen männlichen Bürgers und konnten ihre Geschäfte ohne Vormund erledigen. Wenn sie öffentlich erschienen, ging ein Liktor vor ihnen her. Diese Sonderstellung im römischen Sozialgefüge bezahlten sie jedoch mit dem Verlust ihrer persönlichen Freiheit. Dreissig Jahre dauerte der Dienst; danach durften sie in ihre Familie zurück oder eine eigene gründen, ersatzweise konnten sie auch in einem Anbau als erfahrene Gehilfin weiterleben. Viele zogen letzteres vor und blieben ihr Leben lang der Vesta treu. Ihre wichtigste Aufgabe war die Unterhaltung des heiligen Feuers, das inmitten des Tempels brannte. Erlosch dieses, so bedeutete das nicht nur Unheil und verkündetet den Untergang der Stadt, sondern auch Rutenstreiche für die unachtsame Vestalin, die es verlöschen liess. Schlimmer traf es jedoch diejenige, die das Gelübde der Keuschheit verletzte. Dieser gesellschaftliche "Super-Gau" galt als verabscheuungswürdiges Verbrechen, ein crimen incestum, das Unheil über das Gemeinwesen zu bringen drohte. Aus diesem Grund musste das schwarze Schaf von der Herde getrennt und aus der Gesellschaft eliminiert werden. Da ihr Blut nicht vergossen werden durfte, wurde die Sünderin am Rande der Stadt lebendig begraben.


Die heute noch sichtbaren Reste stammen von der letzten Restaurierung, die Julia Domna, die Frau des Septimius Severus, im Jahre 191 n. Chr. durchführen liess. Der Tempel erhob sich auf einem runden Marmorpodium aus der augustäischen Zeit, darüber standen korinthische Säulen, und ein Spitzdach mit einer Öffnung in der Mitte rundete den Bau im wahrsten Sinne des Wortes ab. Der Tempel brannte im Laufe der Jahrhundete mehrmals ab, was natürlich dem ständig brennenden Feuer zu verdanken war, doch seine runde Grundstruktur hielt er über die lange Zeit bei. In der frühesten Zeit war er sicherlich nur eine einfache Hütte. So stellte ihn sich auch Ovid vor - vielleicht wusste er es sogar aus der Überlieferung - und schrieb: Jetzt siehst du ehern das Dach, das einstmals mit Stroh nur gedeckt war; zäh aus Weidengeflecht waren die Wände erbaut.


Das ursprünglich kleine Haus der Vestalinnen wurde nach dem Brand von 64 n. Chr. wieder aufgebaut und vergrössert. Es umfasste nun auch die öffentliche Domus des Pontifex Maximus. Vom Mittelhof mit Laubengang und zahlreichen Statuen gingen verschiedene Räume ab, die in mehreren Stockwerken übereinander lagen.



Im Jahr 55 v. Chr. wartete der Münzbeamte Q. Cassius Longinus mit einer ganz besonderen Überraschung auf, als er auf einem Denar gleich zwei bemerkenswerte Taten eines Vorfahren darstellen liess. Die Rückseite der Münze zeigt den Tempel der Vesta; in seinem Inneren steht der elfenbeinerne Amtsstuhl (sella curulis), auf dem die höheren Beamten Platz zu nehmen pflegten, wenn sie in offizieller Funktion agierten. Rechts daneben ist eine Stimmtafel (tabella) mit der Aufschrift A(bsolvo = ich vergebe) und C(ondemno = ich verdamme) abgebildet, links des Tempels steht die dazugehörende Wahlurne (cista).

Mit diesem Motiv rief der Münzmeister den Prozess gegen die Vestalinnen in Erinnerung, den sein Urgrossvater geführt hatte. Man hatte drei Vestalinnen der Unzucht angeklagt, und nach Ansicht des Volkes war das Urteil des Pontifex Maximus zu milde ausgefallen. Besagter Urahn, der für seine Strenge bekannt war, wurde daraufhin mit der Wiederaufnahme des Prozesses beauftragt und die Sünderinnen ihrer gerechten Strafe zugeführt.

Andererseits erinnert die Abbildung der Stimmtafel und der Wahlurne daran, dass der Vorfahr in seiner Eigenschaft als Volkstribun jene Gesetzesinitiative eingebracht hat, die als Lex Cassia, die Abstimmung durch Stimmtafeln beim Volksgericht, in die Geschichte einging. Nicht umsonst hat Cicero die Stimmtäfelchen als "Bürgen der Freiheit" bezeichnet.



Q. Cassius Longinus
Denar
Rom
55 v. Chr.
Av.: Kopf der Vesta mit Schleier n. r. - Q. CASSIVS - VEST
Rev. Rundtempel der Vesta; sichtbar sind sechs Säulen; auf der Spitze des mit Längsstreifen gegliederten Daches Statue mit Patera und Szepter; beidseitig an der Dachunterkante Greifenprotome(?). Im Innern sella curulis, im Felde l. Wahlurne, r. Stimmtäfelchen mit A(bsolvo) C(ondemno).
3,81 Gr.
Cr. 428/1
Syd. 917
 
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Ich habe noch einen sehr interessanten Kupferstich als Replikat in meiner Sammlung gefunden, den ich nicht vorenthalten möchte..

Ein Kupferstich aus dem frühen 17. Jahrhundert zeigt die Tiberinsel als Phantasieschiff. Auf der linken Seite erkennt man den Tempel des Asklepios; die Sakralbauten auf der rechten Seite sind archäologisch nicht nachweisbar. Man weiss lediglich von einem Obelisken in der Mitte, der wie ein Schiffsmast gewirkt hat.




Jetzt habe ich fast alle Änderungen bzw. Neuigkeiten in meinen Spaziergang eingearbeitet. Dabei habe ich einige Postings von mir gelöscht, aber so, dass es nicht aus dem Zusammenhang gerissen wird. Irgendwann muss ich dann mal die römischen Zahlen ändern, aber da kommt ja noch so einiges...

Grüsse
Rainer
 
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Das Forum muss man sich echt "erarbeiten".

Goethe hat es bei seiner italienischen Reise I sehr schön formuliert:

"Gestehen wir jedoch, es ist ein saures und trauriges Geschäft, das alte Rom aus dem neuen herauszuklauben, aber man muß es denn doch tun und zuletzt eine unschätzbare Befriedigung hoffen. Man trifft Spuren einer Herrlichkeit und einer Zerstörung, die beide über unsere Begriffe gehen. Was die Barbaren stehen ließen, haben die Baumeister des neuen Rom verwüstet."
 

Die Lupa Romana

Die römische Wölfin ist wohl das bekannteste Symbol für die Stadt Rom. Ungebrochen seit der römischen Zeit verkörpert die Lupa Romana die göttliche Herkunft des Stadtgründers Romulus, den Sohn des Kriegsgottes Mars, sowie des Ewigkeitsanspruchs, der aeternitas, der Stadt und des Imperiums. Sie ist nicht nur ein ausserordentlich beliebtes Motiv auf Münzen und Medaillen, sondern wurde auch als Propaganda von Mussolini verwandt und diente als Emblem den olympischen Spielen 1960. Allgegenwärtig ist das Muttertier beim Säugen von Romulus und Remus im Stadtbild Roms: an den Lieferwagen des Frischmilchvertriebs von Lazio, als Emblem an den Eimern der städtischen Müllabfuhr und an den Schals und Tattoos der Tifosi von SR Roma.

Die Lupa Romana steht eng mit der mythologischen Stadtgründung in Verbindung, von der es einige Versionen gibt. Die bekannteste erzählt Fabius Pictor, wonach die beiden Zwillinge Romulus und Remus in einem Floß auf dem Tiber ausgesetzt wurden, das schliesslich am Palatin strandete. Ein Wölfin, ein dem Mars heiliges Tier, fand die beiden und säugte sie, bis sie schliesslich von dem Hirten Faustulus und dessen Frau aufgezogen wurden. Als sie erwachsen waren, gründeten sie eine neue Stadt. Da sie sich friedlich nicht einigen konnten, wer die Stadt regieren sollte, tötete Romulus seinen Bruder im Laufe eines Streits. König der neuen Stadt wurde Romulus, nach dem die Stadt Rom benannt ist.



Die kapitolinische Wölfin

Der aufmerksame Romreisende wird sicherlich an jene Bronzegruppe denken, die er beim Besuch des Kapitols und der Kapitolinischen Museen entdeckt hat. Die bildgewordene Rom-Gründung, das Sinnbild der Romanità hat allerdings einen Haken. Noch vor wenigen Jahren galt die Kapitolinische Wölfin unbestritten als etruskisches Werk. Zweifel tauchten auf, als die Lupa für das Jubeljahr 2000 im neuen Glanz erstrahlen sollte. Die Restauratoren entdeckten, dass die Bronze nicht antik sein kann, weil es sich um ein Wachsschmelzverfahren in einem Guss handelt; eine Technik, die erst im christlichen Mittelalter aufkam. Aufschluss über das tatsächliche Alter der Figur gab dann 2012 eine Radiokarbon-Untersuchung: Die Bronzeskulptur entstand erst im 11. oder 12. Jahrhundert.



Aber wer ist dann diese Wölfin, die uns so unverwandt und zähnebleckend entgegenblickt?

Es könnte sich um das Wappentier der Grafen von Tusculum handeln, die im Hochmittelalter zu Roms führenden Patriziern gehörten. Acht Päpste stellte die Familie, die es darüber hinaus verstand, die Kurie über Mätressenwirtschaft gefügig zu halten. Dieser Typ von Nobilität war der geborene Feind republikanisch gesinnter Bürger. 1191 griffen römische Bürgermilizen die Stadt Tusculum an und zerstörten sie zusammen mit der Burg der Grafen. Die Kapitolinische Wölfin, in der wir das ehrwürdige Symbol von Senat und Republik von Rom verehren, könnte also eine Kriegstrophäe von Bürgern sein, die einen Adelssitz geplündert hatten.

Eine andere These mit politischem Hintergrund besagt, dass die Römer die Statue selbst gegossen haben sollen. In den Jahren 1143/1144 kam es in Rom zu Aufständen der Stadtbevölkerung gegen die Stadtherrschaft des Papstes. Die römischen Bürger besonnen sich ihrer antiken Vergangenheit und errichteten einen neuen Senat, der von nun an vom Kapitol aus die Geschicke der Stadt lenken sollte. Die mittelalterliche Nachbildung der Wölfin war damit ein klares Signal an den Papst: Die Römer sahen sich als Nachfahren von Romulus und Remus, als freie und selbstbestimmte Bürger.

Dass die Zwillinge unter den Zitzen der Lupa aus der Renaissance stammen, hatte man schon länger gewusst. Sie entstanden im Auftrag von Papst Sixtus IV, der die Bronze im Jahr 1471 auf das Kapitol versetzen ließ. Damit bekräftigte der Pontifex, dass er nicht nur der Oberhirte über die Christen auf dem Erdkreis, sondern auch der weltliche Herrscher Roms sei.


Abb.: H. Luckenbach, Kunst und Geschichte. Große Ausgabe, 1. Teil: Altertum. München/Berlin 9. Aufl. 1913, 108.



Die antike Lupa-Zwillinge-Gruppe

Und was ist mit jener Bronzewölfin, von der Titus Livius, Cicero, Dionysios von Halikarnass und andere berichten? In der Tat hatte mindestens eine im alten Rom gestanden. Nach einer literarisch bezeugten Weihung durch ogulnische Aedile im Jahre 296 v.Chr. befand sich ein Monument der Lupa-Zwillinge-Gruppe im Lupercal, einer Höhle am Fusse des Palatin, neben der Ficus Ruminalis. Diese Statuensetzung ist der erste chronologisch ganz sichere Anhaltspunkt für die Verbreitung der Zwillingslegende in Rom überhaupt. Derselbe Quintus Ogulnius Gallus, der zusammen mit seinem Bruder als Aedil die Aufstellung der Statuengruppe veranwortet hatte, liess wohl als Konsul im Jahre 269 v.Chr. die erste römische Silbermünze mit dem Bild der die Zwillinge säugende Wölfin schmücken. (vgl. auch unten: "Die römische Wölfin auf den Münzen")

Ebenfalls soll auf dem Comitium am Forum Romanum eine solche Gruppe gestanden haben, wie Plinius erzählt. Weiterhin berichtet Cicero von der Statue einer Wölfin, die im Jahr 65 v. Chr. von einem Blitz getroffen wurde. Nach den antiken Zeugnissen wendet sich das mütterliche Tier stets besorgt nach den Kleinen um, und sieht damit ganz anders aus als die oben erwähnte Kapitolinische Wölfin. Ob es sich tatsächlich um zwei verschiedene Monumente gehandelt hat, oder ob die Gruppe im Laufe der Zeit ihren Standort gewechselt hat, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden.

Nach Klaus Stefan Freyberger (Das Forum Romanum) stand die Gruppe auf dem Comitium in unmittelbarer Nähe zur Ficus Ruminalis und der Statue des Marsyas. So wird der ein oder andere gleich an die Abbildung auf den plutei traiani denken. Hier sind nur die erwähnten beiden abgebildet, doch das Fehlen der Lupa-Zwillinge-Gruppe bedeutet nicht, dass sie nicht auch zu trajanischer Zeit dort stand. Es fällt auf, dass die Kulisse des Forum Romanums zwar baulich korrekt wiedergegeben ist, aber aus der ungeheueren Fülle von Monumenten, die in trajanischer Zeit auf der Platzanlage standen, nur Marsyas und der Feigenbaum abgebildet sind. Diese zeugen von Libertas und Liberalitas und stehen damit im Kontext der gesamten Darstellung, die in ihrem Hauptmotiv die Alimentatio Italiae und die Adlocutio beschreiben. Die Abbildung der Wölfin mit den Zwillingen als Sinnbild der Stadtgründung hätte bei diesem politisch propagandistischen Hintergrund keinen Sinn ergeben.

Über den Verbleib der originalen lupa-Zwillinge-Gruppe trägt Maria Radnoti-Alföldi Indizien zusammen, wonach sie zunächst 455 n.Chr. von den Vandalen geraubt und nach Karthago verbracht worden, nach der Rückeroberung Nordafrikas in Belisars Triumph nach Konstantinopel gekommen sei, wo sie, zusammen mit vielen anderen antiken Monumenten, im Hippodrom gestanden habe - bis sie 1204 der Eroberung durch die westlichen Kreuzfahrer zum Opfer fiel. Sie soll im Schmelzofen gelandet sein, um daraus Kupfermünzen zu schlagen.




"La Lupa del Campidoglio"

Es gab sogar noch eine weitere römische Wölfin, von deren Existenz die meisten jedoch nichts wissen, da sie schon in der zweiten Hälfte der 1950'er verschwand. Am 28. August 1872 beschloss der Stadtrat von Rom unter dem Vorsitz des Bürgermeisters Pietro Venturi, eine lebende Wölfin als Wahrzeichen Roms auf dem Kapitolshügel in einer speziellen Hütte unterzubringen und sogar die Kosten für ihren Unterhalt festzulegen; 23,50 Lire pro Monat. Er stellte dafür einen Hausmeister ein, der nicht weit entfernt eine Wohnung hatte.





Das war nicht das erste Mal, dass ein lebendes Wildtier als Symbolträger Einzug in die ewige Stadt fand. Bereits zu Beginn des fünfzehnten Jahrhunderts wurde auf dem Kapitol ein Exemplar eines Löwen, damals das Symbol der Stadt, aufbewahrt. Es dauerte nicht lange, bis es dem Tier an einem Sonntagmorgen im Jahr 1414 gelang, die Freiheit zu erlangen und mehrere Kinder zu töten oder zu verstümmeln.

Die Wölfin wurde sofort zu einer Attraktion, vor allem für die Kleinen, die stehen blieben, um sie beim Hin- und Hergehen in dem engen, feuchten und dunklen Käfig zu beobachten. Sein Verhalten ist der Ursprung des Ausdrucks "me pari la lupa der Campidojo", der in Rom von einem ruhelosen Menschen, der nicht stillstehen kann, verwendet wird.

Anfänglich hatte der Wolf sein Domizil gleich neben der Cordonata, der grossen Freitreppe Michelangelos, die zum Kapitolsplatz führt.





1935 verlegte man den Käfig dann direkt an die Via Teatro di Marcello am Abhang des Tarpejischen Felsens, wo die arme Kreatur nun auch noch dem Verkehrslärm der grossen Strasse ausgesetzt war. Zu allem Überfluss kam jetzt auch noch ein Adler hinzu, der in einem weiteren Käfig zur Schau gestellt wurde. Der Ort liegt in etwa zwischen dem Kapitol und dem Marcellustheater. Grundsätzlich steht eine Unmenge an Stadtbussen nebst einer grossen Anzahl hektischer Passanten genau davor, so dass man meist achtlos vorübergeht.




Es sollte bis 1954 dauern, als eine gerade mal dreijährige Wölfin nach kurzer Qual und trotz der Fürsorge des Zootierarztes Dr. Bartolino verendete und heftige Diskussionen in der Stadt auslöste. Trotz der zahlreichen Inventionen wurde nur der Käfig vergrössert und artgerechter ausgestattet; statt der Wölfin fiel die Wahl nunmehr auf ein männliches Tier. Doch einige Jahre später endete der Brauch dann glücklicherweise endgültig, und der leere Käfig wurde von einem Baum beschattet, den Prinz Baldassarre Odescalchi 1911 aus Argentinien mitbrachte.



Die Ficus Ruminalis

Der Legende nach Plutarch zufolge wurden Romulus und Remus unter einem Feigenbaum am Tiber gefunden, wo sie die Wölfin fand und säugte - der Name wird meist von (alt)lateinisch rumis ("Zitze") abgeleitet. Eine andere These berücksichtigt die jüngere lateinische Übersetzung mit "Mamma". Beides meint nicht die Brüste, sondern nur die Brustknospe. In Verbindung mit Feigengewächsen hatte das schon im alten Ägypten seine Bedeutung. Ritzt oder schneidet man sie, läuft weisser Milchsaft aus. Feigenbäume wurden als nährende Mütter gesehen. Ist die Ficus also ein säugender Baum, ein "Zitzenbaum"? Kein Wort davon - die Säugende ist ja die Wölfin, aber sie wird nicht "ruminalis" genannt!

Ebenso wie die Statuengruppe der Wölfin mit den Zwillingen ist auch für die Ficus Ruminalis der Standort des Comitiums überliefert. Dieser ist auf den plutei traiani abgebildet.




"Mit Verehrung gepflegt wird ein Feigenbaum, der auf dem Forum selbst, und zwar auf dem Versammlungsplatz (comitium) gewachsen ist, [...] daneben ist ein Wunderbild in Erz geweiht, als wäre der Feigenbaum selbst zum Versammlungsplatz gekommen, wobei Attus Navius Augur war." (Plinius)

Auch soll auch eine Ficus Ruminalis am Lupercal gestanden haben, wie Ovid berichtet. Nach Wisemann bildeten die beiden Bäume möglicherweise sogar die Endpunkte des Luperkalienlaufes und standen somit auch in einer rituellen Beziehung.

Wenn der Baum einging, wie nach Tacitus Überlieferung in der Regierungszeit Neros geschehen war, galt das als ausserordentlich schlechtes Omen und sorgte für entsprechende Unruhe. Die Priester hatten dann schnell einen neuen Setzling auszubringen. Plinius beschreibt diese Neupflanzung als eine übliche Praxis. Die rituelle Neupflanzung verdeutlicht die zentrale Bedeutung des Baumes als Symbol der Fortdauer des römischen Staates.

Im 20. Jahrhundert wurden auf dem Comitium wieder drei Feigenbäume am mutmaßlichen Standort angepflanzt.



Die römische Wölfin auf den Münzen

Das Beste natürlich zum Schluss. Zahlreich sind die Münzabbildungen der Lupa Romana mit den Zwillingen auf den Prägungen der römischen Zeit, die von der Republik bis in die späte Kaiserzeit reichen. Die älteste Darstellung finden sich auf republikanischen Didrachmen von ca. 269 v.Chr. Diese in Anlehnung an die hellenistische Welt geschaffenen Silbermünzen begünstigten den Aufstieg Roms zu einem wichtigen Handelszentrum der antiken Welt. Geprägt wurden sie auf Betreiben des Konsuls Quintus Ogulnius Gallus, der als als kurulischer Ädil aus Strafgeldern für Wucher 296 v.Chr. das bronzene Denkmal der Lupa-Zwillinge-Gruppe 296 errichten liess. (Vgl. oben: "Die antike Lupa-Zwillinge-Gruppe")


Foto: ACSearch



Eine der interessantesten Prägungen stammt aus dem Jahr 137 v.Chr. Ein republikanischer Denar des Münzmeisters Sextus Pompeius Faustulus zeigt auf seiner rückseitigen Darstellung das gesamte Ensemble der römischen Wölfin mit den Zwillingen nebst der Ficus Ruminalis. Am linken Rand kann man gerade noch den Hirten Faustulus erkennen, der als Urahne der Familie des Monetarius gilt. Dieser gehörte der gens Pompeia an, die aus Picenum nordöstlich von Rom stammte. Der Name der Landschaft wird von picus (Specht), dem Mars heiligen Vogel, abgeleitet, und so ist es nicht abwegig zu behaupten, dass auf dem Feigenbaum auch ein ebensolcher Vogel zu erkennen ist. Somit vermittelt die Münze nicht nur einen Eindruck des Monumentes, sondern erzählt einen Teil der mythologischen Gründungsgeschichte Roms und verweist nebenbei noch auf die Herkunft des Münzmeisters. Mehr kann man auf einem gut 19 Milimeter kleinen Silberstück wohl kaum abbilden.




Übrigens, eine Darstellung der Lupa-Zwillinge-Gruppe findet sich auch auf auf der Hafenszene des berühmten Torlonia-Reliefs. Das Orginal ist vom 04.04.2020 bis zum 10.01.2021 im Kapitolinischen Museum in Rom im Rahmen der Sonderausstellung "The Torlonia Marbles - Collecting Masterpieces" zu bewundern.
Grüsse
Rainer
 
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Rom hat im Laufe seiner Jahrhunderte als politisches und religiöses Zentrum des römischen Reiches unzählige Tempel, Heiligtümer und Denkmäler erlebt. Augustus selbst berichtet in seiner Res Gestae, dass er bald nach dem Sieg bei Actium nicht weniger als 82 Tempel der Stadt restauriert und "keinen ausgelassen habe, der der Reparatur bedurfte". Gleichzeitig liess er noch 80 Bildnisstatuen von sich selbst einschmelzen. Und die Liste der stadtrömischen Ehrenstatuen aus republikanischer Zeit, die Plinius in seiner Naturgeschichte beschreibt, scheint so endlos lang wie die Berichte anderer historischer Schriftsteller über die vielen Bauten Roms. Die antiken Hinterlassenschaften, die sich heute dem Besucher der Stadt präsentieren, stellen nur einen winzigen Teil von dem dar, was Rom im Laufe der Zeit hervorgebracht hat. Von wenigen Stätten wissen wir beinahe alles, andere sind nur fragmentarisch erhalten oder ausschliesslich durch die niedergeschriebene Geschichte bekannt. Oder von den Münzen...



Das "Standbild der Desultores"

ist ein solches Ehrenmal, das ausschliesslich von den Münzen bekannt ist. Ein republikanischer Denar von ca. 111/112 v.Chr. (Crawford 297/1a) zeigt auf seiner Rückseite zwei Pferde, auf einem davon sitzt ein Reiter, ein sogenannter "Desultor". Diese Kunstreiter, wie wir sie heute bezeichnen würden, waren in der Lage, während des Laufs der Pferde von einem Tier zum anderen zu springen. Solche Vorführungen waren fester Bestandteil der Ludi Apollinaris, also jener Spiele, die zu Ehren Apollos abgehalten wurden. Dass es sich um eine Statue gehandelt haben muss, besagt die Inschrift DSS (De Senatus Sententia) auf der Basis - eine damals gängige Beschriftung für Ehrenstatuen und Denkmäler. Plinius berichtet in seiner Naturgeschichte (34. XI) zwar von der Statue eines Zweigespannes für Personen, die nach niedergelegtem Prätoramt die Rennbahn durchfahren hatten - ebenfalls eine Vorführung während der Ludi Apollinaris, doch kann man hier nicht von einer Identität mit der Darstellung auf der vorliegenden Münze ausgehen. Weitere Informationen darüber wurden nicht überliefert, so dass die Münze den einzigen Hinweis auf die Existenz des Ehrenmals darstellt. Über den Münzmeister Ti. Quinctius (oder Ti. Quinctilius) ist so gut wie nichts bekannt. Es ist möglich, dass er aus Reate (heute: Rieti), dem Hauptort der Sabiner, stammte. Dort ist der Hercules Respiciens, der auf der Münzvorderseite abgebildet ist, inschriftlich belegt (CIL IX, 4673).



Anm.: Eine Darstellung eines Desultor zeigt sich auch auf einem republikanischen Denar des Caius Marcius Censorinus (Crawford 346/1). Hier kann man jedoch davon ausgehen, dass es sich um eine reine Szenendarstellung handelt, und nicht um das gleiche oder ein ähnliches Standbild. Eine ähnliche Problematik in der Erklärung ergibt sich übrigens auch bei den zahlreichen Reiterdarstellungen auf republikanischen Münzen - vgl. hierzu "Stadtrömische Ehrenstatuen in republikanischer Zeit" von Markus Sehlmeyer (S. 179 f.).


Über den Standort ist nichts bekannt. Vielleicht hat sie in der Nähe des Tempel des Apollo Sosianus gestanden, der bereits im Jahre 431 v.Chr. geweiht wurde. Die wenigen heute noch sichtbaren Reste in Form von drei im Jahre 1940 wiederaufgerichteten Säulen verlieren sich fast vor der Fassade des Marcellustheaters. Die Weihung des Tempels erfolgte allerdings unter dem Namen Apollo Medicus, dem Heilbringer, denn die Römer hatten den Tempel aufgrund einer weniger Jahre zuvor grassierenden Seuche gelobt.



(Lage und Grundriss des Tempels)


Erhalten hat sich ferner ein Teil des Fries, das im Museo Centrale Montemartini in Rom ausgestellt ist. Die Darstellung eines Triumphzuges verweist auf eine interessante Verwendung des Tempels; an ihm kam sozusagen kein siegreicher General vorbei, wollte er denn einen Triumphzug einfordern. Der Sakralbau lag am Ende des Marsfeldes gerade noch ausserhalb des Pomeriums. Hier fanden die Verhandlungen zwischen Senat und dem Feldherren über die Bewilligung des Triumphes statt, denn hätte der Siegreiche die heilige Grenze zum Stadtgebiet überschritten, wäre damit der Anspruch auf einen triumphalen Einzug in die Stadt verwirkt gewesen.



(Ein Ausschnitt aus dem Fries - das komplette Bild suche ich noch in meinem Wust...)



Leider existieren vom Tempel des Apollo Sosianus so gut wie keine numismatischen Zeugnisse. Ein Medaillon des Quintillus zeigt auf seiner Rückseite eine Statue des Apollo im Tempel mit der Legende APOLLINI COSERVATORI , von dem jedoch nicht gesichert gesagt werden kann, dass es sich um jenen Tempel des Apollo Sosianus handelt. (Gnecchi II : Qvintillo 1 - Tav. 117 N.7)




Der Ort selbst ist wiederum mit den Ludi Apollinaris eng verbunden. Es wird angenommen, dass hier seit dem Jahre 212 v.Chr. die Bühnenvorführungen der Spiele stattfanden; zunächst noch ohne eigenes Theater, dann in provisorischen hölzernen Bauten und letztendlich im Steinbau des Cäsar- bzw. Marcellustheaters. In erster Linie sind die Spiele als religionspolitische Maßnahme zu rechnen, die Rom während des so unglücklich verlaufenden Krieges gegen Hannibal anstrengte. Die genaue Gründungsgeschichte der Ludi Apollinaris, die den Rahmen hier sprengen würde, erzählt Livius (Ab urbe condita 25,12,9ff.). In ihrer Anfangszeit eintägig wuchsen die Spiele in der Kaiserzeit zu einer achttägigen Feier vom 6. Bis 13. Juli, wobei der Ausrichter der Veranstaltung immer der Stadtprätor war. Zu den verschiedenen Darbietungen im Rahmen der ludi gibt es unterschiedliche Meinungen; fest steht jedenfalls, dass sowohl Bühnenaufführungen als auch Zirkusspiele wie die oben erwähnten Wagenrennen der Prätoren und die Vorführungen der Desultoren geboten wurden.

Einige Münzen aus der römischen Republik bezeugen die Spiele, so wie die Denare der Calpurnii Pisones mit dem bekannten galoppierenden Reiter auf dem Revers. Die Münzbilder deuten darauf hin, dass die Spiele - zumindest im Jahre 211 v.Chr. - auf Initiative eines Ahnen der Münzmeister, dem damaligen Prätor C. Calpurnius Piso zurückgehen. Der Kopf des Apollo auf der Vorderseite bestätigt ebenfalls, dass die Münzen zum Gedenken an die Ludi Apollinaris geprägt wurden.



Tiefer mit der Materie beschäftigt sich u.a. Frank Bernstein in "Ludi Publici - Untersuchungen zur Entstehung und Entwicklung der öffentlichen Spiele im republikanischen Rom"; insbesondere zu den Münzen empfiehlt sich "Die Apollinarspiele zur Zeit der Republik" von Franz X. Ryan.


Roma bella mi appare...
 
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Das Comitium


Schon in der Königszeit versammelten sich auf dem Forum Romanum der Ältestenrat (Senat) und die Bürgerschaft (Volksversammlung) - mit entsprechend ausgestalteten Versammlungsstätten, der Curia für den Senat und dem Comitium für die Volksversammlung. Im Zuge der Etablierung der Römischen Republik ab dem frühen 5. Jh. v.Chr. wandelte sich das Forum zu einem Platz, der an die neuen Bedürfnisse des politischen Systems angepasst werden musste. Wie die Curia wurde damals auch das Comitium als das Zentrum der politischen Entscheidungsfindung und Kommunikation entsprechend aufgewertet.

Das Comitium befand sich im Bereich der nordwestlichen Ecke der Forumsfläche, südlich des Forum Iulium sowie der Curia Hostilia / Cornelia und späteren Curia Iulia. Mit der Curia und den Rostra bildete es den wichtigsten politischen Architekturkomplex der Stadt.




(Comitium - Quelle: wikipedia - gemeinfrei!)



Trotz der Tatsache, dass von der architektonischen Ausgestaltung des Comitiums archäologisch bisher nichts nachgewiesen werden konnte, wird ihr ursprüngliches Aussehen in der Forschung immer wieder mit den griechischen Ekklesiasteria, den Sitzen der griechischen Volksversammlung, in Verbindung gebracht, welche teils als kreisrunde theaterartige Stufenanlagen angelegt waren. Diese Stufen sind auch bei Livius erwähnt, wenn er sagt, dem Augur Accius Navius sei ein Standbild errichtet, "an der Stelle, wo die Sache verhandelt wurde, im Comitium, auf den Stufen selbst, an der linken Seite der Curia".


(Rekonstruktion des Comitiums - Quelle: wikipedia - gemeinfrei!)



Die Suche nach Vorgängerbauten und vergleichbaren Architekturen rührt daher, dass das Comitium in Rom in größeren Teilen nicht ausgegraben und dessen Areal durch den Bogen des Septimius Severus sowie der Kirche Santi Luca e Martina überbaut ist. Für die Rekonstruktion des Comitium in republikanischer Zeit sind weiterhin eine Stelle bei Plinius d.Ä. und die Comitia in Paestum und Cosa, die nach römischem Vorbild entstanden sind, von Bedeutung.

Vor einigen Jahren fanden dort Ausgrabungen statt, die u.a. den Lapis Niger erforschen sollten, jedoch keine weiteren Erkenntnisse bzw. genau zu bestimmenden Überreste des Comitiums hervorbrachten.




Das Comitium wurde im Laufe der Jahre zum bedeutendsten Raum des öffentlichen politischen Lebens für das römische Volk. Es hatte zur Aufgabe, in komplizierten Wahlverfahren über die Besetzung von Magistraturen zu entscheiden. Zudem oblag es der Volksversammlung, durch Wahlen Gesetze zu verabschieden. Solche Gesetze konnten dann auf spezielle Tafeln aufgeschrieben und im Bereich des Comitium ausgestellt werden, sodass sie für die gesamte Bürgerschaft wahrnehmbar waren.

Gewählt wurde im republikanischen Rom anfangs mündlich. Der Stimmensammler (rogator) hatte die Wahlberechtigten nach dem Namen des gewünschten Kandidaten zu fragen oder nach dem positiven oder negativen Bescheid des zur Debatte stehenden Gesetzes. Die Ergebnisse wurden durch Punkte auf Täfelchen festgehalten. Auf diese Art und Weise war natürlich jede Stimmabgabe öffentlich und somit im römischen sozialen Kontext, der stark vom Institut der clientela geprägt war, durch Einschüchterung und Verfälschung manipulierbar. Im Jahr 139 v. Chr. führte der Volkstribun Aulus Gabinius gegen den Willen des Senats durch die lex Gabinia tabellaria die geheime Abstimmung auf kleinen mit Wachs bedeckten hölzernen Täfelchen bei Wahlen ein. Gewählt wurde nun mittels der Täfelchen, auf die zumeist durch Angabe der Initialen der Name des Kandidaten geschrieben wurde oder aber bei Annahme oder Ablehnung eines Gesetzesvorschlags durch die Buchstaben V (uti rogas) für "wie du beantragst" oder A (antiquo) für "ich lasse alles beim Alten".



Ein Denar der römischen Republik zeigt auf seiner Vorderseite die Stadtgöttin Roma mit Helm, Schild und Speer. Als Personifikation des römischen Staates wurde seit der Einführung des Denars (ca. 211 v. Chr.) auf der Vorderseite der römischen Münzen regelmäßig abgebildet und verblieb dort als fester Bestandteil der Münzprägung bis 138 v. Chr. Ihre Attribute Helm, Speer und Schild deuten auf das kriegerische Selbstverständnis Roms hin.


Publius Licinius Nerva
Denar
Rom
113-112 v. Chr
Av.: Büste der Roma mit Helm, (Mondsichel), Schild und Lanze in erhobener Rechter n.l.; davor Denarzeichen *; dahinter ROMA
Rev.: Wahlszene; darüber P NERVA
3,96 Gr.
Cr. 292/1
Syd. 548



Seine Rückseite ist weitaus interessanter, weil das Motiv den erwähnten Wahlvorgang auf dem Comitium abbildet. Rechts sieht man die Person eines Wählers. Die Gruppe der beiden anderen Männer wirft einige Fragen über den Ablauf des Wahlvorgangs auf. Wahrscheinlich betritt gerade ein weiterer Wähler über eine Treppe die "Brücke" (pons), auf der üblicherweise die Volksversammlungen stattfanden, und erhält vom sitzenden Wahlhelfer (custos), der den zuvor üblichen Stimmensammler (rogator) ersetzt hatte, eine Stimmtafel. Man geht davon aus, dass der Wähler unten seine Markierung auf dem Täfelchen hinterlässt, um dann wieder auf die pons zu steigen und dort das Täfelchen in die Wahlurne (cista) zu werfen.

Diese Darstellung macht es sicher, dass die Münze vor dem Jahr 139 v. Chr., also der Einführung der geheimen Wahl durch Täfelchen nicht geprägt werden konnte. Es gibt aber noch einen weiteren Punkt, den man für die Datierung dieser Münze festhalten kann. Im Laufe seines Volkstribunats im Jahr 119 v. Chr. setzte Marius laut Cicero ein Gesetz durch, die sogenannte lex Maria de suffragiis, das eine Verengung der Brücken vorschrieb und so die Einflussnahme bei den Abstimmungen weiter begrenzte. Waren die Täfelchen zuvor noch vor den Augen der custodes markiert worden, so war nun ein geheimeres Wahlverfahren möglich. Gerade die Abbildung des pons auf dem Münzmotiv macht es sehr wahrscheinlich, dass auch auf dieses neue Gesetz hingewiesen werden sollte.

Die Namen, die auf republikanischen Münzen zu finden sind, entsprechen denjenigen der jeweiligen triumviri monetales, also derjenigen Beamten, die für die Münzmotive und generell für die Organisation der Prägung in Rom zuständig waren. Es waren junge senatorische Aristokraten, die dieses Amt generell nutzten, um die eigene Selbstdarstellung zu profilieren und auf diese Weise ihre politische Karriere zu fördern.

In welcher Form Publius Licinius Nerva, der tresvir, der die hier beschriebene Münze prägen ließ, mit der Wahlreform im Zusammenhang stand, ist nicht völlig klar. Wir wissen jedoch, dass er im Jahre 104 v. Chr. Prätor wurde. Wenn man die übliche zeitliche Distanz zwischen dem Amt eines tresvir und eines Prätors rechnet, müsste er ca. 113-112 v. Chr. für die Prägungen zuständig gewesen sein, was auch mit dem Stil der Münze übereinstimmt. Seine Tätigkeit ist deshalb kurz vor Marius' Reform zu verorten und selbst in Verweis auf die lex Gabinia tabellaria doch eher in Zusammenhang mit dieser neueren Maßnahme zu interpretieren. Dies erlaubt uns, Nerva im politischen Umfeld des Marius, unter den sogenannten populares, zu verorten und damit ein weiteres Stückchen der politischen Geschichte der römischen Republik zu rekonstruieren - mit Informationen, die letztendlich doch nur von einem kleinen Stückchen Metall stammen.


Roma bella mi appare...
 
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