Bericht: Sicilia mia

Pasquetta

Magnus
Stammrömer
Dieser Bericht entstand als Beitrag für die Reiseplanung Sizilien im Herbst hier im Forum. Da ich finde, dass er dafür jedoch ein bisschen zu ausführlich geworden ist, habe ich mich entschlossen, ihn in einen eigenen Thread zu stellen, damit auch weitere Sizilien-Reisende evtl. als Anregung darauf zurückgreifen können.


Sicilia mia


Bevor meine Sizilien-Unterlagen und -Fotos wieder in der Versenkung verschwinden, zu unserer diesjährigen Reise Circumetnea hier noch ein paar ergänzende Anregungen für einen Aufenthalt auf Sizilien, basierend auf meinen Eindrücken bei anderen Reisen durch Sizilien (es sollten eigentlich nur kurze Anregungen werden, aber na ja … Wes' das Herz voll ist, des' geht der Mund über.)

Ich beginne im Norden und lasse gleich die Spitze um San Vito Lo Capo und die Ecke zwischen Palermo – Erice – Trapani aus, diese Gegend kenne ich (noch ;)?) nicht. Dafür geht es entlang der Westküste.

Hier halte ich für lohnenswert einen Besuch in Mozia auf der Isola San Pantaleo im Whitaker-Haus (mit dem“schönen Jüngling von Mozia“)


hierzu:
anfuehrung.gif

Zitat:​
Kulturlose Barbaren waren die Karthager auf keinen Fall, wie das Prachtstück Mozias, ein schöner Jüngling, beweist - gefunden in einer punischen Siedlung. Sein weich fließendes, eng anliegendes Gewand betont mehr als es verhüllt. Der Mann soll einen siegreichen Wagenlenker darstellen. Geschaffen wurde er im 5. Jahrhundert vor Christus von Griechen - den Gegnern im Kampf um Sizilien. 397 vor Christus hörte das reiche, starke Mozia auf zu existieren.


Die Überfahrt nach San Pantaleo erfolgte mit einem kleinen Boot – soweit ich mich erinnere ohne genauen Fahrplan, einfach „nach Bedarf“- von der Stelle an der Küsten-Strada Provinciale aus, an der die Salzgewinnungsbecken liegen.



Der Bootsführer hatte einen Eimer mit Wasser in seiner Kabine und zog hinter dem Schiffchen eine Angelschnur nach, um sich „la cena“ zu angeln, wie er uns verschmitzt lächelnd erklärte.

Etwas im Hinterland der Westküste liegt Calatafimi auf dessen Gebiet sich der Tempel und das Theater des antiken Segesta befinden.




Wenn man ein Auto zur Verfügung hat wäre für mich ein Besuch dieser Ruinen ein Muss. Einsam und in karger aber wunderschöner Landschaft liegt dieser unvollendet gebliebene und doch großartige Tempel, von dem man bis heute nicht endgültig weiß, für welchen Zweck er dort errichtet werden sollte.


Nachdem das Autobahnnetz auf Sizilien in der Zwischenzeit doch recht gut ausgebaut ist – kein Vergleich mehr zu Anfang der 70er Jahre ;)) und auch schon zwischen vor neun Jahren und heute ist uns eine Verbesserung aufgefallen – fährt man von Segesta in einer guten Stunde nach Selinunte.




Ich habe dieses weitläufige Gelände mit den mit Buchstaben erfassten Tempeln und riesigen aufgehäuften Säulenresten selbst im Monat Mai als ziemlich „schweißtreibend“ empfunden, allerdings auch als sehr eindrucksvoll und imposant – also: sehr sehenswert.


Und dann ist natürlich an der Südküste noch Agrigento – der Ort selbst wie auch das Tal der Tempel. Wie es dort heutzutage aussieht entzieht sich meiner Kenntnis, mein letzter Besuch dort liegt einfach zu lange zurück. Bei unserem letzten Aufenthalt an der Südküste war uns der Verkehr und Andrang einfach zu groß, um nochmal zum Tal der Tempel zu fahren.

Von Termini Imerese an der Nordküste führt eine gute ausgebaute Autobahn ins Landesinnere, in gut einer Stunde ist man z.B. in Enna, d.h. am Fuß des Berges auf dem es liegt. Enna wird als Nabel Siziliens bezeichnet oder liebevoller „Belvedere“ und diesen Namen verdient es mit Recht. Eine Auffahrt in diesen „typisch sizilianischen“ Ort, mit seinen engen Gassen und kleinen Grünanlagen, dem Friedrich II. zugeschriebenen Castello


und der wunderschönen Aussicht auf sizilianisches Land nach allen Himmelsrichtungen, lohnt sich.

Blick auf Calascibetta

Die Fahrt durch das Landesinnere von Sizilien habe ich als sehr beeindruckend empfunden. Selbst im Mai konnte man schon ahnen, was der alte Herr im Flugzeug neben mir meinte, als er beim Anflug auf die Insel vor sich hin murmelte „terra bruciata, terra abbandonata“. Rund um die touristisch gut erschlossenen - vor allem Küsten- - Orte merkt man überhaupt nicht mehr, warum vor mehr als einem halben Jahrhundert so viele ihr Land verlassen haben...

Von Enna aus ist man ziemlich schnell in Piazza Armerina – und von dort bei den Ausgrabungen und den fantastischen Mosaiken der Villa Romana del Casale. „Highlight“, das man hier nicht näher beschreiben muss.


(die ersten "Bikini-Mädchen")


Viele Orte Siziliens - ob antike oder moderne - liegen auf einem Berg,

zur Verteidigung strategisch gut. So auch Caltagirone mit seinen verschiedenen Sehenswürdigkeiten. Es lohnt einen Halt – vielleicht um die große Freitreppe mit angeblich 142 Stufen (ich habe sie nicht gezählt) hoch zu steigen



oder Keramikwaren zu erstehen. - Die kanadischen Gäste im Agriturismo in Carlentini erzählten uns seinerzeit, dass sie reichlich und auch große Keramikstücke gekauft hatten und ihnen diese selbstverständlich nach Übersee geschickt würden. Ob sie heil angekommen sind? :twisted: Einen Versuch war es wert... :] - Der Ort ist berühmt für seine Keramiken und falls man Wert legt auf Einkauf vor Ort könnte Caltagirone ein „Pendant“ zu Santo Stefano di Camastra an der Nordküste sein.



Caltagirone liegt schon im Val di Noto und gehört zu den Städten Siziliens, die nach dem verheerenden Erdbeben 1693 im barocken Stil wiederaufgebaut wurden.

Leuchtendstes Beispiel dafür dürfte (das im Reisebericht "Sizilien rund um den Ätna" ausführlich erwähnte) Noto sein. Aber auch Ragusa Ibla und Modica brauchen sich als Barock-Städte nicht zu verstecken.




Mit ihren himmelstürmenden Treppenanlagen hinauf zu den Kirchen mit den prächtigen Fassaden liegen sie an den Hängen der Monti Iblei und laden zum bummeln durch die Gassen ein – und in Modica vielleicht sogar in einer der dolcerie zum Kauf der hervorragenden Schokolade. Hergestellt noch nach den antiken Rezepten ist sie wirklich eine „schwarze Versuchung“, der man, trotz des „gepfefferten“ Preises, nicht widerstehen sollte ;).

Von Noto aus empfiehlt sich ein Abstecher zu den relativ neuen Ausgrabungen der Villa Romana del Telaro – mit wunderschönen Bodenmosaiken, ähnlich denen in der Villa Romana del Casale (aber flächenmäßig kleiner).

Man kann aber auch Richtung Avola ans Meer fahren und dort eine Pause einlegen, wenn nicht gerade Gewitterwolken aufziehen. ;)


Nun könnte man – wenn ich mit dem Finger auf der Sizilienkarte meine Route weiter verfolge –auf der Autostrada del Barocco (der A 18 ) nach Syrakus fahren, um die dort so reichlich vorhandenen antiken Kunstschätze und Bauten zu bewundern: die Altstadt auf der Insel Ortygia mit dem Apollontempel, dem Dom (für den man große Teile des Athene-Tempels mit verbaut hat) und der Arethusaquelle,




den Parco Archeologico della Neapoli mit den ganzen Ausgrabungen, dem Amphitheater (das für die Freilichtaufführungen ziemlich unschön überbaut wurde, wie ich bei unserem letzten Besuch dort für mich feststellen musste; kein Vergleich mehr mit dem besonderen Charme dieses Amphitheaters, den es noch in meiner „Frühzeit“ ausstrahlte, als es noch mitten in der kargen Landschaft lag – und vor allem ohne den ganzen Verkaufsrummel drum herum – tempi passati),


den Steinbrüchen und dem „Ohr des Dionysios“ und das bedeutende und überaus reich bestückte Museo Archeologioco Regionale Paolo Orsi.
Neben dem Dom Santa Maria delle Colonne hat Syrakus natürlich noch eine Anzahl weiterer sehenswerter Kirche. Nach all den Altertümern kann man auch gut einen Blick auf die Moderne richten: Santuario della Madonna delle Lacrime ganz nahe beim Archäologischen Museum.


Parken auf der Insel Ortygia ist schwierig. Wir fanden seinerzeit gut einen Parkplatz rechter Hand der Via Malta im Hafengebiet bevor man zur Brücke zwischen Porto grande und Porto piccolo kommt, die nach Ortygia hinüber führt.

Weiterfahren könnte man jetzt Richtung Norden und irgendwo am Meer aussteigen - wie hier in Brucoli - und den Blick auf den Ätna genießen


oder weiterfahren nach Catania, der „Schwarzen Tochter des Ätna“ und zweitgrößte Stadt Siziliens, ebenfalls reich an Sehenswürdigkeiten. Von den Lavaströmen des Ätna bedroht und 1669 teilweise verschüttet "verdankt" auch Catania sein barockes Stadtbild dem schweren Erdbeben von 1693.

Von Catania sind mir in guter Erinnerung die diversen Ausgrabungen in der Stadt (das Amphitheater und das Teatro Greco (in dem meistens das Wasser steht)),




die Kathedrale Sant' Agata mit dem schwarzen Elefanten auf dem Platz davor,


die „Prachtstraße“ Via Etnea immer auf den Ätna zu –

und dann natürlich ein Bummel (vormittags) über den farbenprächtigen und lebhaften Fischmarkt – hier „wuselt“ alles, nicht nur die Fische. Ausruhen kann man sich gut im Giardino Bellini. Parkplatzsuche war schwierig; irgendwie hatten wir dann ein Plätzchen Richtung Meer unter der Eisenbahnlinie an der SS 114 gefunden.

Aber wir fahren nicht direkt nach Catania, sondern erkunden noch ein wenig das interessante Hinterland, wo sich „mitten in der Pampa“ so oft die „kleinen Schätze“ zeigen.

Von Noto aus kann man in kurzer Zeit nach Palazzolo Acreide, eine weitere Stadt des UNESCO-Welterbes, fahren. Dort haben wir auf dem Gebiet der antiken Stadt Akrai ein Theater aus dem 3. Jh. v.Chr. (und in römischer Zeit erneuert) entdeckt, das zu den besterhaltenen Theater der Antike zählt. Klein – aber fein; Studenten führen dort im Mai antike Theaterstücke auf.



Von dem kleinen aber hübschen Ort Ferla aus –


ebenfalls nach dem Erdbeben im barocken Stil wieder aufgebaut –, kann man gut eine „Naturtour“ machen: zu den Felsengräbern von Pantalica. Sehenswert – aber nur per Auto ohne größeren Aufwand zu erreichen.


Um die 5000 Gräber sind in die Felsen gehauen worden, sie gehen auf die Zeit 13. Jh. bis 8. Jh. v. Chr. zurück. Als „grüne Tupfer“ dieser kargen Landschaft der Monti Iblea sind mir die vielen immergrünen Johannisbeerbäume mit ihren langen braunen Schoten besonders in Erinnerung geblieben.

Wieder auf der Küstenstraße Richtung Norden gibt es die vielen – z.T. eben auch sehr gut von Touristen besuchten – Sehenswürdigkeiten,

die wir bei unserer diesjährigen Sizilien-rund-um-den-Ätna-Reise gesehen haben und noch viele, viele mehr zu bewundern und wo es geht – in den kleineren Orten besser, habe ich festgestellt – das sizilianische Leben zu genießen.

Messina und die sicherlich auch schöne Inselspitze kenne ich überhaupt nicht. Erst wieder die Nordküstenstraße nach Cefalù - von dort aus ein kleiner Abstecher in die Madonie, aber damals ein bisschen zu plan- und orientierungslos, um zu sagen: da muss ich noch einmal hin. Als Naturtour – mit Wanderstöcken ;) - aber sicherlich lohnenswert.

Cefalù –

Monreale –



Palermo



weitere überaus sehenswerte Orte auf der Sizilienrundreise – und ausführlich zu erkunden mit einem guten Reiseführer in der Hand.



Und wo bleibt die Mafia? Könnte man sich fragen, bei einer Reise durch Sizilien. Ich habe die paar Male, die ich auf dieser faszinierenden Insel war weder davon noch von einer erhöhten Kriminalität etwas gemerkt, allerdings waren wir auch immer zu Zeiten dort und – meistens – an Orten, die nicht so überlaufen waren. Erstaunt hatte uns aber z.B. ein längeres Stück Autostrada, mitten in einem Tal im Landesinneren, die weder Anschluss an eine bestehende Straße hatte noch weit und breit es überhaupt so aussah, als ob hier jemals außer der Staubstraße, auf der wir fuhren – und auf der wir irgendwann von einer hirtenlosen Schafherde eingekreist wurden - eine andere, geschweige denn Autobahn, entstehen würde.


Leichtes Kribbeln im Nacken überkam uns einmal in Monreale, als wir irgendwo am Ortsrand endlich einen Parkplatz ergattert hatten und nicht mehr wussten, wie wir nun zum Dom kommen sollten. Als wir dann einen sehr distinguierten älteren Herren nach dem Weg fragten, meinte er, das wäre zu kompliziert es uns zu erklären, er bringt uns hin. Wir wollten höflich ablehnen, ihm keine Umstände machen - er aber duldete keine Einwände und machte sich vor uns auf den Weg – wortkarg und ohne eine weiteres Gespräch mit uns zu suchen.
Je weiter wir uns dem Zentrum näherten um so mehr Leute – ältere Männer am Straßenrand vor ihren Karren mit Zwiebel- oder Knoblauchketten,


Männer mittleren Alters vor den Bars oder den kleinen negozi – verneigten sich grüßend vor unserem „Wegweiser“, während er nur huldvoll und lässig mit einem Handheben auf diese „Ehrerbietung“ reagierte. Nur vor einer Statue von Padre Pio machte er Halt und bekreuzigte sich. Irgendwie war uns etwas seltsam zu Mute … aber wir kamen wohlbehalten auf direktem Weg zum Platz vor dem Dom. Unser Angebot, als Dank einen Caffè mit uns zu trinken, lehnte er ab – es sei selbstverständlich, dass er uns in seiner Stadt den Weg weise. Eigentlich hätten wir da nur mit den Männern auf der Straße „Bacio le mani“ sagen können...



Soviel zu Sicilia mia -

Pasquetta





 
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