Roma - un sogno

heinzbeck62

Primus Pilus
Stammrömer
Rom – Mitte Januar – ein Traum – 1. Tag
Seit fast 30 Jahren reise ich regelmäßig nach Rom. Kenne diese Stadt in jeglicher Jahreszeit und habe zwischenzeitlich mein Resümee gezogen: in keinem Fall werde ich im August, in der Osterzeit oder über Capodanno (Silvester) noch einmal nach Rom fahren. Das überlasse ich den Hunderttausend anderen, die in dieser Zeit dorthin möchten. Meine bevorzugte Rom-Reisezeit ist Mitte bis Ende Januar. So auch dieses Jahr. In keiner anderen Zeitspanne ist Rom so „leer“ von Touristen, in keiner anderen Zeitspanne gehe ich in die Vatikanischen Museen ohne mich anstellen zu müssen. Aber alles der Reihe nach. Dies soll ein kleiner Bericht werden über eine Reise in die Stadt, die mir zur zweiten Heimat geworden ist – R O M.
Hier in Bayern haben wir Schnee – über Nacht mehr als 40 cm. Alles versinkt im Chaos, die Autobahnen sind zu, der Schienenverkehr bricht zusammen. Gerade noch 15 Minuten vor Abflug erreichen wir den Nürnberger Flughafen – Gott sei Dank hat die Maschine Verspätung, am römischen Flughafen Fiumicino herrscht ebenfalls Chaos – na ja, zumindest das haben wir mit Rom gemeinsam. Die Maschine ist nicht einmal zu einem Drittel besetzt – das erste gute Vorzeichen.
Beim Aussteigen lassen wir uns Zeit, denn hier in Rom wartet man zwischen einer halben und einer dreiviertel Stunde auf sein Gepäck. Wir lassen uns mit einem Airport-Shuttle (AirportShuttle - Rome) zu unserem Gästehaus in die Via Nomentana bringen. Die Fahrt dorthin genieße ich, weil sie quer durch Rom führt. Ich kann bis heute nicht verstehen, wie man es schafft mit rasantem Tempo und gleichzeitigem Telefonieren unbeschadet durch die engen Gassen und den römischen Verkehr zu kommen. Aber in all den Jahren, in denen ich hierher komme, habe ich selten Verkehrsunfälle gesehen. In unserem Gästehaus werden wir – wie immer – sehr freundlich empfangen. Wir sind Stammgäste und fühlen uns wohl. Das Wetter ist herrlich – blauer, wolkenloser Himmel und strahlende Sonne – keine Gedanken mehr an das Schneechaos in Deutschland.
Gleich in der Nähe ist eine tabaccheria. Dort holen wir uns eine Carta Integrata Settimanale – eine Wochenkarte für den Bus und die Metro. Ohne gültigen Fahrausweis mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren ist nicht zu empfehlen. Es wird viel kontrolliert. Die Linie 36 bringt uns zur Piazza Venezia. Mein Gott, wie ich Rom in den letzten 6 Monaten vermisst habe. Ich sauge alles in mir auf, die vertrauten Straßen, Plätze und Gebäude und versuche so, die abwesende Zeit zu kompensieren. Es gelingt. Wir spazieren durch die Stadt, ohne Ziel, ohne Stress – nur Schauen, Genießen, Aufnehmen. Dies brauche ich immer am ersten Tag, wenn ich in Rom bin. Es ist beinahe so, als ob ich mich vergewissern müsste, dass alles noch da ist, dass alles noch so ist, wie ich es vor 6 Monaten verlassen habe. Zwischendurch gibt es einen caffè lungo in einer Bar, am liebsten im Tazza d’oro gleich neben dem Pantheon oder im Jazz-Cafè zwischen der Piazza Navona und dem Palazzo Altemps. Aber egal, in jeder noch so kleinen Bar gibt es besseren Espresso oder Cappuccino als bei uns hier in Deutschland.
Unser Weg führt uns durch die engen, verwinkelten Sträßchen und Gassen des centro storico. Hier hat die Sonne keine Kraft, hier ist es kühl und man ist doch froh, den Mantel mitgenommen zu haben. Ein kurzer Abstecher zum Kapitol. Die Luft ist klar und auf den Fotos ist der Himmel in einem kräftigen Blau, dass es schon fast unnatürlich wirkt. Noch schnell einen Espresso im Cafè der Kapitolinischen Museen mit der Aussichtsterrasse, von der man einen wunderschönen Blick auf das Teatro Marcello, das Ghetto und auf die Altstadt Roms hat. In solchen Momenten bin ich glücklich und würde mit nichts in der Welt tauschen wollen.
In der Nähe unseres Gästehauses gehen wir Abendessen. Auch hier sind wir Stammgäste und werden herzlich begrüßt. Keine Touristen als Gäste, höchstens einzelne Reisende aus dem Gästehaus. Der cameriere Roberto kennt uns und ohne zu bestellen steht vino bianco und acqua senza gas am Tisch. Ich liebe das italienische Essen und genieße jeden Bissen der phantastischen Antipasti. Vorspeise, Hauptgang und Nachspeise. Ich werde nie verstehen, wie die Italiener so viel essen können. Diese Nacht schlafe ich etwas unruhig, es ist nicht das ungewohnte Bett oder die Umgebung, nein, es ist die Vorfreude auf die kommenden Tage, in denen ich eintauchen werde in den geschichtlichen und kulturellen Strudel dieser einzigartigen Stadt – R O M …
 
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Wenn ich deinen Reisebericht lese, dann steigt eine heimliche Sehnsucht in mir auf. Ich fiebere meiner nächsten Romfahrt entgegen. Mir fällt Wilton Barnhardt ein:
... Die Vorfreude auf die römische Sonne, auf die Plätze, das Essen und das Trinken, das warm empfundene Wissen, ja, jetzt liegt das übrige zweckmäßige Europa hinter mir, ich bin wieder in der Stadt, die die Sprache des Herzens spricht. Nach Rom reist man nicht, sondern man kehrt heim. Einst in einem früheren, glücklicheren Leben habe ich hier geliebt und auf Knien gebetet, hier in dieser Stadt, wo immer, immer die Ehrfurcht vor dem Schönen blieb. Cara Roma die erste Jugendliebe der Welt...
A presto
Christoph
:nod:
 
Roma – la mia amica – 2. Tag
Ich erwache – nicht irgendwo – ich erwache und weiß, dass ich nicht träume. Sono a Roma – ich bin in Rom. Hätte mir jemand vor 30 Jahren erzählt, dass man eine Stadt genau so lieben kann wie einen Menschen, ich hätte innerlich den Kopf geschüttelt. Aber dann ist es auch mir passiert. Es war Liebe auf den ersten Blick. Man könnte ein berühmtes Zitat abändern und sagen: „Ich kam, sah und liebte“. Ja, so war es – im Jahr 1978 – dem Jahr meiner ersten Begegnung mit dieser Stadt. Seitdem haben wir beide uns angenähert – langsam, aber stetig und facettenreich.
Im Gästehaus Frühstücken – nein, nicht weil es schlecht wäre, ich mache es nicht, weil ich lieber in eine Bar gehe und es den Italienern gleich mache. Einen caffè lungo und ein cornetto con crema – im Stehen – in ein paar Minuten ist alles vorbei – der Tag kann beginnen.
Die Via Nomentana ist eine der großen Einfallstraßen Roms. Entsprechend ist auch der Verkehr. Zu tausenden strömen morgens die Römer aus den Vorstädten in die Stadt. Die Vespas treten immer in ungeordneten Rudeln auf, wie kleine wilde Tiere lauern sie vor den Ampeln, um sich noch, bevor grünes Licht gegeben wird, wieder in den dröhnenden Verkehrstumult zu stürzen. Zwischen 8 und 9 sind die Busse voll – aber das macht nichts. Sie kommen fast schon im Minutentakt und man hat immer noch Platz, auch wenn der Bus bereits überzuquellen scheint. Im Grunde liebe ich das Busfahren hier in Rom. Nicht weil ich auf überfüllte Busse stehe, nein, weil es zu Rom gehört. Weil es ein Teil des Lebens hier ist und weil man hier so vieles beobachten kann. Ich könnte ganze Bücher damit füllen, mit den Erlebnissen, die ich im römischen Busverkehr hatte.
Was mich auch dieses Mal wieder fasziniert hat, ist die Tatsache, dass die Römer per telefonino (so heißen in Italien die Handys), ihr ganzes privates Leben vor einem ausbreiten, ohne sich zu interessieren, wer gerade zuhört – und das sind eine Menge in einem überfüllten Bus. Von überall her piepst es, erschallen Klingeltöne, Klingelmusik, nein ganze Klingelsinfonien – und dann ein kurzes „Pronto“ oder „Ciao“ – bevor der Redeschwall beginnt. Hier in Deutschland würde ich mich sicherlich genervt fühlen, in Rom toleriere ich es, nein, eigentlich liebe ich es sogar, weil es mir das Gefühl gibt, mitten drin zu sein in diesem chaotischen römischen Alltagsleben.
Nach 20 Minuten sind wir an der Endstation, der Piazza Venezia. Mitten auf der Piazza eine riesige Baustelle der comune di roma – die beiden Metro-Linien A und B bekommen eine weitere hinzu. Diese linea C soll frühestens 2010 fertig werden und den Stadtverkehr weiter entlasten. Aber man weiß ja wie es ist, wenn man in Rom den Spaten ansetzt, dann findet man auf der Baustelle mehr Archäologen als Ingenieure.
Unser Ziel ist eines meiner Lieblingsmuseen hier in Rom. Es ist das Museo Nazionale Romano. Dieses Museum ist auf vier Einzelmuseen verteilt: Palazzo Altemps, Palazzo Massimo, die Crypta Balbi und Museo Terme di Diocleziano e Olearie. Wir besuchen den Palazzo Altemps, nicht unweit der Piazza Navona. Der Eintritt kostet 9 Euro und beinhaltet auch den Eintritt der anderen römischen Nationalmuseen, vorausgesetzt, der Besuch findet innerhalb dreier Tage statt.
Der Palazzo wurde 1585 erbaut und beherbergt heute eine bedeutende Sammlung klassischer Kunstwerke, die berühmteste davon dürfte mit Sicherheit die Sammlung Ludovisi sein. Dieses Museum wird auch während der Hochsaison nur spärlich frequentiert – und so ist es nicht verwunderlich, dass es mehr Aufsichtspersonal gibt als Besucher. Hier besteht die seltene Gelegenheit, vor einem Kunstwerk zu verweilen oder es in Ruhe zu Fotografieren. Zum Glück ist in beinahe allen Museen das Fotografieren erlaubt, natürlich ohne Blitz und ohne Stativ. Außerdem gibt es hier eine saubere Toilette, die man auch Aufsuchen kann, ohne das Museum zu besuchen.
Empfehlen kann ich auch das Museum im Palazzo Massimo – gleich neben dem Termini. Der Palazzo wurde zwar im Stil des 16. Jahrhunderts erbaut, stammt aber aus den 80iger Jahren des 19. Jahrhunderts und wurde vor einigen Jahren in ein modernes und sehr ansprechendes Museum umgebaut. Als Highlights sind eine Augustusstatue zu sehen und herrliche Wandmalereien aus der Villa della Farnesina und der Villa di Livia.
Nach dem Museumsbesuch treffen wir uns mit Dr. Alessandro Canestrini auf einen Espresso. Er ist der Leiter von RomaCulta (Urlaub in Rom, Kunst- und Kulturaufenthalte in Rom) und wir kennen uns seit einigen Jahren. Wir werden zusammen in den nächsten Tagen den Palazzo Farnese besichtigten und uns eine Carracci-Ausstellung ansehen.
Gerade was Ausstellungen betrifft, hat Rom immer eine große und sehr gute Auswahl zu bieten. Es lohnt deshalb immer, sich vorab im Internet zu erkundigen, welche Ausstellungen gerade laufen.
Neben der Carracci-Ausstellung haben wir uns noch eine über Piranesi und seine berühmten römischen Veduten angesehen, eine über Adolf Loos, den berühmten Wiener Architekten und Designer, in der Galleria Nazionale d’arte moderna, eine im Lateran-Palast über die Papst-Wahl „Habemus papam“ – von Petrus bis Benedikt XVI., eine phantastische Laokoon-Ausstellung in den Vatikanischen Museen, anlässlich des 500jährigen Bestehens, eine weitere „Petros eni“ und eine im Museo di Roma mit dem Titel „La Porpora Romana – Portraits von Kardinälen von der Renaissance bis zum 19. Jahrhundert“.
Wieder schlendern wir durch die Altstadt, lassen uns treiben, setzten uns auf der Piazza del Popolo zum Obelisken und beobachten. Durch das Sehen und Beobachten lernt man mehr von einer Stadt und seinen Bewohnern als es ein gedruckter Reiseführer je vermitteln könnte. Eine Stadt und seine Geschichte bestehen nicht nur aus Zahlen und Fakten – sie lebt und in etwas Lebendiges muss man eintauchen, unter der Oberfläche kratzen. Deshalb ist es wichtig, nicht nur für ein Wochenendprogramm nach Rom zu kommen. Man sollte sich mehr Zeit nehmen, denn dann kann man beides: Besichtigen und Eintauchen. Nur beides zusammen lässt einen beginnen, diese Stadt zu verstehen.
In all den Jahren hat sich Rom stetig verändert und das ist gut so, denn es zeigt, dass sie kein Ausstellungsobjekt ist. Kunstwerk ja, aber eines, mit einer beständigen Veränderung. Und trotzdem wird Rom immer eines bleiben: die ewige Stadt …
 
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AW: Roma - la mia amica - 2. Tag

Hallo heinzbeck62,
ein schöner Bericht, den du uns hier gönnst. Der Stil dokumentiert herrlich deine Leidenschaft für "Bella Roma". Und gerade die Kennerschaft macht deine "Liebeserklärung" lesenswert :nod: .

Als prinzipiell neugieriger Forumsgast würden mich natürlich auch die konkreten Namen von Unterkunft und Restaurants interessieren. Aber die willst du womöglich bewusst nicht verbreiten:roll: , oder? Dann raus damit.

Von der Struktur des Forums her würde ich empfehlen, die Fortsetzungen deines Berichts als Antwort an den bereits bestehenden Thread anzuhängen. Es besteht sonst die Gefahr, dass zumindest nach einiger Zeit im Forum die einzelnen Teilstücke auseinander treiben und vom geneigten Leser nicht mehr zusammen gefügt werden können.

Ich freue mich auf die Fortsetzung.

Gruß gengarde
 
AW: Roma - la mia amica - 2. Tag

Falls Heinz einverstanden ist, würde ich den 2. Teil wie von gengarde vorgeschlagen an den 1. anhängen.

Und: Vielen Dank auch von mir für Deine schönen Berichte, ich bin momentan nur etwas schreibfaul, weil's am Freitag nach Rom geht und noch einiges vorzubereiten ist :)
 
AW: Roma - la mia amica - 2. Tag

Ciao Cellarius,
selbstverständlich bin ich einverstanden, wenn meine Berichte zusammengenommen werden. Ein guter Vorschlag - grazie mille.
Heinz
 
AW: Roma - un sogno

Hallo und Moin, Moin Heinz!

Ich bedanke mich ganz herzlich für Deinen wundervollen Rombericht :thumbup: :) :thumbup: und ich freue mich schon sehr auf die Fortsetzung .... und ich bin auch schon sehr, sehr gespannt !!!


Gruß - Asterixinchen :)
 
AW: Roma - un sogno

Roma – la mia ansia – 3. Tag
Eine längere Abwesenheit von mehr als 6 Monate schaffe ich nicht. Dafür ist meine Sehnsucht nach dieser Stadt zu groß. Ich habe gelernt, auf vieles zu verzichten – aber nicht darauf. Wenn man so will, könnte man mich als abhängig bezeichnen. Doch diese Sucht empfinde ich selbst als Geschenk, eine Sucht, auf die ich stolz bin – Roma, la mia ansia.
Ich versuche bei meinen Rom-Aufenthalten eine gewisse Regelmäßigkeit zu finden. Gewohnheiten und Regelmäßigkeiten fördern das Gefühl des Alltags. Hier zu Hause in Deutschland empfindet man seinen Alltag oft bedrückend und nervig, man sehnt sich nach Abwechslung. Dort möchte ich genau das Gegenteil. Ich empfinde es als schön und beruhigend, immer in der gleichen Bar den Frühstücks-Espresso zu trinken oder am Abend im selben Restaurant vom gleichen Ober bedient zu werden. Was mich zu Hause abschreckt, fördert in Rom mein Gefühl eingebunden, ein Teil dessen zu sein. Nur so kann ich mich in den kurzen Zeitspannen, die ich in Rom verbringe (ich war leider nie länger als zwei Wochen dort), zugehörig fühlen.
Heute machen wir einen ausgiebigen Rundgang durch die Stadt. In der Viale Regina Margherita, einer der großen Querstraßen der Nomentana, steigen wir in die Straßenbahn. Über das Universitäts-Viertel gelangt man zur Basilika San Lorenzo fuori le mura, gleich beim Verano-Friedhof. Nicht diesen, sondern letzten Januar haben wir dieses ausgedehnte Friedhofsgelände besucht. Es war eine interessante Erfahrung. Wir haben uns erzählen lassen, dass unter den Friedhofsgebäuden riesige Hallen existieren, in denen all die Leichen aufbewahrt werden, die keine Angehörigen hatten. Sie werden eine ganze Zeit „gelagert“, bevor sie – auf Stadtkosten – irgendwann verbrannt werden. „Es ist ein Skandal“ – sagte unsere Quelle – „aber viele der Toten liegen dort schon viele Jahre, weil die Stadt kein Geld für die Bestattung ausgeben möchte.“
Eine ganze Reihe der hier bestatteten Familien haben Grabmonumente – aufwändig und wie der Name schon sagt: monumental. Manche Ecken sehen aus wie das ehemalige Forum Romanum, nur in Miniaturausgabe.
An der Piazza di Porta Maggiore ist Endstation. Eine Weiterfahrt ist nur per Bus möglich. Dieser bringt uns über den Lateran, vorbei am Kolosseum und der Pyramide nach Trastevere. Dort steigen wir aus und besteigen zu Fuß den Gianicolo. Er ist nicht zu unrecht einer der berühmtesten Aussichtsplätze Roms und besonders um diese Jahreszeit genießt man einen ungetrübten, glasklaren Blick über die Dächer der Stadt. Es ist wie ein kleines Quiz, wenn man erraten möchte, zu welcher Kirche welche Kuppel gehört und man fühlt so etwas wie Stolz, weil einem alles so vertraut vorkommt, weil man auch ohne Stadtplan – zumindest im Zentrum – überall hin finden würde. Hier oben hat nicht nur der amerikanische Geheimdienst seine Büros, sondern auch die Botschafter von Spanien und Finnland residieren in vornehmen Palazzi.
Durch den Gianicolo-Termini gelangt man schnell zum Petersplatz, der auch nach so vielen Jahren immer noch beeindruckt. Vor dem Obelisken steht die lebensgroße Krippe, die jedes Jahr ein anderes „Outfit“ bekommt. Wenn ich im Januar in Rom bin, mache ich mich auf die Suche nach Krippen. Mittlerweile habe ich viele hundert Fotos von römischen Krippendarstellungen (presepio). Diese bewegen sich vom Kitsch bis hin zu ganz außergewöhnlichen Kunstwerken. Die älteste Krippe befindet sich im Museum der Basilika Santa Maria Maggiore und stammt aus dem 11. Jahrhundert. Die für mich schönste Krippendarstellung habe ich in der Kirche Santi Quattro Coronati gesehen. Es ist eine Darstellung der Heiligen Familie mit großen unbemalten Holzfiguren. Ein sitzender Josef und eine Maria, die ihren Kopf liebevoll in seinen Schoss gelegt hat. Der berühmte Freskenzyklus aus dem 13. Jahrhundert, den man dort normalerweise sehen kann, befindet sich seit geraumer Zeit in restauro und der Kreuzgang des angegliederten Augustinerinnen-Klosters kann am Sonntag nach dem Gottesdienst besichtigt werden.
Aber wieder zurück zur Piazza di San Pietro. Hier trifft sich die Welt und so macht es nicht nur Spaß, sondern ist auch höchst interessant, sich bei einer der vielen Kolonnaden-Säulen einen Platz zu suchen und die Menschen zu beobachten. Die meisten nehmen sich nicht die Zeit, Berninis perfekte Platzgestaltung zu bewundern, es ist viel wichtiger, sich um seine Digitalkamera oder Handycam zu kümmern. So sehen die meisten Rom nur über ein kleines hochauflösendes Display und übersehen dabei, dass man Schönheit, Monumentalität und Wirkung mit keiner Kamera einfangen kann. Sicher, man hat zu Hause viele Fotos, aber weit wichtiger wäre es, die Eindrücke vor Ort mit all seinen Sinnen einzufangen und zu genießen. So empfinde ich es manchmal als Segen, wenn das Fotografieren verboten ist. Ich denke hier z. B. an die Galleria Borghese und an die einzigartigen Marmorskulpturen von Gianlorenzo Bernini „David“ oder „Apoll und Daphne“, deren Schönheit mir jedes Mal Tränen in die Augen treiben.
Am Gianicolo-Termini besteigen wir den Minielektrobus 117. Er ist wie ein Privat-Taxi, der quer durch die Altstadt zur Villa Borghese fährt. Sightseeing fast zum Null-Tarif. Eine weitere empfehlenswerte Minibus-Linie (116) verkehrt zwischen der Piazza del Popolo und dem Lateran.
Rom kann man auf viele Arten und Weisen entdecken. Am besten natürlich a piedi (zu Fuß). Dabei sollte man den Mut und die Zeit haben, kleine Umwege in Kauf zu nehmen, in unbekannte Gässchen abzuzweigen oder Innenhöfe zu erkunden, sofern man nicht von einem Portier daran gehindert wird. Dies sollte aber der Neugier keinen Abbruch tun. Rom möchte entdeckt werden und noch in seinen verstecktesten Winkeln offenbart sich oft eine ungeahnte Schönheit. So wird sich diese Stadt nie ganz erkunden lassen, wird immer Geheimnisse für sich bewahren. Aber mit jedem Besuch entlockt man ihr Neues, das einem hilft, diese Stadt in ihrer Komplexität zu verstehen.
 
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AW: Roma - un sogno

Als ich deinen Bericht gelesen habe, dachte ich gleich "Ah, ein Seelenverwandter!"

Vieles von dem, was du schreibst, kann ich voll unterschreiben - auch dass die vollen Busse irgendwie zu Rom gehören :lol:

Bin schon sehr gespannt auf die folgenden Tage!!!

LG
Fortunata
 
AW: Roma - un sogno

Roma – la bella – 4. Tag
Es gibt viele schöne und interessante Orte und Städte auf dieser Welt, aber keine ist wie Rom. In Rom vermischen sich Geschichte und Kultur in einer einzigartigen Art und Weise. Auf den ersten Blick verwirrend, undurchschaubar, aber mit der Zeit wird man beginnen zu verstehen und anfangen, diese Stadt zu begreifen. Und das ist wichtig, man muss die Zusammenhänge erkennen und so versuchen, die geschichtlichen und kulturellen Verstrickungen zu entwirren. Jemand, der sich dies zum Ziel gesetzt hat, muss und wird deshalb immer wieder nach Rom zurückkehren, um sich Stück für Stück dieser Stadt anzunähern. Dies bedeutet aber nicht, dass man es jemals schaffen wird, dieses Ziel zu erreichen - dafür ist Rom, seine Vergangenheit und seine Gegenwart viel zu komplex.
Heute haben wir einen Termin bei der Französischen Botschaft. Keine der Botschaften in Rom residiert in exklusiveren Räumen als die von Frankreich. Und das haben sie den Bourbonen zu verdanken. Alessandro Farnese hat 1514 den Palazzo in Auftrag gegeben. Seine Schwester Giulia war eine Mätresse von Papst Alexander VI. und so war es nicht verwunderlich, dass ihr Bruder bereits mit 25 Jahren Kardinal wurde. 20 Jahre danach, also 1534, wurde Alessandro zum Papst (Paul III.) gewählt und ließ den Palazzo entsprechend seiner neuen Stellung erweitern. Keine Geringeren wie Sangallo, Michelangelo oder die Carracci-Brüder waren an der Planung, Bau und Dekoration des Palazzos beteiligt. Die Farnese-Familie vererbte ihn später an die Bourbonen aus Neapel, die ihn wiederum an Frankreich verkauften (1874). Erst 1936 wurde unter Mussolini der Palazzo zurückerworben, aber zugleich ein Pachtvertrag mit Frankreich auf 99 Jahre abgeschlossen. Für 1 Euro pro Jahr residiert seitdem der französische Botschafter in einem der bedeutendsten und imposantesten italienischen Paläste des 16. Jahrhunderts. Erst im Jahr 2035 wird dieser Vertrag auslaufen und von der italienischen Regierung nicht erneuert werden. Bis dahin kann der Palazzo Farnese nur auf Antrag bei der franz. Botschaft besichtigt werden (http://ambafrance-it.fr.to/index_it.php3). Die Führung ist kostenlos und beinhaltet auch nur ganz wenige Räumlichkeiten, aber es lohnt sich trotzdem. Ein Highlight ist die 20 m lange und 6 m breite Galerie im 1. Stock des Palastes. Annibale Carracci malte die außergewöhnlich schönen Fresken (Triumph der Liebe im Universum, 1597–1604). Leider darf man nur einmal pro Jahr den Palazzo besuchen, die Führungen gibt es in Italienisch, Englisch und natürlich Französisch.
Gleich um die Ecke des Palazzo Farnese befindet sich die Galleria Spada. Die Sammlung der Familie Spada aus dem 17./18. Jahrhundert enthält Werke von Caravaggio, Tizian, Carracci und vielen anderen. Der Palazzo Spada ist vor allen Dingen wegen seines berühmten Architekten - Francesco Borromino – bekannt und dessen architektonischen Meisterwerks, ein Säulengang, der durch optische Täuschung länger erscheint, als er in Wirklichkeit ist.
Nach den beiden Palazzi gönnen wir uns einen Espresso und ein panino auf dem Campo dei Fiori, dem wohl berühmtesten Marktplatz in Rom. Wenn man es sich einrichten kann, sollte man versuchen den Markt am Morgen zu besuchen, denn dann wird hier echtes römisches Markttreiben geboten, ein Schauspiel für sich, etwas, das sich mit Sicherheit seit Jahrhunderten nicht sehr verändert hat. Um das Denkmal von Giordano Bruno versammeln sich Stände mit frischem Gemüse und Obst, Fisch, Fleisch, Gewürzen, Blumen und allerlei Nützlichem für Haushalt und Küche. Haben die Römer noch vor einigen Jahren ihren Bedarf auf den Märkten gekauft, nehmen seit einiger Zeit die Anzahl der supermercati stetig zu und wenn es im Hinblick auf die große italienische Esskultur fast unglaublich erscheint, so kann man doch in besagten Supermärkten beobachten, wie die Römer Tiefkühlpizzen, Tomatensoßen oder sogar Fertigcappuccino nach Hause schleppen. Dies erscheint nur im ersten Moment als Affront, aber bei genauerer Überlegung scheint es dennoch eine ganz normale Entwicklung zu sein. Der durchschnittliche Römer muss mit seinem Gehalt ebenso jonglieren, wie es in anderen EU-Ländern auch der Fall ist, vielleicht sogar mehr, betrachtet man das Verhältnis Gehalt und Lebenshaltungskosten. So sei des den Römern und Römerinnen verziehen, wenn sie dort einkaufen, wo man für den Euro mehr an Ware bekommt als auf den romantischen, touristenbevölkerten Märkten.
Zur Zeit von Giordano Bruno wurde dieser Platz aber auch für andere Zwecke verwendet. Die Heilige Inquisition hatte hier ihre großen Schauspiele und so wurde auch Giordano Bruno als Ketzer am 17. Februar 1600 am Scheiterhaufen hingerichtet. Diese dunkle Seite sollte man nicht ganz außer Acht lassen, wenn man am Campo dei Fiori ist und ich versäume es nie, Giordano Bruno zuzuzwinkern, um ihm zu sagen: „Junge, Du hast Deine Sache gut gemacht und bist für Deine Überzeugungen gestorben. Hut ab.“ Bis heute hat die Katholische Kirche eine vollständige Rehabilitierung dieses großen Gelehrten abgelehnt – im Jahr 2000 wurde lediglich eingeräumt, dass seine Hinrichtung nicht ganz in Ordnung war. Manche Mühlen mahlen langsam und andere brauchen noch länger.
Und hier noch eine kleine Geschichte: In einem der Häuser am Campo gab es zu früherer Zeit eine Bäckerei. Die Frau des Bäckers war bekannterweise eine Mätresse des damals amtierenden Papstes. Diese „Auszeichnung“ hat der Bäckermeister gleich werbewirksam umgesetzt und am Haus ein Schild anbringen lassen, auf dem zu lesen stand: „Hier verkauft die Mätresse des Papstes das Brot“. Klar, dass der Vatikan irgendwann darauf drängte, dass dieser Hinweis abgenommen wurde.
 
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AW: Roma - un sogno

Wunderschön, dein Bericht versüßt die Zeit bis zum nächsten Besuch ungemein. Naja, ungeachtet deiner Vorliebe ist es bei mir Ende Juli/Anfang August wieder so weit.

Gruß Matthias
 
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Das war genau die Einstimmung, die ich jetzt brauchen konnte. Vielen Dank für die ausführlichen Impressionen.
Wenn am Samstag früh der Wecker klingelt, bin ich schon bald in der Urbs.
Claude
 
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Hallo und Moin, Moin Heinz!

.... auch Tag 3 und 4 haben mir wieder sehr, sehr gut gefallen - man merkt wie sehr Du die Stadt liebst .....

DANKE


Gruß - Asterixinchen :)
 
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Roma - il mio amore - 5. Tag
Rom zu lieben fällt nicht schwer, schwer fällt mir die Tatsache, dass ich damit nicht alleine bin. Diese Liebe muss ich mit vielen anderen teilen. Aber Rom hat ein großes Herz und wird jeden Liebenden bedienen. Jede Minute, die ich in dieser Stadt bin, jeden Schritt, den ich in ihr machen darf, erfüllt mich mit Glück und Zufriedenheit. Und ich weiß, sie wird mich nie enttäuschen. Roma - il mio amore ...
Heute werde ich Abschied nehmen, aber es wird nur eine kurze Trennung sein, denn der nächste Flug nach Rom ist schon lange gebucht.
Wir haben Glück, dass heute Samstag ist. Denn nur am Samstag und nur zwischen 10.00 und 13.00 h öffnet die Galleria Colonna ihre sonst verschlossenen Pforten. Die Galleria Colonna gehört zu den wichtigsten Kunstsammlungen, die nach der Renaissance entstanden sind und wird als Gesamtkunstwerk aus Gemälden, Skulpturen, Möbeln, Spiegeln und Raumdekorationen bezeichnet. Der große Galeriesaal ist so imposant, dass einem beim Betreten beinahe die Luft zum Atmen fehlt. Dieses Highlight mache ich mir fast bei jedem Romaufenthalt selbst zum Geschenk.
Noch einmal durchstreifen wir das centro storico, besuchen die zentralen Plätze, genießen hier und dort einen cafè lungo, verweilen längere Zeit auf der Piazza Navona, um die dortigen Renovierungsarbeiten am Vier-Flüsse-Brunnen zu beobachten und gelangen durch den Campo Marzio zur Piazza del Popolo. Nebenbei wird natürlich eingekauft, die saldi-Hinweise haben auch bei uns ihre Wirkung. Bei Tazza d'oro haben wir noch 1 kg dieser herrlich aromatischen Kaffeebohnen mitgenommen, die ihren Preis in jeden Falle Wert sind.
Von der Piazza del Popolo steigen wir hoch zum Pincio - von hier ein letzter Blick auf Michelangelos Kuppel von St. Peter. Vorbei an der Villa Medici, deren Gärten ebenfalls nach Anmeldung und leider nur gruppenweise zu besichtigen sind, gelangen wir zur Spanischen Treppe, die wie keine andere sich selbst zu inszenieren versteht. Das berühmte Cafe Grecco in der Via dei Condotti meide ich seit vielen Jahren. Die vielen japanischen Touristen, die dort Kamera-bestückt einfallen, tragen leider nicht sehr viel zum Ambiente bei. Ein kurzer Abstecher zur Fontana di Trevi, in die ich noch nie eine Münze geworfen habe und trotzdem immer wieder nach Rom zurückkomme, hat mich noch nie sehr begeistert. Das liegt sicherlich daran, weil die vielen Tausend Menschen, die sich hier unaufhaltsam durchwälzen, eine genießerische Betrachtung dieses barocken Brunnenensembles nicht zulassen. Einmal bin ich früh morgens um 5 Uhr hierher gekommen und habe ganz alleine vor der Fontana gestanden. Diese Ruhe war so ungewöhnlich, dass ich darüber auch nicht glücklich war.
Am Abend geht mit der üblichen Verspätung der Flug zurück nach Deutschland. Es waren wieder sehr schöne Tage in Rom. Mein kleiner Rom-Bericht sollte lediglich einige Impressionen wiedergeben, Gedanken in Worte fassen. Es ist schwierig über Rom zu schreiben, weil schon so vieles darüber geschrieben wurde und ich vieles mittlerweile als selbstverständlich und somit nicht als berichtenswert ansehe. Ich beneide und beglückwünsche zugleich jeden, der die Möglichkeit hat, nach Rom zu reisen und vielleicht auch als Liebender zurückkommt. In diesem Sinne vielen Dank fürs Zuhören.

Heinz
 
AW: Roma - un sogno

Applauso a Heinz!
Danke für deine berührenden Romeindrücke!:nod:

Gruß gengarde
 
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Hallo Heinz!
Erstmal vielen lieben Dank für deinen tollen Bericht. Ich finde ihn sehr sehr gut geschrieben und habe den Bericht gerade in einem Rutsch durchgelesen. Dir ist damit wirklich eine sehr gute "Liebserklärung an Rom" geglückt. :)
LG Trine!
 
AW: Roma - un sogno

Hallo Heinz,

vielen Dank!!!

Der Bericht ist toll geschrieben und eine echte Bereicherung für das Forum. :nod:

Viele Grüße
Thorsten
 
AW: Roma - un sogno

Lieber Heinz!

Der schönste Reisebericht hier im Forum!

Ich habe all diese Zeilen im unmittelbaren Anschluß an unseren fünften Rom-Aufenthalt am vergangenen Wochenende gelesen. Deine Worten brachten die Empfindungen während der vergangenen Tage noch einmal zum nachschwingen. Es wäre schön, wenn Du uns künftig häufiger an Deinen Rom-Erlebnissen teilhaben lassen könntest.

Wir alle sind dieser Stadt wohl in positiver Hinsicht verfallen. Daher war Dein Reisebericht wie eine grandiose Symphonie für mich. Vielen Dank dafür und herzliche Grüße

Ingo
 
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