Roma - oggi e ieri

ColleMarina, pecorella und Nihil - besten Dank für eure Rückmeldungen, ihr macht mich ja fast verlegen ;).
Es freut mich, wenn ich Interesse an den Gräbern und dem dazu gehörenden Hintergrund geweckt habe. Ich habe micht gerne darüber informiert, aber an die "wirklich wichtigen" Gräber von den bedeutungsvolleren Persönlichkeiten werde ich mich nicht heran wagen; dazu gibt es viel sehr gutes Material zum nachlesen (z.B. den hier empfohlenen "Riesenschmöcker", der leider schon ein wenig überholt ist). Getreu dem Motto "Roma oggi e ieri" werde ich versuchen noch das eine und andere Grab, zu dem ich einen persönlichen Bezug habe, "aufzuarbeiten". Viele sind es nicht mehr, aber ich hoffe auf weitere treue Leserschaft ;).
 
Campo Santo Teutonico


Auch an dieser Grabplatte bleibe ich immer eine Weile stehen, wenn ich den Campo Santo Teutonico besuche:
Suore della Santissima Madre Addolorata.

Etliche in Rom ansässige deutsche Schwestern- bez. Ordensgemeinschaften haben ihre Grabstätten auf dem CST. Eine davon ist die 1883 von Franziska Streitel, aus dem unterfränkischen Mellrichstadt, gegründete der „Schwestern von der Schmerzhaften Mutter“, die zu den Franziskanerinnen gehören.

Als es zu Auseinandersetzungen mit dem Gründer der Salvatorianer, Franz Maria vom Kreuz Jodan, kam, der ihre Gemeinschaft als weiblichen Zweig seines Ordens gewinnen wollte,

und aufgrund falscher Anschuldigungen wurde Sr. Franziska Streitel 1896 als Generaloberin abgesetzt. Sie lebte bis zu ihrem Tod (1911) als einfache Schwester
noch weitere 16 Jahre „als mustergültige Untergebene und in tiefer Demut“ in Castel S. Elia bei Rom.


Auf Vermittlung von Anton de Waal,


der damals schon Rektor im Campo Santo Teutonico war und sich für die deutschen Pilger in Rom engagierte, konnten die Addolorata-Schwestern schon bald das der Erzbruderschaft am CST gehörende Haus bei der Kirche Santi Michele e Magno beim Petersplatz erwerben.

Sie versuchten

„auf soziale Nöte der Zeit zu antworten. .. die Kontemplation mit der Aktion im Dienst an Kindern und Kranken zu verbinden. … das Leid anderer mitzutragen und nach Möglichkeit zu lindern.“

Hier ein Bild aus der Homepage des Ordens, das soziale Missstände in Rom zur Zeit von Sr. M. Franziska Streitel zeigt.

So widmeten sie sich der Ausbildung armer Kinder in Rom, kümmerten sich um die Armen die an ihre Tür kamen und schließlich auch um, vor allem deutschsprachige, Pilger. Schule, Caritas, Altenpflege und Pilgerbetreuung sind noch immer Programm der weltweit tätigen Addolorata-Schwestern.

Meinen zweiten Romaufenthalt und weitere verbrachte ich damals (vor über fünfzig Jahren) in ihrem, zugegeben sehr klösterlich-kargen Pilgerhaus am Borgo S. Spirito.

Ihre Gastfreundschaft und die besondere Aussicht von der Terrasse machten die spartanisch eingerichteten Zimmerchen und das Gemeinschaftsbad wieder wett.

Leider ist mein Foto mit Blick von der Terrasse nicht auffindbar :oops::rolleyes:.

Sr. Annina ist mir noch in besonders guter Erinnerung, sie war die damalige Hausoberin und eine besonders freundliche, gütige dazu. Nun lese ich ihren Namen hier auf der Grabplatte.
Die Addolorata-Schwestern haben ihre Angebot als „Pilgerunterkunft“ auf ihr Mutterhaus nahe der Via Aurelia erweitert.


Vor nunmehr schon wieder über zehn Jahren verbrachte ich auch dort ein paar Rom-Tage und hatte die Freude noch zwei – inzwischen natürlich mit mir bedeutend älter gewordene ;) – Schwestern aus den „Borgo“-Tagen wiederzusehen, oder soll ich sagen: wiederzuerkennen?
Roma oggi e ieri …
Fortsetzung hier
 
Zuletzt bearbeitet:
Liebe Pasquetta,
dieser Berichtsteil hat mich besonders berührt. Was für ein kraftvoller Mensch, der offensichtlich nicht zerbricht, bei all dem was dieser Schwester widerfahren ist. Und deine persönlichen Erinnerungen dazu, vielen Dank dafür.
Viele Grüße
Tizia
 
Liebe Tizia,
es freut mich, dass meine "Erinnerungen" zu Roma oggi e ieri auf Dein Interesse gestoßen sind. Nun folgt noch ein weiterer Halt am CST und dann sollte ich mal zwecks Auffrischung der Erinnerungen wieder mal dort vorbeischauen ;). Ma chi sà quando ...
 
Campo Santo Teutonico


Gehe ich nun weiter Richtung Ausgang besuche ich auch noch das Grab von Eva-Maria Jung-Inglessis.​


Eva-Maria Jung-Inglessis wurde am 17.1.1920 in Berlin als Tochter des Geheimrat Jung in eine preußisch-protestantischen Beamtenfamilie hineingeboren. Der Vater wurde 1934 aus dem Dienst entlassen, er starb 1939 in Rom. Dort konvertierte Eva-Maria im selben Jahr zum katholischen Glauben; sie begann Kunst- und Kirchengeschichte zu studieren und nachdem sie 1942 als überzeugte Gegnerin des Nationalsozialismus denunziert worden war, verließ sie Deutschland und flüchtete nach Rom. Sie kam zuerst bei einem deutschen Handelsattaché unter, der sie jedoch nicht lange in seinem Haushalt haben wollte. Auf Vermittlung des Arztes Dr. Willi Nix fand sie bei den Salvatorianerinnen auf dem Gianicolo Unterkunft.


Ein Foto vom Mutterhaus der Salvatorianerinnen, der Villa Salvator Mundi neben dem gleichnamigen International Hospital, habe ich leider nicht.
Als "Ersatz" dafür ein Bild der "Terrasse" der ebenfalls auf dem Gelände liegenden "Case per ferie Villa Maria" ;), aber Dank der Tre a Roma und Simone gibt es auch Bilder vom Generalat der Salvatorianerinnen an der Viale delle Mura Gianicolensi - danke für's Bereitstellen :).



In einem Artikel von Ulrich Nersinger erzählt sie, dass ihr Prälat Ludwig Kaas Arbeit im Archiv der Dombauhütte von St. Peter vermittelte, was auch eine ganz praktische und notwendige Nebenwirkung in der damaligen harten Zeit hatte:
Seine Haushälterin versorgte mich mit den übriggebliebenen vatikanischen Brötchen, die damals ein Hochgenuss für mich waren.

Auch bei den Salvatorianerinnen war sie nicht sicher und nachdem sie im Herbst 1943 eine Aufforderung bekommen hatte, sich binnen 24 Stunden bei der Deutschen Botschaft zu melden, sonst würde man sie wegen angeblicher Spionage für die Alleiirten abholen, verließ sie das gastlichen Haus der Salvatorianerinnen und suchte letzendlich Schutz im Campo Santo Teutonico. Ab Ende November 1943 fand sie dort – wie so viele andere Verfolgte – Unterschlupf. Der damalige Rektor des CST, Hermann Maria Stoeckle, stellte sie als Küchenhilfe für die Schwestern des Hauses ein. Ich zitiere noch einmal aus dem obigen Artikel von Nersinger, was sie zu ihrer Schlafstätte im CST, die sie im kleinen Museum des Kollegs hatte, sagt:
Das war ein dreieckiger Raum, dessen drei Wände bis oben mit Fragmenten von Grabinschriften und Sarkophagen bedeckt waren. Mein Bett stand sowohl mit dem Kopfende wie mit dem Fußende gegen zwei Grabplatten, so dass ich im wörtlichen Sinne ‚mitten im Leben vom Tod umgeben war’.


Vielleicht waren es solche Grabinschriften, die ihre Schlafstätte begrenzten;).
(Anmerkung: die Zitate dürften aus den Aufzeichnungen stammen, die Eva-Maria Jung-Inglessis im März 1985 auf Wunsch des damaligen Rektors des CST, Erwin Gatz,

für das Archiv des Hauses schrieb und die als Anhang in dem Buch "Orte der Zuflucht und personellen Netzwerke" zu finden sind.)

Am 4. Juni 1944 wurde Rom mit dem Eintreffen der US-Armee-Truppen von der natinalsozialistischen Besatzung befreit. Eva-Maria Jung blieb bis 1947 im Kolleg des Campo Santo Teutonico wohnen. Nachdem sie als displaced person anerkannt worden war, konnte sie auch, wie die anderen Mitbewohner, einen geringen Pensionspreis bezahlen. Sie nahm ihre Studien wieder auf, zunächst an der Päpstlichen Archivschule (Scuola Vaticana di Paleografia, Diplomatica e Archivistica, die dem Vatikanischen Geheimarchiv zugeordnet ist), wo sie das Diplom als Archivarin erwarb, und später an der staatlichen Universität von Rom, wo sie in Kirchengeschichte promovierte.


Sie ging für mehrere Jahren nach Amerika, kehrte aber dann wieder nach Rom zurück, wo sie 1959 den griechischen Kirchenhistoriker Emilios Ingelssis heiratet. Auch dazu gibt es natürlich eine Anekdote. Der katholische Grieche Emilios Inglessis lebte in Istanbul und war dort in einer der kleinen Gemeinden für Angelo Giuseppe Roncalli, der als Päpstlicher Gesandter für die Türkei zuständig war, Ministrant, Laufbursche und Dolmetscher. Dieser gab dem jungen Mann auch den Rat, als Übersetzer nach Rom zu gehen. Eva-Maria und Emilios hatten den Wunsch, dass Roncalli, nun schon Papst Johannes XXIII., sie kirchlich trauen möge, obwohl so eine Zeremonie für Privatleute nicht vorgesehen war. Aber er tat es! Die Trauung erfolgte in der päpstlichen Privatkapelle im Apostolischen Palast in Castel Gandolfo

und Papst Johannes XXIII. gab ihnen den guten Rat mit auf ihren Weg in die Ehe „Und habt Geduld miteinander!“ Im Anschluß an die Trauung taufte Papa Giovanni XXIII. seinen kleinen Neffen auf den Namen Marco und Inglessis' nannten ihren Sohn in Erinnerung und aus Dankbarkeit an ihre "päpstliche Trauung" ebenfalls Marco.

Eva-Maria Jung-Inglessis hat mehrere Rom- und Kirchengeschichte-Bücher verfasst, war - vor allem während des Konzils - Berichterstatterin für mehrere Zeitungen, hielt Vorträge und war eine gefragte Romführerin.

Erwähnenswert ist noch, dass sie auch guten Einblick in die Geschichte um die Ausgrabungen der Nekropole und die Entdeckung des Petrusgrabes hatte. Ihre anschaulich geschilderten Erinnerungen davon, die in dem Buch "Der erste Papst" von Michael Hesemann nachzulesen sind, gehen wieder in die 1940er Jahre zurück, als sie in der Reverenda Fabbrica di San Pietro, der Dombauhütte, arbeitete, deren Leiter damals der Prälat Ludwig Kaas aus Trier war.


Er führte sie, als noch geheim und ohne dass die Öffentlichkeit etwas davon wußte, gegraben wurde, in die scavi, die sie dann in der Folgezeit zusammen mit der Archäologin Prof.ssa Guarducci noch oft aufsuchte.


Margherita Guarducci war Spezialistin für die Entzifferung von fast unleserlichen Inschriften – sie fand und deutete die „Krakelinschrift“ „Petr... Eni“ als Hinweis „Hier liegt Petrus“. Sie fand auch heraus, dass bei den Grabungen an einer Nische bei der „Inschriftenmauer“ zwar Knochen gefunden und unter Anleitung von Prälat Kaas beschriftet und in einem Holzkistchen „archiviert“ worden waren, dieses dann aber achtlos beiseite gestellt wurde. Die Untersuchung der Erdspuren an den Knochenresten ergab außerdem, dass es sich um die gleiche Erde handelte, die auch im sogenannten Petrus-Grab unter der Confessio gefunden worden war. Dies und weitere Hinweise (z.B. Reste des purpurroten, golddurchwirkten Stoffes, in den die Gebeine gewickelt waren) verhärteten die Vermutung, dass es sich tatsächlich um das Grab – und die Gebeine – Petri handelt.


Eva-Maria Jung-Inglessis erinnerte sich noch gut, dass die Arbeit von Frau Guarducci mit großer Skepsis beobachtet wurde, vor allem von an den Ausgrabungen beteiligten „Patres“, die wohl nicht zugeben wollten, dass da etwas „schief gelaufen war“ und noch dazu eine Frau „ihren Ruhm“ erntete. Dieser „Gegenwind“ sollte sie noch lange begleiten. Zu Frau Jung-Inglessis soll sie kurz vor ihrem Tod, 1999, gesagt haben: „Ich habe nur der Wahrheit dienen wollen, und die Wahrheit wird siegen.“


Eva-Maria Jung-Inglessis starb am 6. August 2007 und wurde - wie ihr Mann - auf dem Campo Santo Teutonico beigesetzt, auf dem Gebiet des neronischen Zirkus, nur einen Steinwurf vom Grab des Apostel Petrus entfernt.



Ich habe Eva-Maria Jung-Inglessis im Frühjahr 1968 bei einer Führung durch die Kirchen auf dem Aventin kennengelernt und hatte später auch Kontakt zu ihrer Familie. Darum bleibe ich bei einem Besuch des Campo Santo Teutonico gerne eine Weile auch an ihrem Grab stehen.

Fortsetzung hier
 
Zuletzt bearbeitet:
Ein Foto vom Mutterhaus der Salvatorianerinnen, der Villa Salvator Mundi neben dem gleichnamigen International Hospital, habe ich leider nicht.

Ich schicke Dir gleich ein erstes per PN, aber ich finde sicher noch mehr, dann kannst Du sie Dir anschauen und entscheiden ob Du eines davon verwenden möchtest.
 
Liebe Pasquetta

Was für ein interessanter Bericht! Mich verwundert immer wieder, wieviele Verfolgte sich durch ihre kirchlichen Beziehungen, Netzwerke und durch die Barmherzigkeit und den Mut anderer, auch auf dem kleinen vatikanischen Inselchen retten konnten. Toll auch deine Querverweise zu den literarischen Hinterlassenschaften der betreffenden Personen. Mal schauen, was man davon noch im Buchhandel bekommen kann. Dein Bericht ist jedenfalls eine wunderbare Bereicherung für mein Rom Bild!
 
Ich schicke Dir gleich ein erstes per PN, aber ich finde sicher noch mehr, dann kannst Du sie Dir anschauen und entscheiden ob Du eines davon verwenden möchtest.
Liebe Simone, ich dachte mir schon, dass es (speziell bei den "Tre a Roma ;) ) evtl. ein passendes Villa Salvator Mundi-Bild gibt. Gerne habe ich zwei davon eingefügt und bedanke mich herzlich für die "Zulieferung". (Dem Generalat bin ich noch nicht so nahe gekommen, aber das Hospital habe ich in den 70er Jahren mal von innen "sehen müssen" und davon gibt es kein Foto :D.)
 
Liebe Pasquetta,
es freut mich, dass meine Fotos Dir einen kleinen Dienst erweisen konnten, zumindest bis Du sie vielleicht durch eigene ersetzen möchtest. Das Generalat durfte ich auch einmal von innen sehen, das war wirklich ein besonderer Moment!
Danke Für Deinen Teilbericht über Eva-Maria Jung-Inglessis. Obwohl einige ihrer Bücher zu meinen Favoriten im Rombücherregal zählen, habe ich noch Neues und Wissenswertes über ihr Leben erfahren.
Ich erinnere mich noch gut an folgenden Artikel, der zu ihrem Tod erschienen ist: Ein Leben in Liebe zu Rom
 
Was für ein interessanter Bericht!
Vielen Dank für Dein "Lob", liebe Nihil, es freut mich, dass der Bericht Dein Interesse findet.
Mich verwundert immer wieder, wieviele Verfolgte sich durch ihre kirchlichen Beziehungen, Netzwerke und durch die Barmherzigkeit und den Mut anderer, auch auf dem kleinen vatikanischen Inselchen retten konnten. Toll auch deine Querverweise zu den literarischen Hinterlassenschaften der betreffenden Personen.
Empfehlen kann ich zu diesem Thema auch das hier im Forum besprochene Buch Über die weiße Linie.
 
Wirklich sehr schön: Diese beiden Beiträge zum Campo Santo Teutonico habe auch ich mit großem Interesse gelesen bzw. betrachtet. :)

Was das Mutterhaus der Salvatorianerinnen angeht, so kann ich diese Frontansicht in voller Größe beisteuern:


1554660346793.png
 
Besten Dank auch für diese tolle Ansicht des Mutterhauses der Salvatorianerinnen und das Interesse an den (für mich) "besonderen" Gräbern auf dem CST.
 
Campo Santo Teutonico


Schaue ich so über den Campo Santo, dann entdecke ich natürlich noch ein paar Namen, vor allem auf Gedenktafeln, deren Träger mir zwar nicht persönlich bekannt sind, aber die mir „etwas“ sagen.

Da ist gleich links vom Eingang zur Kirche die Gedenktafel für Anton Henze. Den meisten Romreisenden in der Zeit nach dem Konzil bis zum Einsetzen des großen Reisebooms in die Ewige Stadt und der vielleicht auch damit zusammenhängenden Schwemme an Rom-Reiseführern dürfte der Reclams Kunstführer Rom und Latium ein treuer Reisebegleiter gewesen sein. Er war ein verlässlicher - und handlicher! - Wegweiser zu den Denkmälern und Kunstwerken der Ewigen Stadt. Dieses Standardwerk eines Rom-Kunstführers hatte Anton Henze bearbeitet.

Anton Henze war promovierter Kunsthistoriker und nach dem Krieg als Journalist tätig. Mitte der 1950er Jahre gab er seine Stelle als Feuilletonchef bei den Westfälischen Nachrichten in Münster auf und zog 1959 mit seiner Familie nach Rom. Dort lebte er als freischaffender Kulturkorrespondent und Verfasser von Kunstführern vor allem zur Kunst in Rom und Latium, bei denen eben der „Reclam“ besonders herausragte. Anton Henze wurde mehrmals von der Stadt Rom bzw. der Region Lazio mit dem Preis für den besten Artikel eines Auslandsjournalisten ausgezeichnet und erhielt von Papst Paul VI. das Komturkreuz des Silvesterordens für seine Verdienste u.a. bei der Erstellung des Konzepts für die moderne Sammlung der Vatikanischen Museen.


Anton Henze verstarb am 29.7.1983 und wurde – wie auch seine Ehefrau Elisabeth, die 2001 gestorben ist, – auf dem Campo Santo Teutonico in der Grabstätte der Erzbruderschaft beigesetzt.

An Allerheiligen 1986 wurde eine, im Auftrag der Familie durch den Künstler Alfonso Hüppi angefertigte Bronzegedenktafel an der Mauer links vom Eingang zur Kirche S. Maria della Pietá angebracht – „in Memoriam Anton Henze - Deuter der bildenden Künste, Förderer moderner christlicher Kunst, Darsteller von Kunst und Leben der Stadt Rom“.

Wer seinerzeit „den Reclam“ nicht schon nach Rom mitgebracht hat, der konnte ihn sicherlich auch in der Herder-Buchhandlung am „Montecitorio“ erstehen. Diese Buchhandlung war nicht nur für die Deutschrömer eine Institution, auch die „römische Intelligentia“ versorgte sich dort mit Fachliteratur.

Anton Schaedel, der auf dem Campo Santo Teutonico beerdigt ist (wie auch seine Ehefrau und die Schwiegertochter, die ebenfalls auf der Gedenktafel aufgeführt sind) hatte in Barcelona eine Herder-Niederlassung gegründet und war wegen des Spanischen Bürgerkrieges mit der Familie 1937 nach Rom umgesiedelt. Hier übernahm er die seit 1925 an der Piazza di Spagna ansässige Buchhandlung des Herder-Verlages. Seit 1936 hatte sie ihren Standort an der Piazza Montecitorio, in exponierter Lage dirket beim Parlament, und es wurde eine breitgefächerte Kundschaft – darunter auch „schwarzer“ und „weißer“ Adel – bedient. Schaedels mussten während der Besatzung Roms die Stadt verlassen und kehrten erst Jahre nach Ende des Krieges zurück. Ab den 1950er Jahren begannen für die Buchhandlung an der Piazza Montecitorio wieder „bessere Zeiten“, Herder „profitierte“ auch vom Konzil, Fachbücher waren gefragt. In der Libreria Herder erfüllten die freundlichen und zuvorkommenden Angestellten auch ausgefallene Buchwünsche, schließlich wollten die Deutschrömer auch in den 1970er Jahren nicht auf ihren Adventskalender oder „die Häschenschule“an Ostern verzichten ;) , auch die deutsche Schule orderte damals noch ihre benötigten Schulbücher über die Libreria Herder und andere deutsche Institutionen deckten ebenfalls dort ihren Bücherbedarf.
Wie wir wissen, fand diese „deutsche Bücherwelt“ vor einigen Jahren mehr oder weniger ein Ende: Libreria Herder [offenbar] vor dem Aus. (In Ermangelung eines eigenen Fotos von der "alten Herder-Libreria" verweise ich auf das Bild von @tacitus im verlinkten Thread.)
Die Zeiten der alten Libreria sind vorüber, was sicher nicht nur der Nachfolger von Anton Schaedel, sein Sohn Oriol (auf dem Bild noch mit seiner Frau Anneli, die knapp einen Monat nach seinem 90. Geburtstag verstarb) bedauert hat.

Übrigens hat das deutsche Buchhändler-Wesen in Rom schon eine längere Tradition: der Westfale Josef Spithöver (der ebenfalls auf dem CST beerdigt ist) eröffnete 1845 an der Piazza di Spagna eine „deutsche“ Buchhandlung und der Sachse Max Bretschneider in der Via del Tritone eine Verlagsbuchhandlung, die bis heute im Prati-Viertel existiert.

Kein Wunder, soll doch auch die
Technik des Buchdrucks mit beweglichen Lettern
Quelle: wikipedia - Konrad Sweynheym
von Deutschen nach Italien gebracht worden sein ;), wie wir auch schon in Subiaco erfahren hatten:
Trotz fortgeschrittener Mittagsstunde nahm sich der lustige, redselige Frate im Klosterladen für uns Zeit und von den „Köstlichkeiten“, die er anzubieten hatte bis hin zu seinem Aufenthalt in einem bayerischen Benediktinerkloster, wo er auch das gute Bier zu genießen lernte, entspann sich eine nette Unterhaltung. So erfuhren wir auch, dass es zwei deutsche Drucker aus Mainz waren, die 1465 die erste Druckerei Italiens hier in Subiaco einrichteten. Die reichhaltige Bibliothek besitzt noch Drucke aus dieser Zeit sowie wertvolle Handschriften und Pergamente.
Aber das wäre schon wieder eine andere Geschichte.


Am Eingang zum Kolleg ist eine Gedenktafel neueren Datums beachtenswert. Sie erinnert an den irischen Priester Hugh O'Flaherty , der hier im Forum schon öfters erwähnt wurde, z.B. durch die Vorstellung des Buches Über die weiße Linie, das sich teilweise wie ein „Krimi“ liest.
Ich zitiere aus dem Klappentext:
„Keine andere Einzelperson hat im Zweiten Weltkrieg mehr alliierten Soldaten das Leben gerettet als der Priester Hugh O'Flaherty . Insgesamt rettet er mehr als 6500 Menschen aus 25 Nationen vor Verhaftung, Folter und Tod.
Der irische Monsignore baute von 1943 bis 1944 mit Gottvertrauen und Chuzpe eine Fluchtorganisation auf. Er versteckte die Flüchtlinge ebenso im Vatikan wie in römischen Privathäusern. Bald war er dem SS-Obersturmbannführer Herbert Kappler verhasst. Zwischen O'Flaherty und dem Gestapo-Leiter begann eine mörderische Jagd. Doch dem mutigen Iren gelang es immer wieder, den Nazischergen in letzter Minute zu entkommen."
Hugh O'Flaherty wohnte während dieser Zeit im Campo Santo, was heißt, dass er von einer deutschen Institution aus tausende Verfolgte vor den Deutschen gerettet hat.

Gleich gegenüber ist die Gedenktafel für Hubert Jedin angebracht. Er wohnte ebenfalls im CST und konnte, da er „Halbjude“ war, in der Zeit 1943/44 den Vatikan ohne Gefahr verfolgt zu werden, nicht verlassen. Er gilt wohl als einer der herausragendsten katholischen Kirchenhistoriker des 20. Jahrhunderts, der bis heute gültige Standardwerke zur „[Handbuch der]Kirchengeschichte“ und zur „Geschichte des Konzils von Trient“ herausgegeben hat.
Aber vielleicht gehört auch der „Blick hinter die Kulissen“ dazu bzw. wo Menschen am Werk sind da „menschelt“ es. Und das auch in der Kirche, wie Christina von Braun in ihrem Buch Stille Post sehr behutsam von der leidenschaftlichen Liebesaffäre Jedins mit ihrer Mutter Hilde von Braun berichtet. Nach langem Hin und Her entschied sich Jedin für seine priesterliche und wissenschaftliche Karriere, verließ den Campo Santo Teutonico und Rom und nahm den Ruf an die Universität Bonn an.
Hubert Jedin starb am 16. Juli 1980 in Bonn und wurde auf dem Friedhof in Bonn-Poppelsdorf beigesetzt. Auf Veranlassung des Kirchenhistorikers Erwin Gatz wurde auf dem Friedhof Campo Santo Teutonico in Rom eine Gedenktafel angebracht.


Etwas weiter, an der VIII. Kreuzwegstation – Jesus begegnet den weinenden Frauen – fällt mir eine andere Gedenktafel auf, die mich an „Zwielichtiges“ denken lässt.
Der Österreicher Alois Hudal war von 1923 bis 1952 Rektor des Priesterkollegs Santa Maria dell'Anima, er wurde 1933 zum Bischof geweiht. Die Grabstätte vor der Kreuzwegstation hatte er für seine Mutter erworben, die ihre letzten Lebensjahre bei ihrem Sohn in der Anima verbrachte und 1936 verstarb. In der Grabstätte Hudal fanden mit seiner Erlaubnis weitere Personen aus dem Umkreis der Anima ihre letzte Ruhestätte, so wie auch Bischof Hudal selbst, der 1963 gestorben ist. An der in seinem Auftrag in Majolika ausgeführten Kreuzwegstation erkennt man sein Prälatwappen und das der Anima.


Muss man mit gemischten Gefühlen auf diese Gedenktafel schauen? Alois Hudal hat in seiner Zeit als Rektor des Anima-Kollegs sehr vielen (angeblich auch namhaften) Nazis bei der Flucht auf der sogenannten "Rattenlinie" geholfen, indem er u.a. gefälschte Reisepässe organisierte. Dem Vernehmen nach ging das nur mit Hilfe aus dem Vatikan. Hudal stand auch später noch zu diesen „Verbindungen“ und seinem „Traum“ eines „christlichen Nationalsozialismus“. In seinen - wie er sie selbst nannte - „Memoiren“ "Römische Tagebücher" sieht er es als seine Aufgabe an, den „sogenannten Kriegsverbrechern“ bei der Flucht ins Exil geholfen zu haben, sozusagen Fluchthilfe als angewandte Nächstenliebe. Die anderen Angaben zufolge auch „normalen Flüchtlingen“ zugute gekommen sein soll (wie es ein ehemaliger neuseeländischer Brigadegeneral in seinen Erinnerungen "Das Leben ist ein gewundener Pfad" beschreibt).


Der Ruf des „braunen Schafes der katholischen Kirche im Bischofsrang“ haftete Hudal an und kostete ihn seine weitere Karriere. Auf massiven Druck des Vatikans trat er 1952 als Rektor des Anima-Kollegs zurück und zog sich verbittert auf sein Weingut bei Grottaferrata zurück, wo er 1963 starb.

Was verbirgt sich doch alles hinter eingeritzten Namen und Daten auf Grabplatten...
Wie auch hier. Vom Eingangstor kommend vor der Kreuzung der Friedhofswege liegt die Grabplatte für die Alumnen des Germanikums.


Es gibt auf dem Campo Santo Teutonico zwei Grabstätten des Collegium Germanicum et Hungaricum.


Schon Ende des 19. Jh. hatte das Germanikum Antrag auf eine Grabstätte gestellt, der auch genehmigt wurde, da die Alumnen des Germanikums an hohen Feiertagen kirchlichen Dienst am Campo Santo versahen. Auf der Grabplatte des Alumnen-Grabes steht als letzter Eintrag:

Edgardus Leibfried
Vianden Luxemburg
n 31.III.1926
Alumnus a 12.XI.1946
+ 26.XI.1947
sul Monte Velino.​

Edgar Leibfried war einziger Sohn einer angesehenen Familie in Vianden, Luxemburg, und seit 12.11.1946 Alumne des Germanikums. Ein Schwächeanfall bei starkem Schneefall während einer Bergtour auf dem Monte Velino in den Abruzzen wurde dem
„frate rosso“

Ausschnitt aus einem kolorierten Stich mit dem Titel "Vestitus Alumnorum Collegii Germanici et Hungarici"
am 26.11.1947 zum tödlichen Verhängnis. Erst nach der Schneeschmelze im nächsten Frühjahr fand man am 26.5.1948 seine Leiche. Nachdem damals den Monte Velino auch Braunbären und Apenninwölfe durchstreiften, braucht es nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen, wie der Zustand der Leiche beschrieben wurde. Angeblich erzählt man sich noch heute im Kolleg, wenn Erinnerungen an längst vergangene Bergwanderungen hervorgeholt werden, die schaurige Geschichte vom Tod Edgar Leibfrieds, dessen leibliche Überreste hier auf dem Campo Santo Teutonico beigesetzt wurden.

Fortsetzung hier
 
Zuletzt bearbeitet:
Liebe Pasquetta,
vielen Dank für diese kurzweilige und sehr bewegende Beschreibung verschiedener Gedenktafeln. Was mich sehr verwundert, dass zur gleichen Zeit zwei so verschieden motivierte Menschen wie der irische Priester und der österreichische Rektor ihre so unterschiedlichen Rettungsaktionen innerhalb Roms und der katholischen Kirche nachgehen konnten. Da grenzt es wirklich an ein Wunder, dass O‘Flaherty nicht gefasst wurde.

Dürfen wir noch mehr erfahren? Du schreibst so interessant und du weißt so viel Hintergründe und deine ganze Liebe zu Italien und Rom steckt in deinen Zeilen dass ich diese sehr gerne lese. Vielen herzlichen Dank sagt Tizia
 
Danke Pasquetta für diesen sehr fundierten Beitrag zum Campo Santo. Kurz zu zwei der von dir genannten Personen. Ich habe sowohl das Ehepaar Henze als auch die Familie Schädel persönlich gekannt. Anton Henze hat mir erzählt, dass er auf Anraten seines Arztes nach Rom gezogen sei. Der Arzt hat ihm einfach viel Sonne verordnet. Das Nasskalte Wetter im Münsterland hat er nicht gut vertragen.
Die Familie Schädel haben wir vor vielen Jahren auf ihrem Landsitz südlich von Rom besucht. Oriol (nicht Odilo) Schädel bin ich noch letztes Jahr im Campo Santo begegnet. Er ist ja inzwischen auch sehr alt und fast blind, freut sich aber immer über ein paar Worte.
 
Es verwundert nicht, dass @Ludovico ROB das noch ergänzen konnte: Außer ihm und Pasquetta verfügt hier niemand sonst über dermaßen langjährige Rom-Erfahrungen, die deutlich über die touristische Perspektive hinausreichen. :cool:

Und natürlich habe ich - wie schon vor 3 Wochen - auch diesen neuen Campo-Santo-Beitrag mit Interesse gelesen (auch wenn mir selbstverständlich durchaus Vieles nicht neu war ;)).
 
Dürfen wir noch mehr erfahren? Du schreibst so interessant und du weißt so viel Hintergründe und deine ganze Liebe zu Italien und Rom steckt in deinen Zeilen dass ich diese sehr gerne lese. Vielen herzlichen Dank sagt Tizia

Das hast du wunderschön gesagt liebe Tizia und ich schließe mich gerne deinem Wunsch nach noch mehr Informationen an.
 
Herzlichen Dank Euch allen für die netten Rückmeldungen. Es freut mich natürlich, dass meine Einlassungen zum CST auf Interesse stoßen (BEVA meinte schon, wie kann man nur so viel über Gräber lesen und schreiben ;) :)).

Was mich sehr verwundert, dass zur gleichen Zeit zwei so verschieden motivierte Menschen wie der irische Priester und der österreichische Rektor ihre so unterschiedlichen Rettungsaktionen innerhalb Roms und der katholischen Kirche nachgehen konnten. Da grenzt es wirklich an ein Wunder, dass O‘Flaherty nicht gefasst wurde.
Ja, je mehr ich darüber lese umsomehr "Überraschungen" gibt es auch für mich. Es muß schon eine "ver-rückte" Zeit gewesen sein...

Dürfen wir noch mehr erfahren?
... und ich schließe mich gerne deinem Wunsch nach noch mehr Informationen an.
Im Moment habe ich nur noch eine ganz kleine Idee dazu "in petto", aber noch keine Zeit dafür. Gerne hätte ich auch nochmal über Madre Pasqualina nachgelesen, zu der eigentlich keinen besonders positiven Zugang habe (obwohl ich sie Ende der 1960er Jahre lt. meinen damaligen Kalender-Notizen auch mal getroffen habe, aber keinerlei Erinnerung dazu mehr auftaucht :(). Vielleicht würde sich beides bei "Recherche" über sie ändern. Dazu habe ich es bisher auch immer irgendwie unterlassen, ein Foto von ihrem Grab zu machen. Aber was noch nicht ist, kann ja noch werden ;).

Es verwundert nicht, dass @Ludovico ROB das noch ergänzen konnte: Außer ihm und Pasquetta verfügt hier niemand sonst über dermaßen langjährige Rom-Erfahrungen, die deutlich über die touristische Perspektive hinausreichen. :cool:
Ja, ja ;) - sind wir hier die Dinosaurier, lieber Ludovico, oder doch die "Eulen der Minerva" in Bezug auf langjährig zurückreichende Rom-Erfahrung? o_O :D
 
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