Roma - oggi e ieri

Liebe Nihil, danke für Dein Interesse. In gewisser Weise hast Du schon Recht und auch ich habe ja angemerkt
Das heißt also, die „besten Stücke“ sind in den anderen Häusern untergebracht und das Thermenmuseum ist „etwas geschrumpft“, aber noch immer lohnt sich ein Besuch dort.
aber ganz so schlimm sehe ich es nicht. Das Thermenmuseum hat halt seinen Schwerpunkt auf Inschriften (u.a. Gesetzestexte und solche die die Wirtschaft der alten Römer betreffen) gelegt (oder legen müssen?), aber ich fand die Präsentation der vielen Objekte ganz gelungen. Man sollte sich jedoch wirklich viel Zeit nehmen dafür - oder eben im vorbeigehen einfach die schönen Dinge auf sich wirken lassen. Was auch dort so "nebenher läuft" hätte hier wahrscheinlich in so mancher Sonderausstellung seinen besonderen Platz.
 
Thermenmuseum - Chiostro di Michelangelo
Nun geht es hinaus in den weitläufigen Chiostro di Michelangelo, auf dessen Geschichte ectr. ich nicht näher eingehen werde (er soll ja evtl. hier im Forum im Thread "Römische Kreuzgänge - ein Bilderbogen" noch Thema werden ;)), sondern wie in realtà einfach durchspaziere.


Die „Tür“ dazu öffnete uns das trompe-l'oeil von Filippo Baldi, der hier (1885) den Kartäusermönch Pierre Foucois dargestellt hat, der nach dem Tod seiner Frau ins Kloster ging und Vater von Papst Clemens IV.
war, auf dessen Bild er im trompe-l'oeil zeigt. Hübsches Detail ist die kleine Katze am Bildrand.

Die Kartäuser sind ein ziemlich strenger Orden, in dem Schweigen zum Ordensleben gehört. Die Katze wurde als schweigsames Tier angesehen und es gab früher in den Kartausen die Anordnung, wenigstens ein Katzen-Pärchen zu halten, da sie halfen, die Überträger von Seuchen (der Pest), Mäuse und Ratten, zu dezimieren.


Ob Michelangelo den Chiostro Maggiore della Certosa angelegt hat, nachdem er die Leitung der Bauarbeiten für die Basilika Santa Maria degli Angeli 1563 übernommen hatte, ist fraglich. Eher hat ihn sein Schüler Jacop del Duca ab 1565 nach des Meisters Plänen ausgeführt, nachdem dieser 1564 verstorben war.

In der Mitte des Gartens befindet sich ein Brunnen mit vier Delphinen, die die obere Brunnenschale tragen. Darum herum stehen wunderschöne alte Zypressen, nur eine ist „ausgedünnt“ und wird von einem Eisengerüst gehalten. Ob Legenda oder nicht, die schöne Geschichte hierzu: Michelangelo hat mit 87 Jahren, nach Beendigung der Arbeiten an der Kirche S. Maria degli Angeli, höchstpersönlich vier Zypressen im Chiostro der Kartause gepflanzt. 1888 wurden bei einem heftigen Gewitter zwei davon entwurzelt, von einem weiteren verliert sich die Spur. Es wurden neue Zypressen nach dem Muster von Michelangelos angepflanzt und der einzige noch verbliebene Originalbaum bekam ein eisernes Stützgerüst und kann uns so noch heute erfreuen.
Von den riesigen Tierköpfen die aus den Hecken aufragen wurden fünf auf dem Gebiet des Trajansforums beim Bau des (jetzigen) Palazzo Valentini, der Ende des 16. Jh. für die Familie Zambeccari errichtet wurde, gefunden und auf Wunsch des Kardinals Bonelli im Garten des Palazzos aufgestellt (das Rhinozeros und der Elefant kamen später dazu). Sie blieben dort für 300 Jahre, hatten dann ihr "Zwischenlager“ im Collegio Romano (wo sich das Museum Kircherianum befand) und wurden erst 1909 im Cortile di Michelangelo aufgestellt.


Ein kurzer virtueller Spaziergang durch den Chistro di Michelangelo:


Grabaltar der Claudia Ianuaria, gestorben mit 24 Jahren 7 Monaten und 23 Tagen, gestiftet vom Ehemann Caius Lucretius Purpurius und der Mutter Claudia Prima (datiert Mitte 1 Jh. n.Chr.) – ganze Familiengeschichten tun sich in solchen Inschriften auf​


Ganymed mit dem Adler sprich: Zeus (Anf. 3. Jh.n.Chr., gefunden 1921 in den Resten einer Villa an der Via Prenestina)


Mädchen mit Taube (Ende 2./Anf. 3.Jh.n.Chr., gefunden ebenfalls an der Via Prenestina)


Altar für Diana Vietrix (1. Hälfte 2. Jh. n.Chr., gefunden an der Via Ardeatina)​
„Die Göttin eilt im kurzen Jagdgewand an uns vorüber. Anstelle des Hirsches begleitet sie in unserem Relief ihr Hund. In der ausgestreckten Linke hält sie den Bogen, die Rechte greift nach einem Pfeil im Köcher, der am Rücken hängt. Aus der Inschrift darunter erfahren wir, daß eine Frau namens Aebutia Amerina den Altar der Diana Vietrix geweiht hat. Der Beiname Siegerin braucht bei dieser Göttin, die in ihrem stürmenden Wesen der Victoria gleicht, nicht zu befremden.“ steht im „alten Helbig“.


Betrunkener Dionysos (gefunden an der Via Cassia, 1. Jh.n.Chr.)


Schlafender Knabe mit Laterne (1.-2. Jh.n.Chr., gefunden im Tiber am Ponte Palatino)​
„Der noch im Kinderspeck steckende kleine Knabe sitzt schlafend auf einem Felsen.“ In der rechten Hand hält er noch die Laterne, die auf einer Felserhebung steht. Er trägt einen Kapuzenmantel, einen sogenannten Cucullus. Kinder, die neben ihrem Arbeitsgerät eingeschlafen sind, waren ein häufiges Motiv dieser Kunstgattung. Die lanternarii waren Sklaven oder Diener, die man mieten konnte, um sich in der Nacht den Weg leuchten u lassen. - Solche Statuetten konnten aber auch für den Grabkult geschaffen sein.


Da staunen nicht nur die Theatermasken, was sich in diesem Chiostro so alles versteckt und zu entdecken und erfahren ist.​
 
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Diokletiansthermen Museum
Und weiter geht es durch die nun nach der Umstrukturierung lichten Räume des Museums.

Wie bereits erwähnt, hat man sich im Museum der Diokletiansthermen vor allem auf Funde zur Vor- und Frühgeschichte Roms und des Latiums und auf die Epigraphik spezialisiert. Es besitzt eine der umfangreichsten Sammlungen von Inschriften jeder Art und auf den unterschiedlichsten Materialien (es sollen um die 10 000 sein), dazu eine riesige Sammlung von Sarkophagen und Grabmälern. Wir haben mitnichten alle Räume aufmerksam „durchschritten“ oder alle, auch viele wahrscheinlich sehr sehenswerte, Ausstellungsstücke angesehen, wie z.B. auch nicht die frühgeschichtlichen Exponate (mit Töpferwaren, Haushalts- u.ä. Gegenständen).

Hier nur – wie schon beim Chiostro-Beitrag – eine winzig kleine und willkürliche Auswahl von Fundstücken, die ich beim Vorbeigehen fotografiert habe, frei von Bedeutung oder künstlerischem Wert, einfach weil sie mir gefallen haben.



Medusa – Bodenmosaik 1.-2. Jh.n.Chr., gefunden an der Via Ardeatina auf dem Gebiet von Santa Palomba



Eine der ältesten christlichen Grabinschriften, hier für Licinia Amias, mit den christlichen Symbolen Fisch und Anker (griechisch: „Fisch der Lebenden“); datiert auf Anf. 3. Jh.n.Chr., stammt aus den Vatikanischen Nekropolen und kam vom Museum Kircherianum.

Grabstele des kleinen Sextus Rufius Achilleus, der nur sieben Monate und neun Tage alt geworden ist.

Das Kind ist als Hermes, der Gott, der die Seelen in den Hades begleitet, dargestellt, in der einen Hand den Caduceus, den Hermesstab, und in der anderen ein Beutelchen haltend, das „Geldbeutelchen“ des römischen Hermes als Begleiter von Reisenden und Kaufleuten. Hahn und Schildkröte begleiten den „kleinen Hermes“ auf seiner Reise.


Relief aus dem 2./3. Jh. n.Chr., aus dem Museum Kircherianum: Putti halten eine Menorah


Grabinschrift für Pomponis, einem Archon (Amtsträger) der Synagoge der Calcarensis – diese Bezeichnung kann sich auf eine Vereinigung von Arbeitern des Bauwesens (calce) oder einen Stadtteil namens Calcaria beziehen; gefunden in einer Katakombe am Monteverde, Via Portuense.

Auch von römischen Grabstelen sind sogenannte Dexiosisreliefs bekannt, die den Verstorbenen mit dem Ehegatten zeigen. Hier zwei Beispiele,

Grabaltar mit Szene der dextrarum iunctio
davon ein ganz besonders schönes.

Der Grabaltar entstand zwischen 50 und 60 n.Chr. und stammt aus dem römischen Kunsthandel von A. Jandolo (dem wir schon in der Via Margutta begegnet sind ;)). Er ist ein wahres Schatzkästlein.

“Alle vier Seiten sind über und über verziert, am Sockel figürlich, an der Kiste ornamental. … steht ein römisches Ehepaar bei der dextrarum iunctio, der Mann in Tunica und Toga, in deren Bausch seine Linke greift, die Frau in Stola und Palla. Die Köpfe des Paares sind trotz ihrer Kleinheit ausgezeichnete Porträts aus der Zeit der Kaiser Claudius oder Nero. Sie lassen ein bereits vorgerücktes Alter erkennen ...Diese [die Frau] ist nicht verschleiert wie am Hochzeitstag, und die Geste ihrer linken Hand, die auf der Schulter des Gatten ruht, ist nicht die einer Braut. Es drückt sich darin vielmehr … die enge Zusammengehörigkeit der Gatten aus. … Der eheliche Gestus der dextrarum iunctio umschließt hier vielmehr das ganze gemeinsame Leben, das die beiden geführt haben und auf dessen Fortdauer in der Ewigkeit sie hoffen. Ihre Hoffnung wird symbolisiert durch die Lampe, die zwischen ihnen hängt.“
An den Seiten des Altares sind eilfertige Diener abgebildet, die dem Paar Gaben für das Opferfest bringen:


hier Weinkanne und Schale sowie einen Vogel und einen Weihrauchkasten

und auf der andern Seite bringt einer der langhaarigen Knaben (was sie als Opferdiener kennzeichnet) „ein Tablett voller Früchte und eine Handgirlande, wie man sie beim Gastmahl trug“, der andere Diener hält einen Schirm. Die Rückseite des Grabaltares weist darauf hin, dass das Paar mit dem Bacchuskult vertraut war.

Auf der Rückseite des Grabaltars sind zwei Mänaden zu erkennen, die beim Feuer am Altar tanzen – Versprechen eines „seligen Weiterlebens in der Form eines ewigen Mysterienfestes.“ (Die Zitate sind wieder aus Helbig, Führer durch die öffentlichen Sammlungen klassischer Altertümer in Rom)


Grabinschrift für Aurelius Martinus, einem aus der kaiserliche Garde Equites singulares Augusti, der – wie man am Aufsatz erkennen kann - sich auf der kline ausruhen und genießen darf, was ihm ein Diener bringt.


Dieser goldene Kopf gehört zu einer Statue, die der Zenturio Marcus Vibrius Marcellus seinem Legionskommandeur Lucius Cornelius Pusio
gewidmet hat, als dieser ca. 55 n.Chr. aus Germanien zurückkehrte, wo er Legat der Legio XVII Gallica war. Die gerahmte Inschrift war vermutlich der Sockel der Statue, der Rahmen wurde irgendwann einmal auf dem Antiquitätenmarkt hinzugefügt (gefunden Via IV Novembre, auf dem Gebiet des Palazzo Campanari).

Wiedereinmal erzählen diese Fundstücke ganz individuelle Geschichten und verflechten sich mit der Geschichte, was ich immer sehr spannend finde. Nun begeben wir uns noch in eine andere Abteilung u.a. zur


Göttin Isis – mit den typischen Attributen Sonnenscheibe und Kuhhörner - von der Via Porta Latina​


Zu diesem Mithras-Relief gibt es eine spannende Geschichte aus dem Landesmuseum Karlsruhe und dem Thermenmuseum.
Dazu ein paar Bilder der Story:


Noch für einige Jahre sollte dieses Mithrasrelief also in Rom zu sehen sein, nach Ablauf der 10 Jahre Ausleihzeit müssen Interessierte dieser Mithraszene dann wieder nach Karlsruhe reisen.


Diese Darstellung des Mithras ist aus dem 4. Jh. n.Chr. und zeigt den Gott, wie er den Stier bei den Nasenlöchern packt und ihm den Dolch in den Hals stößt. Wie auf vielen Mithrasdarstellung sind auch hier Hund und Schlange bereits dabei das Blut aus der Wunde des Stieres zu lecken und der Skorpion verbeißt sich in seinen Hoden.


für Sol Invictus – für den „unbesiegten Sonnengott“ die „Votiv“-Tafel eines Priesters des Jupiter Dolichenus-Kultes​


Eine kleine, wunderschöne vergoldete Statue eines syrischen Gottes
(Wettergott Baal Hadad, vergleichbar mit dem römischen Jupiter Eliopolitan)​
Sie wurde 1906 beim Aushub für das Wächterhäuschen der Villa Sciarra am Monteverde in einem syrischen Tempel gefunden, einem von mehreren nicht den römischen Göttern geweihten Tempel in dieser Gegend.

Nun interessieren mich jedoch besonders die Ausstellungsstücke aus dem Mithräum der Kirche S. Stefano Rotondo. Wie bereits einmal – hier, ziemlich am Ende des Berichtes – erwähnt, geht mein Interesse für Santo Stefano Rotondo schon auf „Roma ieri“ zurück und es freut mich jedes Mal, wenn ich etwas Neues darüber zu sehen bekomme. Darum war ich ganz überrascht, die Fundstücke aus dem dortigen – soviel ich weiß leider nicht öffentlich zugänglichen – Mithräum im Thermenmuseum zu entdecken.

Auf dem Celio-Hügel lag an der Via Caelimontana, zwischen der Porta Caelimontana in der alten Servianischen Mauer und der Porta Praenestina eine im 2. Jh. errichtete und bis ins 4. Jh. genutzte Kaserne für Soldaten und Offiziere, die von den Provinzlegionen nach Rom abkommandiert wurden, um dort Spezialdienste zu verrichten (polizeiliche Aufgaben und solche des Sicherheitsdienstes, der Leibwache). Um 180 n.Chr. war in die Castra Peregrinorum auch ein Mithräum eingebaut worden, das den Ausgrabungsfunden nach auch nach der Aufgabe der Kaserne noch benutzt worden war und wahrscheinlich erst kurz vor der Errichtung des Kirche S. Stefano Rotondo verlassen und zerstört wurde.

Zu diesem Schluss kam man, als man bei den Grabungen Anfang der 1970er Jahre (sie dauerten von 1969 bis 1975) * ;)
die Vorgehensweise der Bauherren der neuen Kirche erkannte: das römische Mauerwerk war fast überall auf der gleichen Höhe abgeschnitten und die Hohlräume mit mit Scherben angereichter festgestampfter Erde aufgefüllt. Nur sehr tiefliegende Teile, wie z.B. die westliche Bank des Mithräums, wurden als Fundament für die ringförmige Anlage miteinbezogen. (Quelle: 83. Korrespondenzblatt CGH 1976 bzw. Mitreo dei Castra Peregrinorum (S. Stefano Rotondo) von Lissi-Caronna)

* ;) Ein Foto habe ich aus dieser Zeit gefunden:

Nach einem Umbau und einer Erweiterung des Mithräums Anfang des 3. Jh. brachte man in einer Nische der nördlichen Wand - ich zitiere nun aus obengenanntem Korrespondenzblatt:
„... auf der Mauer ein Marmorrelief an, das ebenfalls den Mithras tauroctonos darstellte. Man fand es in Fragmenten auf dem Fußboden wieder. Das Relief wurde vollständig wieder hergestellt. Es bewahrt in bewundernswerter Weise die überreiche Polychromie und besonders
das Gold auf dem Gesicht, den Händen und dem Dolch des Mithras.“

Das Mithräum war mit Fresken geschmückt die z.T. noch erhalten sind (Darstellung des Mondes, Trinkgefäße auf deren Rand Tauben zu sehen sind), wie man auf diesem Bild sehen kann.

„Bei den Ausgrabungen fand man auf dem Fußboden außer den Fragmenten der Stuckgruppe und des bunten Marmorreliefs des Mithras tauroctonos auch zwei Statuen des felsgeborenen Mithras in Marmor und einen Mithraskopf aus Stuck in natürlicher Größe. Sein Gesicht ist ganz in Gold gehalten und seine Mütze rot bemalt. Dazu zahlreiche Vasen und Altäre mit Inschriften, die für die Geschichte der Kaserne und für die Erforschung des Mithraskultes besonders wichtig sind.

Interessanterweise wurde der größere Teil der Statuen und Inschriften direkt auf dem Fußboden wiedergefunden, d.h. bewußt von der Stelle entfernt, an der sie sich befunden hatten. Das Mithräum muß zerstört worden sein, als es noch in vollem Umfang in Gebrauch war, da sich auf dem Fußboden keine Erdschicht befindet.“

Wir nähern uns dem Ende unseres Rundgangs, von dem wir sehr angetan sind. Auch diese römischen Damen blicken voll vornehmer Zurückhaltung wohlwollend auf ihre Umgebung. Leider habe ich keinen Hinweis für sie fotografiert; vielleicht stellt die würdevolle Dame in der Mitte Ceres, die Göttin der Fruchtbarkeit mit der Zopffrisur und dem Ährenbündel in der Hand, dar.

„Il Tevere come archivio della storia religiosa romana“ - der Tiber als Archiv der religiösen römischen Geschichte:

Gefallen hat mir diese hagere Figur, die zu den vielen Votivstatuen gehört, die man bei den Bauarbeiten der Hochwassermauern u.a. beim Ponte Umberto aus dem Tiber geborgen hat. Allein ca. tausend dieser, vor allem aus Ton gefertigten, Votivfiguren aller Art (Statuen, Köpfe, Ex voti, usw.) sind im Museum Nazionale Romano gelagert. Sie stammen zum größten Teil aus dem 3./2. Jh. v. Chr.


Viel Zeit bräuchte man um all die wunderbaren Ausstellungsstücke in den Hallen der größten Thermen-Anlage des antiken Roms und im Museum gebührend zu betrachten. Dank der Umstrukturierung und aufgelockerten Platzierung der Objekte hat das Museum sehr gewonnen und ist trotz der immer noch vorhandenen Fülle überschaubar. Dabei helfen auch die ausführlichen Erklärungen und Hilfsmittel, die wir jedoch weniger genutzt haben auf „Kosten“ des einfachen Schlenderns durch die schönen Räume. Und auch dabei ist irgendwann die Aufnahmefähigkeit erschöpft, aber man kann ja nochmal wiederkommen ...

 


Die „Tür“ dazu öffnete uns das trompe-l'oeil von Filippo Baldi, der hier (1885) den Kartäusermönch Pierre Foucois dargestellt hat, der nach dem Tod seiner Frau ins Kloster ging und Vater von Papst Clemens IV.
war, auf dessen Bild er im trompe-l'oeil zeigt. Hübsches Detail ist die kleine Katze am Bildrand.

Die Kartäuser sind ein ziemlich strenger Orden, in dem Schweigen zum Ordensleben gehört. Die Katze wurde als schweigsames Tier angesehen und es gab früher in den Kartausen die Anordnung, wenigstens ein Katzen-Pärchen zu halten, da sie halfen, die Überträger von Seuchen (der Pest), Mäuse und Ratten, zu dezimieren.​





Da staunen nicht nur die Theatermasken, was sich in diesem Chiostro so alles versteckt und zu entdecken und erfahren ist.​

Liebe Pasquetta,

ich verfolge deinen Reisebericht von Anfang an und dieser Teil über den Chiostro di Michelangelo gefällt mir besonders. Auf das trompe-l’oeil wurde ich mal von Asterixinchen aufmerksam gemacht nachdem ich ein ähnliches aus der Engelsburg gezeigt hatte. Danach wollte ich es mir im Original anschauen und habe diesen wunderbaren Kreuzgang besucht. Die meisten der von dir gezeigten Skulpturen und überhaupt die ganze Anlage einschließlich der mit Metall gestützten Zypresse sind mir in sehr guter Erinnerung. Danke für diesen wunderbaren Bericht.
 
Liebe Pasquetta,
ganz herzlichen Dank für diesen sehr ausführlichen Bericht. Ich war ja im Oktober dort und es hat mir ausgesprochen gut gefallen. Man kann dort viele Stunden zubringen, ohne alles gesehen oder wirklich aufgenommen zu haben. Von daher: Wiederholung garantiert.

Zwar verhinderte der strömende Regen ein paar hübsche Aufnahmen, aber der Chiostro hat uns wunderbaren Schutz geboten, sodass wir trotzdem einen Rundgang machen konnten.
 
Liebe Tizia, liebe pecorella,
ich danke Euch für die Rückmeldung und es freut mich, dass meine Thermenmususeum-Erinnerungen auch bei Euch gute Erinnerungen an diesen schönen Ort angeregt haben.
Liebe Grüße!
 
In Ermangelung von wirklichen römischen Spaziergängen und angeregt durch die Lektüre verschiedener Bücher (u.a. "Stille Post" von Christina von Braun) möchte ich wieder einmal hier im Rom-Forum eine kleine passeggiata unternehmen.

Was würde besser zu Roma oggi e ieri passen als ein Gang über einen römischen Friedhof, in meinem Falle über den Campo Santo Teutonico gelegen auf italienischem Staatsgebiet, aber als exterritoriales Gebiet dem Vatikan gehörend.


Der Campo Santo Teutonico bei St. Peter ist hier im Forum schon oft als „Oase der Ruhe im römisch-vatikanischen Trubel“ empfohlen worden. Er und die dazugehörende Kirche S. Maria della Pietà wurden bereits mehrfach beschrieben und die Berichte mit eindrucksvollen, aussagekräftigen Bildern bestückt. Ich möchte hier einfach mal über diesen stimmungsvollen Friedhof spazieren und nach und nach einige Gräber und Grabmäler betrachten. Nach und nach auch deswegen, weil ich so viele Bilder dazu noch nicht in meinem „Archiv“ habe und zwecks Ergänzung desselben auf eine nächste Romreise hoffe. ;)

Die Idee zu diesem Spaziergang kam mir auch, als ich zum wiederholten Male „den Helbig“ - Führer durch die öffentlichen Sammlungen klassischer Altertümer in Rom - zur Hand nahm, um etwas nachzuschlagen. Unter der Federführung von Hermine Speier wurde die Ausgabe in den 1960er Jahren überarbeitet. Durch einen glücklichen Zufall ist seitdem ein Exemplar der ersten drei Bände, die bis 1969 erschienen waren (der vierte folgte erst 1972) auch in unserem Besitz und wird immer wieder – obwohl dieser Führer durch die römischen Altertümer in manchen Angaben längst überholt ist – zu Rate gezogen.



Und so beginne ich meinen Gang über den Campo Santo im Schatten der Peterskuppel in Erinnerung an Hermine Speier. Sie wurde 1898 in Frankfurt als zweites von drei Kindern in eine gutbürgerliche, alteingesessene jüdische Kaufmannsfamilie geboren und angeblich hing sie zeitlebens an ihrer Heimatstadt. (Umso mehr verwundert es, dass man in Frankfurt keine oder kaum Notiz von ihr nimmt.) Sie
war eine deutsche klassische Archäologin. Sie gehört zu den wenigen weiblichen Archäologen ihrer Zeit und war die erste weibliche Angestellte der Vatikanischen Museen und eine der ersten des Vatikan überhaupt. Ihre Arbeit an archäologischen Fototheken war grundlegend.“
Besondere Beachtung verdient dabei auch, dass sie als Jüdin diese Anstellung bekam. Ihr Lehrer und „Doktor-Vater“ Ludwig Curtius holte sie 1928 nach Rom an das Deutsche Archäologische Institut, an dem er Direktor war. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten musste er sie 1934 im Zuge des sogenannten "Berufsbeamtengesetzes" entlassen, das den neuen Machthabern erlaubte „jüdische und politisch missliebige Beamte aus dem Dienst zu entfernen“. Auf Empfehlung - sicher auch von Ludwig Curtius - und dank ihres Fachwissens wurde sie vom damaligen Generaldirektor der Vatikanischen Museen, Bartolomeo Nogara für das neu geschaffene Fotoarchiv eingestellt. Sie sichtete und ordnete dort im Laufe der Jahre das unüberschaubar gewordene Fotomaterial aus dem Altbestand wie auch die Neuzugänge und betreute später auch die Antikensammlung. Dass dieser „Einbruch in eine kirchliche Männerdomäne“ nicht so ohne weiteres von statten ging kann man sich gut vorstellen. Jedoch hatte Hermine Speier auch immer ihr wohlgesonnene Unterstützer.

Die Jüdin Hermine Speier konvertierte im Mai 1939 aus Überzeugung zum katholischen Glauben. Dies schützte sie allerdings nicht vor der Verfolgung während der deutschen Besatzung. Nachdem sie das Angebot auszuwandern nicht annahm – Papst Pius XII. hatte erwirkt, dass 3000 getaufte deutsche Juden nach Brasilien auswandern durften – wurde sie mit vatikanischer Hilfe ab September 1943 im Nonnenkloster bei der Priscilla-Katakombe versteckt.

Die dortigen Benediktinerinnen nahmen nicht nur sie auf, auch andere Verfolgte, wie z.B. italienische Deserteure, konnten dort untertauchen. Sie waren im Schwesternkonvent untergebracht und bei Gefahr konnten sie durch einen geheimen Zugang in die Katakomben gelangen. Die Priscilla-Katakomben waren damals noch nicht öffentlich zugänglich.
Sehr anschaulich nachzulesen u.a. in dem Buch "Monsignorina" von Gudrun Sailer. Hermine Speier teilte neun Monate lang das tägliche Leben mit den Benediktinerinnen, auch gemäß deren Ordensregel „Ora et labora“: sie besuchte mit ihnen die Heilige Messe und bringt Ordnung in die Klosterbibliothek. Gudrun Sailer beschreibt auch, dass Hermine Speier unbegreiflicherweise selbst während dieser für sie so gefährlichen Lage immer wieder quer durch die Stadt in die Vatikanischen Museen und zu anderen Treffen ging. Als Anfang Juni 1944 für Rom der Krieg zu Ende ist verlässt sie die Schwestern der Priscilla-Katakomben – sie wird ihnen ihr ganzes Leben lang verbunden bleiben – und nimmt ihre Arbeit im Vatikan wieder auf, wo sie 1959 endlich ihre Festanstellung bekommt und ihr für die Pension sogar ihre Dienstzeit seit September 1934 angerechnet wird.


Wohnung bezogen hatte sie schon vor dem Krieg in der Salita di Sant' Onofrio 23, einem einfachen dreistöckigen Eckhaus am oberen Ende der Salita neben einer Treppe, die hinunter zum Tiber führt.


Der von allen ihren Besuchern vielgerühmte Blick über die Stadt Rom -
Zitat Marie Luise Kaschnitz (aus: Meine acht Wohnungen in Rom), die oft und mehrmals ziemlich lange dort zu Gast war :
Hier hat man die Roma eterna zu seinen Füßen ... mit ... seinen goldbraunen Palästen, seinen Kuppeln und Dachgärten, ...“ -
verbessert sich noch, als sie Anfang der 1950er Jahre – nach einem Rechtsstreit mit den Vormietern und einer dringenden Renovierung des einsturzgefährdeten Palazzos – die Wohnung im obersten Stock beziehen kann und somit auch ihrer heißgeliebten und viel genutzten Dachterrasse näher ist. Hier in der Salita di Sant'Onofrio 23 empfängt sie ihre zahlreichen Gäste und hält ihren gern und gut besuchten „Salon Salita“ ab.


Die letzte Mammutaufgabe, die sie sich auferlegt hatte, war die Herausgabe der vierten Auflage des „Helbig“, dem seit 1912 nicht mehr überarbeiteten „unentbehrlichen Nachschlag- und Erklärungswerk“ ganzer Generationen von Klassischen Archäologen. Mit den Vorarbeiten dazu begann sie bereits 1953 und es wird 19 Jahre dauern, bis der letzte Band des „Helbig vier“ fertiggestellt ist. Sie sammelt junge Archäologen um sich, mit denen sie die bereits erfassten Objekte überarbeitet, Neuzugänge aufnimmt, manches hat im Laufe der Jahre den Platz gewechselt oder war ins Depot gewandert, das Lateranmuseum wurde aufgelöst und die Bestände sollten in den Vatikan gebracht werden - alles wird genau betrachtet, vermessen, begutachtet und beschrieben. An Weihnachten 1972 hält sie endlich den „Helbig vier“ komplett in Händen.

Ihre Gesundheit hatte schon länger gelitten, auch machte sich eine gewisse Altersdemenz immer mehr bemerkbar. Als sie nicht mehr allein leben konnte holte sie ihre noch aus Frankfurter Zeiten treue Freundin Lise Salin zu sich in die Schweiz. Am 12. Januar 1989 verstarb Hermine Speier in einem Altersheim in Montreux. Ihr Leichnam wird in den Vatikan überführt und dort im Campo Santo Teutonico bestattet.



Ihren Grabstein ziert die Nachbildung eines griechischen Tonreliefs, das sich in ihrem Besitz befand.

„Leben ist Liebe“
steht darunter. Fast möchte man meinen hier schließt sich der Kreis (Hermine Speier blieb ihrer Geburtsstadt immer verbunden) – es ist ein verkürztes Zitat aus Goethes "West-Östlichen Divan" aus dem Buch Suleika: „Denn das Leben ist die Liebe und des Lebens Leben Geist.“

Wenn man nun von dem etwas erhöht liegenden Gräberfeld wieder die paar Stufen hinabsteigt und sich Richtung Kollegseingang wendet,



dann steht man vor dem Grab von Ludwig Curtius, dem Lehrer, Freund und Förderer und in gewissem Sinne auch Beschützer von Hermine Speier.

Ludwig Curtius, geboren 1874 in Augsburg, gelangte auf vielerlei „Umwegen“ zur klassischen Archäologie. Nach Mitarbeit bei Ausgrabungen in Kleinasien und Griechenland wurde er als Professor nach Erlangen, Freiburg/Br. und Heidelberg berufen, wo er außerordentlich erfolgreich lehrte und eine beachtliche Schar an Anhängern hatte. 1928 ging er nach Rom und war, bis ihn die Nationalsozialisten 1937 in den vorzeitigen Ruhestand versetzten, Direktor des dortigen Deutschen Archäologischen Instituts. Er machte es zu einer gefragten Begegnungsstätte und einem Zentrum der Forschung auf dem Gebiet der Archäologie, mit ihm im Mittelpunkt. Mit seinen Werken zur Kunstgeschichte des antiken Ägyptens, Griechenlands und Roms erlangte er internationale Anerkennung.
Er blieb in Rom und verstarb dort am 10.4.1954 an einem plötzlichen Herztod. Im Nachruf bzw. einem Artikel in der ZEIT wurde festgehalten:
"Aber Homer..." – das waren die letzten Worte, die Ludwig Curtius zu Papier brachte, als der Tod, ein sanfter Tod, ihn plötzlich abberief. Zwölf Seiten einer Ansprache waren niedergeschrieben, die er aus besonderem Anlaß in wenigen Tagen halten sollte. Das Deutsche Archäologische Institut in Rom sah auf hundertfünfundzwanzig Jahre Wirksamkeit zurück, und der Stiftungstag wurde seit seiner ersten Sitzung stets an dem antiken Familienfeste gefeiert, dem sagenhaften, kultisch begangenen Tage der Gründung Roms. Zehn Tage vorher war der greise Gelehrte, im achtzigsten Lebensjahr stehend, von dieser Erde gegangen.

Das mit dem „sanften Tod“ beschreibt Marie Luise Kaschnitz in „Engelsbrücke“ unter “Ludovicus“etwas anders:
Die Magd, die als einzige dem Sterben beigewohnt hatte, schilderte mit bäuerischer Nüchternheit die letzten Augenblicke, das Würgen und Um-Atem-Ringen, das krampfhafte Zurückwerfen des Kopfes, denn sie vergeblich zu stützen versucht hatte.

Begraben wurde Ludwig Curtius auf dem Campo Santo Teutonico. Das Grabmal der Familie schuf der Bildhauer Toni Fiedler, ebenfalls ein „Deutschrömer“, der nach seinem Aufenthalt in der Deutschen Akademie Villa Massimo sein Münchner Domizil auflöste und nach Rom übersiedelte. Seine Frau war Jüdin und er wurde aus der Reichskulturkammer ausgeschlossen. Die Familie blieb in Rom, Fiedler etablierte sich mit seinem Bildhauer-Atelier. Er und seine Ehefrau sind ebenfalls auf dem CST (in der Grabstätte der Erzbruderschaft) beerdigt.
Fiedler sollte ein Grabmal nach dem Vorbild griechischer Grabdenkmäler anfertigen mit einem klassischen Motiv der "Dexiosis".


Die Ehefrau von Ludwig Curtius, Editha Wyneken (geschiedene von Fransecky), die nach der Heirat mit Curtius 1921 zum katholischen Glauben konvertiert war, wurde als erste in der, kurz nach dem Beitritt zur Erzbruderschaft in November 1932, erworbenen Grabstätte beigesetzt.


Auch die 1950 im Alter von knapp 23 Jahren verstorbene Tochter Curtius', Stella Maris, fand nach der Überführung aus Heidelberg 1951 im römischen Familiengrab auf dem CST ihre letzte Ruhestätte.


Marie Luise Kaschnitz erwähnt auch Stella Maris in ihrer obengenannten „Engelsbrücke“-Aufzeichnung:
„Als wir eintreten durften, fanden wir ihn auf dem Diwan, … genau so hatte C. ausgesehen, wenn er in den letzten Monaten seine Langspielplatten vorführte, geistliche Chöre aus vergangenen Jahrhunderten, Engelsjubel, Ersatz für die Kirche, in der er seit der grausamen Todeskrankheit seiner schönen, jungen Tochter nicht mehr zu Hause war. Frieden ging aus, wie von jedem Totenbett ...“


Die gegenüber dem Grabmal angebrachte Bronzebüste von Ludwig Curtius schuf der Münchner Bildhauer Hans Wimmer (ein Freund Curtius noch aus der Zeit, als sich Wimmer in der Villa Massimo aufhielt), der sie 1983 der Erzbruderschaft schenkte. Eine Verwandte von Curtius drückte ihre Meinung über die Büste mal mit einem „Stirnrunzeln“ aus und „na ja, nun hängt sie eben dort“... Aber ich finde, vergleicht man ein Bild von ihm mit der Büste dann ist Curtius gar nicht so schlecht getroffen. ;)



Fortsetzung hier
 
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Liebe Pasquetta,
toll geschrieben und eine interessante Persönlichkeit und Geschichte hinter dem Grabstein hast du da ausgegraben. Ja, eigentlich wirklich auch Zeitgeschichte. Klasse, ich hoffe auf mehr so grossartige Geschichten von dem kleinen Flecken Campo Santo Teutonicum.
 
Liebe Pasquetta, ich kann Nihil nur beipflichten, was für eine interessante Geschichte. So gehe ich wieder ein wenig schlauer über den Campo Santo und über die Salita di Sant' Onofrio erst recht. Bisher fand ich die Treppe einfach nur hübsch.
 
Zuletzt bearbeitet:
Eine tolle Idee, liebe Pasquetta, ausgehend von einem Grab auf dem Campo Santo Teutonico das Leben des betreffenden Menschen noch einmal aufzurollen und dabei auch andere Orte in Rom mit einzubeziehen. Das finde ich sehr anschaulich und lebendig geschrieben - vielen Dank dafür!
 
Es freut mich, dass ihr mit mir Altbekanntes neu betrachtet, danke für die Rückmeldungen.
Ich habe noch einen kleinen "Nachschlag" zum ersten CST-Eintrag angehängt.

... ausgehend von einem Grab auf dem Campo Santo Teutonico das Leben des betreffenden Menschen noch einmal aufzurollen und dabei auch andere Orte in Rom mit einzubeziehen.
Leider wird es mir nicht immer möglich sein, Orte bzw. Bilder dieser Bezugspunkte miteinzustellen (z.B. Curtius sollen "in einem alten Palazzo am Corso" bzw. an anderer Stelle hieß es "Corso Umberto" :confused: gewohnt haben). Aber schaun wir mal ...
 
Meines Wissens ist der Campo Santo genau wie (zumindest) Teile der Audienzhalle auf italienischem Staatsgebiet und extrateritoriale Besitzung des Vatikan. Weiß hier jemand Genaueres? Oben wurds ja genau anders herum geschrieben von Pasquetta. Aber gesichert sind meine Infos nicht.
 
Meines Wissens ist der Campo Santo genau wie (zumindest) Teile der Audienzhalle auf italienischem Staatsgebiet und extrateritoriale Besitzung des Vatikan.
Danke für den Hinweis, romfan, denn natürlich hast Du Recht. Ich habe mich da "verquer und über's Eck" ausgedrückt: unter Territorium der Vatikansstadt - wiki steht gut erklärt, wie ich es gemeint hatte ;).
Das blau umrandete Gebiet ist zwar italienisches Territorium, steht jedoch im Besitz des Heiligen Stuhls und genießt exterritorialen Status. Es untersteht nicht der italienischen Jurisdiktion. Auf ihm befinden sich der Sitz der Kongregation für die Glaubenslehre, der größere Teil der Audienzhalle Pauls VI. sowie der Campo Santo Teutonico und das deutsche Kolleg.
Hervorhebung durch mich
Ich werde es oben verbessern und "einfacher ausdrücken" .
 
Hatte ichs doch richtig im Kopf. Danke für die Aufklärung. Auf wiki bin ich natürlich nicht selber gekommeno_O
 
Campo Santo Teutonico


Auf dem Weg zu meinem nächsten "Erinnungsgrab" komme ich vorbei an der Grabstätte der "donaumonarchischen" Adelsfamilie Windisch-Graetz. Wahrscheinlich ist jedem Besucher des CST dieses Grab schon aufgefallen und das weniger wegen des Grabes an sich, aber wegen der "Grabbeilagen".

Der alten Adelsfamilie war es 1942 gestattet worden, eines ihrer im Krieg gefallen Familienmitglieder auf dem Campo Santo Teutonico beerdigen zu dürfen, da eine Überführung in die Familiengruft im damaligen Jugoslawien nicht möglich war. Aus dem provisorischen Grab wurde eine Familiengrabstätte, in der auch die Eltern, Fürst Hugo Vinzenz und Prinzessin Leontine, des bei einem Flug über Rom abgestürzten Hugo Maximilian beigesetzt wurden. Dessen Zwillingsbruder Maximilian Anton, der mit der ebenfalls hier bestatteten Donna Marlis Serra di Gerace verheiratet war, hatte die Verwaltung der Güter übernommen. Am 1.11.1976 kam er bei einem Autounfall ganz in der Nähe des Familienpalazzos in Sant'Angelo d'Alife in der Provinz Caserta ums Leben. Auch er fand auf dem CST seine letzte Ruhestätte.


Der ältere Sohn von Maximilian, Mariano Hugo, der mit Sophie von Habsburg-Lothringen verheiratet ist und die verschiedensten Ämter u.a. in der Katholischen Kirche und beim Malteser-Ordens innehat/hatte, übernahm nach dem Tod des Vaters die Familiengeschäfte. In der Nacht vom 4. auf den 5. Februar 2010 hatte sein zweitgeborener Sohn Alexis auf regennasser Straße einen Autounfall, bei dem er so schwer verletzt wurde, dass er wenige Tage später im Krankenhaus von Caserta verstarb. Wie es das Schicksal wollte, verunglückte er auf der gleichen Straße und auf die gleiche Art wie vor Jahren sein Großvater.


Alexis, der in Sant'Angelo d'Alife, sehr beliebt war – wie auch die ganze als sehr sozial bekannte Familie Windisch-Graetz – war auch Mitglied bei den Motocross-Freunden der kleinen Gemeinde. Und so erklären sich die kleinen "Beigaben", die man auf der Grabstätte der Familie Windisch-Graetz sehen kann.


Ein paar Schritte weiter stehen wir vor dem Grab eines weiteren Deutschrömers, das eigentlich auf dem etwas erhöhten Gräberfeld liegt, aber vom Umgang entlang der Kreuzwegstationen gut einzusehen ist. Der von der Mosel stammende Schriftsteller Stefan Andres und seine Ehefrau Dorothee sind hier begraben.


Stefan Andres , geb. 1906, war das neunte Kind einer Müllerfamilie und wie es zu jener Zeit bei Familien mit so großer Kinderzahl oft der Fall war, stand schon früh fest, dass Stefan die Priesterlaufbahn einschlagen sollte. Bereits nach zwei Jahren am Gymnasium der Redemptoristen, damals noch im niederländischen Vaals, verließ er auf Anraten des Oberen die Klosterschule, versuchte sich in Probezeit in der Krankenpflege beim Orden der Barmherzigen Brüdern in Trier, kurz darauf wechselte er in die Internatsschule der Armen Brüder vom hl. Franz Xaver nahe Aachen und auch dort hielt es ihn nicht. Erste schriftstellerische Versuche und Wechsel zum Studium auf das Lehrerexamen, das er 1926 ablegte. Noch immer plante er, ein klösterliches Leben zu führen und trat ein Noviziat bei den Kapuzinern in Krefeld an. Dann verschlug es ihn ins südhessische Bensheim, wo er u.a. am Bischöflichen Konvikt als Lateinlehrer arbeiten konnte. 1929 kehrte er zur Familie zurück und gab den Plan, sich der Theologie zu widmen auf. Es folgte das Studium der Germanistik, Kunstgeschichte und Philosophie in Köln und Jena - dort lernte er Dorothee Freudiger, seine spätere Frau, kennen – und Berlin. Es folgten erste Veröffentlichungen, dank eines Stipendiums eine lang ersehnte Italienreise und 1932 die Heirat mit Dorothee Freudiger.

Nun begann für die Beiden eine unruhige Zeit in ärmlichen Verhältnissen, im nationalsozialistischen Deutschland wie auch in Positano. Seine Frau war Halbjüdin und ihm erteilte man Redeverbot. Nachdem ihm 1935 beim Rundfunk in Köln gekündigt worden war, entstand noch die vielbeachtete Erzählung "El Greco malt den Großinquisitor", bevor sie dann nach der "Reichskristallnacht" 1938 mit ihren beiden kleinen Töchtern nach Positano übersiedelten. Die Zeit in Positano gehört zu den intensivsten in Andres' schriftstellerischen Schaffen; Romane, Erzählungen, wie "Wir sind Utopia", und Gedichte entstanden, die ihn bekannt machten. Erst 1950 kehrten sie nach Deutschland zurück und ließen sich in Unkel am Rhein nieder. Stefan Andres engagierte sich neben seiner schriftstellerischen Arbeit auch gesellschaftspolitisch. Enttäuscht von der Entwicklung im Nachkriegs-Deutschland und da die beiden Töchter bereits erwachsen und verheiratet waren (die Erstgeborene starb mit neun Jahren an Typhus) setzten sie 1961 ihren lang gehegten Plan um und verlegten ihren Wohnsitz endgültig nach Rom. Sie führten auch dort eine offene und gastfreundliche "casa", die Treffpunkt für viele literarische und theologische Persönlichkeiten wurde.

Stefan Andres verstarb am 29.6.1970, dem Hochfest St. Peter und Paul, an den Folgen einer eher leichten Operation in der römischen Klinik Villa Stuart und ist auf dem Campo Santo Teutonico begraben.

Auch wenn von Stefan Andres' Büchern etliche auf den Besteller-Listen standen, bisher habe ich keinen großen Zugang zu seinen Büchern gefunden und kann sein schriftstellerisches Werk also nicht einschätzen. Sicherlich sind auch lesenswerte dabei, vor allem die Erzählung "El Greco malt den Großinquisitor", wie auch Marcel Reich-Ranicki mal feststellte (und sein weiteres Werk "ranicki-mässig" abkanzelte) (s. Faz.net - Ist Stefan Andres zu unrecht vergessen?). Stefan Andres und sein Werk ist wohl nicht mehr so bekannt wie in den 1950er Jahren. Ich denke, man muss es mit Blick auf die Zeit, in der die Romane und Erzählungen entstanden, lesen.


Dorothee Andres hat ihren Mann noch 32 Jahre überlebt. Sie nahm rege am Leben der "Deutschrömer" teil und führte in einer Seitenstraße an der Piazza di S. Maria delle Fornaci mit dem Blick auf die Kuppel des Petersdoms das gastfreundliche Haus weiter. Meine Freundin M. erinnert sich auch heute noch gerne an die Besuche dort bei Frau Andres und den geschenkten Granatapfel vom Bäumchen am Grab,


die Frucht, die sich als Bronzeskulptur auf dem Grabstein finden lässt.


Hatte Frau Andres eine Vorliebe für diese Frucht weil sie so symbolträchtig ist oder sollte sie Erinnerung an das dichterisches Werk ihres Mannes sein, unter dem sich ja auch ein Gedicht über den Granatapfel findet ...


Dorothee Andres verstarb am 25.10.2002 und fand ihre letzte Ruhestätte ebenfalls auf dem Campo Santo Teutonico. Der nach ihren Angaben von der Bildhauerin Erna Hausmann gefertigte Grabstein symbolisiert "das mühsame Aufsteigen des Lebens und den plötzlichen Abbruch des Irdischen", das abgehobene Kreuz soll Ausdruck der Glaubensgewissheit sein. Der marmorne, an den Stein gelehnte Blütenkranz, als Symbol für den "Dichterkranz" ist wohl abhanden gekommen. Auf meinen Fotos finde ich ihn nur hier,


bei den Alpenveilchen zu erahnen,


aber nicht mehr auf dem Foto von Oktober 2018.​



Fortsetzung hier
 
Zuletzt bearbeitet:
Liebe Pasquetta, Stefan Andres kenne ich natürlich aus meinem Germanistikstudium; aber dass er ein Gymnasium hier im für uns sehr nahen Vaals besuchte und anschließend ein Internat in der Nähe von Aaachen, wusste ich nicht - wieder etwas sehr Interessantes gelernt!
Leider gelingt es mir nicht, über die von dir genannten Einrichtungen - in Vaals und nahe Aachen - etwas herauszufinden.
Der marmorne, an den Stein gelehnte Blütenkranz, als Symbol für den "Dichterkranz" ist wohl abhanden gekommen.
Wir waren dort Ende 2015 - da gab es den Blütenkranz auch nicht mehr!
 
Liebe ColleMarina,
es freut mich, das der Beitrag über Stefan Andres' Grab Dein Interesse gefunden hat.
Ich verlinke mal etwas zu den von Dir angesprchenen Einrichtungen:

Collegium Josephinum
Da durch die Jesuitengesetze der preußischen Regierung (Kulturkampf) die Arbeit des Ordens auf deutschem Gebiet nicht möglich war, wurde als Standort das Städtchen Vaals gewählt, das unmittelbar hinter der deutsch-niederländischen Grenze liegt. Diese Schule wurde von Schülern aus ganz Deutschland besucht. Einer von ihnen war der Schriftsteller Stefan Andres.
Stefan Andres-Gesellschaft
Schon kurze Zeit später wandte er sich aber dem Juvenat bei den Armen Brüdern vom Hl. Franz Xaver in Bleyerheide nahe Aachen zu. (23.4. 1921 bis 1924)
 
Oh, vielen Dank für die Infos! Ich hatte mir den Kopf zerbrochen, wo dieses "nahe Aachen" sein könnte. Bleyerheide liegt auch in den Niederlanden - darauf wäre ich also nie gekommen.
 
Liebe Pasquetta,

das ganze ist so interessant, dass man es sich beim nächsten Rombesuch ausgedruckt mitnehmen muss.
Man geht ja mit einem ganz anderen Blick über den Friedhof, wenn man so viel über die Geschichte der dort bestatteten Menschen weiß.
Schon jetzt einen ganz lieben Dank für die sicherlich recht aufwendigen Recherchen zu den einzelnen Gräbern.

Also ich höre (lese) dir gerne noch weiter zu.
 
Ja, da schliesse ich mich Pecorellas Meinung an. Plötzlich bekommen die Namen auf den Steinen die Gesichter und die Lebensgeschichten wieder. Wirklich hochinteressant. Danke , Pasquetta.
 
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