3. Tag: 28. Dezember 2007
Wieder begann der Tag schon vor dem Frühstück mit einem Blick von der Dachterrasse unserer Pension. Eine Aufnahme davon habe ich ja schon weiter oben eingestellt. An dieser Aussicht konnten wir uns nicht satt sehen. Nach dem Frühstück, das man eher als Imbiß bezeichnen sollte, begann dann die schon im letzten Bericht angekündigte Odyssee... Sie hatte den Namen "Roma Pass" und muß hier zur Erheiterung aller Romkenner und als Hilfe für alle Romneulinge in epischer Breite erzählt werden.
Der Tag war ja in unserem Plan für das antike Rom reserviert. Wir wollten zuerst zum Colosseum, dann zum Palatin, zum Forum Romanum und zu den Kapitolinischen Museen. Und da ich in diesem Forum so viel Wundersames über die "Sesam-öffne-Dich"-Funktion des Roma Passes gehört hatte, wir auch vorhatten, mit der Metro A von der Station Ottaviano St. Pietro bis Termini und von dort mit der Metro B bis Colosseo zu fahren, rechnete sich der Erwerb dieser Touristenkarte wohl. Ich hatte auch noch die Berichte im Forum im Hinterkopf, daß es unter Umständen nicht so einfach sein könnte, den Pass in der Stadt zu kaufen, und so frug ich (wieder als ein Experiment) unseren jungen Pensionswirt, wo es denn in der Nähe den Roma Pass gäbe. Die Antwort war: am Zeitschriftenstand an der Piazza del Risorgimento. Innerlich zog ich eine Augenbraue hoch, bedankte mich überschwenglich für die Auskunft und schaute schnell noch mal hier bei den Reisetips nach:
Erhältlich sind der Roma Pass und der Roma & Più-Pass in allen beteiligten Museen und archäologischen Stätten sowie in den
Informationszentren des Fremdenverkehrsamtes der Stadt Rom. Auch an den ATAC-Schaltern in den Stationen Ottaviano, Lepanto, Anagnina, Ponte Manmmolo und EUR Fermi sollte der Roma Pass inzwischen erhältlich sein.
Also ging es gleich unter Umgehung des Zeitschriftenstandes zur Station Ottaviano St. Pietro, die wenigen Schritte in den Untergrund und zum ATAC-Schalter, an dem eine freundliche Angestellte saß, die vor sich einen Flyer mit der Roma Pass-Werbung liegen hatte! Hier konnten wir nicht verkehrt sein!! Als ich jedoch meinem Wunsch Ausdruck verlieh, zwei Roma Pässe kaufen zu wollen, bekam ich nur ein Kopfschütteln zur Antwort und die Auskunft, daß es diese Pässe hier nicht gäbe. Ich deutete zaghaft auf den Flyer. Keine Reaktion. Auf die nächste Frage, wo es denn in dieser Stadt den Pass zu kaufen gäbe, kam das Wort "Termini" über die Lippen dieser hilfsbereiten ATAC-Mitarbeiterin. Das hatte ich mir aber schon selbst gedacht, kaufte schnell noch, auf daß der Aufenthalt vor diesem Schalter nicht ganz nutzlos bliebe und uns die ATACerin in guter Erinnerung behielte, zwei Einzelfahrscheine und drehte mich schon in Richtung Abgang zu den Metrogleisen. Meine Frau war da nicht so schnell, denn sie sah noch, daß der Roma Pass-Flyer in sekundenschnelle vom Tisch des ATAC-Schalters verschwand...
So fuhren wir mit der Metro A nach Termini, stiegen aus und stießen sofort auf den nächsten ATAC-Schalter. Im Hintergrund des Schalterraumes prangte ein Werbeplakat - für den Roma Pass! Hier konnten wir nicht verkehrt sein! Vor dem Schalter hatte sich eine kleine Schlange aufgebaut, weil Römerinnen und Römer offenbar am Monatsende neue Monatskarten oder am Jahresende gar neue Jahreskarten kauften, was mit Hilfe eines unförmig großen, handschriftlich auszufüllenden Formulars zu geschehen schien. Jedenfalls dauerte es eine gute Weile, bis wir vor dem Glasfenster des Schalters standen und wieder unsere Sehnsucht nach zwei Roma Pässen kundtaten. Da hörten wir dann das Wort "Ausverkauft", erst freundlich, dann auf meine verdutzte Nachfrage "ausverkauft?" nochmals und dieses Mal deutlich ungehaltener. Ich wagte noch zu fragen, wo es denn dieses seltene und offenbar nur den Eingeweihten zugängliche Ticket gäbe, und bekam den Hinweis - auf den Zeitschriftenstand nebenan. Sollte gar unser Pensionswirt den einzig richtigen Hinweis gegeben haben? Sollten damit etwa alle Informationen hinsichtlich des Roma Passes in den Reisetips von Roma-antiqua neu zu schreiben, mindestens doch aber zu ergänzen sein? Unsere Neugier war jedenfalls geweckt und wir gingen energischen Schrittes auf den Zeitschriftenstand zu, an dem wir die freundlich vorgetragene Auskunft erhielten, daß es hier den Roma Pass noch nie gegeben hätte und wir es unbedingt an Gleis 24 versuchen sollten. Meiner Frau standen bereits zwei große Fragezeichen in den Augen. Ich aber wußte aus dem Forum, daß mit "Gleis 24" nur das Informationszentrum des Fremdenverkehrsamtes der Stadt Rom gemeint sein könnte. Gleichsam doch die Quelle und die Urheberin des Roma Passes. Also ad fontes!
Als wir uns auf den langen, scheinbar nicht enden wollenden Marsch zu Gleis 24 begaben, kam mir die Idee, daß die Geschichte vom Erwerb der Roma Pässe hier im Forum nur und einzig angemessen 'kafkaesk' zu beschreiben sein würde. Auch das Informationszentrum war nämlich nicht so leicht zu finden, weil wir an Gleis 24 erst außen entlang gingen, bis wir merkten, daß sich hinter der von uns abgeschrittenen Wand offenbar das zentrale Reisezentrum von Termini befand. Entdeckt und hinein! Von den vielen Schaltern wurde der ausgewählt, an dem die kürzeste Schlange stand, und nach wenigen Minuten konnten wir wieder unsere Begierde nach zwei Roma Pässen aussprechen. Was dann geschah, nahm uns den Atem. Die Mitarbeiterin erhob sich, ging an die hintere Schrankwand, öffnete diese, entnahm dieser, unseren Augen noch unsichtbar, etwas, kam zurück an den Schalter und legte mit dem bezauberndsten Lächeln, als sei es das Selbstverständichste von der Welt, zwei Roma Pässe vor uns hin. Schnell, ehe sie es sich anders überlegen konnte, bezahlte ich sie. Glücklich, beseelt und von inneren Wonneschauern durchrieselt, waren wir im Besitz der Pässe! Nun galt es nur noch, das Siegel zu erbrechen, die Plastikkärtchen und die beiden Nahverkehrstickets mit unseren Namen zu versehen, um dann zum Eingang zur Metro B zu gehen. Inzwischen war es kurz nach 10 Uhr geworden. Der Kauf der Pässe hatte uns also eine gute Stunde gekostet und wir konnten uns denken, welcher Andrang bereits am Colosseum herrschen würde.
Worauf wir nicht gefaßt waren, war, daß wir gleich nach dem Ausgang aus der Metrostation Colosseo direkt vor dem Colosseum stehen würden. Vor uns ging ein Jugendgruppe, die bei dem Anblick so abrupt stehen blieb und unisono "Ahs" und "Ohs" ausstieß, daß wir fast auf diese Gruppe aufgelaufen wären. Es ist schon eine grandiose Inszenierung, den Ausgang der Metrostation so zu legen, daß man nicht erst noch um ein paar Häuser herumlaufen muß, sondern gleich vor dieser Mutter allen Weltkulturerbens steht. Noch grandioser gestaltete sich dann unser Eintritt in die Arena, da wir natürlich an allen enormen Schlangen vorbeilaufen konnten, um durch den speziellen Roma Pass-Eingang hineinzugelangen. Da hatte sich der Zeitverlust beim Kauf der Pässe schon mehr als ausgeglichen.
Wir sind dann ungefähr eine gute Stunde im Colosseum gewesen und haben versucht, uns anhand unserer Reiseführer dessen Geschichte zu vergegenwärtigen. Darf man der Auskunft des hochgeschätzten Herbert Rosendorfer glauben, daß dort keine Christenverfolgungen stattfanden? - Um den Bericht aufzulockern, setze ich ein Bild hier ein, wie bei der Engelsburg geht es natürlich nicht um das allbekannte Gebäude, sondern einzig und allein um die Himmelsbläue an einem 28. Dezember (ich versichere, nicht retuschiert zu haben):
Nach dem Colosseum umrundeten wir den Konstantinsbogen und wandten uns zum Forum Romanum, an dessen Beginn wir am Titusbogen in Richtung Palatin abbogen. Da gab es dann allerdings doch wieder eine kleine Wartezeit, da wir uns in die normale Kassenschlange einreihen mußten, um aufgrund unserer Pässe die kostenlosen Eintrittskarten für den Palatin zu bekommen. Als das geschehen war, standen wir in der nächsten Schlange, an deren Ende eine junge Frau die Eintrittkarten - mit einem Kugelschreiberstrich entwertete... Nun, dies ließe sich doch wohl besser organisieren, oder? Immerhin hat der Roma Pass ja einen Barcode, mit dessen Hilfe man den Eintritt für seine Besitzer doch auch schnell und rationell mit einem Lesegerät bewältigen könnte.
Wir stiegen schließlich die Treppenanlage zu den Farnesischen Gärten hinauf, hielten uns zunächst rechts, um von einer kleinen Aussichtsterrasse auf das Forum, die Rückseite des Senatorenpalastes und, nun ja, der "Schreibmaschine" hinabzuschauen,
und durchstreiften dann wieder für eine gute Stunde den Palatin. Hier will ich doch etwas anmerken, was mir kurze Zeit später auch auf dem Forum Romanum aufgefallen ist: Nirgends gab es auch nur das kleinste erklärende Hinweisschild, so daß uns trotz der Lageskizzen in den Reiseführern die Orientierung nicht immer ganz leicht fiel. Bei den größeren Monumenten gelang dies noch ganz gut. Wenn man aber nur vor den Resten von Grundmauern stand, hätten solche kleinen Hinweistäfelchen gut geholfen.
Herabgekommen vom Palatin, ging es dann inmitten einer ziemlich großen Menschenmenge in Richtung Kapitolinische Museen durch das Forum Romanum.
Das mag dann auch wieder ungefähr eine Stunde gedauert haben und wir merkten langsam, daß wir, wohl wirklich zum ersten Mal, völlig unversorgt mit Mineralwasser und kleinen Stärkungsmitteln unterwegs waren. An der Treppenanlage zu den Kapitolinischen Museen meldete sich dann auch prompt so etwas, was die Radfahrer einen "Hungerast" nennen, und wir stießen alle Warnungen in den Wind und kauften Wasser und Gebäck an einem der Verkaufwagen. Im Gegensatz zu unserer teuer erkauften Pause am Vatikan fand ich die Preise an dieser Stelle gar nicht einmal so unverschämt. Jedenfalls hatten wir eine besonnte Erholungspause auf den Stufen der Kirche SS. Luca e Martina.
Danach ging es (dank Roma Pass wieder ohne Eintrittsgebühr) in die Kapitolinischen Museen, wo ein Déjà-vu-Erlebnis nach dem anderen uns erwartete, kannte man doch so viele der Exponate aus vielfältigsten Abbildungen in unterschiedlichsten Zusammenhängen. Bevor wir uns aber diesem Genuß hingaben, gelüstete uns nach landestypischem Heißgetränk auf der Dachterrasse (auch ein Tip, den ich diesem Forum verdanke), wo ein beheiztes, durchsichtiges Zelt aufgebaut war, so daß man sich beim Espresso an der Aussicht erfreuen konnte:
In den Sammlungen waren wir gute zwei Stunden und wohl wie alle, die nicht ganz unvorbereitet dieses Museum betreten, erfreut und beglückt, einmal vor dem Original der Kapitolinischen Wölfin oder des Dornausziehers, des Reiterstandbildes Marc Aurels, der Kapitolinischen Venus oder auch der Cicero-Büste zu stehen (um anderes gar nicht erst aufzuzählen). Verwundert hat mich, daß man das alles, wenn auch natürlich ohne Blitz und ohne Stativ, photographieren durfte. Ich wage es einmal, eine Aufnahme des Dornausziehers hier einzusetzen, auch wenn es vielleicht urheberrechtlich heikel ist. Ich vertraue aber darauf, daß ein Mod eingreifen wird, falls das Bild hier nicht erscheinen darf:
Nach den Museen war der Nachmittag schon wieder etwas fortgeschritten, eine kurze Nachfrage bei meiner Frau ergab aber noch (!) die Auskunft, daß des Tatendranges momentan kein Ende sein sollte. Also bummelten wir Richtung Altstadt, kehrten für Espresso und Schokolade wieder bei Tazza d'Oro ein, um dann zum guten Schluß auch noch zur Spanischen Treppe zu gehen, die wir beim gestrigen Altstadtbummel ausgelassen hatten. Der Eindruck dort war, wenn ich ehrlich bin, nicht besonders nachhaltig. Die Kirche
S. Trinità dei Monti war eingerüstet, der vor Menschen überfüllte Platz lag selbst schon völlig im Schatten, nur die Kirchtürme waren noch sonnenbeglänzt. Wahrscheinlich sollte man das im Frühling, Sommer oder Herbst sehen.
Unvorsichtigerweise ignorierten wir das Hinweisschild auf die Metrostation und wandten uns für den Rückweg zur Via Condotti. Gibt es sonstwo auf der Welt eine vergleichbare Ansammlung an Luxusläden auf so engem Raum? Unsere Schwellenangst haben wir, es sei gestanden!, bei Ferrari überwunden, schien uns dort doch ein Ort zu sein, eine Art Mitbringsel zu erstehen. Wir haben davon Abstand genommen...
Am Augustusmausoleum und der Ara Pacis Augustae vorbei und über den Ponte Cavour gelangten wir wieder in die Nähe unserer Pension. Mittlerweile wurde meiner Frau jeder Schritt mehr als sauer und auch ich gestehe, daß ich an die Grenzen der Kondition gelangt war. Kaum nahm ich aus den Augenwinkeln auf der Piazza Cavour noch die Enoteca Constantini wahr, unterließ es aber, meine Frau, die mit fortdauerndem Liebesentzug bei noch weiter andauernder Anstrengung drohte, auf diese Einkaufsmöglichkeit für allerlei Olivenöle hinzuweisen. Wir waren froh, die Pension schließlich erreicht zu haben, um uns vor dem Abendessen noch eineinhalb Stunden ausruhen zu können.
Für das Abendessen folgten wir an diesem Tag einem Tip unseres Pensionswirtes. Ich dachte, da könnte ich vielleicht auch für die wirklich unbezahlbare Restaurantliste in diesem Forum einen Beitrag leisten. Nun, das Lokal
La Griglietta in der Via Germanico 170c können wir mit Einschränkungen empfehlen. Es ist absolut kein Touristenlokal, was wir als sehr positiv empfanden. Auch die Antipasti und meine Tortellini in brodo waren vorzüglich wie auch das Hauptgericht meiner Frau (Pasta). Ich hatte mir aber ein Fleischgericht bestellt, was dem Namen des Lokals, zumindest an diesem Tag keine Ehre machte.
Nach dem Abendessen gab es dann den inzwischen obligatorischen Spaziergang zum Petersplatz (ja, die beiden Fenster waren noch erleuchtet...), bevor wir wirklich erschöpft und müde den Schlaf suchten. Am nächsten Tag sollten wir einen Straßenzug Roms besonders intensiv kennenlernen...
[ist fortzusetzen, zu ergänzen und zu korrigieren]