Rom-Mosaik II

Eigentlich sind es sogar zwei Bienen, denn es befindet sich auch eine auf der Innenseite des Kapitells. Man erahnt sie auf einem meiner Photos von September 2018. Im April 2019 habe ich versucht weitere Bilder zu machen, aber diese sind auch sehr dunkel. Dennoch werde ich sie morgen noch suchen. Solange herrscht hier eine kleine Baustelle.

Zwei Photos von 2019 sind inzwischen oben im Beitrag eingefügt. Einmal die Original-Fassung auf der man die Zwillingsbiene nicht erkennen kann (aber mit blossem Auge habe ich sie gesehen) und daneben die aufgehellte Version auf der man sie recht gut erkennt.

Hier die aufgehellte Version:


@Gaukler, @lukasi, @ColleMarina, @Schwarzwaldgirl
Herzlichen Dank für eure freundlichen Reaktionen und wenn ihr vor mir nach Rom kommt, dann grüsst mir bitte die Zwillingsbienen! :)
 
Es freut mich sehr, dass der Beitrag über das Bienen-Kapitell am Pantheon Dir gefallen hat und bedanke mich vielmals für die nette Antwort darauf.
 
Leider war ich seit Ende 2019 nicht mehr in Rom. Dennoch schlage ich den geneigten Lesern gleich einen kleinen virtuellen Osterspaziergang über den Aventin vor. Ich möchte das Thema "Faszination Porphyr" aus Mein Rom-Mosaik fortführen.


Heute also:

Faszination Porphyr
Teil V – Auf dem Aventin

Auf den Spuren von Porphyr unternehmen wir heute einen Spaziergang zum Aventin. Erstes Ziel ist die frühchristliche Kirche Santa Sabina.


Mit dem Bau von S. Sabina wurde im Jahr 425 während des Pontifikats Coelestins I. (422-432) begonnen. Fertiggestellt war die Kirche 432 zu Beginn der Amtszeit Sixtus' III. (432–440).

Es waren schwere Zeiten für Rom. 410 nahmen die Westgoten unter der Führung Alarichs die Stadt ein und plünderten sie – auch die Villen auf dem Aventin gingen in Flammen auf.

Aber schon kurze Zeit später wurden besonders prächtige Kirchenbauten errichtet. S. Maria Maggiore wäre hier zu nennen, aber auch S. Sabina, der wohl am besten erhaltene Bau der frühchristlichen Kirchenarchitektur. Das alte Rom war tot, nun sollte ein neues, christliches Rom entstehen.

Die über der inneren Fassade von Santa Sabina als Mosaik angebrachte Inschrift in Hexametern nennt einen Priester namens Petrus aus Illyrien als Stifter.

Besucht man S. Sabina an einem sonnigen Sommertag, besticht die Basilika u.a. durch ihr lichtdurchflutetes Kirchenschiff. Obwohl sie leerer und weniger farbenfroh wirkt als die meisten anderen römischen Kirchen, gibt es viel Schönes zu entdecken.

Die drei Schiffe der Kirche werden durch vierundzwanzig korinthische Säulen mit kannelierten Schäften (Spolien, jedoch einheitliche Stücke aus dem 2. Jh. n. Chr.) voneinander getrennt. Die Säulen bestehen aus prokonnesischem Marmor von der türkischen Insel Marmara im gleichnamigen Meer (früher griech. Prokonnisos).

Sie schmückten ursprünglich wohl den nahegelegenen Tempel der Juno aus augusteischer Zeit und wurden hier wiederverwendet als dekorative Stützen der Rundbogenarkaden. Direkt auf der Deckplatte der Kapitelle sitzen die Arkaden auf.

In deren Zwickeln sind auf fast wundersame Weise noch nach 1600 Jahren Porphyr-Inkrustationen (opus sectile) des 5. Jahrhunderts erhalten.

Diese Art der Wandverkleidung, die es wohl auch in anderen römischen Kirchen gab, ist als einzige in Rom erhalten geblieben.

Die Porphyr-Inkrustationen aus rotem und grünem Porphyr stellen wohl liturgische Geräte (Kelch und Patene) für die heilige Kommunion dar. Darüber das Kreuz und in den Ecken kurze flatternde Bänder.

Zum Kreuz möchte ich anmerken, dass es erst 431 auf dem Konzil von Ephesus zur offiziellen Verankerung desselben als christliches Zeichen kam. Diesem Zeichen voraus ging das Christusmonogramm „XP“. Dabei handelt es sich um die ersten beiden Buchstaben des griechischen Wortes Χριστός Christós.

Drei der Darstellungen weichen ikonographisch leicht von den übrigen ab. Es sind dies die Motive über zwei Säulen auf der rechten und einer Säule auf der linken Seite des Mittelschiffs. Die Patene über dem Kelch ist in diesen Fällen oval statt rund und es fehlen Kreuz und Bänder. Hier ein Foto eines dieser Motive. Hier eines von mir (aufgenommen im Oktober 2017) mit der ovalen Patene ganz rechts im Bild:


Nach einer neuen Romreise werde ich weitere eigene Bilder einfügen.

Über diesen Darstellungen befindet sich ein polychromer Fries aus Quadraten, Kreisen und Rauten. Dort findet sich ebenfalls Porphyr wieder.


Obwohl ich die oben beschriebene Interpretation der Motive für sehr überzeugend halte, möchte ich nicht verschweigen, dass es auch noch andere gibt.

Above each column is a large motif in porphyry and green serpentine, looking just like a large face-mirror on a stand. Some of these are elliptical, and some round. Centuries of scholarship have failed to provide a satisfactory theory as to just what this decorative scheme means. One theory is that they represent Illyrian battle standards, but the problem with this is that there is no historical evidence for such objects. Alternatively, they might be stylized representations of the Host and Chalice at the Mass. Or they might actually have been intended as mirrors, leaving the problem as to what iconographic significance a mirror might have had in the early church. The mystery remains.

Quelle: Santa Sabina

Auf der Webseite der Diözese Rom liest man:

Questa Basilica tuttavia, nonostante abbia subito ingenti restauri col tempo e molto di ciò che in essa era presente è andato perduto, conserva una decorazione in marmi pregiati che sormonta le colonne della navata centrale e che, presenta alcune insegne militari delle legioni romane sormontate dal simbolo della Croce: l’unico segno oramai per il quale vale la pena battersi, vivere o morire.

D.h.: Obwohl diese Basilika im Laufe der Zeit umfangreichen Restaurierungsarbeiten unterzogen wurde und vieles von dem, was in ihr vorhanden war, verloren gegangen ist, bewahrt sie oberhalb der Säulen eine Dekoration aus kostbarem Marmor, die einige militärische Insignien der römischen Legionen zeigt, die von dem Symbol des Kreuzes überragt werden: Das einzige Zeichen, für das es sich lohnt zu kämpfen, zu leben oder zu sterben.

Quelle: Santa Sabina, la Quaresima inizia qui | DIOCESI DI ROMA

Was mir 2010 bei meinem Erstbesuch von S. Sabina und bei jedem weiteren Besuch entgangen ist, ist, dass sich das Muster in der Apsis fortsetzt. Dort sehen wir allerdings keine Originale des 5. Jahrhunderts, sondern das Werk von Restauratoren aus den 1920er Jahren, als die Kirche entbarockisiert wurde.


Roten Prophyr findet man in Santa Sabina auch am Hauptaltar der Basilika. Schon vom allerersten Altar der Kirche heisst es in diesem lesenswerten Aufsatz von Lucas Viar vom 5. Dezember 2019:

The altar had a considerable size and was made of solid slabs of porphyry.

Dieser Altar scheint im 16. Jh. noch existiert zu haben denn der Architekt Domenico Fontana hat ihn um 1556 versetzt und davor eine Confessio mit einem weiteren Altar angelegt. Hier ein Foto von ca. 1900. 1906 erhielt die Kirche für kurze Zeit ein neo-cosmateskes Ziborium und einen ebensolchen Altar. Siehe hier.

Antonio Muñoz (1884–1960), italienischer Kunsthistoriker, Denkmalpfleger und Architekt, liess ab 1919 u.a. folgende Veränderungen in S. Sabina vornehmen:

Die Fenster des Kirchenschiffs wurden neu geöffnet und mit Selenit (Marienglas) und filigranem Maßwerk nach gefundenen Originalen verglast. Dazu gehörten auch die drei Apsis-Fenster, was die Entfernung der barocken Wandmalereien und die Verkleidung der Wand mit rotem Porphyr und weißem Marmor zur Folge hatte. Der Triumphbogen wurde mit einer Rekonstruktion des ursprünglichen Mosaiks bemalt. Der Altarraum wurde umgestaltet, ein neuer Altar errichtet, die Einfassung der schola cantorum ein erstes Mal rekonstruiert.

Der neue Altar hat eine Vorderfront aus rotem Porphyr. Eingefasst ist der Altar mit dem gleichen weißen Marmor, der in der Apsis verwendet worden ist.


Vgl. dieses Foto von 1919.

Auch wenn sie nichts mit Porphyr zu tun haben, seien hier noch die letzten Veränderungen in Santa Sabina, wieder unter der Leitung von Muñoz, erwähnt. 1936 gestaltete er die schola cantorum den Bedürfnissen der Dominikanerpatres dienend, komplett um. Das Kirchenschiff erhielt einen neuen Marmorfußboden und eine Kirchendecke aus Holz mit Sternmotiv wurde eingezogen. Davor gab es einen offenen Dachstuhl. Diese Eingriffe waren zu ihrer Zeit sehr umstritten und sind es teils bis heute. Hier ein Foto von 1936.



Details des Fussbodens von S. Sabina mit etwas Porphyr​

Von Santa Sabina gehen wir ein paar Schritte weiter zu Santi Bonifacio ed Alessio (kurz Sant’Alessio).


Das vom romanischen Bau stammende Portal ist von spätantiken Marmorteilen gerahmt und mit einem inkrustierten Mosaik-Band der Cosmaten aus rotem und grünem Porphyr geschmückt.


Der Cosmatenfussboden ist z.T. noch in originaler Verlegung erhalten. Dies vor allem im Chorbereich. Grosse Teile des Langhauspaviments hingegen sind unter Verwendung mittelalterlicher Reste im 18. Jahrhundert neu gestaltet worden. Heute zieht sich eine Reihe von 17 Rechteckfeldern vom Eingang bis zu den Stufen vor dem Chorbereich. Sie weisen komplizierte Muster, teils mit perspektivischen Effekten auf. In mehreren Feldern wurde auch Porphyr verarbeitet.


Im Mittelalter darf man sich hier eine marmorne Prozessionsstrasse im Guilloche-Muster vorstellen. Die Kreismuster der Guilloche-Bahn existieren noch, sind aber heute quer zu den neuen Rechteckfeldern verlegt. Die farbigen Porphyrfüllungen gehören zum mittelalterlichen Bestand.


Nach einem erneuten Besuch von S. Alessio folgen an dieser Stelle weitere Fotos.

Es folgen Aufnahmen aus dem Chorbereich, wo man drei Quincunx- oder Fünfkreismuster findet. Das folgende befindet sich rechts vom Altar:


Besonders aufmerksam sollte man den Fünfkreis links vom Altar betrachten. Durch ein Detail stellt er eine bemerkenswerte Ausnahme in der römischen Pavimentkunst dar.

Es handelt sich dabei um die Darstellung einer Schlange, die sich selbst in den Schwanz beisst. Wenn man genau hinsieht, entdeckt man sie im Randmuster der mittleren Scheibe.



Die Schlange besteht vor allem aus rotem und grünem Porphyr, hat spitze Zähne aus weissem Marmor und einen Augenring aus weissem Marmor rings um das grüne Porphyrauge. Porphyrdreiecke deuten die Schuppen der Schlange an. Die an Schlangenwindungen erinnernden Muster haben einen Pavimentkünstler wohl zu diesem kleinen Scherz angeregt. Aber vielleicht ist sie doch das Symbol für die Ewigkeit. Wer weiss das schon so genau!

Eine Schlange, die ihren Schwanz verschlingt (Uroborus), ist Symbol für die Ewigkeit (Schlangenring).

Quelle: 5.2 Tiersymbolik | diwilek.de. Vgl.: Ouroboros - Wikipedia



Das genaue Alter des Mosaikpaviments im Chorbereich ist nicht belegt, aber da Papst Honorius III. (1216–1227) im Jahr 1217 den Neubau der Kirche Santi Bonifacio ed Alessio eingeweiht hat, ist es gut möglich, dass der den neuen Hauptaltar umgebende Schmuckboden zusammen mit diesem entstanden ist.

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Liebe Simone,

mit deiner Schilderung über Porphyr in S. Sabina, eine der wenigen römischen Kirchen,
mit denen ich mich nicht anfreunden kann, und Santi Bonifacio e Alessio ist dir wieder einmal
ein bemerkenswerter Beitrag gelungen, den ich mit großem Interesse gelesen habe.

Ich kann mich noch gut erinnern, wie lange ich in Santi Bonifacio e Alessio gebraucht habe, um die
Darstellung der Schlange im Cosmatenfußboden zu finden.
 
Herzlichen Dank für eure freundlichen Worte und Zeichen :) zu meinem jüngsten Porphyrbeitrag. Schön, dass er euch gefallen hat.

Ich kann mich noch gut erinnern, wie lange ich in Santi Bonifacio e Alessio gebraucht habe, um die
Darstellung der Schlange im Cosmatenfußboden zu finden.

Ja, die Schlange hat sich schon gut getarnt, aber wenn man weiss wo man suchen muss, wird man auch fündig.

Auf die Schlange in S. Alessio werde ich beim nächsten Besuch besonders achten.

Und so wünsche ich @Schwarzwaldgirl viel Erfolg bei der Suche.
 
Glocken und Glockenturm von S. Maria sopra Minerva

Heute, an Mariä Himmelfahrt, lade ich ein zu einem kleinen virtuellen Spaziergang zu einer der zahlreichen Marienkirchen Roms, Santa Maria sopra Minerva.


Kürzlich habe ich ein Video mit besonderem Glockengeläut der Kirche gesehen und das hat mich dazu veranlasst, mich ein wenig näher mit dem recht versteckten Campanile zu befassen. Er ist von der Straße aus nicht zu sehen und befindet sich über den Dächern des Dominikanerkonvents im östlichen Bereich des Chiostro della Minerva, direkt am linken Ende des Querschiffs der Kirche.

Von der Form her handelt es sich um einen rechteckigen Kiosk mit zwei offenen Bögen an den langen und einem an den kurzen Enden. Darüber befindet sich eine etwas kleinere Attika mit sechs Kugelknäufen entlang der Brüstung.

Dieser Glockenturm ist nicht der erste von S. Maria sopra Minerva. Einen älteren Campanile hatte die Kirche bereits um 1320.
Den Bau des Querhauses veranlasste ab 1280 Papst Nikolaus III. aus der römischen Adelsfamilie der Orsini. Bis ca. 1320 waren auch der verbundene Campanile an der Nordwestseite und die fünf Kapellen fertiggestellt.​
Quelle: Santa Maria sopra Minerva (Rom) – Wikipedia

Diesen mittelalterlichen Campanile erkennt man z.B. im Stadtplan von Antonio Tempesta aus dem Jahr 1593.


Gemeinfreies Bild von Wikimedia Commons​

Er bestand wohl bis ins 17. Jahrhundert. Dann wurde die Dominikus-Kapelle von S. Maria sopra Minerva errichtet und dazu die östliche Hälfte des quadratischen Turms abgebrochen. Erhalten sind die beiden unteren Geschosse der westlichen Hälfte mit Resten eines Kreuzgratgewölbes und zweier Fenster.

Wie alt die Glocken des heutigen Campanile sind entzieht sich meiner Kenntnis. Die folgenden Videos zeigen wie sie vor ein paar Tagen zu Ehren des Festes des Heiligen Dominikus (am 8.8.) von Hand geläutet wurden. Die Glöckner gaben ein regelrechtes kleines Konzert.


 
Zuletzt bearbeitet:
Vielen Dank für deine Erläuterungen zum Campanile von S. Maria sopra Minerva, den ich, das muss ich
gestehen, trotz zweimaliger Besichtigung des Chiostro della Minerva nicht wahrgenommen habe.
 
Man kann ihn auch leicht für eine Loggia halten, wie es sie auf einigen römischen Dächern gibt, wären da nicht die Glocken! Er entspricht so gar nicht dem Schema eines Campanile, wie wir es im Kopf haben.
 
Es freut mich, dass das Video dir gefallen hat. Vielleicht folgt ja noch ein weiterer Teil. Ich behalte das im Auge.
Danke für deinen Hinweis auf den Begriff "Beiern"; er ist mir neu und so habe ich wieder etwas dazugelernt.
 
Oh, ja, über ein solches Glockenspiel verfügt auch die Kathedrale meiner Heimatstadt. Bei einem Brand Mitte der 1980er Jahre verbrannte es leider, ist aber bereits ein Jahr später ersetzt worden und spielt seither wieder die alten Melodien, die einem immer ans Herz gehen!
 

Fresken aus dem Gartensaal der Villa di Livia in Prima Porta

Im Vorgänger dieses Threads gibt es zwei Beiträge zum Thema "Blühendes Rom".


Heute hat folgender Artikel der FAZ mich dazu inspiriert, das Thema hier fortzusetzen, obwohl es sich diesmal nicht um echte, sondern um gemalte Blüten handelt.


Sehr schöner Artikel von Stefan Rebenich am 14.10.2022

Im scharfen Gegensatz zum spärlichen Licht und zur subterranen Konstruktion steht das Bildmotiv: ein üppig blühender Garten, der detailliert gezeichnet ist und – wenn Salvatore Settis, der große italienische Archäologe, richtig gezählt hat – 69 Vogel- und 23 Pflanzenarten lebensecht darstellt. Hier gedeihen Iris, Veilchen, Mohn, Chrysanthemen und Rosen; unter den Gehölzen beeindrucken Oleander, Myrten, Buchsbaum und Schneeball; und zahlreich sind die Bäume: Pinien, Steineichen, Dattelpalmen, Quitten, Granatäpfel und Zypressen.

Vertikale architektonische Elemente wie Säulen oder Pfeiler fehlen; stattdessen wird der dargestellte Gartenraum durch horizontale Elemente strukturiert: einen Zaun aus Schilf und Weidenzweigen im Vorder- und eine Marmorbalustrade im Hintergrund. Zwischen diesen beiden Elementen, die räumliche Tiefe erzeugen, findet sich ein Rasen, der mit Sträuchern in regelmäßigen Abständen bepflanzt ist und zur ambulatio, zu einem Spaziergang, einlädt. In der Mitte der Wände ragen jeweils höhere Bäume auf, die von kleineren Gehölzen flankiert werden. Die Gartenanlage verbindet Vielfalt und Überfluss mit Ordnung und Symmetrie: Die Natur wächst nur scheinbar frei; die Hinweise auf die Gestaltung durch Menschenhand sind unübersehbar.

Der Blick des Betrachters wird durch Vögel, die im Flug munter umherschweifen, und Äste, die der Wind sanft beugt, gelenkt und verliert sich schließlich im türkisfarbenen Himmel. In diesem unterirdischen Gewölbe glaubte man ins Freie zu schauen: in einen Garten, in dem Blüten und Früchte allgegenwärtig sind. Doch es ist offenkundig, dass es sich um keinen realen Garten handelt, denn hier blüht alles zur gleichen Zeit. Das Leben erwacht nicht, es ist unvergänglich. Jahreszeiten sind nicht dargestellt. Die immerwährende Fruchtbarkeit verweist auf den paradiesischen Zustand des Goldenen Zeitalters, das nicht mehr in der Vergangenheit zu suchen, sondern mit der Herrschaft des Augustus Wirklichkeit geworden war.

Die Fresken stammen aus der Villa di Livia in Prima Porta und befinden sich heute im Museo Nazionale Romano, Palazzo Massimo.
Da ich über eigene Photos aus dem Palazzo Massimo verfüge, werde ich den Beitrag in nächster Zeit mit deren Hilfe illustrieren und meine eigenen Eindrücke vom Besuch im Gartensaal der Livia schildern.

Mein Besuch im Palazzo Massimo fand an einem regnerischen Morgen im Winter 2019 statt. Unser erstes Ziel im Museum war der Gartensaal aus der Villa di Livia in der obersten Etage, wo man den Regen aufs Dach prasseln hörte.

1863 wurden die wundervollen Fresken bei Ausgrabungen in Prima Porta entdeckt, dies nur 10 Tage nach der Entdeckung der Statue des Augustus von Prima Porta (heute in den Vatikanischen Museen).


Aus konservatorischen Gründen wurden die Fresken 1953 von den Wänden der Villa di Livia abgenommen und kamen nach Restaurierung zunächst ins Thermenmuseum. Nach erneuter Restaurierung befinden sie sich seit 1998 im Palazzo Massimo des Museo nazionale romano und zwar in einem Raum, dessen Grundriss den Massen des Tricliniums in Prima Porta entspricht. Die Längswände messen 11,70 m, die Schmalseiten 5,90 m.

In der Mitte des östlichen Längsseite befindet sich der Eingang zum Gartensaal und dort beginnen wir den photographischen Rundgang.

1. Östliche Längsseite I


Eingang und Wandfläche rechts davon mit drei Bäumen: Quitte, Fichte und Granatapfel
Bei den Blumen handelt es sich um Immergrün und Chrysanthemen (gelb).


Links: Fichte
Rechts: Granatapfel
2. Südliche Schmalseite

Den Übergang zwischen den Motiven der östlichen Längsseite I und der südlichen Schmalseite bildet die Darstellung eines Oleanders.


Gesamtansicht der südlichen Schmalseite


Bei den drei zentralen Bäumen handelt es sich um:
Links: Granatapfelbaum (im Hintergrund eine Pinie)
Mitte: Steineiche
Rechts: Quittenbaum mit Rosen und Mohn


Detail mit Quittenbaum und Vogel


Links der Steineiche steht ein Vogelbauer auf dem Marmormäuerchen.
Bei den Blüten rechts davon handelt es sich um Weißen Mohn.


Zwischen Vogelbauer und Steineiche erkennt man schöne Rosen.
3. Westliche Längsseite

Den Übergang von der südlichen Schmalseite zur ersten Hälfte der westlichen Längsseite füllt ein Lorbeerbaum aus. Lorbeer ist insgesamt die am meisten vertretene Pflanze in Livias gemaltem Garten. Zwar steht er nie im Mittelpunkt von Bildkompositionen, ist aber von besonderer Bedeutung. Dabei denkt man zuerst an folgende Legende:

Der Legende nach fiel Kaiserin Livia auf dem Landsitz des Augustus ein weißes Huhn in den Schoß, das von einem Adler fallengelassen wurde. Das Huhn trug einen Lorbeerzweig im Schnabel, der daraufhin eingepflanzt wurde. Aus diesem einen Lorbeerzweig entstand ein Lorbeerhain, aus dem die heiligen Lorbeerzweige der Kaiser geschnitten wurden. Die Nachkommen des weißen Huhnes wurden in der Villa gehalten, die seit dem „Villa ad gallinas albas“ genannt wurde.

Quelle: Villa di Livia – Wikipedia

Svetonio ricorda anche come l'inaridirsi delle piante di alloro fosse considerato un cattivo presagio per l'imperatore, come accadde alla morte di Nerone, ultimo discendente della dinastia di Augusto. In questo senso, il giardino sempreverde degli affreschi doveva avere anche un significato politico apotropaico, legato all'eternità augurale delle piante e della stirpe di Augusto[2]. Il fatto che gli allori non si trovino mai in primo piano sarebbe, in un certo senso, emblematico del carattere della politica augustea, in bilico sempre tra un prudente "dire e non dire", anche in espressioni artistiche ufficiali come l'Ara Pacis.
Quelle: Affreschi del ninfeo sotterraneo della villa di Livia - Wikipedia

D.h.: Der römische Schriftsteller Sueton (um 70 bis nach 122) erinnert auch daran, dass das Verwelken der Lorbeerpflanzen als schlechtes Omen für den Kaiser galt, wie es beim Tod von Nero, dem letzten Nachkommen der augusteischen Dynastie, der Fall war. In diesem Sinne muss der immergrüne Garten auf den Fresken auch eine apotropäische politische Bedeutung gehabt haben, die mit der auguralen Ewigkeit der Pflanzen und der Abstammung des Augustus verbunden war. Die Tatsache, dass der Lorbeer nie im Vordergrund steht, wäre in gewisser Weise sinnbildlich für den Charakter der augusteischen Politik, die stets zwischen einem vorsichtigen "Sagen und Nicht-Sagen" schwankte, selbst in offiziellen künstlerischen Äußerungen wie der Ara Pacis.

In der linken Hälfte der westlichen Längsseite finden wir eine weitere Fichte in der Einbuchtung des Mäuerchens. Unter der Fichte sitzen zwei Vögel am Boden. Links der Fichte sehen wir einen Granatapfelbaum und rechts davon einen Erdbeerbaum (italienisch Corbezzolo). Neben letzteren erkennt man je eine junge Palme sowie eine Pinie (links) und eine Eiche (rechts).





In der Eiche sitzen nahe dem Stamm zwei Tauben und auch die gelben und roten Früchte des Erdbeebaums sind gut zu erkennen; siehe besonders das mittlere Photo unten.




Von der nicht so gut erhaltenenen rechten Hälfte der westlichen Längsseite habe ich nur die beiden folgenden Photos:


Links erkennt man erneut eine Fichte, aber auch Pinie, Oleander und Schneeball (Viburnum) sind vertreten. Der Vogel im rechten Bild ist eine Ammer. Sie blickt auf den Oleander.

4. Nördliche Schmalseite

Nun stehen wir vor der nördlichen Schmalseite. Sie ist gut erhalten und hat viele schöne Details zu bieten. In der Mitte der Wand erkennen wir eine junge Pinie (Pinus pinea), links davon einen Quittenbaum, eine Palme und Rosen. Im Quittenbaum sitzt eine Taube, in einem Strauch dahinter eine Drossel. Rechts der Pinie ein Westlicher Erdbeerbaum (Arbutus unedo), ein Granatapfelbaum mit reifen, zum Teil aufgeplatzten Früchten. Noch weiter rechts wachsen nebeneinander eine Zypresse und eine Palme. Das Eckmotiv bildet ein weiterer Echter Lorbeer (Laurus nobilis).




Links: Rosen
Rechts: gelbe Chrysanthemen


Links: Bei den Vögeln handelt es sich um eine Taube und eine Drossel.
Mitte: Eichelhäher im Erdbeerbaum
Rechts: Granatäpfel


Links ein Pirol
Rechts eine Amsel


Echte Kamille
5. Östliche Längseite II

Nun haben wir den gemalten Garten der Livia fast ganz umrundet und gelangen zu der noch nicht betrachteten Hälfte der östlichen Längsseite des Raums. Von dieser habe ich nur zwei Photos: Das mittlere Motiv ist eine weitere Fichte, deren Spitze sich nach links neigt und über der man einen Fliegenschnäpper erkennt. Links neben der Fichte sehen wir noch einmal einen Quittenbaum, über den eine Amsel fliegt.

6. Letzte Blüten

Vor der gesamten Länge des gemalten Gartenmäuerchens aus Marmor wachsen viele Wald-Veilchen (Viola reichenbachiana) sowie Farne, Efeu und Schwertlilie (Iris).




Bei diesen Blumen handelt es sich um Schwertlilien (Iris).


Links: Die weissen Blüten kann ich (noch) nicht zuordnen.
Rechts sehen wir noch einmal gelbe Chrysanthemen.
Ich hätte noch lange in diesem Raum verweilen können, so gut gefiel mir der Blick in den schönen Garten. Man glaubt förmlich den Wind zu spüren, der über die Pflanzen streicht, den Duft der Blüten und Früchte wahrzunehmen, das Vogegezwitscher zu hören. Fast märchenhaft wirkt auch der Umstand, dass im gemalten Garten alle Jahreszeiten gleichzeitig präsent sind mit von im Frühjahr blühenden Veilchen, den Sommer verschönernden Rosen, im Herbst blühenden Chrysanthemen ...

Woran ich gar nicht dachte, während ich mich dort aufhielt, war die symbolische Bedeutung der Pflanzen und Blüten. Aber die gebildeten Gäste der Livia kannten sich wohl auch in der römischen Blumensprache aus. Später habe ich gelesen, dass jede der gemalten Pflanzen und Blumen einen Bezug zu einer antiken Gottheit hat. Dazu ein paar Beispiele:

* Der Granatapfelbaum ist mit Geschichte von Persephone verbunden.
Während Demeter auf der Suche nach ihrer Tochter wehklagend durch die Lande streifte, erstarb die gesamte Natur, und Elend und Hunger kamen über jegliche Kreatur, bis sich Zeus erbarmte und Hades aufforderte, Persephone in die Oberwelt zurückkehren zu lassen. Hades aber gab ihr die Kerne eines Granatapfels zu essen, welche die magische Kraft hatten, Persephone für vier Monate im Jahr zu ihm zurückzuführen ...
Der Granatapfel wird hier zum Symbol nicht vergänglicher Liebe, die über das Sterben irdischer Natur hinwegreicht. Als solche Hoffnungsträger sind seine Fruchtkerne sowohl in antike als auch in christliche griechische Totenzeremonien eingegangen.
Quelle: Der Granatapfel – Uralte lebendige Symbolik - GRIECHENLAND.NET

* Die Quitte ist mit der Geschichte der Göttin Aphrodite/Venus verbunden.
Als «kydonischer Apfel» jedenfalls hat die Quitte in der griechischen Mythologie einen grossen Auftritt: Der unschuldige Jüngling Paris überreicht ihn der Liebesgöttin Aphrodite und erklärt sie damit zur schönsten Göttin im Olymp.
Quelle: Eine Frucht für Aphrodite - Doppelpunkt

* Zypresse und Fichte waren der Göttin Artemis/Diana geweiht.
Als Pflanzen waren ihr in der Antike neben neben Zypresse und Walnuss die immergrüne Fichte (...) und zusammen mit Eberraute und Wermut das älteste Heilkraut Europas, ein Frauenkraut, nämlich der Beifuß, geweiht.
Quelle: Artemis, die Seelenverwandte der Hekate

* Der Gemeine Efeu steht in Verbindung zu Bacchus. Wo er vorkam, schloss man auf die Anwesenheit des Gottes.

Da Efeu den Göttern des Weines sowohl im alten Ägypten (Osiris) als auch in Griechenland (Dionysos) und in Rom (Bacchus) zugeordnet war, galt er auch als Symbol der Heiterkeit, der Geselligkeit und der Freundschaft.

* Die Eiche ist der Baum Jupiters.
Sein heiliger Baum ist die Eiche, daher wird Jupiter gelegentlich auch mit einem Eichenkranz abgebildet.

* Die Palme gehört zu Apollon, den seine Mutter Leto unter einer Palme auf die Welt brachte.
Unter einer Palme gebar sie zuerst Artemis und dann mit deren Hilfe Apollon.

* Die Rose war Aphrodite/Venus heilig und ein Symbol der Liebe und Jungfräulichkeit.
Aphrodite wurde der Legende nach aus dem Schaum des Meeres mit einem weißen Rosenstrauch geboren. Botticelli stellt in seinem berühmtesten Werk die "Geburt der Venus" dar. Das Bild zeigt aber nicht direkt die Geburt der Göttin, sondern den Augenblick, als sie aus dem Meer steigt und irdische Gefilde betritt. Dabei regnen Rosen vom Himmel herab (heute als Rosa Alba 'Maxima' identifiziert).
Es wird erzählt, daß ihr Ehemann aus Rache den Nebenbuhler Adonis tötete. Auf dem Weg zu ihrem sterbenden Geliebten trat sie in die Dornen der Rosen. Ihr Blut färbte die - bisher nur weißen - Rosen rot. So erhielten die beiden Farben der Rose ihre Bedeutung: die weiße Rose steht für die Reinheit der Liebe, während Rot die Farbe für die Begierde und Leidenschaft wurde.
Quelle: Aphrodite Venus - die Liebesgöttin, der etliche Liebespflanzen geweiht sind Aphrodisiaka

* Das Veilchen steht mit Venus und Vulcanus in Verbindung.
Auch der Feuergott Vulcanus wird mit Veilchen in Verbindung gebracht, denn seine Liebe zu Venus wurde erst erhört, als er sich mit einem Veilchenkranz schmückte.
Quelle: Duftveilchen » Kräuterwissen » Ritter TCM - Sabine Ritter

* Der Mohn war der Göttin Ceres heilig.
Die Attribute der Ceres waren Früchte, Fackel, Schlange, Ährenkranz oder Ährengarbe sowie Ameise. Heilig waren ihr weiterhin der Mohn und das Schwein.

Über den möglichen Bezug der Pflanzen zu antiken Gottheiten hinaus, gibt es aber wohl vor allem eine politische Botschaft der Pflanzen im gemalten Garten. Diese hängt direkt mit Augustus und mit einigen im Moment der Entstehung der Fresken (circa 30 bis 20 v. Chr.) erst kurz zurückliegenden Ereignissen (erste Statthalterschaft Agrippas im jenseitigen Gallien, 39/38 v.Chr., Schlacht bei Actium, 31 v.Chr., ...) zusammen. Da ich hier keine Urheberrechstverletzung begehen möchte, empfehle ich Interessierten die in meinen Augen sehr anregende Lektüre des Aufsatzes "Through the Picture Plane: Encoded Narratives in the Garden Room of the Villa ad Gallinas Albas at Prima Porta" von Niels Paul Niemeier und Kaja Tally-Schumacher, erschienen 2017. Diesem Link folgen: http://www.chronikajournal.com/resources/Niemeier Tally-Schumacher 2017.pdf

Lesenswert ist auch der Aufsatz "Botanic analysis of Livia’s villa painted flora (Prima Porta, Roma)" von Giulia Caneva, erschienen 2003. Diesem Link folgen: https://www.researchgate.net/publication/248546044_Botanic_analysis_of_Livia's_villa_painted_flora_Prima_Porta_Roma

Zum Abschluss dieses Beitrags noch das Photo einer Porträt-Büste der Livia, aufgenommen im Erdgeschoss am Ende unseres Rundgangs durch den Palazzo Massimo:

 
Zuletzt bearbeitet:
Soeben habe ich den Beitrag mit meinen Photos der Blüten, Sträucher und Bäume aus dem Gartensaal der Villa der Livia fertiggestellt. Siehe: Rom-Mosaik II. Am Ende finden sich auch Links zu zwei Aufsätzen in englischer Sprache, deren Lektüre ich sehr anregend fand, vor allem den erstgenannten.
Einen angenehmen Lesemoment wünsche ich.
 
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