Rom in der Romanliteratur

tacitus

Magnus
Stammrömer
Aus dem satirischen Abenteuer- und Reiseroman "Schelmuffskys wahrhafftige, kuriöse und sehr gefährliche Reisebeschreibung zu Wasser und zu Lande" (1696/97) von Christian Reuter (1665- ca. 1712), 2. Teil, Beginn des 5. Kapitels:

Rom ist, der Tebel hol mer, auch eine wackere Stadt, nur immer und ewig schade ists, daß dieselbe von außen keinen Prospekt hat. Sie ist gebaut in lauter Rohr und Schilf und ist mit einem Wasser, welches der Tiberfluß genannt wird, ringsumher umgeben, und fließt die Tiber mitten durch Rom und über den Markt weg. Denn auf dem Markte kann kein Mensche zu Fuße nicht gehen, sondern wenn Markttag da gehalten wird, so müssen die Bauersleute ihre Butter und Käse oder Gänse und Hühner in lauter Dreckschüten feil haben. O sapperment! was gibt es täglich vor unzählig viel Dreckschüten auf dem römischen Markte zu sehen! Wer auch nur eine halbe Mandel Eier in Rom verkaufen will, der bringt sie auf einer Dreckschüte hinein zu Markte geschleppt. Daß auch manchen Tag etliche tausend Dreckschüten auf der Bauerreihe dort halten und keine vor der andern weichen kann. Vortreffliche Fische gibts des Markttages immer in Rom zu verkaufen und absonderlich was Heringe anbelangt, die glänzen auch, der Tebel hol mer, flugs von Fette wie eine Speckschwarte und lassen sich überaus wohl essen, zumal wenn sie mit Bomolie brav fett begossen werden. Nun ist es zwar kein Wunder, daß es so fette Heringe da gibt, denn es ist, der Tebel hol mer, ein über alle Maßen guter Heringsfang vor Rom auf der Tiber, und wegen der Heringe ist die Stadt Rom in der Welt weit und breit berühmt. Es mag auch eine Heringsfrau in Deutschland sitzen, wo sie nur wolle, und mag auch so viel Heringe haben, als sie nur immer will, so sind sie, der Tebel hol mer, alle auf der Tiber bei Rom gefangen, denn der Heringsfang gehört dem Papste, und weil er immer nicht wohl zu Fuße ist und es selbst abwarten kann, so hat er denselben etlichen Schiffern verpachtet, die müssen dem Papste jährlich viel Tribut davon geben.

Wie ich nun mit meinem großen Kober zu Pferde vor Rom angestochen kam, so konnte ich wegen der Tiber nicht in die Stadt Rom hineinreiten, sondern mußte mich mit meinem großen Kober und Pferde auf eine Dreckschüte setzen und da lassen bis in die Stadt Rom hineinfahren. Als ich nun mit meinem großen Kober zu Pferde auf der Dreckschüte glücklich angelangte, so nahm ich mein Quartier bei einem Sterngucker, welcher in der Heringsgasse nicht weit von dem Naschmarkte wohnte. Derselbe war, der Tebel hol mer, ein überaus braver Mann, mit seiner Sternguckerei halber fast in der ganzen Welt bekannt. Absonderlich was den Fixstern anbelangte, aus demselben kunnte er erschreckliche Dinge prophezeien, denn wenn es nur ein klein wenig regnete und die Sonne sich unter trübe Wolken versteckt hatte, so kunnte ers einem gleich sagen, daß der Himmel nicht gar zu helle wäre. Derselbe Sterngucker führte mich nun in der ganzen Stadt Rom herum und zeigte mir alle Antiquitäten, die da zu sehen sein, daß ich auch von dergleichen Zeuge so viel gesehen habe, daß ich mich jetzo auf gar keines mehr besinnen kann. Letztlich so führte er mich auch bei der St. Peterskirche in ein groß steinern Haus, welches mit marmorsteinernen Ziegeln gedeckt war, und wie wir da hinein und oben auf einen schönen Saal kamen, so saß dort ein alter Mann in Pelzstrümpfen auf einem Großvaterstuhle und schlief. Zu demselben mußte ich mich auf Befehl des Sternguckers sachte hinschleichen, ihm die Pelzstrümpfe ausziehen und hernach die Füße küssen.

Da ich ihm nun die Knochen geküßt hatte, so wollte ich ihn immer aufwecken. So aber winkte mir der Sterngucker, daß ich ihn nicht aus dem Schlafe verstören sollte, und sagte ganz sachte zu mir, ich sollte Ihrer Heiligkeit die Pelzstrümpfe wieder anziehen. O sapperment! als ich von der Heiligkeit hörte, wie eilte ich mich, daß ich ihm die Pelzstrümpfe wieder an die Knochen brachte und mit dem Sterngucker wieder zum Saale hinunter- und zum Hause hinausmarschierte. Vor der Haustüre sagte mirs nun der Sterngucker erstlich recht, daß es Ihre Päpstliche Heiligkeit gewesen wäre, dem ich die Füße geküßt hätte, und meinte auch dies dabei: wer von fremden Deutschen nach Rom käme und küßte dem Papste die Füße nicht, der dürfte sich hernachmals nicht rühmen, wenn er wieder nach Deutschland käme, daß er zu Rom gewesen wäre, wann er solches nicht getan hätte.

Und also kann ichs mit gutem Rechte sagen, daß ich zu Rom bin gewesen, es wäre denn, daß mir der Sterngucker aus dem Fixsterne einen blauen Dunst vor die Nase gemacht und daß es sonst etwa ein alter Botenläufer gewesen wäre. Wenn ich aber drauf schwören sollte, daß es der Papst, welchem ich die Füße geküßt gehabt, gewiß gewesen wäre, so könnte ichs, der Tebel hol mer, nicht mit gutem Gewissen tun, denn der Sternseher kam mir für, als wenn er mehr als Brot fressen könnte, weil er sein Herze so sehr an den Fixstern gehangen hatte; sobald er auch nur an den Fixstern gedachte, so wußte er schon, was in dem Kalender vor Wetter stund.
 
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