Römische Splitter in der Provinz Hispania

Museo National de Arte Romano de Merida

Das zentral gelegende Gebäude, in dem die orginalen Funde aus der Stadt und der näheren Umgebung eine schöne Behausung und Präsentation gefunden haben, ist das Museo National de Arte Romano. Es liegt benachbart dem Theater und dem Amphitheater. Das Museum wurde 1986 eröffnet, um die Sammlung römischer Artefakte ( mittlerweile über 30000) angemessen und modern präsentieren zu können. Vorher waren die römischen Funde in ein zum Museum umfunktioniertes kleines Kirchlein gequetscht. Der Architekt des Museums ist Rafael Moneo Vallés, der dieses Museum seinem Inhalt angepasst hat. Das Gebäude wirkt selber wie ein römisches Gebäude, errichtet aus schmalen roten Ziegeln, Rundbögen und viel Tageslicht. Es bietet einen, wie ich finde, gelungenen Rahmen für die römischen Kunstwerke.

Wir begannen unseren Rundgang im Keller, der sogenannten Crypta, wobei wir uns schon mal auf das römische Strassen- Niveau begaben. Mitten durch den Patio des Museum verläuft nämlich eine römische Strasse :


Und natürlich gab es entlang der Strassen ja auch jede Menge Grabsteine:

Und wie überall in Merida fanden sich bei den Aushubarbeiten für das Museum auch noch die Grundmauern verschiedenen Häuser, die gleich als Grundausstattung für die Crypta dienen:

In einigen abgesperrten Ecken finden sich noch viele Kunstwerke , die der Restauration harren oder der Erforschung, wie diese gestappelten Mosaiken. Ach, so was hätte ich auch gerne im Keller stehen


Dieser Kopf hat seine geeignete Präsentation gefunden in den Grundmauern eines Atriums:


Die Crypta hat übrigens ein Gefälle, die Schiefe liegt nicht (nur) an der Schieflage der Kamera. Das natürliche Gefälle wurde so erhalten und in den Bau miteinbezogen, genauso wie der offene Boden. Man wandelt sozusagen im römischen Staub der Geschichte. ;)

Aus der Tiefe der Crypta kommend, steht man dann in diesem beeindruckenden Raum, an der Stirnwand die riesigen Clipei aus dem Forum, garniert mit einer Säule hier, einer Stulptur dort, dazwischen ein Mosaik.

Ehrfürchtig nähert man sich den riesigen Clipei. Clipeus oder Clipeum war ursprünglich ein grosses , rundes oder ovales Schild aus Metall, was die römische Infantrie in der frühen Kriegen mit sich führte. Später wurde es durch das Scutum ersetzt, ein gewölbtes ovales oder rechteckiges Holzschild.

Eine andere Bedeutung von Clipeus ist ein rundes Porträt, z.B. eines Verstorbenen, was sich oft auf Sarkophagen findet. Hier sind es die überdimensionierten Rundporträts der Medusa und Jupiter Ammon aus dem Marmorforum, das aber wahrscheinlich eher ein Tempelbezirk des Kaiserkultes war.


Interessant sind wieder einmal die vielen Beinamen des höchsten Gottes Jupiter. Hier ist es Ammon, ursprünglich eine ägyptische Gottheit, repräsentiert durch einen Widderkopf, für den Wind, die Herden und die Fruchtbarkeit zuständig. Nach der Eroberung Ägyptens wurde Ammon dem Jupiter angehängt, da er ja auch ähnliches repräsentiert. Wer genau schaut kann auch die Widderhörner im Lockengewühl des Jupiter erkennen.

 
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Wunderschöne Exponate und eine römische Straße mitten im Museum. Ich freue ich auf den Besuch des Museums.
Herzlichen Dank, liebe Nihil für die schönen Fotos.
 
Danke liebe Dentaria, ich freue mich wenn ich bei Dir die Vorfreude anstacheln kann! Dieses Museum ist auch ohne spezielles Interesse an römischer Kunst, einfach ein ästhetischer Genuss. Und erst die Exponate! Man sieht , wie Roma Aeterna auch für einen Kulturexport in sein Imperium sorgte. Wenn ich mich so durch die vergleichende Hintergrundinformation lese, hoch interessant wie überall ob Gallia, Hispania oder in Nordafrika z.B. die Kaiserforen importiert, imitiert, implementiert wurden.
 
Nun stelle ich noch ein paar Fotos dieser wunderschönen Exponate ein. Dieses Museum ist wie eine römische Basilika...in den Seiten-" Kapellen" finden sich z. B.: Figurengruppen wie das Aenas Ensemble. Auch hier der Bezug auf die grosse Gründungslegende Roms.

Auf der rechten Seitenwand der " Basilika" findet sich über mehrere eingezogene Galerien, Platz für weitere Exponate und man kann die grossen Clipei und auch die riesigen Mosaiken von unterschiedlichen Standpunkten aus betrachten und geniessen.


Ein wunderschön ausgearbeitetes Relief eines Lorbeerbaums , zu dessen Stamm sich eine Schlange windet. Im Geäst eine Ansammlung von Vögeln, fast ein Wimmelbild. Ich habe fünf gefiederte Bewohner gezählt , es können aber auch mehr sein. ;)
Diese marmornen Reste stammen wahrscheinlich aus einem Tempel für den imperialen Kult. Das Bukranion, der skeletierte Ochsenkopf eingearbeitet als Schmuckelement zwischen üppigen Fruchtgirlanden( sogenannten Festos), war schon bei den Griechen in Verwendung. Gemeinsam mit eingearbeiteten Rosetten oder Fruchtschalen bilden sie dann den Bukranionfries. Hier leider nur noch in Splittern zu betrachten:
Manches " Porzellan "war zerschlagen worden während der letzten 2000 Jahre, da half auch kein Kleber mehr. Aber auch als grosse Scherbe auf dem Boden sehr attraktiv:


Aber auch Scherben fanden durchaus noch Verwendung, in dem man sie in späteren Jahrhunderten einer neuen Bestimmung zuführte: So wurde ein römischer Grabstein zu einem barocken Wappen umgestaltet und ein römisches Kapitell fand als Mühlstein eine neue Funktion! o_O

Auch an Metall fand sich noch einiges im Boden, was immer erstaunlich ist, denn gerade die Bronzen wurden rücksichtlos weiterverwendet, eingeschmolzenund umgegossen. Um so schöner die Exponate hier: wenige und kleinformatig und deswegen wahrscheinlich auch zu ihrem und unserem Vorteil übersehen.

Auch römisches Luxus-Glas fand sich: Im Hintergrund ein in Lebensgrösse geblasener blauer Fisch auf dem Trockenen ;)
Hier ein paar schlechte Fotos von Münzen aus verschiedenen Dynastien. Es gibt eine grosse Münzsammlung im Museum, denn selbstverständlich prägte man in Augusta Emerita auch selber Münzen. Als Hauptstadt von Lusitania hatte man nicht nur römisches Stadtrecht, sonden auch Münzrecht.


Hier das spätere Stadtwappen von Augusta Emerita auf einer Münze:

Absolut faszinierend sind die riesigen Mosaike an den Wänden. Eins der Grössten ist das Mosaik der Wagenlenker, dass vielleicht auf damals in Augusta Emerita lebende Wagenlenker und Quadrigas Bezug nimmt. Denn die Namen der Chauffeure und die der besten Pferde sind im Mosaik benannt. Starkult auf Römisch :cool:

Man weiss nicht, wohin man zuerst schauen muss, es wimmelt auch hier von floralen und geometrischen Mustern und Flechtzöpfen.

In den vier Ecken pusten die vier Winde, die hoffentlich auch beim nächsten Rennen günstig wehen:

"Ross und Reiter" werden genannt und wahrscheinlich auch der Besitzer oder Pferdezüchter. Das Mosaik stammt aus dem 4. Jahrhundert n. Chr. Ab dem 5. Jahrhundert sind keine Mosaiken mit der Wagenrennen-Thematik mehr vorhanden, was dafür spricht, dass diese Art der Volksbelustigung nicht mehr stattfand, vielleicht aufgrund der zunehmend christlich dominierten Umwelt.
Marcianus Nicha und Paulus Nica, die siegreichen Wagenlenker werden mit der Siegerpalme als Symbol für Triumpf und Erfolg; frontal dargestellt. Die Siegerpalme wird später dann als christliches Symbol und Zeichen des Sieges den Märtyrern beigegeben.
Nica / Nicha = siege! ist eine Akklamation, mit denen die Wagenlenker angefeuert wurden. Die Farben der Tunika sprechen für die verschiedenen Gegner und Fanclubs : die Grünen und die Blauen z.B.
Illuminator als Name für das Leitpferd , also das beste Pferd aus dem Stall( oder Besitzer) des Getuli ist im Mosaik eingelassen. Bei genauer Betrachtung sieht man einen Skyphos zwischen den zentral stehenden Pferden. Eigentlich eine Trinkschale, könnte hier der Skyphos für die zahlreichen Siege und Preise der Quadriga stehen.

Der Skyphos ist ja heute noch in etwas grösseren Abmessungen in Gebrauch bei den Turnieren, sei es Tennis, Fussball oder Autorennen: die Pokale bleiben in Mode ;)




 
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Liebe Nihil,
das ist ja ein großartiges Museum; und du hast ganz tolle Fotos davon für uns aufbereitet - ganz fantastisch.
Bei den vielen großen und kleinen Objekten weiß ich gar nicht, was ich besonders hervorheben soll: den blauen Glasfisch, das Bronzebein - oder doch lieber das Relief des Lorbeerbaums? Es hat mir viel Spaß gemacht, virtuell mit die durch dieses Museum zu gehen. Danke schön!
 
Liebe ColleMarina,
Danke für dein grosses Lob. Es freut mich, wenn ich Euch, virtuell zumindest, schöne Dinge aus den Fernen des westlichen römischen Imperiums näher bringen kann. Und wer weiss, vielleicht wird aus dem virtuellen Schnuppern auch mal ein persönliches Kennenlernen der römischen Hinterlassenschaften.
 
Liebe Nihil, vielen Dank für das römische Feuerwerk außerhalb von Rom. Es macht sehr viel Freude dir zu folgen. Tolle Fotos und alle Texte sehr informativ.
 
Danke Pecorella, dich werde ich wohl nicht von den römischen Weiden locken können... Nichtsdestotrotz feuere ich noch ein bisschen weiter. Wer weiss, vielleicht überlegt sich die eine oder andere doch mal einen Abstecher nach Hispania zu unternehmen. Obwohl die Fahrt länger ist als in die Urbs, sind zumindest die Eintritte in die Monumente und Museen, wie auch die Lebenshaltungskosten geringer als in Rom.
 
Das Museo Romano de Merida hat wirklich viel zu bieten. Die Sammlung der Mosaiken aus der Stadt selber wie auch aus den Villae rusticae im Umland ist riesig und in ihren Sujets vielfältig.
Bitte eintreten:

Die Jagd war nach den Pferderennen ebenfalls eine beliebte Freizeitgestaltung, auch wenn Löwen und Leopaden nicht zur hispanischen Fauna gehören. Beim Wildschwein ist das allerdings anders. Das wird heute noch gejagt, wenn auch nicht mehr mit dem Spiess.
Eingebettet waren diese Szenen in wunderbare Muster, die fast an einen Orient-Teppich aus kleinen Steinen erinnen.

Eingebettet in das florale Gerankel sind die Köpfe der vier Jahreszeiten :

Wieder andere Mosaiken kommen schlicht in schwarz-weiss Optik daher, was dem ermüdeten Auge gut täte, wäre da nicht die beunruhigende Szene mit dem hungrigen Krokodil.

Verschiedene Grabsteine und Gedenk- Inschriften sind auch in der Gallerie zu finden:
Hier die Orginalinschrift aus dem Columbarium der Casa del Mitreo. Sie ist von der Familie der Voconii errichtet worden und ehrt Caius Voconius Proculus, ein Mann mit höheren militärischen Ehren. Der Epitaph zeigt sogenannte Torques, oft und gerne von den Barbaren getragen. In diesem Fall aber eine Auszeichnung für einen im militärischen Einsatz bewährten Centurion sind. Der Römer trug diese Auszeichnung nicht um den Hals wie die Barbaren, sondern an Lederschnüren vor die Brust gebunden. Oft wurden an diese Lederbänder auch noch sogenannte Fallerae befestigt: kleine Scheiben aus Glas, Metall oder Ton.
Diese Grabinschrift ist der Wirtin Sentia Amarantis von ihrem Mann Victor gewidmet worden und zeigt die Dame bei Ihrer Arbeit des Weinzapfens für die Tabernenbesucher.

Weibliche und männliche ernst blickende Häupter und dazwischen eine tänzelnde Muse. Wahrscheinlich ist hier Terpsichore, die Muse des Tanzes dargestellt.


Hier reitet der Gott Dionysus betört von den Musen und zuviel Wein auf einem Esel, in Begleitung eines Faun, ein Horn haltend, und einer Ziege:

Das folgende Mosaik greift tief in die griechische Geschichte und heisst: die sieben Weisen von Griechenland. Diese Männer waren keine Philosophen, sondern Männer des offentlichen Lebens der griechischen Antike ( 6.-7. Jahrhundert vor Chr.)
Besonders gross sind im Mosaik Thales von Milet und Chilon von Sparta dargestellt. Das Zentralmosaik stellt eine Art Raum da, in dem Thales und Chilon in einer Art Apside das erlesene Symposium präsidieren. Thales rechts, Quilon links sitzen sich in einer Denkerpose gegenüber, beide als ältere Männer dargestellt und sich den Bart kraulend.
Die anderen Weisen sind entlang der " Zimmerwände " aufgereiht. Rechts sitzen in trauter Runde Bias von Priene, Periandro von Korinth und Kleobulos von Lindos. Auf der linken Seite erscheinen Solon von Athen, der Jüngste der Weisenschar, und vom letzten Weisen blieb leider nur noch ein Bein sichtbar. Scheinbar sollen die Weisen eine Szene aus der Illias beurteilen, die im unteren Teil des Bildes dargestellt wird.

Da dort keine Namen zu den entsprechenden Figuren zugefügt wurden, ist die Szene nicht ganz sicher zu deuten. Es könnte sich aber um die Streiterei zwischen Achilles und Agamemnon um die geraubte Briseis handeln. Im trojanischen Krieg wurde Briseis von Achilles bei der Eroberung der Stadt Lymessos geraubt und als Konkurbine versklavt. Briseis muss sehr hübsch gewesen sein, denn Agamemnon warf sein Auge auf sie und nahm die Gespielin dem Achilles weg. Der zog sich beleidigt aus dem Kampfgeschehen zurück, so dass Agamemnon alle weiteren Scharmützel mit den Gegnern verlor.
Wir wissen nicht wie das Urteil der sieben Weisen ausfiel, aber zum Schluss haben sich die Streithähne wohl vertragen, denn die Trojaner wurden von Achilles und Agamemnon gemeinsam geschlagen. Und die Illias konnte von Homer mit dem uns bekannten Ausgang zu Ende geschrieben werden. :)

Auch wir halten uns einen Rat der sieben Weisen heute noch. Hiess nicht das Beratergremium der Wirtschaftsweisen so?

Und hier der Genius coloniae. Ob dieser Kopf den jugendlichen Gründer der Stadt Augustus darstellt, oder Antinoos, oder gar eine weibliche Göttin namens Vesta darüber streiten sich die Gelehrten. Aber hübsch ist er der Genius Coloniae

 
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Liebe Nil,

nun bin ich endlich dazu gekommen, deine letzten hinpanischen Splitter zu betrachten.
Ganz wunderbare Dinge hast Du uns mitgebracht, mich faszinieren vor allem die Mosaiken und dann natürlich der allerliebste Lorbeerbaum.
Vielen Dank fürs Mitnehmen in den Westen - ich glaube allerdings auch, dass bei uns weiterhin Italien an oberster Stelle der Reisepläne stehen wird. Aber, wer weiß, Lissabon wollte ich ja schon immer gerne mal sehen ... ;)
 
Liebe Angela, danke für dein Mitlesen. Ich nehme euch gerne mit in die westlichen Randzonen des römischen Imperiums. Solltest du trotz deiner Liebe zu Italien mal mit Lissabon liebäugeln, so ist Merida nicht weit entfernt für einen Abstecher.
 
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