Einen kurzen Venedig-Besuch habe ich ich für eine kulinarische Tour genutzt und dabei vor allem mehrere der kleinen Weinbars der Stadt, die bacari abgeklappert. Für Restaurants hatte ich vorher im Internet recherchiert, für die bacari auf Tipps aus den Büchern 'Weinbars in Venedig' und 'Osterie d'Italia 2013/14' zurückgegriffen.
Das Essen in der
Trattoria Antiche Carampane (San Polo 1911, Rio Terà Rampani) war ein einziger Genuss. Vorweg gab es eine kleine Tüte mit frittierten und gesalzenen Mini-Garnelen. Köstlichst! Das Brot, vermutlich hausgebacken: ein Gedicht. Der rohe Fischteller als Vorspeise: eine gute Portion allerbester Qualität. Beim Secondo, frittierten Moeche - kleinen Krebsen, die es nur kurze Zeit im Frühjahr und Herbst gibt, wenn sie sich häuten und dann deshalb als Ganzes gegessen werden können - hätte ich mir am liebsten noch eine Portion bestellt. Die Beilage, Puntarelle (Spargelchicorée) mit Sardellen war eine tolle Ergänzung. Und dann das Dessert des Tages: Limonentarte mit Eischaum. Davon hätte ich gern eine ganz Form mitgenommen - soooo köstlich. Preislich ist das Restaurant gehoben. Für drei Gänge plus Beilage, ½ l Wein und eine Flasche Wasser sowie Pane/Coperto musste ich knapp 80 Euro bezahlen. Allerdings gehörten Vor- und Hauptspeise mit je 25 Euro auch zu den teuersten Gerichte ihrer Kategorie. Eine Reservierung ist unumgänglich. Beim Anruf einen Tag vorher gab es für den Abend des Folgetages nur noch einen Tisch um 21:30 h - und das als Einzelperson. Bei Ankunft musste ich ca. 15 Minuten warten, da mein Tisch noch nicht frei war. Es werden offenbar teilweise Reservierungen in zwei Zeitschichten à 2 Stunden vergeben, was für Italien sonst eher ungewöhnlich ist. Das Ambiente ist hell und funktionell. Es ist eng und man is(s)t umgeben von einem Stimmengewirr. Der Service ist freundlich und sehr effizient. Die Portionen sind ausreichend. Mehrere Tische waren in französischer Hand. Nach knapp zwei Stunden verließ ich das Lokal als glücklichster Mensch der Welt.
Einen Tag zuvor hatte ich ebenfalls hervorragend, aber preislich deutlich günstiger in der
Hostaria da Barbarigo gegessen (Dorsoduro 2344, Fondamenta Barbarigo). Am Donnerstag Abend war das Restaurant, das von einem Ehepaar betrieben wird, bis auf zwei andere Tische leer. Die Frau ist die Köchin und kann auch etwas Englisch, ihr Mann schmeißt souverän den Service. Beide sind sehr unkompliziert und freundlich. Ich bestellte Antipasti, Primo und Secondo. Als Vorspeise gab es köstlich gefüllte Tintenfische, die frittiert wurden. Drei nicht ganz kleine Exemplare, obwohl die Köchin bei der Bestellung auf Nachfrage noch meinte, die Vorspeiseportion sei nicht so groß. Daraufhin habe ich sie darum geben, den ersten Gang doch auszulassen, was kein Problem war. Als Secondo kamen diverse frittierte Meeresfrüchte, ebenfalls eine sehr große Portion. Superfrisch und ganz hervorragend zubereitet. Für einen Nachtisch blieb kein Platz. Plötzlich kam der Wirt und meinte, es sei Zeit zum Aufbruch, das Wasser komme. Es gab noch schnell einen Limoncello aufs Haus und zwei Müllbeutel, um trockenen Fußes wegzukommen. Zwei Gänge mit einem ½ l Wein und einer Flasche Wasser gingen für 34 Euro über den Tisch. Coperto wurde nicht berechnet. Als ich am Samstag abends nach 22 h beim Barbarigo vorbei kam, war die Hostaria immer noch gut gefüllt. Insofern dürfte es zumindest für Freitag und Samstag sinnvoll sein zu reservieren. Obacht, die Klamotten nehmen etwas den Küchenduft an. Ambiente: Die Wände sind schnörkellos, aber liebevoll mit Bildern dekoriert. Geöffnet: Mittags und abends, Sonntag ist Ruhetag. Ein bodenständiger Laden zum Wohlfühlen.
Direkt beim Rialto Fischmarkt befindet sich das
Lino Fritto (San Polo 319, Campo de le Becarie). Dort kann kann im Stehen in einem sehr nüchternen Ambiente eine recht große Auswahl an superfrischem Fisch und Gemüse essen oder sich mitnehmen. Es gibt kleine Häppchen, Salate, Frittiertes und Fisch Hamburger. Es hat nicht die Ausstrahlung und Heimeligkeit eines bacaro, aber Qualität, Auswahl und Preise sind sehr gut. Samstag Mittag konnte ich beim Essen am Stehplatz draußen die Markthändler beim Abbau ihrer Stände und lautem gegenseitigem auf die Schippe nehmen beobachten, während sich die Mittelmeermöwen Fischreste vom Boden pickten. Das
Lino Fritto ist eine moderne und gute Ergänzung zu den Klassikern. Insbesondere, wenn man etwas mitnehmen möchte. Sonntags ist Ruhetag.
Tour de Bacari
Hach, war das herrlich. Kleine Häppchen, dazu ein Gläschen. Warum gibt es so etwas nicht in Hamburg? Seufz! In die cicchetti könnte ich mich reinsetzen.
Am besten gefallen und geschmeckt hat es mir in der
Osteria alla ciurma (San Polo 406, Calle Galiazza) und in der
Osteria da Carla (San Marco 1535, Calle Frezzeria). Beide bieten eine sehr abwechslungsreiche Vielfalt und eine fantastische Qualität an. Das Ambiente empfand ich jeweils sehr gemütlich und schön. Im da Carla werden sehr viele Häppchen auf (schwarzer) Polenta angerichtet und besonders appetitlich präsentiert. Beim alla Ciurma war das Personal sehr freundlich.
Ebenfalls sehr gute cicchetti bietet das
Cavatappi (San Marco 525 – 526, Campo de la Guerra) an. Und das in einer Gegend, in der man von den Touristenmassen überrollt wird. Zudem eines der wenigen bacari, das auch sonntags geöffnet hat. Die
Osteria All'Arco (San Polo 436, Calle Arco) wird besonders oft in Büchern und im Internet gelobt. Auch mir hat es dort sehr gut geschmeckt, aber ich fand nicht, dass das Lokal herausragt. Das gilt auch für das ebenso häufig gelobte
Cantinone Gia Schiavi (Dorsodouro 992, Fondamenta Nani). Dort ist die Auswahl sehr vielfältig und es gibt viele Eigenkreationen, die andere Lokale nicht haben.
Im
I Rusteghi (San Marco 5513, Corte el Tentor) sind die angebotenen Speisen etwas teurer (3,50 bis 8 Euro). Das liegt auch daran, dass hier insbesondere viele teure Produkte zum Einsatz kommen. Bei meinem Besuch stapelte der Besitzer gerade ein paar Trüffel zu einem kleinen Berg, so dass der ganze Raum vom Duft der Knollen erfüllt war. Die Salumi Auswahl ist ebenfalls nur vom besten, ebenso wie die sehr hochwertige Weinauswahl. Den Raum empfand ich als besonders urig. Unter der Decke hängen diverse Schinken. Im lauschigen Innenhof lässt es sich bei trockenem Wetter ebenfalls gut aushalten.
In der
Osteria Alsquero (Dorsodouro 943 – 944, Fondamenta Nani) erreicht die Qualität der cicchetti vielleicht nicht ganz die der bisher erwähnten bacari, allerdings ist das Kritik auf hohem Niveau. Dafür ist das Personal sehr freundlich, die Preise einen Tick günstiger und man hat auch sonntags auf. Zum Abschluss meiner Reise bin ich mit Gepäck noch in die
Osteria do Spade gegangen (San Polo 859, Calle do Spade). In Bezug auf die Freundlichkeit und die Qualität gilt das Gleiche wie beim Alsquero. Die Auswahl an warmen Häppchen im do Spade ist reichhaltig, die Preise günstig. Sechs verschiedene cicchetti und ein Glas Prosecco kosteten zusammen 11,50 [FONT=Liberation Serif, serif]€[/FONT][FONT=Liberation Serif, serif].[/FONT] Um kurz nach halb eins kamen dann nacheinander mehrere ältere Herrschaften, die vermutlich in der Nähe wohnten, holten sich ihre Ombra und setzen sich zum Schwätzchen auf die Bank vor dem Lokal.
Alle bacari werden inzwischen reichlich von Touristen frequentiert. Im alla Ciurma kam z.B. eine Reiseführerin mit einer Gruppe Chinesen an, holte einen großen, gemischten Teller raus und ließ ihre Gruppe die cicchetti auf der Straße verkosten. Trotzdem werden nach meinem Eindruck alle aufgeführten Lokale auch weiterhin von einer größeren Gruppe Einheimischer frequentiert.
Für kleine Testtouren eignen sich z.B. in Dorsodouro das Cantinone und Alsquero, die nur ca. 150 m auseinander liegen. Und beim Rialto Markt befinden sich mit alla Ciurma, all'Arco und do Spade sogar drei Läden in einem Umkreis von ca. 200 m.
Beim
Bacareto da Lele (Santa Croce 183, Campo dei Tolenti) war es so voll, das ich mir eine Einkehr gespart habe. Ebenfalls zu voll war es mir Sonntag mittags gegen 12 h im
La Cantina (Cannareggio 3689, Strada Nova). Die viel gelobte
Enoiteca Mascareta (Castello 5113, Calle Lunga Santa Maria Formosa) hatte Samstag Abend gar gleich ein Schild an der Tür, das man keinen Platz mehr habe. So gibt es für den nächsten Besuch noch Ziele.
