Italien: Regierungskoalition von PD und Cinque Stelle


Italiens Oppositionsführer Matteo Salvini ist mit seiner rechtspopulistischen Lega laut Hochrechnungen bei einer wichtigen Regionalwahl in Italien gescheitert. In der Emilia-Romagna kam der Mitte-Links-Kandidat der Sozialdemokraten, Stefano Bonaccini, laut einer Hochrechnung für den Sender La7 auf 51,8 Prozent der Stimmen. Die Lega-Kandidatin Lucia Borgonzoni unterlag demnach mit 41,5 Prozent.
Die Wahl in der Region gilt als wichtiger Test für die angeschlagene Regierung in Rom aus Fünf-Sterne-Bewegung und Sozialdemokraten, da die Emilia-Romagna seit jeher in linker Hand ist. Ein Verlust an die Lega wäre ein schwerer Schlag für die Regierung des parteilosen Premierministers Giuseppe Conte und würde die unbeliebte Koalition weiter schwächen.
 

Artikel von Andreas Wysling in der NZZ vom 27.1.2020

Dass dem Partito Democratico eine Niederlage erspart blieb, war zu einem guten Teil dem überraschenden Auftreten der «Sardinen»-Bewegung zuzuschreiben. Sie stahl Salvini streckenweise die Schau, sie brachte frischen Wind in den Wahlkampf und liess die demoralisierte Linke wieder etwas Hoffnung schöpfen.
Bei einer weiteren Regionalwahl in der süditalienischen Region Kalabrien erlitt die Linke eine deutliche Abfuhr. Mit einem riesigen Vorsprung gewann die Kandidatin des rechten Lagers, Jole Santelli von der Partei Forza Italia des Milliardärs Silvio Berlusconi gegen den Sozialdemokraten Pippo Callipo, das Stimmenverhältnis betrug etwa 58 zu 27 Prozent.
Die beiden Wahlergebnisse bestätigen, dass die italienische Rechte und extreme Rechte sich weiter im Vormarsch befinden, auch wenn der Durchmarsch in der Emilia-Romagna nicht gelungen ist. Die «gelb-rote» Regierung in Rom steht weiter unter Druck, und ihre Grundlage ist schwach. Die Cinque Stelle dürften demnächst verglühen. Und der Partito Democratico befindet sich keineswegs in Hochform.
 
Vgl. dazu auch (wiewohl ich auf diesen Thread nur sehr selten andernorts verlinke): Polit-Zirkus.

Und auch sonst nehme ich hier im Forum quasi niemals Stellung dazu, weil auch ganz allgemein Situation und Standorte nur allzu gut bekannt sind.
Dennoch erlaube ich mir heute und hier die kleine Hoffnung, dass es für Italien eine Alternative geben möge zu Salvini & Co.
 
Zuletzt bearbeitet:

Artikel von Regina Krieger am 27.1.2020

Doch auf dem Sieg liegt ein Schatten, der das nächste große Problem des Premiers sein wird: Die Bewegung Fünf Sterne, der Koalitionspartner der PD, ist komplett eingebrochen und blieb in beiden Regionen unter fünf Prozent. Das hatte sich schon abgezeichnet und deshalb war Parteichef Luigi Di Maio kurz vor der Wahl zurückgetreten.

Kommentar von Matthias Rüb in der FAZ:

 

Salvinis Plan scheitert

Salvini wollte die Partei von der PD-Regierung „befreien“, um anschließend mit der Begründung, die nationale Regierung entspräche nicht mehr dem Willen der Wähler, Neuwahlen für ganz Italien zu fordern. Nicht zuletzt deshalb hatte Salvini den Wahlkampf in der Region zur Chefsache erklärt und in zwei Monaten über 150 Ortstermine absolviert, um der Lega-Kandidatin zum Sieg zu verhelfen.
 
Und noch ein Kommentar zur Regionalwahl von vergangenem Sonntag:


Andrea Bachstein am 27.1.2020 für die NZZ

Der ruhige Kurs des PD-Chefs Nicola Zingaretti ist bestätigt, innerparteiliche Fehden sind kalmiert, und vor allem ist die linke Hochburg Bologna verteidigt. (...)

In 14 der 20 Regionen regieren Politiker der Lega oder anderer rechter Parteien. Hält der Trend bei den sechs Regionalwahlen im Mai und Juni an, regierte die Koalition in Rom gegen die Mehrheit im Land. Es ist schwer vorstellbar, dass sie das lange durchhält. Trotzdem zeigt die Emilia-Romagna: Der Populismus von Fünf Sternen und Lega lässt sich doch stoppen.
 
Die Sterne haben offenkundig ihren Zenit weit überschritten und sind am Zusammenbruch. Die Frage wird nun sein, wo die bisherigen Wähler hingehen. Und da vermute ich stark, dass Salvini am meisten profitieren wird. 40 Prozent für die Rechten in der immer noch tiefroten Emilia-Romagna, in der seit dem Krieg immer die Linken (angefangen bei den Kommunisten) regiert hatten (vergleichbar nur mit der CSU in Bayern) sind da ein deutliches Menetekel.
 
Es bräuchte ein moderates konservatives Gegengewicht zu der ebenfalls völlig zersplitterten Linken. Aber da tauchen seit dem Untergang der DC nur Schaumschläger wie Berlusconi, Neofaschisten oder unberechenbare Populisten wie Salvini auf. Bedauerlich.
 

Gibt Conte ihm bis zum 7. Januar keine zufriedenstellenden Antworten, werden Familienministerin Elena Bonetti und Landwirtschaftsministerin Teresa Bellanova die Regierung verlassen.
Die beiden gehören zu Renzis Partei Italia Viva (IV), die der Jurist aus Florenz erst im September 2019 gegründet hat – eine Abspaltung von den Sozialdemokraten (PD), die Renzi selbst viele Jahre geführt hatte. Die Ministerinnen seien im Kabinett, weil sie Ideen hätten, nicht aus Eitelkeit, sagte Renzi am Montag. „Wenn diese Ideen nicht gefallen, sind wir nicht wie die anderen: Wir räumen unsere Stühle.“
 

Für Friedrich Heinemann war es ein Fehler, den Milliarden-Geldsegen des Next Generation-Programms nicht mit konkreten Reformauflagen zu verknüpfen. Jetzt laufe es darauf hinaus, dass die geballte Ineffizienz in Italien in den kommenden Jahren mit EU-Geldern nur übertüncht, statt beseitigt wird. "Wenn nicht entschieden nachgesteuert wird, könnte das EU-Coronapaket politökonomisch sogar das Gegenteil von dem bewirken, was es beabsichtigt”, warnt der Mannheimer Ökonom. "Es mindert derzeit den Reformdruck in den großen Empfängerländern. Statt die unpopulären, aber notwendigen Reformaufgaben anzugehen, wächst jetzt sogar die öffentliche Verwaltung weiter und das Strohfeuer der EU-Subventionen suggeriert, dass harte Einschnitte nicht nötig seien.”
 

Artikel von Dominik Straub am 13.1.2021

Falls Renzi heute Ernst macht, wird – wie immer bei Regierungskrisen – der Ball bei Staatspräsident Sergio Mattarella liegen. Conte hatte bereits am Wochenende angekündigt, dass er im Fall eines Ausscheidens von Italia Viva aus der Regierungskoalition mit dem Staatsoberhaupt das weitere Vorgehen besprechen werde. Es liegen diverse Möglichkeiten auf dem Tisch: Mattarella könnte Conte auffordern, mit anderen Parteien die Möglichkeit einer neuen Koalition auszuloten, die Renzi-Ministerinnen bei einer Regierungsumbildung zu ersetzen und sich anschließend mit der neuen Regierungsmannschaft im Parlament einer Vertrauensabstimmung zu stellen.
 
Ministerpräsident Conte war beim Staatspräsidenten Mattarella im Quirinal, Matteo Renzi hat für 17.30 Uhr eine Pressekonferenz angekündigt - wird es ernst mit der Regierungskrise in Krisenzeiten?

 

Ein Szenario nach dem Bruch der Regierung könnte eine umfassende Kabinettsumbildung sein – mit oder ohne Conte als Regierungschef. Vorstellbar ist auch, dass Conte andere Unterstützer für seine Regierung sucht. Dazu müsste er 25 Abgeordnete unter den insgesamt 630 Parlamentariern des Unterhauses und 18 unter den 315 Senatoren finden.
 
Was aber durchaus nicht gemeint ist als "Italien-Bashing". Denn wer weiß, was sich in diesem Wahljahr 2021 auch bei uns noch so alles tun könnte ...
 
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