Italien: Regierungsbildung in Italien

Italien: Regierungsbildung in Rom in letzter Minute geplatzt - Politik - Tagesspiegel

Artikel von Dominik Straub am 27.5.

Mattarella hatte aber vor allem politische Gründe, ein Veto gegen Savona auszusprechen. Immerhin stand viel auf dem Spiel, nicht nur für Italien. Mit Paolo Savona wäre einer der italienischen Chef-Ideologen eines Euro-Austritts ins Finanz- und Wirtschaftsministerium eingezogen. Den Deutschen, die seiner Meinung nach am meisten von der Einheitswährung profitieren, wirft er vor, ihre Hegemoniegelüste über Europa auch nach Hitler nicht aufgegeben zu haben - nur dass sie ihre Vormachtstellung nun nicht mehr militärisch, sondern mit dem Euro durchsetzen wollten. "Als Staatspräsident bin ich der Verfassung verpflichtet; ich konnte keine Person zum Minister ernennen, mit der der Austritt aus dem Euro nicht nur wahrscheinlich, sondern vielleicht unausweichlich geworden wäre", betonte Mattarella. Er müsse die Ersparnisse der Bürgerinnen und Bürger schützen.

Conte gibt auf: Regierungsbildung in Italien gescheitert

Artikel von Matthias Rüb

Die rechten und linken Populisten könnten ihren Wahlkampf mit der Parole „Das Volk gegen den Präsidentenpalast“ führen und damit noch mehr als schon im März vom diffusen Zorn vieler Italiener auf die politischen Eliten in Rom und auch in Brüssel profitieren.
 
"Das conte ja nicht gutgehen!" :D

Der nette Kollege hat da ein echtes "Bonmot" kreiert! :cool:

Inzwischen hat Staatspräsident Mattarella den Auftrag zur Regierung an den Währungsspezialisten Carlo Cottarelli weitergegeben.

Rom: Wirtschaftsexperte Cottarelli erhält Regierungsauftrag in Italien

Die Standhaftigkeit Mattarellas halte ich persönlich für bewundernswert. Der Mann hat mir von Beginn an imponiert. Hoffentlich bewirkt seine Entscheidung Gutes für Italien und die Italiener!
 
Tut mir leid, ich bin sehr skeptisch. Das große Problem von Italien und auch einigen anderen Ländern ist, dass sie seit den 50er Jahren ihre Wirtschaft vorwiegend dadurch konkurrenzfähig gehalten haben, dass sie in schöner Regelmäßigkeit ihre Währungen massiv abgewertet haben, Die Preise im Inland wurden ebenso in schöner Regelmäßigkeit erhöht, die Löhne ebenso und das Ganze ist 50 Jahre gut gegangen . Dann kam der Euro und einige Staatenlenker haben bis heute nicht verstanden, dass die alten Modelle von da an nicht mehr funktionierten. Mich hat gewundert, wie z.B. die Restaurants wie zu Lira-Zeiten jedes Jahr munter weiter ihre Preise um 5-10 % erhöhten und sich dann wunderten, dass die Leute nicht mehr kamen. Ganz einfach....die Löhne konnten nicht mehr im gewohnten Maß erhöht werden, weil man den Euro eben nicht beliebig abwerten konnte.
Diese einfache Tatsache ist speziell den Italienern irgendwie bis heute nicht klar geworden. Und deswegen wählen sie Gruppierungen, die eine Art Rückkehr in die goldenen 70er versprechen und dazu Dinge, die einfach nicht funktionieren können. Höhere Renten und ein früheres Renteneintrittsalter in einem Land, das inzwischen Europas niedrigste Geburtenrate aufweist. Das ist einfach Unsinn. Irrationaler Unsinn. Aber dieser Unsinn wird gewählt.
 
Es sei nur noch ein weiterer Punkt erwähnt, der so manchem Menschen auch bis heute unklar ist. Der Durchschnittsitaliener hat tatsächlich mehr Vermögen als der Durchschnittsdeutsche, was vor allem daran liegt, dass Italiener vorwiegend in den eigenen vier Wänden leben und nicht zur Miete wie doch die Mehrheit der Deutschen.
Das sollte beim allgemeinen Wehklagen nicht vergessen werden
 
Stimmt, das mit den eigenen vier Wänden (in aller Regel sind sie ererbt) kenne bzw. weiß auch ich von meinen römischen Bekannten.
Allerdings gibt es mittlerweile auch genügend andere, auf die das nicht mehr zutrifft.

Und bzgl. der Preise im Restaurant glaube ich natürlich gerne deiner Beurteilung ... als Experte dafür.

Ferner stimme ich auch dem "Rest" deiner Einschätzung zu.




Die Standhaftigkeit Mattarellas halte ich persönlich für bewundernswert. Der Mann hat mir von Beginn an imponiert. Hoffentlich bewirkt seine Entscheidung Gutes für Italien und die Italiener!
Bin ganz deiner Meinung.
 
Übrigens zu speziell diesem Punkt hier noch ein paar Zeilen zum Nachlesen: Italiens Präsident Mattarella: Der Unbeugsame - SPIEGEL ONLINE - Politik.

Unaufgeregt wie immer, mit klaren Worten, ohne Pathos, erklärte Sergio Mattarella den Versuch der Regierungsbildung für einstweilen gescheitert. Die italienische und die europäische Fahne hinter ihm und das Wappen der Repubblica Italiana vor ihm untermalten seinen Bezug auf die Staatsräson. (...)
Viele Verfassungsrechtler haben sich in ihrer Zeit am Obersten Gericht des Landes verändert. "Was wir sagen, das gilt", sagte einmal einer von ihnen, ganz privat, "über uns ist nur noch der Himmel". Diese Verantwortung laste, mache aber auch Mut. Das ist wohl auch der Antrieb, der jetzt diesen Sergio Mattarella so entschlossen handeln lässt. So etwas wie Ehrfurcht vor dem Recht, zumal vor der Verfassung.
 
Und deswegen wählen sie Gruppierungen, die eine Art Rückkehr in die goldenen 70er versprechen und dazu Dinge, die einfach nicht funktionieren können.
Genau das ist doch das Problem! Die Leute wählen für sie gut klingende Versprechungen. Und die dann gewählten Politiker surfen verantwortungslos auf der „XXX First“ -Woge (für XXX kann inzwischen fast ein beliebiges Land eingesetzt werden).

Es heißt ja i. A., dass die Italiener „an sich“ durchaus nicht gegen Europa wären. Mal sehen, wie die Wahl ausgeht. Vermutlich wird der Wahlkampf ja nicht zuletzt über die Europafrage geführt werden. Allerdings sehe ich keine Person die das Pro-Lager positiv voranbringen könnte.
 
Der Durchschnittsitaliener hat tatsächlich mehr Vermögen als der Durchschnittsdeutsche, was vor allem daran liegt, dass Italiener vorwiegend in den eigenen vier Wänden leben und nicht zur Miete wie doch die Mehrheit der Deutschen.
Und wieviele davon sind Söhne, die noch mit 40 bei La Mamma wohnen, weil sie sich eine eigene Wohnung nicht leisten können?
Das sollte man dabei auch nicht vergessen.
 
Ich denke nicht, dass einer von uns meint, dass es die jungen Italiener nach ihrer Ausbildung leicht haben. Das ist wirklich ziemlich Mist, wieviele (auch Spanier, Portugiesen und Griechen) kaum eine Chance haben, gut ins Arbeitsleben zu starten. Und die mangelnde Mietwohnungskulur tut ihr übriges. Aber ich sehe nicht, wo die Liga oder die Sterne hierfür Konzepte haben. Und ich sehe es auch nicht so, dass daran Europa schuld ist wobei ich die Austeritätspolitik (insb. der Deutschen) kritisch sehe.
 
Doch, das Problem der "Mammisti" ist natürlich bekannt und dass das häufig nicht aus Faulheit passiert sondern aus der Not heraus ist völlig klar. Übrigens berechnet sich das Vermögen nach dem Vermögen aller Bürger, das heißt, der junge Mensch, der bei Mama lebt, hat eben kein Vermögen, seine Eltern jedoch sehr wohl, Das wird alles berücksichtigt bei den Berechnungen. Und dennoch ist das Vermögen des Durschschnittsitalieners (einschliesslich des jungen Mannes) eben signifikant höher als als des Durchschnittsdeutschen. Die zugrundeliegenden Strukturprobleme (ältere Mitarbeiter sind kaum kündbar und wenn mit hohen Abfindungen. Also wird den Jungen gekündigt) zusammen mit den großen Problemen des Mezzogiorno lassen sich aber nun kaum mit Rentenerhöhungen lösen. Ich habe bisher von den beiden Beinahe-Regierungsparteien nichts gehört, was auch nur in Ansätzen zur Lösung der grundlegenden strukturellen Probleme Italiens beitragen könnte. Insbesondere nichts zur konsequenten Bekämpfung der allgegenwärtigen Schattenwirtschaft und Steuerhinterziehung (vermisse ich übrigens in Deutschland auch). Es werden nur unproduktive und unfinanzierbare Versprechungen gemacht, sonst nichts.
Doch generell verstehe ich nicht, wie die Politik der Lega, die jahrzehntelang die "faulen und unfähigen" Bewohner des Mezzogiorno beschimpft hat mit der M5S einhergehen soll, die ihre Anhänger zu einem gehörigen Teil eben aus diesem Mezzogiorno bezieht
Es ist übrigens der Höhepunkt der Heuchelei, wenn die Lega nunmehr auf Europa und Deutschland einschlägt, die angeblich Italien respektlos behandeln. Wer die Rhetorik der Lega Nord gegenüber ihren süditalienischen Landsleuten, die auch schon mal pauschal als "Afrikaner" verunglimpft wurden und von vielen Anhängern der Lega auch noch werden nicht vergessen hat, der findet die Kritik der EU an einigen der hanebüchenen Vorhaben der Lega und M5S geradezu wohltuend sachlich.
 
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Zur Stimmung im Land:

Stimmung in Italien: Parmigiano, Scampi, Frust über Fremde - SPIEGEL ONLINE - Politik

Würde unter einer Populistenregierung alles besser? Gäbe es dann einen Aufschwung in Italien - und käme dann die Kundschaft zurück zum Markt von Petri? Die Händler zucken mit den Schultern. "Ich weiß es nicht", sagt Di Gregorio. Er selbst will gar nicht raus aus dem Euro: Das Risiko sei zu groß. Aber er sagt auch, man solle etwas Neues ausprobieren: "Schlimmer kann es kaum noch kommen."

Und so will er bei der nächsten Wahl wieder sein Kreuz bei der Lega machen. Und immer mehr Italiener denken so wie er: In den Umfragen stehen die Rechtspopulisten mittlerweile bei 25 Prozent. Vor ihnen ist nur noch das Movimento Cinque Stelle. Das sind die anderen Populisten, die alles anders machen wollen in Italien.
 
Dieser Bericht bestätigt lustigerweise genau was ich sage. Nicht "der Euro macht alles teurer" wie einer der Händler sagt. Nein, der Handel selbst macht alles teurer. Und warum ? Weil die Händler (ebenso wie die von mir zuvor angesprochenen Gastwirte) dieses Verfahren aus den Zeiten der schwachen Lira so gewohnt waren. Und jetzt wird geheult, weil die Kunden ausbleiben. Nicht der Euro macht alles teurer sondern die Händler in Italien konnten und können mit einer Hartwährung nicht umgehen. Weil sie es 50 Jahre lang anders praktiziert haben.
 
Übrigens habe ich gerade nochmals nachgeschaut. Stand 2018 liegt der Medianwert des Vermögens von Erwachsenen in Italien bei 125.000 €, in Deutschland bei 47.000 €, also weniger als der Hälfte. Ursache : Ein signifikant niedrigerer Immobilienbesitz beim Durchschnittsdeutschen. Zugegeben, beim Einkommen sieht es anders aus. Da ist das Einkommen des Durchschnittsdeutschen signifikant höher. Aber er zahlt ja auch Miete.Das nur zur Relativierung.
Noch etwas aus eigener Erfahrung. Seit der Einführung des Euro haben die italienischen Gastwirte ihre Preise über den Daumen gepeilt fast verdoppelt. Früher ging so was. Da haben sich die Löhne in einem solchen Zeitraum ähnlich erhöht. Jetzt geht das nicht mehr. Die Löhne haben sich vielleicht um 50 % erhöht, vielleicht auch etwas mehr.. Dass die Leute unter diesen Umständen nicht mehr so oft essen gehen....wen wunderts. Außer den Gastwirten natürlich.
 
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Der Durchschnittsitaliener hat tatsächlich mehr Vermögen als der Durchschnittsdeutsche, was vor allem daran liegt, dass Italiener vorwiegend in den eigenen vier Wänden leben und nicht zur Miete wie doch die Mehrheit der Deutschen.


Wenn du imRom wohnst und kein Eigentum hast, kannst du locker einen Montasverdienst für die Miete ausgeben.


Noch etwas aus eigener Erfahrung. Seit der Einführung des Euro haben die italienischen Gastwirte ihre Preise über den Daumen gepeilt fast verdoppelt. Früher ging so was. Da haben sich die Löhne in einem solchen Zeitraum ähnlich erhöht. Jetzt geht das nicht mehr. Die Löhne haben sich vielleicht um 50 % erhöht, vielleicht auch etwas mehr.. Dass die Leute unter diesen Umständen nicht mehr so oft essen gehen....wen wunderts. Außer den Gastwirten natürlich.

Nun, ein Lehrer verdient in Italien bei Vollzeit 1.500 Euro netto, von einem Kellner mit 10 Stunden-Tag an 6 Tagen die Woche weiß ich, dass er dafür 900 Euro bekommt. Ausziehen bei Mama damit unmöglich.
 
Selbstverständlich gibt es Berufsgruppen und auch Einzelschicksale bei denen man sagen muss, denen geht's aber nicht gut. Die gibt es bei uns auch (Friseure, Einzelhandel, Gastronomie) Aber im Durchschnitt - und nur davon habe ich gesprochen - ist die Lage der Italiener nicht ganz so verzweifelt wie sie gerne dargestellt wird.
 
Nun, die nächsten demokratischen Wahlen werden zeigen, wie die Italiener selber ihre Lage einschätzen und estsprechend ihr Kreuzchen machen.
 
Als Cottarelli nach seinem offiziellen Treffen im Präsidentenpalast am Dienstagabend durch eine Seitentüre verschwand, anstatt der wartenden Journalisten-Meute seine Ministerliste zu präsentieren, machten in den italienischen Medien die wildesten Gerüchte die Runde.
Vgl. dazu die heutige Karikatur von Giannelli: Polit-Zirkus.
 
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