Vierter Tag – Zweiter Teil:
Ein fast leerer Palazzo Ducale
und mit der Gondel über den Canal Grande und durch San Polo
Einen konkreten Plan für den späteren Nachmittag haben wir nach dem Ausflug nach San Michele und Murano bei der Rückkehr ins Hotel nicht. Allerdings war auf der Seite von
Venezia Unica bereits von zu Hause aus außer der Dreitageskarte für die Vaporetti und dem Chorus-Pass auch der Pass für die Museen an der Piazza San Marco (Palazzo Ducale, Museo Correr, Museo Archeologico Nazionale und Sali Monumentali della Biblioteca Nazionale Marciana) gebucht worden. Die Schlangen vor dem Eingang zum Palazzo Ducale in den vergangenen Tagen waren abschreckend gewesen. Teilweise endeten sie erst weit hinter der Colonna di Todaro auf der Piazetta. Trotzdem, denken wir uns, vielleicht ist es am späteren Montagnachmittag einen Versuch wert, zumal die am Samstag aktivierten Vaporetto-Tickets immer noch gültig sind. Sollten die Warteschlangen wieder endlos sein, könnten wir zur Alternative immer noch durch den Sestiere Castello schlendern …
So verlassen wir gegen 16:30 Uhr das Hotel und wenden die Schritte zum Anleger Rialto. Auf dem Weg schauen wir in die
Fondaco dei Tedeschi hinein. Im 13. Jahrhundert wurde an dieser Stelle ein Handelshaus für Händler aus Nord- und Mitteleuropa errichtet, die so zollamtlich vom venezianischen Stadtregiment unter Kontrolle gehalten werden konnten. ‚Freihandel‘ ist eben eine Errungenschaft neuerer Zeiten … Ab 2009 wurde das Gebäude, das im 20. Jahrhundert auch als venezianisches Hauptpostamt gedient hatte, von dem niederländischen Architekten
Rem Koolhaas zu einem Luxuskaufhaus umgebaut, das nach vielen Protesten wegen erheblicher Eingriffe in die historische Bausubstanz und zahlreichen Modifikationen an den Bauplänen gerade erst eröffnet worden war. Vgl. auch die
Projektseite des Architekturbüros Koolhaas. Nach der neuen Grabstättenanlage von David Chipperfield auf San Michele sehen wir am gleichen Tag also schon ein zweites Zeugnis modernster Architektur in der Serenissima. Venedig ist schließlich auch Ort der Architektur-Biennale. Das darf sich dann auch an geeigneten Stellen im Stadtbild zeigen.
Wir wissen jetzt noch nicht, dass wir am Abend wieder in der Fondaco sein werden, verlassen sie nach kurzer Zeit und nehmen an Rialto das nächstbeste Vaporetto nach San Marco.
Zu unserer Überraschung stehen auf der Piazzetta beide Säulen einsam und verlassen da. Auch vor dem Eingang zum Palazzo Ducale ist keine noch so kurze Warteschlange zu sehen. Der Spaziergang durch Castello wird also verschoben und im Nu sind wir am Kassenhäuschen vorbei und stehen im Cortile des Dogenpalastes.
Man kann ihn inzwischen mit Hilfe von Google Street View durchqueren (ein Anfangspunkt wäre hier:
Google Street View - Palazzo Ducale - Sala Maggior Consiglio) und das Google Art Project stellt alle wichtigen Kunstwerke vor:
Google Art Project - Palazzo Ducale. Daher wird bewusst darauf verzichtet, hier jetzt einen Bilderreigen an Kunstwerken einzusetzen. Wir haben sie uns auch lieber angesehen, ohne ständig zu photographieren.
Zum Beweis der Leere, die uns umfing, hier die Sala Maggior Consiglio, der Sitzungssaal des Großen Rates mit Tintorettos „Paradies“-Gemälde an der Stirnwand:
Aus den Fenstern gibt es immer wieder schöne Blicke auf Venedig
[rechts: Blick nach Castello, in der Mitte der obere Teil der Fassade von San Zaccaria,
bei dem Campanile links müsste es sich um denjenigen von San Francesco della Vigna handeln]
und auch zurück in den Cortile:
Über die Seufzerbrücke
erreichen wir beim Rundgang die Prigioni Nuove, die unsere Erinnerungen an die Führung durch die Engelsburg im Sommer letzten Jahres wecken (
Di nuovo a Roma. Innerhalb, außerhalb und und unterhalb der urbs).
Ein letzter Blick auf die Scala dei Giganti im Cortile mit den die Macht Venedigs symbolisierenden Statuen von Mars und Neptun
und wir sind wieder auf der Piazza San Marco, von der aus wir nun, ohne es im Einzelnen zu dokumentieren, durch den Sestiere San Marco und die Mercerie bummeln. Irgendwie gelangen wir durch das Labyrinth der Gassen zur Rialto-Brücke und sehen vor den Vaporetto-Anlegern die Gondeln. Schon in den letzten Tagen waren die Schilder mit den Tarifen für die Gondelfahrten mit Neugier studiert worden. Vor allem von der BEVA … Als nun direkt vor uns gleich zwei Gondeln anlegen, verständigen wir uns wortlos, nicht etwa beide zu nehmen, sondern jene mit dem uns sympathischer erscheinenden Gondoliere. Wenn wir schon in Venedig sind … Erstbesuch … Wir verabreden mit dem Gondoliere – wir haben uns in unserer Menschenkenntnis nicht getäuscht – eine etwas längere Fahrt. Wir zahlen vor Beginn der Tour. Innerlich lächelnd haben wir im Hinterkopf, dass ein berühmter Venedig-Besucher erst während der Fahrt nach dem Preis gefragt hat. „Sie werden bezahlen“, bekam er zur Antwort. Wir stehen aber erst morgen an der Stelle, wo er bezahlt hat …
Im schönsten Abendlicht gleitet die Gondel unter der Rialto-Brücke hindurch in Richtung Ca‘ d’Oro. Ab und an erklärt uns der Gondoliere kurz und knapp, was wir sehen. Unaufdringlich und ohne Gesang lässt er uns die Eindrücke genießen.
Die Geräusche des Canal Grande umfangen uns; Vaporetti ziehen vorbei, kleinere Motorboote brausen in höherem Tempo den Canal auf- und abwärts, hier und da hört man menschliche Stimmen aus anderen Gondeln oder vom Ufer. Das ändert sich schlagartig, als der Gondoliere etwa in Höhe der Ca’Pesaro nach links in die engen Kanäle von San Polo abbiegt. Eine geradezu gespenstische Stille. Nicht einmal das Eintauchen des Ruders ins Wasser ist zu hören. Lautlos gleiten wir dahin, staunen über die Manövrierfähigkeit des schwimmenden Gefährts, sehen an den Gebäuden, wie der Zahn der Zeit an ihnen nagt. Ganz schmal wird es zwischen hochaufragenden Hauswänden.
Schließlich biegt die Gondel – wir meinen zwischen Palazzo Querini und Palazzo Bernardo – wieder auf den Canal Grande ein. Von weit grüßt vertraut der Kirchturm von SS. Apostoli und wir nähern uns nach einer knappen Stunde wieder den Rialto-Anlegern.
Im großen Atrium der Fondaco dei Tedeschi
hatten wir vor ein paar Stunden ein Hinweisschild auf eine Aussichtsterrasse entdeckt, ohne ihm zu folgen. Die Fondaco ist noch geöffnet und gerade einmal für etwas mehr als zehn Minuten können wir zum Abschluss des Tages auf die Dächer und Türme von Venedig schauen und auf den Canal Grande, auf dem wir gerade unterwegs waren.
Dann wird es Zeit für ein Abendessen und das eine oder andere Abendgetränk. Für den morgigen Tag sind Regenschauer vorhergesagt. Unser Museumspass ist noch nicht ausgeschöpft. Es wird schon unser letzter voller Tag in der Serenissma sein.