Michelangelo - Picasso - Sophia Loren

heinzbeck62

Primus Pilus
Stammrömer
Michelangelo - Picasso - Sophia Loren

Michelangelo – Picasso – Sophia Loren – passt das zusammen, wird man sich fragen? Aber ja – alle drei haben etwas gemeinsam: ROM. Über 14 Tage war ich dieses Mal in meiner geliebten Stadt – eine lange Zeit für eine Städtereise könnte man denken – eine immer noch zu kurze Zeit für Rom, würde ich darauf antworten.

Obwohl mich meine Wege schon so oft in diese Stadt geführt haben, zähle ich diesen Aufenthalt zu den schönsten. Das liegt vielleicht daran, weil man bei mehr als zwei Wochen zwar nicht alle Zeit der Welt hat, aber doch genügend, um alles mit Ruhe genießen zu können, ohne das Gefühl zu bekommen irgendetwas zu versäumen. Der andere Vorteil war der, dass unser Apartment gleich beim Campo dei Fiori lag, also so zentral, dass man vieles a piedi erreichen konnte, ohne lange öffentliche Verkehrsmittel in Anspruch nehmen zu müssen.

Ob der vielen Reiseberichte, die man hier im Forum finden kann, verzichte ich auf eine penible Schilderung, unser Tage und konzentriere mich auf das eine oder andere Highlight.

Der Flug von München nach Rom Fiumicino verspätete sich um eine Stunde. Jetzt weiß man auch, wieso der Shuttle-Service vom Flughafen in die Stadt teuerer ist, als umgekehrt. Die Chauffeure müssen warten und das lässt man sich bezahlen. Finde ich auch in Ordnung. Keine 30 Minuten brauchten wir zu unserem Apartment. Ausgepackt war schnell, denn ich bin erst in Rom angekommen, wenn ich hier meinen ersten café lungo getrunken habe. Auf dem Weg zur Piazza Farnese noch ein schneller Gruß an Giordano Bruno. Danach ein entspannter Spaziergang durch die Altstadt. Wie wenig Touristen doch um diese Zeit Rom bevölkern – das Wetter angenehm mild – solche Winter liebe ich.

Abendessen – nein, nicht in der Pizzeria, nicht im Restaurant, sondern zu Hause im Apartment. Ich koche selbst und das gerne. Vom Esstisch aus ein herrlicher Blick auf die Piazza, auf der trotz der fortgeschrittenen Zeit immer noch viel los ist. So eine Aussicht ließe sich ein Restaurant teuer bezahlen.

Die erste Nacht in Rom schlafe ich stets unruhig. Es ist nicht nur die Freude wieder hier zu sein, sondern die Spannung darauf, was mir diese unergründliche Stadt wieder alles verraten wird.

Das erste Geschenk wartete auf uns am nächsten Tag. Unser Ziel: der Palazzo Montecitorio, der im 17. Jahrhundert von Bernini und Fontana erbaut wurde. Hier hat nicht nur das römische Parlament und die Abgeordnetenkammer ihren Sitz, hier finden auch hin und wieder interessante Ausstellungen statt. In der Sala della Regina wird ein 41 cm großes Holzkreuz von Michelangelo in einem Kubus aus Panzerglas gezeigt. Michelangelo hat es ca. 1492 für die Kirche Santo Spirito in Florenz geschaffen. Auf Tafeln und per Videoeinspielungen erfahren die abgezählten Besucher Näheres. Für 3,25 Millionen Euro wurde dieses Kreuz einer florentinischen Familie abgekauft und für vier Wochen hier ausgestellt. Der reelle Wert soll um ein vielfaches größer sein. Das Holzkreuz wird in Fachkreisen hoch geschätzt, vor allen wegen seiner perfekten Anatomie. In welchem Museum es künftig zu sehen sein wird, konnte ich nicht in Erfahrung bringen.

Wie viele Ausstellungen ich in Rom schon besucht habe, ich weiß es nicht mehr. Aber es waren viele - sehr viele. Interessante und weniger interessante, groß angelegte, aber auch kleine, an allen möglichen Orten.

Nicht verwunderlich, dass es hier einen eigenen Ausstellungspalast gibt. Der Palazzo delle Esposizioni wurde 1884 an der Via Nazionale erbaut. Leider war er lange Zeit nicht mehr zugänglich. Erst 1985 wurde mit Restaurierungsarbeiten begonnen und so konnte er im Jahre 1990 wiedereröffnet werden. Seitdem finden hier Ausstellungen vor allem im Bereich moderner und zeitgenössischer Kunst statt. Oft zwei bis vier Ausstellungen gleichzeitig. Im Palazzo gibt es nicht nur eine fast 500 m² große Fachbücherei, sondern auch eine sehr schöne, modern gestaltete Caffetteria: „BookaBar“. Beides lohnt nach Ausstellungsbesuch einen verlängerten Aufenthalt im Palazzo delle Esposizioni. Die Ausstellung, die wir uns hier ansahen, hieß: „Etruschi – le antiche metropoli del Lazio“. Die etruskische Kultur mag mit Sicherheit interessant und zugleich immer noch geheimnisvoll sein, aber sie ist nicht so mein „Fall“. Mein Interesse galt vielmehr der modernen Architektur, die hier bei der Renovierung mit eingebracht wurde.

Ich lese gerne. Meine Sammlung an Büchern über Rom, seine Kunst und Künstler, wächst von Jahr zu Jahr. Darunter viele Ausgaben, die man heutzutage nur noch sehr teuer über das Antiquariat kaufen kann oder gar nicht mehr erhält.
Wenn ich in Rom weile, habe ich stets Romane im Gepäck, deren Handlung in Rom spielt oder damit zu tun hat. Ist es nicht aufregend, die Orte und Plätze zu besuchen, an denen die Romanfiguren von den nächtlichen Lesestunden die vom Autor mehr oder weniger erfundenen Geschichten lebendig werden lassen.
Dieses Mal habe ich mich für „Imprimatur“ von Rita Monaldi und Francesco Sorti entschieden. Die Philologin und der Musikwissenschaftler lassen ihre Helden im barocken Rom gegen Ende des 17. Jahrhunderts ihre „Abenteuer“ erleben. „Ein historischer Schmöker mit Lerneffekt“ – wie ein Kritiker schrieb und er hat Recht. Denn alles wurde von den Autoren in 10jähriger Arbeit historisch genau recherchiert und der 100-seitige Anhang mit detaillierten geschichtlichen Anmerkungen tut sein übriges.

Und so führte einer unserer täglichen Spaziergänge durch die Altstadt auch in die Via dell’Orso. Nicht zum bekannten Speiselokal „Orso ´80“, sondern zu den Hausnummern 87 und 88. Denn hier befand sich in besagter Zeit eine Locanda, die der Hauptschauplatz des Romans „Imprimatur“ ist. Gleich vorweg gesagt. Ich lese immer noch an diesem 800-seitigem Roman, weil mir momentan ein wenig die Zeit fehlt.

Schon vor unserer Abreise habe ich mich mit romaculta in Verbindung gesetzt und um eine Führung gebeten. Deshalb treffen wir Kunstgeschichtler Fulvio Avignonesi Della Lucilla in einem Caffè an der Piazza Farnese, um zu besprechen, was wir uns denn gemeinsam „vornehmen“ wollen. Es wird ein sehr interessantes Gespräch, denn Fulvio weiß viel zu berichten: neue archäologische Entdeckungen, politische Skandale, kulturgeschichtliche Neuigkeiten, das Leben in Rom an sich, die eine oder andere Anekdote, Tipps, was wir uns unbedingt ansehen sollten und und und. Die zwei Stunden vergehen wie im Flug und am Ende verabreden wir uns für einen der folgenden Tage mit Treffpunkt 9 h beim Lateran.

Weil nicht weit entfernt, beschließen wir, der Galleria Spada noch einen Besuch abzustatten. Dieser Renaissancepalast wurde Mitte des 16. Jh. erbaut, später von Bernadino Spada erworben und von Francesco Borromini ab 1635 restauriert. Der Palazzo birgt eine Gemälde- und Skulpturensammlung aus dem 17. Jh. Berühmt ist die Galleria Spada natürlich auch wegen Borrominis architektonischem Trompe-l'oeil, dieser bekannten manieristischen Augentäuschung, die dem Betrachter einen langen Säulengang vorgaukelt, obwohl dieser nur 9 m beträgt.

Ganz in der Nähe der Galleria Spada steht eine kleine Kirche, die viele Jahre wegen erheblicher Bauschäden nicht zugänglich war: San Paolo alla Regola. Wegen des „Paulus-Jahres“ wurde sie wieder weitgehend renoviert und für Besucher zugänglich gemacht. Die Römer nennen diese Kirche San Paolino zur Unterscheidung von der Basilika San Paolo. In dieser Kirche befindet sich das Paulus-Oratorium, ein Raum, in dem Paulus während seines zweijährigen Rom-Aufenthalts gewohnt und gelehrt haben soll. Über eine Million Euro hat die Wiederinstandsetzung gekostet. Historisch scheint es bewiesen zu sein, dass sich die Mietwohnung von Paulus hier befunden hat.

Die römische Musik- und Theatertradition ist in keinster Weise z. B. mit der von Deutschland oder Österreich zu vergleichen. Wir können ein Lied davon singen. Die Oper von Rom ist weitgehend unbekannt. Nur wenige Inszenierungen finden dort pro Jahr statt. Vielleicht ist man auch deshalb nicht gewillt, das in sehr schlechtem Zustand befindliche Theaterhaus zu renovieren.

Für große klassische Konzerte gibt es seit Mitte der 1990ger Jahre das Auditorium Parco della Musica und eines in der Via Conciliazione mit entsprechendem Namen. Durch Zufall haben wir auf dem Weg zur Piazza San Pietro ein Programm-Plakat des Auditorium Conciliazione entdeckt und uns zum Kauf von Konzert-Karten entschlossen. Der 1800 Besucher fassende Konzertsaal in der Nähe des Vatikans wurde 1950 im Zuge des Heiligen Jahres fertig gestellt und 1975 und 1994 eingehend modernisiert.

Das ORCHESTRA SINFONICA di ROMA spielte unter dem Dirigenten Francesco La Vecchia Berlioz („Carnevale Romano“), Respighi („Concerto Gregoriano per violino e orchestra“) und Richard Strauss („Aus Italien“). Das Durchschnittsalter der Besucher dürfte nach unseren Schätzungen so um die 70 gelegen haben. Was will uns das sagen? Vielleicht, dass junge Menschen hier in Rom nicht an klassischer Musik interessiert sind? Falsch – es ist schlichtweg so, dass sich die momentane Rentner-Generation - im Gegensatz zu den jungen Durchschnitts-Römern – noch einen Konzertbesuch leisten kann. Aber wie wird das in ein paar Jahren aussehen?

Eigentlich hätten wir darauf vorbereitet gewesen sein müssen, weil wir ähnliche Erfahrungen schon einmal im Teatro Argentina gemacht haben, als wir uns Mozarts „Le nozze di Figaro“ angesehen haben. Obwohl es im Foyer große Garderoben gibt, die mit hübschen, eleganten jungen Römerinnen besetzt sind, kommt hier niemand auf die Idee, seinen Pelzmantel, seinen Schirm oder auch mitgebrachte Einkaufstüten dort zu hinterlegen. Nein, alles wird mit hineingenommen und schön auf seinem Schoss verstaut. Nicht das man den jungen Garderobieren nicht über den Weg trauen würde, ganz und gar nicht. Es dient schlichtweg nur dem einzigen Zweck, so schnell als möglich den Konzertsaal verlassen zu können, sobald der letzte Takt gespielt und der Dirigent seinen Taktstock hat sinken lassen. Nun gut, einen kurzen, zurückhaltenden Applaus kann man vielleicht noch unterbringen, aber dann hat man es eilig. Sehr eilig. Die Mäntel, wenn man sie überhaupt ausgezogen hatte, sind schnell übergeworfen und schon eilt man zu den Ausgängen. Man wird das Gefühl nicht los, sie lechzen nach frischer Luft und freiem Himmel. Das Orchester und der Dirigent – bei beiden gibt es in keinster Weise etwas zu bekritteln – nehmen es gelassen, weil wahrscheinlich nicht anders gewöhnt. Trotz des sich leerenden Konzertsaales gibt es noch zwei Zugaben, durch die sich die noch hier verweilenden doch noch zu Bravi-Rufen hinreißen lassen. Eigentlich waren wir auch ganz froh, unsere Plätze so schnell als möglich zu verlassen – aber aus einem ganz anderen Grund: ich hatte trotz meiner Durchschnittsgröße von 1,75 m dermaßen Platzprobleme, dass mir schon nach Berlioz der Schweiß auf der Stirn stand, weil ich nicht mehr wusste, wie ich meine Füße drehen oder wenden sollte, um die Schmerzen einigermaßen erträglich zu machen.

Fazit: es macht keinen Sinn die Römer in irgendwelche Konzertsäle und Theaterhäuser zu zwi(ä)ngen. Sie sind es gewöhnt, dass sich alles, das Leben und auch die Kunst, im Freien abspielt, in den Gassen und auf den Piazze. Hier ist es egal, wenn Mama mit zwei vollen Plastiktüten gerade vom Supermarkt kommt und vor dem Abendessen noch ein wenig der Musik lauscht. Geschlossene Theaterhäuser, das gab’s schon nicht in der Antike und diesbezüglich haben sich die Römer auch nicht geändert. Kultur gehört für sie zum Alltag, anders als bei uns, wo man sich für das Konzert oder die Oper extra kleidet, weil man diesen besonderen Anlass auch durch Äußerlichkeiten betonen möchte.

Apropos Äußerlichkeiten. Die Reisezeit im Januar hat natürlich neben vielem anderen noch einen weiteren Vorteil: saldi. Und der hat es wirklich in sich. Tollste Mode um mindestens die Hälfte, teilweise noch billiger. Mein Gepäck nach Hause hatte dieses Mal „Übergewicht“, weil ich oft nicht widerstehen konnte, bei unseren allabendlichen „Verdauungs-Spaziergängen“ in den auch noch abends geöffneten Geschäften zu gucken. Nur gut, dass alles seine Grenzen hat, auch ein Koffer.

Ein weiterer Tag – eine weitere Ausstellung. In der Galleria Nazionale d’Arte Moderna gab es eine Gemäldeausstellung des italienischen Malers und Grafikers Giorgio de Chirico, der 1978 90jährig in Rom verstarb. De Chirico gilt als Hauptvertreter der Metaphysischen Malerei, die als einer der wichtigsten Vorläufer des Surrealismus angesehen wird. Sein römischer Wohnsitz befand sich an der Piazza di Spagna 31. Heute ist dort das Casa Museo Giorgio De Chirico eingerichtet, in dem Werke des Künstler zu sehen sind.

Und weil wir schon bei Malern sind – jedes Jahr finden im Monumento Nazionale Gemäldeausstellungen bedeutender Maler statt. In den letzten Jahren haben wir hier Bekanntschaft gemacht mit Werken von Toulouse-Lautrec (2003), Paul Klee, Degas (2004), Manet (2005), Matisse (2006), Paul Gauguin (2007) oder Renoir (2008). Was mich hier immer wieder fasziniert ist die Möglichkeit, auch abends um 22 h oder sogar noch später eine Ausstellung zu besuchen. Ist es nicht herrlich, nach dem Abendessen noch in aller Ruhe zwischen den Gemälden von Pablo Picasso umher zu schlendern, gemütlich vor dem einen oder andern Bild zu verweilen zu können, weil um diese Zeit das en gros der Besucher bereits wieder weg ist? So etwas hat etwas, glauben Sie mir. Diese Picasso-Ausstellung „L’Arlechino dell’arte“ (Der Harlekin der Kunst) hatte sich als Schwerpunkt die Jahre 1917–1937 vorgenommen, also eine Periode des Malers, in der er noch relativ gegenständlich malte.

Seit der Renovierung des Palazzo Barberini vor ein paar Jahren, war ich nicht mehr dort. Dieser barocke Palazzo in der ersten Hälfte des 17. Jh. erbaut beherbergt das bedeutende Kunstmuseum Galleria Nazionale d'Arte Antica. Am Bau des Palazzo waren so bedeutende Baumeister wie Maderno, Bernini und Borromini beteiligt. Letzterer hat auch die spiralförmige Treppe entworfen, über die man heute in die Ausstellungsräume gelangt. In prächtigen Räumen sind hier Werke von Raffael, Caravaggio, Hans Holbein, Tintoretto oder Filippo Lippi zu finden.

Eine weitere Galerie, die wir uns immer gerne ansehen, ist die Galleria Corsini im gleichnamigen Palazzo, gegenüber der Villa Farnesina.

Wie ich oben schon erwähnte, liebe ich Bücher. Neben der Vatikanischen Bibliothek verfügt Rom natürlich noch über viele weitere alte und wichtige Bibliotheken. Mit am bekanntesten ist die Biblioteca Angelica und die Biblioteca Casanatense. Beide sind grundsätzlich für „Besucher“ nicht geöffnet. Eine Antragstellung auf Benutzung ist Voraussetzung. Wie wir es angestellt haben, sei mein kleines Geheimnis, aber wir konnten in beide alterwürdigen Bibliotheken Einsicht nehmen und es hat sich gelohnt.

Die Biblioteca Angelica liegt gleich neben der Kirche Sant’Agostino. Sie wurde 1604 von dem Augustiner Bischof Angelo Rocca gegründet und war die erste Bibliothek in Europa, die für die Öffentlichkeit zugänglich war. Sie verfügt über 200.000 Bücher und Handschriften vornehmlich über den Orden der Augustiner, der Reformation und Gegenreformation. Im Jahre 1873 wurde sie in eine Staatliche Bibliothek umfunktioniert.

Die Biblioteca Casanatense ist 1701 von dem Dominikaner Kardinal Girolamo Casanate gegründet worden und befindet sich im Konvent der Dominkaner bei S. Maria sopra Minerva. Die Bibliothek Casanatense hat die Schwerpunkte Theologie, Recht und Geschichte und besitzt mehr als 350.000 Bücher, Handschriften, Autographen, Musikdrucke, Zeitschriften und Grafiken. Eine junge Mitarbeiterin war so freundlich, für uns eine kleine Führung zu machen und zum Abschluss kopierte sie uns noch einen mehrseitigen Artikel über die Casanatense in deutscher Sprache.

So verging ein Tag nach dem anderen. So wie unsere Tage, war auch das Wetter abwechslungsreich. Hin und wieder gab es auch Regen und Wind, aber kalt war es nie und erst zu Hause bemerkten wir, dass wir durch unsere vielen und langen Spaziergänge eine schöne braune Gesichtsfarbe bekommen haben.

Ein sonntäglicher Spaziergang führte uns quer durch die Altstadt in Richtung Piazza del Popolo. Eigentlich wollten wir nur kurz Santa Maria del Popolo besuchen und dann in den Park der Villa Borghese weitergehen. Von weitem sahen wir schon, dass die Piazza wohl gesperrt war. Alle Fußgänger wurden über die linke „Umgehungsstraße“ umgeleitet, um so auf die andere Seite der Piazza gelangen zu können. Auf dem Weg dorthin kamen uns einige 50er Jahre Autos im Schrittempo entgegen. Unter anderem auch ein Zweisitzer-Cabriolet. Und wer saß auf dem Beifahrersitz: nein nicht Michelanglo, auch nicht Picasso, sondern Sophia Loren.

Und jetzt muss ich mich etwas zurückhalten, sonst komme ich ins Schwärmen. Ich liebe ihre Filme „Hausboot“, „Es begann in Neapel“, „Gestern, heute und morgen“ oder „Arabeske“. Die Römer waren begeistert, ich war begeistert, aber nur die ersteren ließen ihrer Begeisterung freien Lauf. Auf dem Platz vor S. Maria del Popolo war ein Filmset aufgebaut worden: ein Straßencafé. Eine Menge an Statisten spazierten auf der Straße und der Piazza, alle in Kostümen und Outfit der 50er Jahre. Autos, Taxis, Lastwägen, Vespas, auf den kleinen Kaffeehaustischen Martinis, Schalen mit Oliven und Chips und immer wieder Sophia Loren. Trotz ihrer 75 Jahre sieht sie echt gut aus, naja, hier und da ein Fältchen, aber das macht nichts, es ist die Aura und die Ausstrahlung, die diese Frau umgibt: fantastica!

In der Wohnung meines Italienischlehrers Vincenzo, der wahrscheinlich der größte Loren-Fan ist, hängen überall großformatige Portraits der Schauspielerin und so ist sie mir eigentlich ganz vertraut. Paparazzi wohin man schaut. Auch heute noch lässt sich mit ihr Geld verdienen. Es dauert nicht lange und wir wissen, was hier gedreht wird. Das Musical „Nine“, das auf Federico Fellinis Film aus dem Jahre 1963 „8 ½“ basiert, wird z. Zt. verfilmt. Nun erkenne ich auch den attraktiven Mann an Sophias Seite: Daniel Day-Lewis. „Nine“ soll noch dieses Jahr in die Kinos kommen. Neben Sophia Loren weitere große Namen: Penelope Cruz, Catherine Zeta-Jones, Kate Hudson, Nicole Kidman und Judi Dench.

Wir beobachten die Szenerie viele Stunden – es wird nicht langweilig. Einmal ist die Loren so nah, dass ich ihr die Hand geben könnte. Die armen Statisten stehen stundenlang herum und warten, bis eine Einstellung eingeleuchtet, die Szenerie vorbereitet ist. Die Loren und Day-Lewis haben Doubles, die ihnen diese Arbeit abnehmen. Erst wenn alles passt, kommen die beiden und spielen. In diesen vielen Stunden sind vielleicht ein paar Minuten Film zustande gekommen. Da könnte man doch fast Mitleid haben mit den Darstellern. Habe ich aber nicht, die Gage entlohnt sie sicherlich fürstlich.

Als ich einer Freundin von Fulvio davon erzähle antwortet sie: Italien hat nur zwei große Schauspielerinnen hervorgebracht, die wirklich Weltkarriere machten: die Lollobrigida und die Loren. Die Lollo mittlerweile 80 und die Loren 75. In ein paar Jahren wird Italien in dieser Beziehung nichts mehr zu bieten haben.

Etwas älter als die beiden Diven ist die Vatikanische Nekropole. Auch sie haben wir seit vielen Jahren nicht mehr besucht. Mich hat es – als ich das letzte Mal dort war – etwas abgeschreckt, wie touristisch es auch hier zwischenzeitlich geworden war.

Das erste Mal, als ich die Ausgrabungen unter San Pietro besuchte, war 1978. Damals war es wirklich noch ein echter Geheimtipp. Das Antragsverfahren zur Besichtigung wesentlich bürokratischer als es heute ist. Damals habe ich auch noch Sig. Prof. Margherita Guarducci in den Ausgrabungen gesehen, die dorthin immer wieder zurückkehrte, um neue Forschungsarbeiten zu machen. Diese große Archäologin und Graffitologin ist 1999 im Alter von 97 Jahren verstorben. Von ihr stammen die wohl besten Bücher über die Nekropole und das Petrusgrab. Ihr verdankt man es auch, dass man heute wohl mit ziemlicher Sicherheit sagen kann, dass man die Gebeine von Petrus gefunden hat.

Viele meiner ersten Führungen wurden von Schwester Hedwig Spribille gemacht. Sie gehört dem Internationalen Newmanzentrum in Rom an. Diese internationale katholische Gemeinschaft hat es sich u. a. zur Aufgabe gemacht, den Gläubigen den Menschen Petrus, seine Geschichte, seinen Tod in Rom und seine Verehrung näher zu bringen. Diese Führungen von Schwester Spribille haben mich nachhaltig beeindruckt. Bis zum heutigen Tag.

Auch dieses Mal wurden wir von einer jungen Schwester des Newmaninstituts fachkundig geführt. Ohne irgendwie aufdringlich zu werden, versuchte sie auch ihren Glauben und hier besonders das Gedenken an den ersten Nachfolger Jesu zu vermitteln. Das hat diesen Gang durch die Nekropole so besonders gemacht.
Vieles hat sich seit 1978 dort unten verändert. Durch die vielen Besucher, die dort tagtäglich durchgeführt werden, wird viel Feuchtigkeit freigesetzt. Klimaanlagen und Glaswände vor den einzelnen Mausoleen sollen die Ausgrabungen schützen. Seit einiger Zeit sind auch die noch übrigen Knochenfragmente, die in kleinen Plexiglaskästen aufbewahrt werden, wieder im sog. Marmorfach zu sehen. Eine zeitlang hatte man den Blick darauf wohl aus Pietätsgründen untersagt.

Ein neuer Tag, eine neue Ausstellung. Heute ist Giulio Cesare an der Reihe. Im Chiostro del Bramante wird ihm eine komplette Ausstellung gewidmet. Büsten, Skulpturen, Reliefs Waffen, Schmuck, Gemälde von, über und aus der Zeit Julius Cäsars bringen einem diese historische Größe näher. In einem Videoraum werden Ausschnitte aus den vielen Spielfilmen gezeigt, die, seit die Bilder laufen lernten, den Mythos Julius Cäsar auf die Leinwand bannten.
Nach der Ausstellung ist ein Espresso in der Caffetteria im ersten Stock ein Muss.

Heute treffen wir uns also mit Fulvio von romaculta. Darauf freuen wir uns schon seit langem. Mit der 117 kommen wir schnell und problemlos pünktlich zur Basilika San Laterano. In der Basilika interessieren uns lediglich zwei Dinge. Zum einen die gewaltige Holzkassetten-Decke und zum anderen ein Freskofragment im rechten Seitenschiff, auf dem dargestellt wird, wie Papst Bonifatius VIII. 1300 das erste Heilige Jahr verkündet, gemalt von Giotto, wie eine unter dem Fresko angebrachte Marmortafel erläutert. So die bisherige Meinung. Neueste Forschungen jedoch tendieren eher dazu, das Fresko der Römischen Schule zuzuordnen, genauso übrigens wie die Fresken in der Oberkirche der Basilika San Francesco in Assisi.

Auf dem Weg zum Baptisterium kommen wir noch an der Orgel der Lateranbasilika vorbei, die nebenbei bemerkt Roms älteste Orgel ist. Sie befindet sich leider in einem ziemlich schlechten Zustand und ob sie überhaupt noch gespielt wird, ist fraglich.

Unsere gemeinsame Besichtungstour führt uns als nächstes um Baptisterium, anschließend zur Kirche Santi Quattro Coronati. Eine der Schwestern gewährt uns Zugang zum ansonsten verschlossenen Kreuzgang und natürlich steht auch der berühmte Freskenzyklus (Legende Kaiser Konstantins) in der Silvesterkapelle auf unserem Programm.

Weiter geht’s zur Kirche Santa Maria in Domnica und anschließend zur Basilika Santi Giovanni e Paolo. Hier führt uns Fulvio in die Case Romane del Celio. Unter der Basilika wurden seit 1887 zwei mehrstöckige kaiserliche Wohnhäuser freigelegt. Laut der Überlieferung handelt es sich hier um das Privathaus von Johannes und Paul. Beide gehörten dem Hofstaat Kaiser Konstantins an. Die archäologischen Erkenntnisse sind jedoch umfassender. Der Komplex besteht aus unterschiedlichen römischen Häusern aus verschiedenen Perioden. Zum Teil sind die Fresken und Malereien noch gut erhalten und zeigen die sich allmählich vollziehende Verwurzelung des Christentums in der heidnischen Bevölkerung.

Seit Januar 2002 sind diese Ausgrabungen für das Publikum wieder zugänglich und aus meiner Sicht unbedingt empfehlenswert – aber nur mit entsprechender Führung. Wir hielten uns fast eine Stunde in dieser unglaublichen Stätte auf und verfolgten Fulvios detaillierte und spannende Ausführungen.

Es war ein wundervoller Spaziergang über den Celio in Begleitung von Fulvio, dessen Ausführungen uns so viel Neues, Schönes und Interessantes entdecken ließen. So entdecke ich „mein“ Rom immer wieder neu, immer wieder anders, auf eine ganz persönliche, individuelle Art und Weise.

Somit werde ich noch viele, viele Jahre nach Rom zurückkommen, weil ich bei jedem meiner Besuche merke, dass für diese Stadt nicht ein Menschleben, auch nicht zwei oder drei, ausreichen würden, um sie endgültig zu verstehen. Und das finde ich wunderbar.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ganz herzlichen Dank für diesen wunderschönen Bericht, aus dem wieder einmal viel, viel zu lernen ist und der die schönsten Anregungen bietet. Um den Besuch so vieler Ausstellungen beneide ich Dich!
Gruß
tacitus
 
Hallo Heinz,

vielen Dank für deine schönen Impressionen aus Rom!

Das erste Geschenk wartete auf uns am nächsten Tag. Unser Ziel: der Palazzo Montecitorio, der im 17. Jahrhundert von Bernini und Fontana erbaut wurde. Hier hat nicht nur das römische Parlament und die Abgeordnetenkammer ihren Sitz, hier finden auch hin und wieder interessante Ausstellungen statt. In der Sala della Regina wird ein 41 cm großes Holzkreuz von Michelangelo in einem Kubus aus Panzerglas gezeigt. Michelangelo hat es ca. 1492 für die Kirche Santo Spirito in Florenz geschaffen. Auf Tafeln und per Videoeinspielungen erfahren die abgezählten Besucher Näheres. Für 3,25 Millionen Euro wurde dieses Kreuz einer florentinischen Familie abgekauft und für vier Wochen hier ausgestellt. Der reelle Wert soll um ein vielfaches größer sein. Das Holzkreuz wird in Fachkreisen hoch geschätzt, vor allen wegen seiner perfekten Anatomie. In welchem Museum es künftig zu sehen sein wird, konnte ich nicht in Erfahrung bringen.

Das http://www.roma-antiqua.de/forum/rom_79/kruzifix_michelangelo_23_1_2009_a-6264/ reist von Rom weiter nach Sizilien, wo es im März in Trapani und Palermo ausgestellt wird, dann reist es weiter nach Mailand (April). Vielleicht kommen noch weitere Stationen in Italien dazu. Seinen endgültigen Platz wird es im Museo del Bargello in Florenz erhalten!

Ich hoffe diese Information stört nicht in Deinem Bericht!

Beste Grüsse,
Simone
 
Hallo Simone,

vielen Dank für Deinen Hinweis. Natürlich stört er nicht meinen Bericht - im Gegenteil.

Schönen Abend noch

Heinz
 
Hallo liebe Rom-Reisebericht-Schreiber,
ich komme nicht umhin auch noch meinen Dank für die tollen Reiseberichte los zu werden. Ich habe sie mit großem Interesse nachgelesen und sie haben viele Erinnerungen - und Sehnsüchte! – geweckt.
an HeinzBeck:
Sehr schön, von so vielen Romeindrücken zu lesen, die Lust machen auf mehr. So viele Ausstellungen in Rom mit Muße ansehen zu können: beneidenswert!
Fazit: Ich habe wieder angefangen, meine alten Rombilder und Reisenotizen rauszuholen. Nennt man das hier im Forum eine akute Romitis? Ich träum’ weiter….
Viele Grüße
Pasquetta
 
Lieber Heinz Beck,
Dein Bericht füllt wieder eine der vielen unterschiedlichen Facetten in diesem Forum. Es hat Spaß gemacht Dir zu folgen. Einige Orte werden wir auch in zwei Wochen besuchen. Da wir auch die Kirchen auf dem Celio besichtigen wollen, danke ich besonders für den Tipp zu den Ausgrabungen unter Santi Giovanni e Paolo.

Grup Ludovico
 
Lieber Heinz,

auch ich möchte Dir danken für viele neue Aspekte und interessante Schilderungen! Rom im Winter ist zwar für uns noch etwas utopisch, aber irgendwann wird die Zeit kommen und darauf freue ich mich immer mehr!
Aber wir haben wieder einige Dinge gefunden, die im Oktober auf der Agenda stehen, beispielsweise die Basilika SS. Giovanni e Paolo und wir haben auch schon einmal überlegt, welche Führung wir eventuell bei romaculta buchen werden.

Herzliche Grüße

Angela
 
Auch ich habe deinen Bericht sehr gerne gelesen. Als jemand, der (verhältnismäßig) viel Zeit zur Verfügung hatte und der sein Rom gut kennt, hast du Facetten aufgezeigt, die einen ganz eigenen Blick auf die Schöne am Tiber ermöglichen:thumbup:.

Wenn man parallel die Berichte von sira und patta Capodanno_a_Roma und tacitus La_seconda_Volta_a_Roma liest, hat man drei ganz unterschiedliche Eindrücke aus ungefähr der gleichen Reisezeit, die zusammen ein wunderbar komplexes Bild ergeben: faszinierend:!:

Im übrigen möchte ich hier nochmals ausdrückliche Werbung für deine Fotogalerie labellaroma.de machen. Ein Besuch lohnt sich.

Gruß gengarde
 
Hallo,

bevor ich jedem einzeln antworte, mache ich das ein einem Zug (entschuldigt bitte meine Bequemlichkeit):

Euch allen vielen Dank für Eure netten postings. Ich muss gestehen, meine Reiseberichte sind meistens nicht so ausführlich, wie man es von anderen gewöhnt ist, da bin ich einfach zu bequem (s.o.).

Dir, lieber gengarde, auch ein Dankeschön für Deinen Hinweis auf meine Fotogalerie, die in der nächsten Zeit um einiges erweitert werden wird. Ich schreibe zu den einzelnen Fotos bewußt keine Titel dazu, mit dem Hintergrund, dass man hin und wieder für das Erkennen des Motives sein "Rom"-Gedächtnis ein wenig strapazieren muss.

Ansonsten fehlt mir Rom schon wieder, aber ein Highlight steht mir noch bevor: eine befreundete Künstlerin malt zur Zeit eine Rom-Serie und auf die bin ich doch mehr als gespannt.

Liebe Grüße
Heinz
 
Hallo und Moin, Moin Heinz!


VIELEN DANK

:thumbup: :thumbup: :thumbup: :thumbup: :thumbup:

für Deinen sehr schönen und interessanten Bericht



Gruß - Asterixinchen :)
 
Guten Morgen Heinz,

ein wunderschöner Bericht:thumbup::thumbup::thumbup:

Wie Du schon sagtest, es ist besonders interessant die Spuren aus so manchen Bücher zu finden. In den letzten Tagen habe ich das Buch :
Quatro Stagioni , ein Jahr in Rom gelesen.
Der Autor beschreibt den Feinkostladen Franchi in der Via Cola di Rienzo..... da muß ich unbedingt hin ;);)
Das erst Mal in Rom ..... natürlich Colosseum , Engelsburg, Vatikan
aber alles ohne Stress... den hammer zuhause wieder genug !!!

liebe Grüsse

Marlies
 
Guten Morgen Marlies,

vielen Dank für Dein Lob! "Quattro Stagoni" liegt auch auf meinem Bücher-Stapel, wird aber noch eine Zeit dauern, bis ich zum Lesen komme.

Dann wünsche ich Dir einen wunderschönen - stressfreien, aber doch erlebnisreichen Rom-Aufenthalt. Dass Du mit Sicherheit überwältigt sein wirst von Roms Schönheit und der besonderen Atmosphäre, die diese Stadt ausstrahlt, da kann ich drauf wetten.

Wir warten auf einen schönen Reisebericht von Dir. :)

Buon viaggio e una buona fermata a Roma

Heinz
 
grazie mille ,caro Heinz


a presto

Marlies

übrigens das " Quattro Stagoni" einmal angefangen, ruhiges Eckchen suchen und sich von niemandem stören lassen !!!!;)
 
Lieber Heinz,

vielen Dank für Deinen tollen Reisebericht, wirklich sehr schön! Mit großem Interesse habe ich Deine Ausführungen zu den Ausgrabungen unter San Pietro gelesen, weil wir diesen Ort bei unserem nächsten Besuch in Rom schon fest eingeplant haben.

Wolfgang
 
Lieber Wolfgang,

ja, du wirst sehen, der Gang durch die Vatikan. Nekropole wird ein Erlebnis. Zur Vorbereitung kann ich folgende Bücher sehr empfehlen:

Margherita Guarducci
Petrus, Sein Tod - Sein Grab. Chronik einer Entdeckung
Regensburg, 1976

Margherita Guarducci
Hier ist Petrus
Habbel Verlag 1967

Engelbert Kirschbaum
Die Gräber der Apostelfürsten
1957

Alle Bücher sind im Handel nicht mehr erhältlich, wohl aber über amazon marketplace oder im Antiquariat.

Die Vorbereitung auf den Besuch der Nekropole lohnt sich wirklich, da es sich um ein komplexes Thema handelt und man während der Führung oft die Orientierung verlieren kann.

Schönen Abend noch
Heinz
 
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