Mein Rom-Mosaik

Status
Für weitere Antworten geschlossen.
So wie fast allen von Euch geht es auch mir:
Auf die Tür habe ich noch nie wirklich geachtet, zu sehr ist der Blick immer nach oben gerichtet, um die grandiosen Säulen und ihre Kapitelle zu betrachten.
 
Heimlich hatte ich gehofft, dass du vielleicht eine Aufnahme aus der Zeit vor 1998 besitzen könntest. Danke für die Bereicherung des Themas durch dieses Foto.
Bitte, gern geschehen. Es freut mich, dass der Griff zu meinem ersten Rom-Album mit diesem Foto erfolgreich war ;) . Viele Fotos hat man damals ja noch nicht gemacht und es ist tatsächlich das einzige vom Pantheon.

Kleines OT - das zeigt, was mich damals vermutlich mehr beeindruckt hat. Ich hatte zum Foto notiert: "Aus der Vorhalle des Pantheons führt eine mächtige zweiteilige Tür in das Innere. Durch ein Trinkgeld wurde der Kirchenaufseher dazu bewegt, uns das "Ave Maria" von Bach/Gounod auf der nicht sichtbaren Orgel des Pantheons zu spielen. Das Orgelspiel füllt den ganzen Raum und man kann nicht feststellen aus welchem Teil der Kirche die Musik kommt." :)
 
Das ist aber ein nettes OT...;), damals waren die Kirchenaufseher noch vielseitig einsehbar. Mit dem Orgelspiel brachte der Mann die Schönheit des Gebäudes auch noch zum Klingen. Das muss ein wunderbares Erlebnis gewesen sein.
 
Zum heutigen Neujahrstag gibt es ein neues römisches Mosaiksteinchen in weiss-blau! Das Thema hängt auch ein wenig mit einem lange zurückliegenden Neujahrstag in Rom zusammen.

Capodanno 1854

Aber immer der Reihe nach!

Neulich bin ich auf dieses Foto gestossen. Es hat mich an etwas erinnert, das ich auch mit eigenen Augen mehrfach an Häuserfassaden in Rom gesehen habe und zwar diese achteckigen weissen Majolikaschilder mit blauem Rand und blauer Nummer. Auf dem Foto die Nummer 1199.

Vielleicht sind sie euch auch schon aufgefallen an römischen Fassaden, diese auf den ersten Blick rätselhaften Nummern. Lange war mir nicht klar, was sie bedeuten. Ich dachte an ein älteres System der Nummerierung der Häuser, aber dazu waren es eigentlich zu wenige.

Zu einigen die ich kenne, führe ich euch mit Hilfe von Google-maps-Aufnahmen da meine eigenen Fotos sie nicht deutlich genug zeigen.

Piazza S. Ignazio 125 resp. Nummer 855

Via della Rotonda 19 resp. Nummer 1378 bei der Gelateria Cremeria Monteforte mit der Hausnummer 22

Via dell'Orso 36A resp. Nummer 2215 neben der Hostaria L'Orso 80

Via dei Banchi Nuovi 3 resp. Nummer 2298 am ehemaligen Wohnhaus von Carlo Maderno

Via del Portico d’Ottavia 1 resp. Nummer 3329 Bäckerei Boccione

Des Rätsels Lösung ist folgende: Es sind die Schilder, die im neunzehnten Jahrhundert die Standorte römischer Gaslaternen kennzeichneten!

Am 1. Januar 1854 wurden in Rom die ersten 44 Gaslaternen in Betrieb genommen. Um 7 Uhr am Abend wurden die neuen Laternen offiziell in Betrieb genommen. Ein paar Tage zuvor hatte eine Generalprobe stattgefunden. Der Petersplatz, der Corso, das Kapitol, die Piazza del Gesù und die Piazza Venezia gehörten zu den ersten mit den modernen Gaslaternen. Weitere folgten zur Freude des Volkes am 6. Januar, dem Fest der Befana

Diese neue Art der Beleuchtung war sehr effektiv und die päpstliche Regierung beschloss ein ausgedehntes Netz von Gaslaternen einzurichten, so dass 1857 bereits 453 und 1859 533 davon existierten.

Zu den ersten Straßen, die beleuchtet wurden, gehörten jene des Tridente, ausgehend von der Piazza del Popolo: Via del Corso, Via del Babuino und Via di Ripetta, einige Seitenstraßen, darunter Via Condotti und Via Fontanella Borghese. Es folgten Piazza Santi Apostoli und Piazza del Quirinale im Osten, während im Westen die Straßenlaternen der Via di Monte Brianzo, Tor di Nona, Via del Governo Vecchio bis zur Engelsbrücke, Borgo Vecchio und Piazza Rusticucci folgten.

Bald wurde das Netz auf viele weitere Straßen und Plätze ausgedehnt, die zwischen Tridente und bis zur Piazza Barberini liegen: Via dei Coronari, Via dei Banchi Vecchi, Monserrato, Trinità dei Pellegrini, S. Carlo ai Catinari, Via dei Falegnami, Piazza Campitelli, Bocca della Verità und das Kapitol.

Das erste Gaswerk befand sich (heute fast unvorstellbar) in der Via dei Cerchi am Circus Maximus, der damals als Außenbezirk der Stadt galt. Eingeweiht wurde das Gaswerk 1854 von Papst Pius IX. Die Betreiber-Gesellschaft nannte sich "Società Anglo-Romana per l'Illuminazione a gas della città di Roma".

1870 überschritt das Netz der Gaslaternen 2000 Stück. Jede hatte eine Seriennummer, die auf diese Majolikaschilder geschrieben wurde, so dass sie für jeden Bedarf identifiziert werden konnte.

Nach dem Anschluss Roms an das Königreich Italien blieb die Verwaltung der Beleuchtung das Vorrecht der Anglo-Romana, was mit dem Vertrag vom 18. November 1870 mit der Gemeinde Rom und den folgenden Verträgen von 1881, 1900 und 1910 erneut bestätigt wurde. Im Jahr 1876 gab es 4400 Laternen und 1882 fast 5000.

Das Gaswerk am Circo Massimo bestand bis 1910. Dann ging jenes an der Via Ostiense in Betrieb. In den 1930er Jahren wurden die alten Gebäude an der Via dei Cerchi abgerissen. Siehe: Via dei Cerchi (1910) | Roma Ieri Oggi

Es gab viele verschiedene Arten von Laternen, solche die frei standen, solche die an den Fassaden der Häuser angebracht waren. Alle waren aus Gusseisen und die ersten zeigten Dekorationen wie den antiken römischen Adler, die päpstliche Tiara …

Ein Buch von 1904 des Ingenieurs Leoniero Cei „Monografia sull’illuminazione di Roma“ enthält eine Karte und 54 Bildtafeln. Es gab damals allein 20 Modelle an Kandelabern, von den schlichtesten bis zu den prächtigen, mehrarmigen, z.B. am Petersplatz. Auch für Brücken gab es besondere Modelle. Es gab 4 Modelle an Halterungen um Laternen an Fassaden anzubringen und 3 Arten von dazu passenden Laternen. Hier ein Beispiel. Gibt man hier den Begriff lanterna ein, findet man jede Menge schöner Laternenbilder.

1886 wurde die elektrische Beleuchtung eingeführt und die alten Laternen wurden nach und nach ausgetauscht, wobei in den meisten Fällen ihr Standort geändert wurde. Viele der weiss-blauen Schilder blieben jedoch bis heute erhalten. Es soll allerdings nur noch sehr wenige Fälle geben, in denen Laterne und zugehöriges Schild noch vorhanden sind.

Nach einer erneuten Romreise möchte ich dieses Thema mit eigenen Fotos illustrieren.
 
Wie interessant! Ich habe diese Schilder auch schon bemerkt. Der Link zeigt sehr schöne Laternenbilder. Super, was du wieder herausgefunden hast.
Und ich werde jetzt alle meine Fotos nach Schildern und Laternen absuchen.
 
Ein sehr interessanter Bericht über ein kleines römisches Detail, das mir sonst wohl nicht aufgefallen wäre, oder selbst wenn, so hätte ich die Bedeutung nicht gewusst.

Ich schaue auch mal, ob ich es schon zufällig fotografiert habe.
 
Ich fotografiere oft die Straßennamen damit ich später weiß wo ich entlang gegangen bin. Oder wo ich Hausmadonnen gefunden habe.
 
Das ist ja mal hochinteressant, liebe Simone! Ich hätte auch eher an Hausnummern gedacht. Und der Link zu der Seite, wo man dann ganz viele schöne Laternen sehen kann, ist toll - vielen Dank dafür!
Da muss ich mich doch auch später mal auf die Suche begeben, da es ein Hobby meines Mannes ist, überall außergewöhnliche Zahlen zu fotografieren.
 
Du hast eine sehr gute Beobachtungsgabe!
Diese Schilder sind mir auch schon aufgefallen, allerdings ohne dass ich ihnen eine besondere Bedeutung
beigemessen hätte.
Vielen Dank, für die interessanten und ausführlichen Erläuterungen dazu.
 
Liebe Gaukler, ColleMarina und lukasi,

danke fürs Interesse an den weiss-blauen Nummern und dem Drumherum! Sind sie auch nur ein ganz kleines Mosaiksteinchen in der römischen Stadtlandschaft, so war es für mich, und wie ich sehe, auch für weitere Foristi ein Erkenntnisgewinn, ihren Zweck zu durchschauen. Weiterhin allseits fröhliche Jagd ;) auf die noch existierenden Schilder und Laternen!
 
Ja, in Bezug auf unser aller Lieblingsstadt interessieren uns natürlich auch derartige Einzelaspekte.

Zudem kommt für mich persönlich hinzu (kleines OT; darum ggf. bitte verschieben): Vielerlei zur Entwicklung der Gasbeleuchtung in Köln während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts habe ich gelesen, weil in unserem Diözesanarchiv Aufzeichnungen eines Kölner Stadtverordneten aufbewahrt werden, an deren Publikation ich viele Jahre lang ein wenig mitarbeiten durfte (Friedrich Baudri: Tagebücher 1854-1871). Darum also stoßen entsprechende Informationen aus Rom bei mir natürlich auf besonderes Interesse.
 
Da ist ja schon eine sehr schöne Sammlung zusammengekommen! Und wird sicher noch ausgebaut! :)
 
Oft schon sind mir diese kleinen blauen Schilder aufgefallen, aber ich habe sie für alte Hausnummern gehalten.
Deine Rechereche zeigt, dass ich damit weit daneben lag und die Wahrheit viel interessanter ist :)
Vielen Dank für diesen Mosaikstein, liebe Simone!
 
Status
Für weitere Antworten geschlossen.
Zurück
Oben