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Palazzo Bonaparte und Impressionisti segreti

Den Palazzo Bonaparte mit dem bekannten grünen Balkon habe ich bei ungezählten Rom-Reisen betrachtet. Dass ich ihn eines Tages betreten würde, habe ich nicht erwartet, aber nun hat der Palazzo an der Ecke Piazza Venezia und Via del Corso seit dem 6. Oktober Besuchern seine Tore geöffnet. Hier findet aktuell und noch bis zum 8. März 2020 die Ausstellung Impressionisti segreti statt.

Siehe auch hier im Forum: Der Palazzo Bonaparte öffnet seine Türen

Giovanni Antonio de Rossi erbaute den Palazzo zwischen 1658 und 1665 für die Familie D'Aste. 1699 ging er in den Besitz der Fürsten Rinuccini über. 1818 erwarb ihn Laetitia Ramolino, die Mutter Napoleons, und lebte dort bis zu ihrem Tod 1836. Ihre Erben verkauften den Palazzo 1905 der aus Orvieto kommenden Familie Misciattelli. Seit 1972 ist er im Besitz der Generali Group.

Nicht so bekannt ist die Tatsache, dass in der 2. Etage des Palazzo 1955 das deutsche Kulturinstitut Biblioteca Germanica eröffnete.
Siehe dazu: Ein "Deutschland-Haus" in Rom. Leiter war Reinhard Raffalt.

1954 wurde Reinhard Raffalt vom Auswärtigen Amt zum Direktor der Biblioteca Germanica ernannt, dem ersten deutschen Kulturinstitut, das nach dem Krieg wieder im Ausland gegründet wurde. Unter Raffalts Leitung entstand ein Zentrum, das deutsches Geistesleben in bisher nicht erlebter Weise repräsentierte.

Quelle: Homepage Dr. Reinhard Raffalt: Lebenslauf, ausführlich

Mich interessierten sowohl die Räumlichkeiten des Palazzo, als auch die Ausstellung. Tickets für den ersten Einlass am Morgen um 9 Uhr hatte ich im Internet erworben. Kurz vor Eröffnung tranken wir noch einen Cappuccino im Café im Erdgeschoss und holten danach die Tickets an der Kasse ab.


Im Erdgeschoss befindet sich auch dieser Brunnen, der allerdings weder Wasser noch Wein spendet. ;)


In der ersten Etage, dem piano nobile, betritt man zunächst diesen grossen Raum, den die überlebensgrosse Statue von Napoleon als friedensbringender Mars beherrscht.



Links: Darstellung des Gesetzes mit der Keule
Rechts: Darstellung der Justiz mit der Waage


Die Skulptur ist nicht das Original, welches Napoleon Bonaparte bei Antonio Canova in Auftrag gab, sondern eine von mehreren existierenden Kopien aus Gips. Das Original befindet sich in Aspley House in London, dem Stadthaus der Dukes of Wellington. Arthur Wellesley, 1. Duke of Wellington besiegte Napoleon in der Schlacht von Waterloo. Im Original schmückt eine geflügelte Victoria die Kugel in der Hand von Mars/Napoleon.

Die Statue im Palazzo Bonaparte ist kürzlich restauriert worden. In diesem Video sieht sich noch etwas mitgenommen aus.

Beginnen wir nun Rundgang durch die Ausstellung. Immer wieder sollte man den Blick nach oben wenden um die herrlichen, vor allem mit mythologischen Szenen bemalten Decken zu bewundern. In zwei Räumen sind kostbare Mosaikfußböden durch erhöht angebrachte Glasböden geschützt.


Die Ausstellung mit 50 Gemälden grosser Impressionisten gefiel mir ausgezeichnet. Die Gemälde stammen aus Privatsammlungen und sind daher nicht so bekannt aber wunderschön! In einer 2. Etappe werde ich ab hier noch die Namen der Maler und die Titel der Gemälde einfügen.
















Nun kommen wir zum ehemaligen Schlafzimmer der Mutter Napoleons mit einigen besonders gefälligen Gemälden:
Vom folgenden Raum aus kann man den Eckbalkon mit den grünen Läden betreten. Von dort aus beobachtete Laetitia Ramolino gerne das Treiben zwischen Piazza Venezia und Corso. Als sie erblindete, liess sie es sich beschreiben. Die helle, freundliche Ausmalung fand ich zauberhaft.

In diesem Raum befindet sich der Zugang zum Balkon:

Der nächste Raum ist Werken des Neo-Impressionismus vorbehalten. Hier einige Beispiele:

Besonders prachtvoll ist die Raumdecke:
Hier endet die Impressionisten-Ausstellung, aber es folgt noch ein letzter, repräsentativer Raum des Palazzo Bonaparte, der Festsaal:

In der linken Ecke des Fotos oben, Diana, die Göttin des Mondes und der Jagd mit der Mondsichel auf dem Haupt. Das rechte Foto zeigt eine Darstellung der Göttin Minerva. Die übrigen Frauengestalten sind Verkörperungen weiblicher Tugenden in Gestalt von Vestalinnen.
Linktipps:

Palazzo Bonaparte | Timeline Die Seite lässt sich auch auf englisch umstellen

Impressionisti segreti – Arthemisia Mit Öffnungszeiten und Online-Reservierung

Arthemisia | Mostre Palazzo Bonaparte | Roma Idem.

 
Auch dieses Rom-Mosaiksteinchen ist für mein Empfinden sehr, sehr sehenswert - sowohl die Ausstellung als auch der Palazzo.
 
Herzlichen Dank für diesen wunderschön bebilderten Bericht.
Ich freue mich sehr, daß ich den Palazzo und die Ausstellung bald besuchen kann.
 
Wirklich sehr schöne unbekannte Bilder!
Schade, dass wir zu spät sind für diese Ausstellung ...
 
Wunderbar! Auch ich zähle mich zu denen, die sich oft gefragt haben, was sich hinter den Mauern verbirgt.
Die Impressionisten sind wahrhaft unbekannte Schätze, die gehoben werden müssen. Das erinnerte mich an die herrlichen Bilder der kanadischen Impressionisten, die ich im August in München sehen durfte. Auch die sind - abgesehen von Spezialisten - völlig unbekannt.
 
Liebe Gaukler, Romitis, lukasi, Angela und Claude,
lieber Padre

es freut mich dass der Bilderreigen aus dem Palazzo Bonaparte Euch gefällt. Die Ausstellung kann ich wärmstens empfehlen und werde die 35 Gemälde, die ich von den insgesamt 50 fotografiert habe, noch etappenweise mit Untertiteln versehen, in denen Maler und Titel genannt werden. Ich gebe dann Bescheid.

Wer die momentane Ausstellung nicht wird sehen können, für den wird sich in Zukunft hoffentlich eine andere Gelegenheit bieten, den Palazzo von innen zu erleben. Arthemisia wird sicher weiterhin dort Ausstellungen organisieren. Zuvor war Arthemisia für die Ausstellungen im Vittoriano verantwortlich.

Bis demnächst mit einem neuen Mosaiksteinchen!
 
Wer die momentane Ausstellung nicht wird sehen können, für den wird sich in Zukunft hoffentlich eine andere Gelegenheit bieten, den Palazzo von innen zu erleben. Arthemisia wird sicher weiterhin dort Ausstellungen organisieren. Zuvor war Arthemisia für die Ausstellungen im Vittoriano verantwortlich.
Ja, das sieht dann auch in meinen Augen gut aus für künftige Ausstellungen im Palazzo Bonaparte. :)
 
Piccola Londra in Rom

Etwa 2 km hinter der Piazza del Popolo, im Quartiere Flaminio, gibt es eine kleine rund 200 Meter kurze Straße, deren Atmosphäre einen mitten in Rom nach London versetzt. Offiziell trägt sie den Namen des Malers Bernardo Celentano (1835 bis 1863). Bekannter ist die Straße als Piccola Londra weil man die Architektur eher mit jener an der Themse als am Tiber verbindet.

Das Privatsträßchen verbindet die Via Flaminia, 287 mit dem Viale del Vignola, 50. Sie ist Fußgängern vorbehalten und an jedem Ende mit Gittertoren versehen. Die besten Chancen eines geöffnet vorzufinden, hat man am Viale del Vignola.

Siehe: Google maps. Die Markierung von Google maps bezieht sich auf die Rückseite der Straße. Dort befindet sich das Hotel Villa Glori. Der wichtigste Teil der Via Bernardo Celentano liegt parallel darüber.

Am Viale del Vignola, 48 stößt man auf eine kleine Bar:


Gleich daneben fanden wir im April das grüne Gittertor geöffnet vor, traten ein und schlenderten das leider zu diesem Zeitpunkt fast menschenleere Sträßchen einmal auf und ab.


Die niedrigen Häuser mit ihren kleinen Vorgärten, schmiedeeisernen Zäunen, Laternen und Briefkästen wie jenseits des Ärmelkanals, klassischen Treppen aus Stein und lackierten hölzernen Türen wurden von Architekt Quadrio Pirani (1878 bis 1970) entworfen und zwischen 1907 und 1913 errichtet. Quadrio Pirani habe ich auch bereits in diesem Beitrag als Urheber der ICP-Viertels San Saba auf dem kleinen Aventin vorgestellt.

Den Hintergrund vor dem er auf die Idee mit der Straße im Londoner Stil kam, darf man sich so vorstellen:

Ursprüngliche Absicht war es hier Wohnraum für Beamte und Angestellte aus Politik und Verwaltung der expandierenden Hauptstadt Italiens zu schaffen. Als der Komplex zwischen 1907 und 1913 gebaut wurde, war der Bürgermeister von Rom Ernesto Nathan, ein Republikaner anglo-italienischer Herkunft, kosmopolitisch, weltoffen und modern. Er war 1907 an der Spitze des Blocco popolare (volkstümlicher Block) zum Bürgermeister gewählt worden und leitete eine neue Phase der römischen Urbanisierung ein. Man begann mit dem Bau von Stadtvierteln außerhalb der Stadtmauern und wollte die städtische Struktur modernisieren.

Nathans bis 1913 währende Amtszeit war vom Geist einer Ethik des Gemeinwohls durchdrungen, die sich ausdrücklich auf Giuseppe Mazzini und Aurelio Saffi berief, auf den Nathan 1892 anlässlich von Saffis zweitem Todestag in Forlì eine Gedenkansprache hielt. Seine Politik hatte im Wesentlichen zwei Schwerpunkte: die Anstrengung, die gewaltige Immobilienspekulation, die nach der Verlegung der Hauptstadt nach Rom eingesetzt hatte, unter Kontrolle zu bringen und ein ehrgeiziges Programm zur Schulbildung und Berufsausbildung, das auf streng laizistischer Basis konzipiert war.

So wurde 1909 der erste Bebauungsplan der Stadt beschlossen, der die außerhalb der Stadtmauern zu erschließenden Flächen festlegte und dem Umstand Rechnung trug, dass sich 55 % des Baulandes im Besitz von gerade acht Großgrundbesitzern befanden.

In diesem historischen, urbanen und sozialen Kontext nahm die Idee Piranis Gestalt an.


Marco Lodoli hat dem Little London in seinen Römischen Spaziergängen ein Kapitelchen gewidmet. Er beschreibt es darin als Meteorit, der sich vom Planeten London gelöst hat, um frei durch's All zu fliegen und im Inneren Roms aufzuschlagen. :)

Was ich nicht unterschreiben kann, das ist, dass es fast scheint, als wäre der Himmel hier weniger blau als über dem Lungotevere, als würde ein leichter Nebel die Strasse einhüllen … ;) Dazu war der Himmel bei unserem Spaziergang durch Klein-London im April 2019 einfach zu blau!

 
Etwa 2 km hinter der Piazza del Popolo, im Quartiere Flaminio, gibt es eine kleine rund 200 Meter kurze Straße, deren Atmosphäre einen mitten in Rom nach London versetzt. Offiziell trägt sie den Namen des Malers Bernardo Celentano (1835 bis 1863). Bekannter ist die Straße als Piccola Londra weil man die Architektur eher mit jener an der Themse als am Tiber verbindet. Das Privatsträßchen verbindet die Via Flaminia 287 mit dem Viale del Vignola. Sie ist Fußgängern vorbehalten und an jedem Ende mit Gittertoren versehen.
Wieder einmal etwas, das ich noch gar nicht wusste (weil ich dort nur einmal außen vorbeigegangen bin) und sehr interessant finde.



Ursprüngliche Absicht war es, hier Wohnraum für Beamte und Angestellte aus Politik und Verwaltung der expandierenden Hauptstadt Italiens zu schaffen. Als der Komplex zwischen 1907 und 1913 gebaut wurde, war der Bürgermeister von Rom Ernesto Nathan, ein Republikaner anglo-italienischer Herkunft, kosmopolitisch, weltoffen und modern.
Ein gedanklicher Ansatz, der m.E. gerade heutzutage erneut Bedeutung gewinnen sollte.
Zumal wenn man dessen Ergebnisse hier so reizvoll präsentiert sieht.
 
Wieder einmal etwas, das ich noch gar nicht wusste (weil ich dort nur einmal außen vorbeigegangen bin) und sehr interessant finde.

Es freut mich, dass ich dir noch etwas Neues zeigen konnte. Ob man einen Blick in die Strasse werfen und ein paar Bilder machen kann, ist wohl nicht immer garantiert. Nicht alle Anwohner sollen interessierten Flaneuren wohlgesonnen sein, sondern das private Sträßchen als Innenhof für die Anwohner gewahrt sehen wollen. Aber es gibt mindestens ein Bed & Breakfast, ein Architekturbüro ... so dass doch ein gewisses Ein und Aus herrscht.
 
Ein sehr hübsches, sehenswertes Viertel! Wie kommst du nur auf solche Ideen, liebe Simone?
Dann hoffe ich mal, dass auch wir im März ein offenes Tor finden.
 
Liebe Simone,

auch ich habe bei Marco Lodoli das Kapitel über Piccola Londra gelesen.
Die kleine Straße mit ihren hübschen Häusern ist wirklich ein idyllisches Stückchen Rom abseits der Touristenströme.
 
Wie kommst du nur auf solche Ideen, liebe Simone?

Die "Initialzündung" ;) geht auf Marco Lodoli zurück, aber der Name Quadrio Pirani fällt dort nicht. Als ich im März zu dessen Viertel rund um S. Saba auf dem kleinen Aventin recherchiert habe und sich im Anschluss an den Beitrag ein paar Foristi hier im Thread über die Architektur jener Zeit, z.B. auch in Monteverde vecchio, ausgetauscht haben, habe ich Einiges über Quadrio Pirani gelesen und dadurch erst die Via Bernardo Celentano mit ihm in Verbindung gebracht. Somit war ein Besuch dort beschlossene Sache!

Dann hoffe ich mal, dass auch wir im März ein offenes Tor finden.

Dafür drücke ich Euch fest die Daumen!

(...) auch ich habe bei Marco Lodoli das Kapitel über Piccola Londra gelesen.

Die Bücher von Lodoli gehörten mit zu den ersten in meinem Rombücher-Regal und enthalten viele schöne Texte und Anregungen.

Die einst "auf der grünen Wiese" entstandene kleine Straße ist heute von viel jüngeren, hohen und nicht immer gut gebauten Mietshäusern umgeben, aber das Viertel hat mir insgesamt gut gefallen.

Und gleich noch ein Lodoli-Kenner!

Vielen Dank sagt der Rom und London Fan
Padre

Du schaffst es bestimmt auch einmal nach Piccola Londra und du wirst lachen: Ich habe mich dort an deine Fotos der Mews in London erinnert gefühlt, obwohl die Mews ja einen ganz anderen Ursprung haben. Ich füge später noch einen Link zu dem betreffenden Beitrag in deinem London-Bericht ein. Edit: Mews I und Mews II.

Piccola Londra a Roma - was für schöne Stadtansichten! Ganz was Neues - vielen Dank dafür!

Bitte sehr, es war mir ein Vergnügen! Schön, dass die Stadtansichten der etwas anderen Art dir gefallen haben.

Viele Grüße an alle Leser und noch einen schönen Restsonntag
wünscht Euch
Simone
 
Andrea Pozzo in Rom - Korridor in der Casa Professa der Jesuiten


Kurzer Lebenslauf Pozzos bis zu seiner Ankunft in Rom

Andrea Pozzo, Maler, Szenograph und Architekt war der führende Künstler im Bereich der illusionistischen Malerei seiner Zeit. Er wurde 1642 in Trient geboren und starb 1709 in Wien. Er studierte am Jesuitenkolleg seiner Geburtsstadt, machte ab 1660 eine Lehre als Maler in Trient dann in Mailand, trat am 23. Dezember 1665 als Laienbruder der Mailänder Ordensprovinz des Jesuitenordens bei, führte von 1665 an zahlreiche Aufträge in Oberitalien (Mondovi, Mailand Turin, Como …) aus und legte am 2. Februar 1675 seine Ordensprofess in Mailand ab.

1681 wurde er nach Rom berufen. Der dortigen Ordensleitung waren die Talente des Laienbruders nicht verborgen geblieben.

Alte und neue Casa Professa

In Rom war 1599 neben der Kirche Il Gesù mit dem Bau einer neuen Casa Professa des Jesuitenordens begonnen worden.


Die erste einfache Residenz war zu Lebzeiten des Ignatius von Loyola 1543 bis 1544 errichtet worden. Dort verbrachte der Gründer des Jesuitenordens die letzten 12 Jahre seines Lebens und dort starb er am 31. Juli 1556. Das Haus stand bis 1598, als die Grundmauern Opfer eines Hochwassers wurden.

Der damalige General des Jesuitenordens, Claudio Aquaviva (1543 bis 1615), beschloss die ehemaligen Wohnräume des Ignatius von Loyola als einzigen alten Bauteil zu erhalten. Die Räume und der Korridor davor waren zu einem vielbesuchten Pilgerort geworden noch bevor 1609 resp. 1622 Ignatius von Loyola selig- und dann heiliggesprochen wurde.

Den neuen Palazzo nutzten die Jesuiten bis zu ihrer Unterdrückung 1773 und nach ihrer Neugründung 1814 wieder bis 1883 als Hauptsitz. Heute befindet sich dieser in Vatikannnähe, Borgo Santo Spirito, 4. Siehe: La Curia Generale dei Gesuiti a Roma

the (...) palazzo is now a residence for Jesuit scholars from around the world studying at the Gregorian University in preparation for ordination to the priesthood.

Quelle: Church of the Gesù - Wikipedia

Die Tätigkeit von Il Borgognone im Korridor

1675 (einer anderen Quelle zufolge bereits 1667) begann der Jesuit und Maler Jacques Courtois, genannt „Il Borgognone“ (der Burgunder), mit der dekorativen Gestaltung des Korridors, kam er aber nicht über die Freskierung von Teilen der Fensternischen hinaus da er im November plötzlich verstarb. Es waren einst fünf Fenster, von denen aber nach einer architektonischen Umgestaltung durch Pozzo nur noch vier existieren.

Umgeben von Engeln und allegorischen Figuren erkennt man u.a. folgende Szenen aus dem Leben des Ignatius von Loyola: Schlacht von Pamplona und Verwundung, Ignatius verfolgt auf dem Weg nach Montserrat zu Pferd einen Mauren der die Madonna gelästert hat, Ignatius wird während der Verfassung des Exertitienbuches von der Muttergottes inspiriert, Ignatius stürzt sich in die Seine um einen Irregehenden zu bekehren. Pozzo führte später die Ausmalung fort. Es gibt vier Szenen pro Fensternische. Ich muss gestehen, dass ich diesen Werken bei meinem Besuch im April 2019 keine besondere Aufmerksamkeit gewidmet habe und erst nachträglich darüber gelesen habe.

Ebenso wenig habe ich auf die in den vier bunten Glasfenstern dargestellten Szenen geachtet. Eines der Fenster habe ich zumindest fotografiert:


Andrea Pozzo erhält den Auftrag zur Ausmalung des Korridors

Der 11. General der Jesuiten Giovanni Paolo Oliva (1600 bis 1681) räumte der weiteren Ausmalung des Korridors neue Priorität ein und führte dazu einen enthusiastischen Briefwechsel mit Andrea Pozzo, welchen er mit der Aufgabe betrauen wollte.

Er starb leider kurz nach der Ankunft Pozzos in Rom, aber nach einer Weile bestätigte der nächste General, Charles de Noyelle (1615 bis 1686) den Auftrag Pozzos. So lange versah dieser geduldig Küchendienst bei den Jesuiten in der Hoffnung andere Talente bald zum Einsatz bringen zu können.

Giunge a Roma nella chiesa del Gesù, dai padri del Collegio in cui ebbe una stanza. Trascorre i primi mesi in cucina “attese con somma umiltà a maneggiare in cambio del pennello, il ramajuolo, e la mescola di cucina".

Il padre generale Charles de Novelle lo conferma nell'incarico per la decorazione pittorica del Corridoio prospiciente le camerette in cui visse e morì sant'Ignazio di Loyola nella Casa Professa.

Quelle beider Zitate: Cronologia

De Noyelle war der Überzeugung, dass dank Pozzos Projekt für den Korridor dieser nicht länger bloss ein simpler Korridor, sondern ein schöner und prachtvoller Portikus für die Räume des Hl. Ignatius werden würde, welcher diese noch edler und verehrungswürdiger machen würde.

Als Zeitspanne für die Ausführung der Fresken durch Pozzo ist die Periode von Mitte 1682 bis Anfang 1685 in Betracht zu ziehen. Anderen Quellen zufolge zogen sie sich bis 1686 hin. Der Beginn der Arbeiten am Korridor liegt auf jeden Fall zeitlich vor Pozzos Arbeit an seinen grossen Werken in S. Ignazio, der älteren Scheinkuppel und dem jüngeren Deckenfresko.

Der Korridor und die Fresken Pozzos

An einem sonnigen Nachmittag im April 2019 habe ich den Pozzo-Korridor besucht. Nachdem man die Casa Professa betreten hat, gelangt man zunächst in ein Büro, wo ich bei einem freundlichen jungen Mann ein Heftchen mit dem Titel „Führung durch die Räume des Hl. Ignatius“ erstand. Von den 22 Seiten sind nur 4 dem Korridor von Pozzo gewidmet. Die deutsche Ausgabe ist wohl momentan leider vergriffen.

Über einen verwinkelten Flur erreicht man ein breites Treppenhaus, das zur ersten Etage hinaufführt. Folgende Nachzeichnung einer älteren Karte stammt von 1610 hängt in diesem Flur:


Der Stadtplan zeigt die sozialen, seelsorgerischen und erzieherischen Einrichtungen der Jesuiten in Rom zu Beginn des 17. Jahrhunderts. Kreisförmig sind sie rings um die Kirche Il Gesù und die Residenz oder Casa Professa (A) angeordnet.

Bevor Pozzo mit der Ausmalung des Korridors begann, liess er architektonische Veränderungen vornehmen: Der Eingang zu den vier Räumen des Hl. Ignatius wurde in den Korridor verlegt, eine kleine Doppeltreppe führt zu diesen hinauf.

Der alte Eingang wurde als Fenster erhalten. Davon habe ich allerdings kein Foto.

Die Eingangswand zum Korridor bemalte Pozzo mit den als Statuen gemeinten Darstellungen der jung verstorbenen Jesuiten Stanislaus Kostka und Aloisius von Gonzaga. Im Medaillon über der Tür befindet sich ein Porträt des Ignatius von Loyola. Darunter befindet sich ein Schrift in lateinischer Sprache: INGREDERE AEDICULAS OLIM INCOLAE NUNC PATRONO S. IGNATIO SACRAS d.h. frei übersetzt in etwa: Betritt die Räume die dem Hl. Ignatius, einst Bewohner, nun Schutzpatron, geweiht sind.


Betritt man den Korridor findet man sich in einem Raum voller Farben, trompe-l’oeil-Architektur, Engeln und Putten mit Blumen, im Flug, sitzend, musizierend oder Medaillons bekannter Jesuiten tragend sowie Darstellungen von Ignatius selbst.

Die Maße des Korridors sind folgende:
Länge: rechte Wand 18 Meter, linke Wand 15,60 Meter. Den Raumabschluss bildet eine schräge Wand
Breite: wenig mehr als 4 Meter
Maximal Deckenhöhe: die sanft gewölbte Decke erreicht an ihrem höchsten Punkt 4,85 Meter

Die Fresken präsentieren sich dem Besucher in einem sehr guten Zustand da sie von 1990 bis 1991 restauriert worden sind. Während dieser Restaurierung wurde auch der originale Inhalt von zwei (bis dahin durch spätere Übermalung verdeckten) Bildfeldern entdeckt. Dazu später mehr.

Pozzo stattete den gesamten Korridor nicht nur mit einer aufwendigen Raumillusion aus. Um die Illusion noch zu verstärken hat er in Teilen die Technik der Anamorphose angewandt, d.h. wenn der Besucher nicht am idealen Standpunkt im Korridor steht, erkennt er, dass die gemalten Gestalten dieser Teilbereiche deformiert gemalt sind.

Der einzige Betrachtungspunkt, von dem aus der Besucher die ideale Ansicht auf Wände und Decke geniesst, ist durch eine Marmor-Rosette in der geometrischen Mitte des Korridors gekennzeichnet.


Von hier aus sieht man z.B. an der linken Wand des Korridors sehr lebendig wirkende Figuren von Engeln und Putten, die aus der Wand herauszutreten scheinen um in unsere dreidimensionale Realität vorzudringen.


Während man auf die Rosette zugeht oder sich von ihr entfernt, verlässt man den idealen Standpunkt und damit verschwindet die Illusion. Die Engel und Putten sind unförmig in die Länge gezogen, der Zauber ist gebrochen. Nicht aber die Bewunderung für den Maler und sein Werk!

Thematisch gesehen stellen Pozzos Fresken im Korridor vor allem eine Hommage an den Ordensgründer der Jesuiten dar.

Entlang der linken Wand des Korridors befinden sich 6 Bildfelder mit unterschiedlichen Themen. Es sind dies vom Eingang aus gesehen:

1) Wunder, die sich am 12. März 1622 ereigneten, wenn man den Heiligen anrief und Kranke mit dem Öl der Lampe salbte, die vor dem Bild an seinem seinem Grab brannte. An diesem Tag fand die Heiligsprechung des Ignatius von Loyola statt.


2) Zwei grosse Engel mit Blumenarrangement unter einem Fenster

3) Heilung eines Besessenen


4) Die Heilige Familie und zwei grosse Engel mit Blumenarrangement


Die Darstellung der Heiligen Familie ist eines der beiden weiter oben erwähnten Motive, die durch die Restaurierung 1990/91 wieder zu Vorschein gekommen sind. Übermalt war sie mit einem goldenen Gittermotiv ähnlich dem des realen Fensters (wie 2)) und des gemalten Scheinfensters (siehe 6)). Ein winziges Foto von der alten Bemalung ist im eingangs erwähnten Führer abgebildet.

5) Ein als Pilger verkleideter Engel malt ein Porträt des Hl. Ignatius


6) Zwei anamorphotische Engel unter einem Scheinfenster. Sie halten einen Gegenstand den ich nicht wirklich benennen kann, vielleicht eine Porphyrvase oder eine Urne.


Scheinfenster und Engel sind das zweite Motiv welches übermalt worden war und zwar mit einem geblümten Vorhang in Rottönen. Auch davon befindet sich eine winzige Abbildung im Führer. Besser erkennt man den Vorhang allerdings auf einem Foto dieser Webseite.

Un recente restauro ha sorprendentemente riportato alla luce questi due splendidi angeli anamorfici che, in epoca successiva all'affresco del Pozzo, erano stati coperti da una finta tenda, come potete vedere dalla foto a sinistra che mostra lo stato dell'affresco prima del 1990, mentre a destra e in basso si vede come si presenta ora il medesimo settore.

An der rechten Wand des Korridors

befinden sich zwischen den Fenstern 3 weitere Bildfelder mit folgenden Darstellungen:

1) Ignatius löscht durch sein Eingreifen einen Brand in Florenz


2) Ignatius heilt eine Nonne


3) Ignatius befreit Gefangene


Die Szenen mit Ignatius nach seinem Tod Wunder wirkend, sind auf Legenden, die sich um seine Person gebildet haben, zurückzuführen. Sie sind das Produkt der weitverbreiteten Inbrunst für den Heiligen die sich besonders nach der Selig- und Heiligsprechung entwickelt hat.

An der Decke, in der Mitte des Korridors, befindet sich diese Darstellung der Apotheose des Hl. Ignatius


Man hat vom darunterliegenden idealen Betrachtungspunkt aus den Eindruck, dass die Decke aus geraden Architekturelementen besteht. Von allen anderen Standpunkten aus erkennt man, dass es sich um gemalte Bögen handelt.

An der Decke tummeln sich viele Putten. Fasziniert von deren Spiel habe ich die Bildfelder der Decke nicht systematisch fotografiert.


Dieses Motiv zeigt den Hl. Karl Borromäus, der das Grab des Hl. Ignatius verehrt:


Kommen wir nun zur Darstellung an der Rückwand des Korridors. Diese Wand ist schräg, was aber vom idealen Standpunkt aus nicht zu erkennen ist. Die perspektivische Darstellung zeigt einen kapellenartigen Raum mit Altar und gibt dem Korridor optisch mehr Tiefe. Das Altargemälde, Bild im Bild, stellt den allgegenwärtigen Hl. Ignatius dar.

Vor dem Altar sitzen unter einem von Säulen getragenen Bogen zwei prachtvolle Engel und musizieren. Während derjenige links die Viola (Bratsche) spielt, spielt derjenige rechts, der fast im Schatten zu verschwinden scheint, eine Viola da gamba. An beiden kann man sich gar nicht sattsehen, so schön sind sie!

Mirabili disinganni“ kann man nur zum Abschied von Andrea Pozzos schönem Korridor sagen. Das war der Titel einer Ausstellung über seine Person und sein Werk, die ich im März 2010 im Palazzo Poli gesehen habe.


Disinganno bedeutet in etwa „wundersame Enttäuschung“. "Enttäuschung", denn Pozzo legt es ja darauf an, dass der Betrachter selbst die Illusion in der Interaktion mit der Malerei entdeckt. Die Offenbarung der Täuschung (inganno) war von ihm geplant.

Man kann die Fresken Pozzos auch als eine besondere Form des Jesuitentheaters verstehen.

Das Jesuitentheater entstand als Antwort auf die Reformation und war Bestandteil der gegenreformatorischen Unternehmungen des Jesuitenordens. Die reformatorischen Lehren begannen um sich zu greifen und die katholische Kirche sah sich harter Kritik ausgesetzt. Das Jesuitentheater verfolgte die Absicht, die Zweifler zurückzugewinnen und die katholische Kirche als triumphierende Siegerin darzustellen. Die Zuschauer sollten hauptsächlich auf emotionaler Ebene angesprochen werden.

Der Gang durch den Korridor sollte zu einer Art Prozession und Meditation über das Leben und die Eigenschaften von Ignatius einladen und Ordensleute, aber auch Laien, zur Nachahmung anregen.

In den vier rund 80 Quadratmeter grossen Räumen, in denen Ignatius von Loyola lebte und starb, habe ich so gut wie gar nicht fotografiert. Nur dieses Foto mit dem IHS-Symbol des Jesuitenordens habe ich mitgebracht:

 
Die Öffnungszeiten des Pozzo-Korridors findet man auf der HP von Il Gesù: Sito ufficiale della Chiesa del Gesù - Roma | Sito ufficiale della Chiesa del Gesù - Roma, Chiesa del Santissimo Nome di Gesù all'Argentina - Roma

Orari visite delle Camere di Sant’Ignazio
Dal lunedì al sabato: 16.00 – 18.00
Domenica e Festivi: 10.00 - 12.00
Ingresso libero

Also Montag bis Samstag: von 16 bis 18 Uhr
Sonntag und an Feiertagen: von 10 bis 12 Uhr
Der Zutritt ist frei

Sie dort auch: Le stanze di Sant’Ignazio | Sito ufficiale della Chiesa del Gesù - Roma und Corridoio Andrea Pozzo | Portfolio Categories | Sito ufficiale della Chiesa del Gesù - Roma

Weitere Linktipps:
Die Öffnungszeiten findet man auch hier: Ingresso alla Casa di Sant'Ignazio di Loyola
Darüber hinaus bietet diese HP 7 Videos in italienischer Sprache von denen zwei den Korridor und den Eingang dazu zum Thema haben.



Ein Video mit dem Titel "Le illusioni ottiche di Sant’Ignazio" von 2015 findet man auf den Seiten von RaiNews: AR. Le illusioni ottiche di Sant’Ignazio
 
Ein wunderbarer Beitrag mit tollen Fotos und wieder einmal bemerkenswerter Hintergrundrecherche.

Der Pozzo-Korridor ist wirklich ein kleines Juwel, das man sich, wenn man in Rom weilt, nicht entgehen lassen sollte.

Vielen Dank, liebe Simone, dass wir dich "lesend und sehend" in den Pozzo-Korridor begleiten durften!
 
Dem schließe ich mich gerne an. Wieder einmal ein wirklich sehr interessanter und hochwertiger Reiseberichts-Beitrag!


Und ganz zweifellos hat Andrea Pozzo die Vorstellung des damaligen Jesuiten-Generals optimal umgesetzt:
De Noyelle war der Überzeugung, dass dank Pozzos Projekt für den Korridor dieser nicht länger bloss ein simpler Korridor, sondern ein schöner und prachtvoller Portikus für die Räume des Hl. Ignatius werden würde, welcher diese noch edler und verehrungswürdiger machen würde.
 
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