Weihekreuze im Petersdom
Einleitung
Nun sind es schon viele Monate her, seit ich in meinem Reisebericht Ammirando la bellezza vom Borromini-Kreuz in S. Maria in Cappella berichtet habe und dass das sich daraus entwickelnde Gespräch zwischen mehreren Foristi auch zum Thema Weihekreuze im Petersdom geführt hat. Siehe: Ammirando la bellezza und das Gespräch von diesem Beitrag bis zu diesem.
Nachdem es mit einem Besuch des Petersdoms im März 2018 nicht geklappt hat, habe ich mir die 12 Weihekreuze im September 2018 ansehen können.
Die teils miserable Qualität der Bilder bitte ich zu entschuldigen. Sie rührt teilweise daher, dass die Weihekreuze sich in für den Besucher unzugänglichen Bereichen befinden und dass sie relativ hoch an den Wänden angebracht sind. Ich werde sicher noch nachbessern und vielleicht von der neuen Beleuchtung im Petersdom profitieren können.
An diesem Morgen habe ich mir einige Daten aus der Jugend Borrominis in Erinnerung gerufen:
1619 Weggang aus Mailand um nach Rom zu gehen. Letzter Nachweis seiner Präsenz in Mailand : 9. Februar 1619.
Seit 1619 auf der Baustelle des neuen Petersdoms nachgewiesen.
Seit 1621 eigene Werkstatt „di arte di marmo“ mit 2 weiteren auch für den Petersdom tätigen älteren „marmorari“.
Regelmässige Tätigkeit am Petersdom seit 1623-1624. Die Bauleitung lag zwischen 1603 und 1629 in den Händen von Carlo Maderno.
1625 ist Borromini mit der gesamten Marmordekoration der Heiligen Pforte des Petersdoms beschäftigt. Dazu gehören der Kopf eines Cherubs über der Pforte und zwei Marmorkreuze, die am Ende des Heiligen Jahres an Innen- und Aussenseite der Heiligen Pforte angebracht wurden.
Hier eine von mehreren Entwurfszeichnungen, aufbewahrt in der Graphischen Sammlung Albertina. Zwei weitere Zeichnungen sind leider nicht online verfügbar, vor allem diejenige, auf der das Kreuz mehr der letztendlich gewählten Form entspricht. Dafür ähnelt das Kreuz auf der verlinkten Zeichnung den ein Jahr jüngeren Weihekreuzen.
Das kleinere Kreuz (ca. 30 x 22 cm) von der Innenseite blieb nicht erhalten. Das größere (ca. 69 x 43 cm) und kunstvollere von der Aussenseite finden wir heute in S. Maria in Cappella, wo es erst 2016 als das erkannt wurde, was es ist.
Eines meiner jüngsten Fotos davon, aufgenommen im September 2018:
Das Kreuz entstand in Zusammenarbeit mit dem begabten piemonteser Mosaikkünstler Giovanni oder Giovan Battista Calandra.
Seit Ende 1625 wird Borromini als „maestro“ bezeichnet.
1626, ein paar Monate nach der Fertigstellung des Kreuzes, arbeiten beide Männer wieder gemeinsam an den 12 Weihekreuzen für den Petersdom.
Das Aussehen der Weihekreuze
Das gesamte Konzept stammt aller Voraussicht nach von Francesco Borromini. Das Motiv macht einen bewegten und durchaus komplexen Eindruck. Borromini hat die Weihekreuze aus weißem Marmor geschnitzt. Die Maße des Quadrats betragen 47x47 cm, der stehende Vierpass mit seinen elegant geschwungenen Dreiviertelkreisen misst 62x56 cm.
Bis auf kleine Unterschiede an den äusseren Rändern der Dreiviertel-Kreisbögen sind die Weihekreuze identisch.
Borrominis Arbeit dient als Rahmen für die eingelegten Mosaik-Motive. Ausgeführt wurden diese von Giovanni Battista Calandra, dem seinerzeit besten Mosaikkünstler auf der Baustelle des Petersdoms.
Die Kleeblattkreuze aus Glas-Email-Steinchen sind scharlachrot. Der Hintergrund lapislazuli-blau. Zwischen das Blau und den Marmor hat Calandra eine schmale schwarze Bordüre gesetzt. Vom Zentrum des Kreuzes gehen zwölf rot-orangefarbene Sonnenstahlen aus. In den Ecken des quadratischen Rahmens sehen wir je eine Biene in Honigtönen.
Die Biene ist das Wappentier Urbans VIII., die Barberini-Sonne gehört, wie der Barberini-Lorbeer zu den weiteren Emblemen dieses machtbewussten Papstes.
Die Standorte der Weihekreuze
Die Weihekreuze befinden sich noch heute an jenen Standorten im Petersdom, an denen sie 1626 angebracht wurden.
* zwei am Eingang, der controfacciata des Petersdoms, leider habe ich nur eines der beiden fotografiert
* acht weitere an den Wänden der Vierungspfeiler, davon
zwei neben der Bronzestatue des hl. Petrus,
zwei neben der Statue des Propheten Elia,
zwei neben der Statue des hl. Benedikt,
zwei neben der Statue des hl. Franz von Paola,
* zwei in der Apsis hinter den Statuen der Kirchenväter links und rechts der Cathedra Petri.
Die Weihe des Petersdoms
Inzwischen habe ich auch viel darüber gelesen, wie man sich die Weihe des Petersdoms am 18. November 1626 vorzustellen hat.
In der Morgendämmerung des 18. November war alles für den Ritus bereit. Die Basilika war geschlossen, kein Licht brannte, ausser den 12 Kerzen vor den 12 Kreuzen, die geweiht werden sollten. Urban VIII. wurde in feierlicher Prozession in den Portikus der Basilka getragen wo er vom Domkapitel und den Kardinälen empfangen wurde.
Der 1. Teil des Ritus begann mit dem feierlichen Gesang der Allerheiligenlitanei. Dann segnete der Papst das Weihwasser und besprengte den Portikus damit während 6 Kardinäle in 2 Dreiergruppen die Aussenwände des Petersdoms besprengten.
Danach klopfte der Papst dreimal mit einem Kreuz an die verschlossene mittlere Tür des Petersdoms. Von innen öffnete ihm der Erzpriester der Basilika, sein eigener Neffe, der Kardinal-Nepot Francesco Barberini.
Der Papst trat von allen Anwesenden gefolgt ein und es begann der 2. Teil des Ritus. Vor dem Altar der Confessio stimmte der Papst das Veni creator an. Dann begann er die Buchstaben des griechischen und des lateinischen Alphabets in vorbereitete Asche-Bahnen auf den Marmorboden der Basilika zu schreiben, dies als Zeichen der spirituellen Inbesitznahme des Kirchengebäudes. Die Aschebahnen beschrieben die Form des Christusmonogramms chi. Siehe: Christusmonogramm – Wikipedia
Dieser Moment ist in einem der grossen Wandteppiche in den Vatikanischen Museen dargestellt:
Der Wandteppich entstand viele Jahre nach dem Ereignis. Er gehört zu einer Serie von Wandteppichen, den arrazzi Baberini, die aus dem Leben Urbans VIII. berichten und zwischen 1663 und 1679 gewebt worden sind. Jener zur Weihe des Petersdoms entstand von 1671 bis 1673. Gut sind 2 der 12 scharlachroten Weihekreuze zu erkennen, hier natürlich in stilisierter Form.
Der Entwurf des Wandteppichs stammt von Fabio Cristofari und enthält einen Anachronismus: Am Tag der Weihe des Petersdoms gab es den im Hintergrund abgebildeten Bronzebaldachin über dem Papstaltar noch nicht. Die Fundamente waren zwar schon gelegt, aber bis zur Vollendung schrieb man das Jahr 1633.
Nach einer erneuten Segnung des Weihwassers besprengte Urban VIII. die Innenwände des Petersdoms damit und goss etwas davon an den vier Kardinalpunkten auf den Boden.
Der 3. Teil des Ritus begann mit einer Prozession zur Vorhalle des Petersdoms wo der Papst auf einem Thron Platz genommen hatte. Nach erneutem Gebet begann der Papst mit der Salbung des mittleren Portals, trat wieder in den Petersdom ein und salbte persönlich die 12 Weihekreuze, beginnend mit den beiden in der Apsis. Um diese Handlung zu vollziehen stieg er auf eine provisorische Bühne, salbte und und beweihräucherte die Kreuze.
Der Ritus endete nach der Feier der Messe als eine grosse Menschenmenge in den Petersdom strömte um ihn zu besuchen.
Die Weihekreuze wurden zu dem Symbol der Weihe des Petersdoms und sind auf Medaillen von Gaspare Mola zu sehen, welche in Erinnerung an jenen Tag geprägt wurden.
Die Weihekeuze sind sicher nicht das, was man sich bei einem Erstbesuch im Petersdom ansieht, aber kennt man ihre Geschichte und die Künstler, sind auch sie ein Mosaiksteinchen , das der Betrachtung meines Erachtens wert ist.
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Während meiner Vorbereitungen zu diesem Beitrag hat Papst Franzikus, assistiert von Kardinal Angelo de Donatis, Generalvikar der Diözese Rom, eine Kirchweihe vollzogen und zwar jene der renovierten Kirche San Giulio Papa im Monteverde-Viertel. Es war für mich besonders interessant zu sehen, wie genau die Salbung der Weihekreuze vonstatten ging. Siehe dazu die beiden Videos in folgendem Beitrag: Vatikan/Papst: - Franziskus als Vorstadtpfarrer