Lyrik - Gedichte und Rom

tacitus

Magnus
Stammrömer


Edgar Allan Poe: The Coliseum

Type of the antique Rome! Rich reliquary
Of lofty contemplation left to Time
By buried centuries of pomp and power!
At length – at length – after so many days
Of weary pilgrimage and burning thirst,
(Thirst for the springs of lore that in thee lie,)
I kneel, an altered and an humble man,
Amid thy shadows, and so drink within
My very soul thy grandeur, gloom, and glory!

Vastness! and Age! and Memories of Eld!
Silence! and Desolation! and dim Night!
I feel ye now – I feel ye in your strength –
O spells more sure than e’er Judaean king
Taught in the gardens of Gethsemane!
O charms more potent than the rapt Chaldee
Ever drew down from out the quiet stars!

Here, where a hero fell, a column falls!
Here, where the mimic eagle glared in gold,
A midnight vigil holds the swarthy bat!
Here, where the dames of Rome their gilded hair
Waved to the wind, now wave the reed and thistle!
Here, where on golden throne the monarch lolled,
Glides, spectre-like, unto his marble home,
Lit by the wan light of the horned moon,
The swift and silent lizard of the stones!

But stay! these walls– these ivy-clad arcades –
These moldering plinths – these sad and blackened shafts –
These vague entablatures – this crumbling frieze –
These shattered cornices – this wreck- this ruin –
These stones – alas! these grey stones – are they all –
All of the famed, and the colossal left
By the corrosive Hours to Fate and me?

“Not all” – the Echoes answer me – “not all!
“Prophetic sounds and loud, arise forever
“From us, and from all Ruin, unto the wise,
“As melody from Memnon to the Sun.
“We rule the hearts of mightiest men – we rule
“With a despotic sway all giant minds.
“We are not impotent – we pallid stones.
“Not all our power is gone – not all our fame –
“Not all the magic of our high renown –
“Not all the wonder that encircles us –
“Not all the mysteries that in us lie –
“Not all the memories that hang upon
“And cling around about us as a garment,
“Clothing us in a robe of more than glory.”
 
Zuletzt bearbeitet:
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.... das wird jeder kennen .... aber, ich mag es


J. W. Goethe schrieb:
Saget, Steine, mir an, o sprecht, ihr hohen Paläste!
Straßen, redet ein Wort! Genius, regst du dich nicht?
Ja, es ist alles beseelt in deinen heiligen Mauern,
Ewige Roma; nur mir schweiget noch alles so still.
O wer flüstert mir zu, an welchem Fenster erblick' ich
Einst das holde Geschöpf, das mich versengend erquickt?
Ahn' ich die Wege noch nicht, durch die ich immer und immer,
Zu ihr und von ihr zu geh'n, opfre die köstliche Zeit?
Noch betracht' ich Kirch' und Palast, Ruinen und Säulen,
Wie ein bedächtiger Mann schicklich die Reise benutzt.
Doch bald ist es vorbei; dann wird ein einziger Tempel,
Amor's Tempel, nur sein, der den Geweihten empfängt.
Eine Welt zwar bist du, o Rom; doch ohne die Liebe
Wäre die Welt nicht die Welt, wäre denn Rom auch nicht Rom


 
Dieses hier finde ich auch sehr schön:

Rainer Maria Rilke schrieb:
Römische Fontäne

Borghese

Zwei Becken, eins das andere übersteigend
aus einem alten runden Marmorrand,
und aus dem oberen Wasser leis sich neigend
zum Wasser, welches unten wartend stand,

dem leise redenden entgegenschweigend
und heimlich, gleichsam in der hohlen Hand,
ihm Himmel hinter Grün und Dunkel zeigend
wie einen unbekannten Gegenstand;

sich selber ruhig in der schönen Schale
verbreitend ohne Heimweh, Kreis aus Kreis,
nur manchmal träumerisch und tropfenweis

sich niederlassend an den Moosbehängen
zum letzten Spiegel, der sein Becken leis
von unten lächeln macht mit Übergängen.
 
.

..... eins geht noch ( passend zu Thorstens römischer Fontäne )


C.F.Meyer schrieb:
Der römische Brunnen

Aufsteigt der Strahl und fallend gießt
Er voll der Marmorschale Rund,
Die, sich verschleiernd, überfließt
In einer zweiten Schale Grund;
Die zweite gibt, sie wird zu reich,
Der dritten wallend ihre Flut,
Und jede nimmt und gibt zugleich
Und strömt und ruht.



 
Zuletzt bearbeitet:
Liebe Foristi,

heute hat mich per PN folgender Vorschlag erreicht:

[...]ich möchte vorschlagen, den schönen thread "Lyrik - Jeder kennt eins!" aufzuteilen in einen thread mit Gedichten über Rom und einen thread mit 'anderen' Gedichten. Auf diese Weise könnte doch mit der Zeit eine ganz wunderbare Anthologie mit Rom-Gedichten entstehen und man müßte die sich nicht erst aus dem Gesamtthread heraussuchen. (Schon vorhandene Rom-Gedichte könnten ja in den neuen thread verschoben werden.) [...]

Da ich diese Idee wirklich sehr schön finde komme ich diesem Vorschlag auch entsprechend gerne nach und bedanke mich an dieser Stelle noch mal ausdrücklich dafür.

Die bisherigen Beiträge, die dazu passen, habe ich gleich mitgenommen. ;)

Also dann... Ich bin wirklich gespannt, welche Schätze zu diesem Thema noch zu Tage gefördert werden.

Viel Spaß!
Thorsten
 
Zuletzt bearbeitet:
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Darf es noch einmal Goethe sein ?


J.W. Goethe schrieb:
O wie fühl' ich in Rom mich so froh! gedenk' ich der Zeiten,
Da mich ein graulicher Tag hinten im Norden umfing,
Trübe der Himmel und schwer auf meine Scheitel sich senkte,
Farb- und gestaltlos die Welt um den Ermatteten lag
Und ich über mein Ich, des unbefriedigten Geistes
Düstre Wege zu späh'n, still in Betrachtung versank.
Nun umleuchtet der Glanz des helleren Äthers die Stirne;
Phöbus rufet, der Gott, Formen und Farben hervor.
Sternhell glänzet die Nacht, sie klingt von weichen Gesängen,
Und mir leuchtet der Mond heller als nordischer Tag.
Welche Seligkeit ward mir Sterblichem! Träum' ich? Empfänget
Dein ambrosisches Haus, Jupiter Vater, den Gast?
Ach! hier lieg' ich und strecke nach deinen Knien die Hände
Flehend aus. O vernimm, Jupiter Xenius, mich!
Wie ich hereingekommen, ich kann's nicht sagen; es faßte
Hebe den Wandrer und zog mich in die Hallen heran.
Hast du ihr einen Heroen herauf zu führen geboten?
Irrte die Schöne? Vergib! Laß mir des Irrtums Gewinn!
Deine Tochter Fortuna, sie auch! die herrlichsten Gaben
Teilt als ein Mädchen sie aus, wie es die Laune gebeut.
Bist du der wirtliche Gott? O dann so verstoße den Gastfreund
Nicht von deinem Olymp wieder zur Erde hinab!
"Dichter! wohin versteigest du dich?" Vergib mir! der hohe
Kapitolinische Berg ist dir ein zweiter Olymp.
Dulde mich, Jupiter, hier, und Hermes führe mich später,
Cestius' Mal vorbei, leise zum Orkus hinab!
 
Der schlesische Dichter Andreas Greif, dem breiten Publikum besser bekannt als Andreas Gryphius (1616-1664), steuert nach seinem Besuch in der ewigen Stadt (Frühjahr 1646) folgende Zeilen bei zu unserer kleinen Rom-Anthologie:


Als Er auß Rom geschieden​

ADe' begriff der welt' Stadt der nichts gleich gewesen /
Vnd nichts zu gleichen ist / In der man alles siht
Was zwischen Ost vnd West / vnd Nord vnd Suden blüht,
Was die Natur erdacht / was je ein Mensch gelesen.
Du / deren Aschen man / nur nicht vorhin mit Bäsen
Auff einen hauffen kährt / in der man sich bemüht
Zu suchen wo dein grauß / (fliht trüben Jahre! fliht /)
Bist nach dem fall erhöht / nach langem Ach / genäsen.​

Ihr Wunder der gemäld / ihr prächtigen Palläst /
Ob den die kunst erstarrt / du starck bewehrte Fest /
Du Herrlichs Vatikan / dem man nichts gleich kan bawen;
Ihr Bücher, / Gärten / grüfft; Ihr Bilder / Nadeln* / Stein /
Ihr / die dies vnd noch mehr schliß't in die Sinnen eyn /
Ade! Man kan euch nicht / satt mit zwey Augen schawen.​






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* Nadeln = Obelisken.

Bild eingefügt mit freundlicher Erlaubnis von Lizabetta.
 
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Vom Dichter des "Liedes der Deutschen", August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798-1874):

Römisches Helldunkel

Wenn ich die vielen Pfaffen sehe
In Rom in ihrer schwarzen Tracht,
Dann wird’s am hellen lichten Tage
Vor meinen Augen dunkle Nacht.

Erst beim Ave-Maria-Läuten,
Wenn heim die Pfaffen ziehn zu Nest,
Dann ist es mir in Rom geworden,
Als ob der Tag sich blicken läßt.
 
Es gibt halt nicht nur Rom-Enthusiasten:

Theodor Fontane [1819-1898]

An Maximilian Harden

Welches von beiden

Rom im Siebenhügelkranz, –
Cremmen, Schwante, Vehlefanz.

Nemi-See, Genzano-Sträußchen, –
Stralau, Treptow, Eierhäuschen.

Blick auf Forum, Ara Celi, –
Tasse Kaffee bei Stehely,

Lockt auch Fremde, Schönheit, Pracht, –
Glücklicher hat mich die Heimat gemacht.

Berlin, 4. Novemb. 89 Th. Fontane
 

Friedrich Hebbel [1813-1863]

Apollo von Belvedere

Wer schön wie du ist, soll dich einst zerschlagen!
So sprach der Meister, als er dich vollendet
Und vor dir stand, von deinem Glanz geblendet;
Er hatte nichts bei diesem Wort zu wagen.

Denn wen auch noch seit deines Ursprungs=Tagen
Die neidische Natur hieher gesendet,
Hier hat sich immer sein Triumph geendet,
Kein Jüngling stand noch vor dir, als mit Zagen.

Ja, könnte selbst in Zukunft einer kommen,
Dir gleich und dennoch fähig, dich zu hassen,
Er würde nimmer büßen sein Gelüste:

Er hätte kaum die Axt zur Hand genommen,
So müßt’ er sie schon wieder fallen lassen,
Weil er schon dadurch häßlich werden müßte.
 
August von Platen [1796–1835]

Die Pyramide des Cestius

Öder Denkstein, riesig und ernst beschaust du
Trümmer bloß, Grabhügel, den Scherbenberg dort,
Hier die weltschuttführende, weg von Rom sich
Wendende Tiber!

Stolze Prunksucht türmte dich einst, o Grabmal,
Als vor zwein Jahrtausenden hier Augustus
Sich der Welt aufdrang, der erschreckten durch die
Leiche des Cäsar.

Rom jedoch, kaum neigte dem Untergang sich's,
Als das Saatkorn neuer Gewalt gesät ward;
Denn es schuf hier jener Apostelfürst zum
Throne den Altar.

Aber Deutschlands rauhes Geschlecht, das ehmals
Deinen Kriegsruhm, herrschendes Rom, zerstörte,
Stürmt noch einmal, stürmt, o geweihtes Rom, dein
Heiliges Bollwerk!

Allzuschwer fast schwebte der Rachedämon
Über Roms Haupt, Rache, daß einst des frechen
Priesters Goldsteigbügel an Hohenstaufens
Eiserne Hand klang.

Aber Rom trotzt, doppelt besiegt und doppelt
Unbesiegbar scheint es, gewöhnt an Hoheit,
Seines Dreireichs blitzende Krone wankt zwar,
Aber sie bebt nicht.

Wehe, wer nicht spielend, ein Kind der Kirche,
Ihr im Schoß ruht! Wehe, denn jeden Tag droht
Priestermund ihm, Priestergemüt in Rom ihm
Stäte Verdammnis!

Aber huldreich gönnten sie doch des Irrtums
Söhnen gern hier eine geheime Ruhstatt,
Ja, es kühlt dein Schatten, o Bau des Cestius,
Nordische Gräber!

Möchten hier einst meine Gebeine friedlich
Ausgestreut ruhn, ferne der kalten Heimat,
Wo zu Reif einfriert an der Lippe jeder
Glühende Seufzer.

Gern vermißt sei, neben dem Heidengrabstein,
Was so streng Rom jedem Verirrten weigert:
Jenes Jenseits, das des Apostels goldner
Schlüssel nur auftut.

Führt mich dorthin lieber, und sei's die Hölle,
Wo der Vorwelt würdigen Seelen Raum ward,
Wo Homer singt oder der lorbeermüde
Sophokles ausruht.

Aber schweigt jetzt, Sterbegedanken! Blüht nicht
Lebenslust rings unter dem Römervolk noch,
Einem Volk, dem zehrendes Feur die Lieb ist,
Liebe die Freundschaft?

Daure, Herz, ausdulde die Zeit des Schicksals,
Wenn auch einsam! Stimme geheim, o stimme
Deinen bergstromähnlichen, echoreichen,
Starken Gesang an!
 
Hier steht zwar nicht 'Rom' dran, aber ich denke, es steht auf allerinnigste Weise 'Rom' drin.
Auch ergänzt dieses Gedicht Platens doch sehr schön die Zeilen zum 'Apollo von Belvedere'.


Tristan

Wer die Schönheit angeschaut mit Augen,
Ist dem Tode schon anheimgegeben,
Wird für keinen Dienst auf Erden taugen,
Und doch wird er vor dem Tode beben,
Wer die Schönheit angeschaut mit Augen!


Ewig währt für ihn der Schmerz der Liebe,
Denn ein Tor nur kann auf Erden hoffen,
Zu genügen einem solchen Triebe:
Wen der Pfeil des Schönen je getroffen,
Ewig währt für ihn der Schmerz der Liebe!


Ach, er möchte wie ein Quell versiechen,
Jedem Hauch der Luft ein Gift entsaugen
Und den Tod aus jeder Blume riechen:
Wer die Schönheit angeschaut mit Augen,
Ach, er möchte wie ein Quell versiechen!


August von Platen
 
Sehr schön!

Ich wollte mal vielen Dank sagen, an alle die sich bisher hier beteiligt haben. Ich freue mich sehr über die Qualität der Beiträge, so macht das Spaß!!!

Viele Grüße
Thorsten
 
Das Pantheon


Oft, in der Mitternächte Schweigen,
Pfleg' ich mit leisem Geistertritt
Das Capitol herabzusteigen,
Und schnell beflügelt sich mein Schritt,
Die dunkeln Wege wandl' ich schnelle,
Die nur die tiefste Sehnsucht kennt,
Wo selten nur ein Lichtchen helle
Vorm Bild der Muttergottes brennt.​

Da hör' ich durch die düstre Stille,
In der so gern die Trauer sinnt,
Wie schon des Brunnens reiche Fülle
Ins dunkle Becken murmelnd rinnt,
Und plötzlich, als erstünd' es eben,
Ein hoher Geist, vom Grab empor,
O Götter Roms, Ihr habt mein Leben-
Taucht's herrlich aus der Nacht hervor.​

O wie mit namenlosem Schauer
Hängt Herz und Auge da an dir,
Und wie voll schwermutvoller Trauer,
Voll grossem Ernst erscheinst du mir,
Du Stolz der Vorwelt und der Ahnen,
Du Riesenkind voll Majestät,
Von Völkerstürmen und Orkanen
Schon zwei Jahrtausende umweht.​

Das sich der schwarzen Macht der Horen,
Dem Schiksal seines Roms zum Spott,
Zum grossen Liebling auserkoren,
Dein alter heil'ger Donnergott,
Mein Tempel und mein höchstes Sehnen
Der zarten Kindessehnsucht schon,
Du Opferschale meiner Tränen,
Nun meine Braut, oh Pantheon!​

Mir ist's, es sei dir zugeschworen,
Als wärest du mein gröss'res Herz
Zur kühnen Schöpfung ausgeboren,
All mein Gesang mit seinem Schmerz,
Zum hohen Marmorbild gegründet,
Der Götter Herrlichstem geweiht,
Auf ew'gen Säulen fest gegründet,
Und sein Altar Unsterblichkeit.​

Der Wanderer sieht mit selg'en Blicken
Roms Forum in der Abendglut,
Wo unter mächt'gen Säulenstücken
Der breitgehörnte Stier nun ruht,
Und sanft umblüht von frischem Grüne
Durchstrahlt von Gold und Himmelblau,
Der Vorwelt furchtbarste Ruine,
Des Colosseums Riesenbau.​

Doch flücht' ich stets aus diesem Grause
Erinnerungsvoller Einsamkeit
Mich wieder zu dem Götterhause,
Wo eingehüllt in Dunkelheit,
Von tiefern Schatten nur gehoben,
Die stolze Säulenhalle blickt,
Und über seiner Wölbung oben
Mich nur ein einz'ger Stern entzückt.​

Von Tasso's Eiche seh' ich gerne
Hinab, wo sich gewaltig, Rom,
Vom Tempel der Minerva ferne
Entlang bis zu St. Petri Dom,
Dein ungeheures Bild entfaltet,
Und unter schlanker Pinien Pracht,
So unaussprechlich schön gestaltet,
Sabina's Duftgebirge lacht!​

Doch stillt mein Sehnen all und Hoffen
Agrippa nur dein Tempelrund,
Denn gastfrei, allen Göttern offen,
Mit allen Himmlischen im Bund,
ist ihm das ernste Herz willkommen,
das für die alten Götter fühlt,
Und jetzt, ach nur zu oft beklommen,
In deiner Nacht die Flamme kühlt.​

Oh lass, ich flehe, mein dich nennen,
Und alles Andre geb' ich her,
Ich bin allein, lass mich bekennen,
Die ich für treu hielt, sind's nicht mehr,
Sei du's! Ich weihe dir mein Leben,
Und weil mir ja der Mensch nichts gab,
So wird dich selbst mein Geist umschweben,
Du meines Herzens ewig Grab.

Wilhelm Waiblinger
1826​
 
Zuletzt bearbeitet:
Es mag sicherlich gute Gründe geben, Felix Dahns* Roman "Ein Kampf um Rom" abzulehnen - z.B. als kitschig, nationalistisch usw. Dennoch ist er in der Literaturgeschichte so untrennbar mit Rom verbunden, dass eine Blütenlese von Rom-Lyrik an diesem berühmten tragischen Abgesang des Buches wohl kaum vorbei kommt.



Die letzten Goten

Gebt Raum, ihr Völker, unserm Schritt,
Wir sind die letzten Goten.
Wir tragen keine Krone mit;
Wir tragen einen Toten.

Mit Schild an Schild und Speer an Speer
Wir ziehn nach Nordlands Winden,
Bis wir im fernsten grauen Meer
Die Insel Thule finden.

Das soll der Treue Insel sein:
Dort gilt noch Eid und Ehre.
Dort senken wir den König ein
Im Sarg der Eichenspeere.

Wir kommen her – gebt Raum dem Schritt –
Aus Romas falschen Toren.
Wir tragen nur den König mit –
Die Krone ging verloren.

1876


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*Fürs Urheberrecht: 1834-1912
 
Zuletzt bearbeitet:
Kolosseum


Was stehst du da, du stolzer Bau,
Und siehst mich traurig an,
Aus deinen Brauen altergrau,
Was hat man dir getan?​

Sag an, was dir wohl fehlen mag,
Und sei es noch so viel,
Liegt das Gebrechen erst am Tag,
So setzt man wohl ein Ziel.​

Doch ja! an deinen Wänden hier,
Hat Raubsucht dich gepackt,
Bis an die festen Rippen schier
Steht deine Seite nackt:​

Allein die Rippen halten noch
Und schliessen ihren Ring
Und trotz dem Räuber stehst du doch,
Indes er selbst verging.-​

Auch deines Schmuckes, deiner Zier
Wardst frevelnd du beraubt,
Und kahl und dürftig stehst du hier
Mit unbedecktem Haupt:​

Ein andrerseufz ob solchem Druck,
Dir sei die Klage fern,
Die Grösse ist des Grossen Schmuck,
Nur Kleines putzt sich gern.-​

Dies Zeichen hier am Vorderteil-
Was bebst und schütterst du?
Das Zeichen ists von Ruh und Heil,
Wie nähms dir Heil und Ruh?​

Wiss, alles Irdische ist schwach,
Und alle Kraft ist hohl,
Hilft nicht das Überirdische nach,
So steht sichs nimmer wohl.​

Allein du meinst, dir sei nicht bang,
Du würdest selber sehn,
Du seist gestanden Säkuln lang
Und würdest ferner stehn?​

Nun wohl, so wirf es denn hindann
Und trotze bis zum Tod,
Wer von sich selber stehen kann,
Hat keiner Stütze not.​


Franz Grillparzer
Rom, 14. April 1819​
 
Zuletzt bearbeitet:
Für Ludovico,
der weiß, warum.
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Zünde mir Licht an

Zünde mir Licht an, Knabe! "Noch ist es hell. Ihr verzehret
Öl und Docht nur umsonst. Schließet die Läden doch nicht!
Hinter die Häuser entwich, nicht hinter den Berg, uns die Sonne;
Ein halb Stündchen noch währt's bis zum Geläute der Nacht."
Unglückseliger! geh' und gehorch'! Mein Mädchen erwart' ich;
Tröste mich, Lämpchen, indes, lieblicher Bote der Nacht!​
(Johann Wolfgang von Goethe)
 
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