Bericht: Lusitania - Römisches im Alentejo

rikmanfredson

Aedilis
Stammrömer
Liebe Foristi,

lang ist's her, dass ich etwas in diesem wunderbaren Forum geschrieben habe und über "Römisches" berichtet habe. Das liegt daran, dass mich die wenigen Reisen seit den "Lateinferien in der urbs" zu anderen Zielen geführt haben, die wenig mit Rom oder der Antike zu tun hatten. In der Karwoche war ich allerdings in Portugal und hier trifft man immer wieder auf die römische Vergangenheit des Landes. Daher möchte ich nach und nach die ein oder andere Sehenswürdigkeit vorstellen.

Zuerst war ich in Begleitung einer Reisefreundin drei Tage in Lissabon. Im archäologischen Museum gab es sehenswerte Fundstücke, aber dazu später. Danach fuhren wir durch den Alentejo, bestaunten die wunderbare Landschaft, besuchten Evora, einige Dörfer und Zeugnisse der Vergangenheit in der weiteren Umgebung und besichtigten zuletzt die Ausgrabung der römischen Stadt Mirobriga.


Genug der Vorrede. Ich beginne mit einer Brücke:




Olisipo (heute Lissabon) war durch eine via publica mit Emerita Augusta (Mérida) verbunden. 12 km vor Abelterio (heute Alter do Chao) befindet sich sechsbogige Brücke über das Flüsschen Seda.

Die Brücke ist 116m lang und besteht aus großen Granitblöcken. Die Löcher, die man in den Steinen sieht, stammen vom Baugerüst. Die fünf inneren Pfeiler besitzen bergwärts Strombrecher. In den Zwickeln befinden sich Überlaufnischen; diese liegen derart hoch, dass anzunehmen ist, dass sie mehr der Ästhetik dienten als ihrer eigentlichen Funktion. Daraus wird die Datierung der Brücke in die Zeit des Augustus abgeleitet.
Die Fahrbahn ist etwa 4m breit und war früher nicht eben wie heute, sondern zur Mitte hin erhöht. So konnte das Regenwasser seitwärts abfließen, bergseitig über Wasserspeier und auf der anderen Seite über Abflusslöcher in der Brüstungsmauer, die das Wasser in eine Rinne leiteten; diese wirkt in der Gesamtansicht der Brücke wie ein breites Gesims am oberen Rand.
Nach Schattner (Thomas Schattner: Archäologischer Wegweiser durch Portugal) gehört die Brücke zu den am besten erhaltenen Brückenbauten auf der Iberischen Halbinsel.


Sehr dicht neben der antiken Brücke steht die moderne Brücke der N 369, die das Eintauchen in die Antike leider etwas behindert. Gräser, Blumen und Gestrüpp standen gerade auf der westlichen Uferseite brusthoch und der Boden war matschig, so fand ich auf dieser Seite zum Fotographieren nicht die Perspektive, die ich gern gehabt hätte. Aber egal. Die Brücke gefiel mir außerordentlich gut!
Als wir am späten Nachmittag ankamen, besichtigten zwei Motorradfahrer den Brückenbau, und auch als wir am Ufer ein wenig picknickten, kamen zwei Pärchen vorbei. Das mag daran liegen, dass die römische Brücke an der Hauptstraße gut ausgeschildert ist. Ansonsten scheint sie mir nicht sehr bekannt zu sein; im Dumont-Kunstreiseführer steht jedenfalls nichts davon.

 
Hallo liebe Rik,

ich freue mich, wieder einmal von Dir zu hören und noch dazu mit einem schönen Reisebericht!
Portugal und Lissabon würde mich auch einmal reizen und deshalb werde ich sehr gerne Deinen Bericht weiter verfolgen.
 
Hallo Rik,

schön wieder von dir zu hören und zu lesen und das du bei auch in Portugal bei Bauwerken aus der römischen Vergangenheit gleich an uns hier im Forum gedacht hast :nod::thumbup:
 
Gerne doch! Ihr habt mir mit so vielen Infos weitergeholfen, dass ich gerne hier meine Bilder und bescheidenen Erkenntnisse teile.

Heute gibt es "Vorrömisches":

Auf der Fahrt von der Brücke nach Evora kündigte sich ein kitschiger Sonnenuntergang an. Als im Ort Pavia ein Miradouro ausgeschildert war, folgten wir dem Hinweis. Mitten im Ort mussten wir stoppten, da uns ein Dolmen auffiel, der zur Kapelle umgebaut und dem Hl. Dionísio / Dinis geweiht worden ist. Der Kapellenraum war ursprünglich die Grabkammer, bestehend aus sieben Tragsteinen und einem Deckstein. Der Gang zur Grabkammer ist nicht mehr erhalten, aber am Eingang zur Kapelle durch zwei kleinere Steine nachgewiesen. Als wir ankamen, stand die Türe offen und man konnte durch das Gitter auf den mit Azulejos verzierten Altar blicken. Insgesamt fügt sich die kleine Kapelle wunderbar ins dörfliche Ambiente ein.


Nebenan hatte das Café Dolmen geöffnet. Zwei Männer standen am Tresen und teilten sich ein Fleischgericht, ein weiterer und Wirt verfolgten eine Sportsendung im aufgestellten TV. Eine Frau saß auf einem Plastikstuhl. Vor ihr stand eine große Eisenschüssel, worin glühende Kohle lag und eine herrliche Wärme abgab; draußen war es nämlich erstaunlich kühl. Die Herren bekommen wohl selten Touristen zu Gesicht, sie hatten mit uns große Freude. Die Verständigung erfolgte mit Händen und Füßen und ein paar Brocken Französisch, dennoch war es eine nette Begegnung. Sie baten um ein Gruppenfoto und luden uns auf ein Gläschen Wein bzw. einen „Bica“ (Espresso) ein. Als wir weiterfuhren, war es schon dunkel, aber das war egal.
 
Liebe Rik,

ich sehe, Du hattest ein paar schöne Tage, die sogar noch Römisches zutage förderten. Danke, dass Du das hier mit uns teilst und so Ideen für künftige Eskapaden lieferst.

Viele Grüße aus einem heute mal sonnigen Lutetia

Claude
 
Oh, ja, Portugal finde ich sehr schön!


Aus zeitlichen Gründen konnten wir leider nach der Brücke von Seda nicht mehr die Ausgrabung einer römischen Villa nahe Monforte besichtigen. Bei einem nächsten Besuch des Landes muss das nachgeholt werden. :lol: Diese römische Villa zeigt ein typisches Beispiel einer reichen villa rustica auf der Iberischen Halbinsel. Der Wohnbereich ist sehr ausgedehnt und besitzt vorzügliche Wandmalereien und Bodenmosaike aus Mythologie und Freizeitleben. In Lissabon im Museu Nacional de Arqueologia konnte ich einen Teil eines Mosaiks bewundern, und zwar die Abbildung der neun Musen aus dem 4. Jh.

Dargestellt sind von links nach rechts:
Kalliope (mit Schreibtafel und Schreibgriffel) ist die Muse der epischen Dichtung.
Euterpe (mit dem Aulos) ist die Muse der Lyrik und des Flötenspiels.
Erato (mit Lyra) ist die Muse der Liebesdichtung.
Thalia (mit lachender Theatermaske) ist die Muse der Komödie.
Melpomene (mit ernster Theatermaske) ist die Muse der Tragödie.
Klio (mit Papierrolle) ist die Muse der Geschichtsschreibung.
Urania (mit Zeigestab) ist die Muse der Astronomie.
Polyhymnia (kein spezifisches Attribut) ist die Muse des Gesangs mit der Leier.
Terpsichore (mit Leier?) ist die Muse für Chorlyrik und Tanz.

Die Abbildung ist von einem Mäanderband eingefasst (s.u.). Das Emblema ist nur ein Teilstück eines größeren Werkes; weitere 11 Paneele würden eigentlich noch zu diesem Boden gehören, sind aber nicht ausgestellt.

Das Spruchband unter der Musenabbildung heißt: SCO[PA] [A]SPRA TESSELLAM LEDERE NOLI. UTERI F(elix) -„Beschädige das Mosaik nicht mit einem rauen Besen. Viel Glück! (Eigentlich: Gebrauche es als Glücklicher).“ Nun ja, ein etwas eigenartiger Spruch, der den Eintretenden hier begrüßte, mit sprachlichen Abweichungen von der Hochsprache…


Des Weiteren fand ich eine Doppelherme interessant: Hier sind der Kopf eines bärtigen jungen Mannes und der einer jungen Frau miteinander verbunden. Beide haben welliges Haar, gekrönt mit einem Kranz aus Zweigen und Efeublätter. Das Museu deutet die beiden als Dionysos und Ariadne. Hermen leiten sich von bildlosen Steinmalen her, die in ganz früher Zeit an Wegkreuzungen, Grenzen, Eingängen und Gräben für Hermes als Gott der Reisenden und Gott des Übergangs aufgestellt waren. Daraus entwickelten sich die bekannten Hermen, d.h. Pfeiler als Basis mit aufgesetzten Kopfabbildungen. Die Doppelherme stellt eine Sonderform dar; beliebt ist hierbei u.a. die Darstellung des Dionysos und seiner Ehefrau Ariadne, da diese beiden die „Wiedervereinigung der Gegensätze im Rahmen der dionysischen, esoterischen Traditionen symbolisieren (männlich / weiblich; Tag / Nacht; Sonne / Mond) und die Fruchtbarkeit symbolisieren“, so das Museu in einer Beschreibung.


Als ich diesen Mitras ablichtete, kam ein Wärter und verbot mir die Benutzung des Stativs, das ich vorher und in anderen Museen problemlos verwenden konnte. Obwohl ich nickte, das Verbot sofort und widerspruchslos akzeptierte und das Stativ wegpackte, „machte“ mich dieser Mensch echt dumm an und drohte sogar die Polizei zu holen. Ich weiß nicht, warum. Aber jedenfalls hat er mir die weitergehende Befassung mit dieser Statue verleidet. :evil:
 
Wunderschöne Eindrücke lieferst du uns da. Erinnert mich stark an meine Andalusien Reise letzten Herbst, gerade was den römischen Einfluss in der Peripherie des Imperium Romanum angeht bzw. dessen Überdauern über die Jahrhunderte. Ich bin immer wieder überrascht, wie gut die archäologischen Museen auf der Iberischen Halbinsel bestückt sind, sogar die kleinen.
 
Unsere Fahrt führte nach Evora - einst eine bedeutende Stadt im Imperium Romanum. Schon beim Heranfahren fallen die Stadtmauer auf, die teilweise noch römisch ist, und ein großer Aquädukt, der in die Stadt führt. Die heutige sichtbare Wasserleitung stammt allerdings aus dem 16. Jh. als Ersatz für die vorherige römische. Besonders reizvoll fand ich die Bögen im Inneren der Stadt, weil sie teilweise verbaut sind und sich nett in die engen Seitengassen einfügen:


Evora wählte ich u.a. deswegen aus, weil ich den dortigen Tempel sehen wollte, gilt er doch als einer der besterhaltenen auf der iberischen Halbinsel. Es handelt sich um einen Podiumstempel im Stile eines Peripteros, d.h. er ist an allen Seiten von Säulen umgeben. Auf der Langseite (24 m) waren dies 9 Säulen, auf der Schmalseite (15 m) 6 Säulen. Es stehen nicht mehr alle davon, doch schön ist zu erkennen, dass die Kapitelle korinthisch sind. In die Cella kam man nicht über eine große Treppe wie z.B. beim Portunus-Tempel in Rom, sondern über zwei Treppen, die seitlich angeordnet waren. Der Unterbau des Tempels besteht aus einer Schüttung von Stein und Mörtel, eingefasst von einem Mauerwerk. Der Tempel war in der Antike auf drei Seiten von Wasserbecken umgeben, davon sieht man heute nichts mehr.


Aus stilistischen Gründen datieren Archäologen den Tempel in die 1. Hälfte des 1. Jh. n.. Chr. Zwar wird meist behauptet, der Tempel sei der Göttin Diana geweiht, doch Schattner meint, hierfür fehle jede Grundlage. Wahrscheinlicher sei, dass der Tempel dem Kaiserkult diente.
 
Das Museum in Evora befindet sich direkt gegenüber dem römischen Tempel und beherbergt u.a. einige sehenswerte Stücke aus römischer Zeit.

Diese Statue einer sitzenden weiblichen Person fiel mir als erstes auf. Sie ist eine qualitativ hochwertige Arbeit aus der Zeit des Augustus, leider ist nur das Unterteil erhalten.



Einige Altäre und Grabinschriften sind ausgestellt. Am besten gefiel mir diese kleine Stück:

D(is) M(anibus) s(acrum)
M(umia) L(uci) filia Cu/pita ann(orum) XXXXIIII
Q(uintus) L(- - -) N(- - -) marit(a)e et
Antonia Fundana et Mumia Rufina
filias matri pi/issim(a)e posue/runt
h(ic) s(ita) e(st) s(it) t(ibi) t(erra) l(evis)

Dis Manibus Sacrum - den Totengeistern geweiht - ist eine Formel, die in Grabinschriften der römischen Antike erscheint. Diese Inschrift trat nicht vor der Zeit des Augustus auf und wurde erst in nachaugusteischer Zeit, dann auch in abgekürzter Form, allgemein gebräuchlich Die hier gezeigte Grabinschrift stammt aus dem 3. Jh. n. Chr.
Typisch ist auch die Schlussformel: „Hier liegt sie bestattet. Möge ihr die Erde leicht sein“, also: „Mögen ihre Gebeine sanft ruhen.“
Interessant aus sprachlicher Sicht finde ich das Vokabel marita, das in klassischer Zeit in der weiblichen Form nicht gebräuchlich ist. Filias hingegen stellt einen klaren Grammatikfehler dar: Es müsste filiae heißen, da ja die Töchter (Subjekt) für ihre Mutter den Grabstein aufgestellt haben.


Besonders neugierig war ich auf den schlafenden Satyr, den Schattner nennt. Dieses Wesen der griechischen Mythologie gehört zum Gefolge des Dionysos, welcher als Gott des Weines und des Rausches verehrt wurde. Dass es sich beim Schlafenden um einen Naturdämon handelt, verdeutlicht der tierische Schwanz. Das struppige Haar, die sehr spitz zulaufenden Ohren und das Pantherfell, auf dem der Schlafende liegt, sind Elemente, die auf den dionysischen Umkreis hinweisen.




Die Statue wirkt insgesamt sehr flach und in meinen Augen nicht besonders fein gearbeitet. Im Vergleich (s. Foto) mit dem hellenistischen Faun, der in der Glyptothek in unflätiger Pose ruht und dessen Ausstrahlung einfach gigantisch ist, hinkt dieser Vertreter seiner Gattung doch hinterher.




Den Löwen im Hintergrund hab ich nochmals extra abgelichtet: Er war auf einem Grab als Wächter aufgestellt:


Am Eingang des Museum war ein großes Plakat aufgehängt, das die vom Gewand umspielten Beine einer Frau zeigte. Ich vermutete ein viel größeres Werk als das etwa 50 cm hohe Bruchstück eines Reliefs, das eine Mänade im anmutigen Tanzschritt zeigt. Das Relief stammt aus augusteischer Zeit, hat aber ein griech. Vorbild aus dem 4. Jh. v. Chr.



Baustelle: Museum
 
Zuletzt bearbeitet:
Schon letztes Jahr auf meiner Wanderreise entlang der Costa Vicentina war ich von der Ilha do Pessegueiro fasziniert. So musste ich wiederkommen. Leider spielte das Wetter heuer nicht mit: Tiefe Wolken und starker Wind ließen den Atlantik sehr rau erscheinen und die Insel mehr als unwirtlich, während letztes Jahr im Sonnenschein die Küstenvegetation in den buntestes Farben leuchtete.


Ich möchte hier die Insel kurz ansprechen, weil sie schon in römischer Zeit besiedelt war. Die Gebäudereste, die man auf den Bildern sieht, stammen von einem Fort aus dem 16. Jh; die römischen Ruinen kann man nur bei genauem Hinsehen an der Südspitze der Insel ausmachen. Es handelt sich um rechteckige Gebäude mit mehreren Innenräumen sowie zwei runde Gebäude, die einst als Brotofen und als Schmelzofen für Metalle dienten. Die Anlage wurde vornehmlich als Lagerstätte für die am gegenüberliegenden Festland abgebauten Minerale und für die gefangenen Fische aus den umliegenden fischreichen Gewässern benutzt. Die ausgegrabenen Beckenanlagen dienten der Fischverarbeitung und Herstellung des beliebten garum. Datiert werden die Ruinen teils ins 1./2. Jh., teils ins 3./4. Jh. Ob die Insel mit dem von Avenius in seinem Werk ora maritima erwähnten Poetanion identisch ist, ist umstritten: Poetanion autem est insula ad Sefum latus patulusque portus. Möglich ist auch, dass der Hafen von Setubal gemeint ist.

 
Vielen Dank für diesen aussagekräftigen Eindrücke und das schöne Bildmaterial. Ja, dass der Atlantik durchaus rauhe Seiten hat, ist mir bei einem früheren Portugal-Urlaub schon klar geworden.

Ich bin gespannt, wie es weitergeht!
 
Dem kann ich mich nur anschließen!
Tolle Fotos des rauen Atlantiks. :thumbup:
 
Danke. Es freut mich sehr, wenn ihr Gefallen an den Fotos und am Bericht findet! :) unterwegs habe ich mir wirklich mehrfach gedacht, dass ich zuhause im Rom-Forum von den entdeckten „Schätzen“ berichten will.

Heute möchte ich euch Fotos vom Alqueva-Stausee zeigen. Im Vorfeld war ich drauf eingestellt, dass ich diesen künstlichen See des Rio Guadiana als Wunde in der Natur empfinden und das Projekt als „hässlich und unmenschlich“ ablehnen würde. Wieviel natürliches Land ist nun vom Wasser bedeckt! Und nicht nur das! Auch das Castelo da Lousa, die Ruine eines gut erhaltenen römischen Wehrgehöfts, ist in den Fluten untergegangen. 8O :x Unglaublich, wie wenig Rücksicht man auf die Kulturgüter manchmal nicht. Meine Einstellung war also nicht die beste. Vor Ort kam es ganz anders:

Den ersten Blick auf den See hatte ich vom Dorf Monsaraz aus, das majestätisch oben auf einem Hügel thront.


Die malerischen Gassen und die Ruinen einer stattlichen Burg sind an sich schon wunderbar anzusehen, doch der Ausblick von dort ist grandios. Der See erschien mir bereits hier zwar riesig, aber irgendwie wunderbar in die Landschaft eingebettet.


Auf der Weiterfahrt wählten wir kleine Straßen, um möglichst nah ans Wasser heranzukommen. Und so fuhren wir ungeplant durch das Dorf Luz. Alles wirkte dort sehr neu, die Fassaden waren weiß, die Straßen sauber. Und doch hatten wir das Gefühl, das irgendwas nicht stimmt. Und als wir dann etwas außerhalb des Dorfes standen, da fielen mir die Schuppen von den Augen :idea: und ich erkannte, dass es DAS Dorf Luz ist, von dem ich in einem Geo-Heft gelesen hatte. Der Bau der Staumauer machte nämlich eine Umsiedlung des alten Dorfes Luz notwendig. Nur wenige Kilometer vom alten Luz entfernt baute man das neue Luz, nach dem alten Plan, nur größer, breiter und moderner. Die Straßen waren gleich angeordnet, jeder hatte den denselben Nachbarn wie früher, auch das Cafe war an derselben Stelle im Dorf angesiedelt. Die alte Kirche wurde abgetragen und an der neuen Stelle wieder aufgebaut. Zwischen dem projektleitenden Unternehmen und der Dorfbevölkerung, die dem Projekt natürlich ablehnend gegenüberstand, kam es zu großen Konflikten. Auch innerhalb des Dorfes begann man zu streiten. Lebensfreude und v.a. das Gefühl von „Zuhause-Sein“ ging bei den meisten verloren. Und irgendwie genau das merkten wir, als wir durch die leeren Straßen fuhren. An der neuen alten Kirche machten wir Halt. Ein Storch hatte oben sein Nest gebaut. Irgendwie wirkte alles friedlich, aber doch unglücklich.

Zwar nachdenklich ließen wir uns nicht von dieser Stimmung anstecken, sondern genossen den Blick auf den See. Ich entdeckte nicht weit einen Steg, der durch Wiesen zum Wasser führte. Und natürlich musste ich dort entlangwandern. :lol: Welch ein schöner Spaziergang war das! Die buntesten Blumenteppiche lagen unter mir und die unterschiedlichsten Düfte in der Luft. Es zwitscherte und summte um mich herum. Die Sonne schien warm und ich genoss die Stunden an diesem Ort sehr. Ich war mit dem Stausee mehr als versöhnt - so schnell geht es… 8)

 
Liebe Rik,

auch diese Bilder gefallen mir sehr gut und ich kann Deine Gefühle bezüglich des Stausees und des umgesiedelten Dorfes nachvollziehen. Aber schön sieht er wirklich aus, der See. :nod:
 
Liebe Angela,

es freut mich, dass die Fotos Anklang finden. An der Baustelle "Evora - Museum" ziehen sich wie an jeder Baustelle die Arbeiten; ich finde immer nur für ein Objekt Zeit...

Inzwischen zeige ich euch einige Landschaftsfotos: Lupinenfelder unter den Korkeichen! So etwas Strahlendes habe ich noch nie gesehen! Dazu der blaue Himmel und die sich grotesk verrenkenden Bäume.

 
Der letzte Programmpunkt meiner Portugalreise war Mirobriga, worüber ich noch kurz berichten möchte.

Der Name zeigt, dass der Ort keltischen Ursprung hat, denn das Suffix –briga ist keltisch und bedeutet „Hügel / Berg“ und findet sich in vielen Ortsnamen. Das Präfix Miro- könnte sich auf den Fluss Mira weiter südlich verweisen. Heute liegt das Ausgrabungsgelände östlich von Santiago do Cacém. Den Rundgang begann ich beim Museum. Neben einer sehr kleinen Sammlung von Fundstücken sind v.a. die Luftbilder aufschlussreich, die die Lage der Stadt schön verdeutlichen.

Vom Museum aus ging ich über Treppen an Wohnhäusern aus dem 1. Jh entlang, die. bis ins 4. Jh. bewohnt waren. Die Mauern sind noch erhalten, und durch die Hanglage fand ich diese Ruinen sehr fotogen.


Dann folgte ich der Straße nach Osten. Aufgrund der Entstehungsgeschichte der Stadt und der Lage auf einem Hügel gab es hier nicht das typisch römische Schachbrett-Straßensystem. Am Ende dieser langen Geraden teilt sich die Straße. Die Straße Richtung Norden endet im Nichts, hier sind die Archäologen noch an der Arbeit. Also kehrte ich um und wählte den gepflasterten, zypressengesäumten Weg nach Süden den Hügel hinab zu den Thermen. Linker Hand lagen die Überreste von Läden. Besonders interessant fand ich diese Rille im Stein, aus der ich das Vorhandensein ein Schiebetür folgere (bitte korrigieren, wenn ich irre).


Unten angekommen hat man an einen guten Blick auf die Thermen, die in einer Geländemulde liegen und eigentlich aus zwei Anlagen bestehen, den sog. West- und Ostthermen. Viele der Thermengebäude wurden von den früheren Ausgräbern wiederaufgebaut, sodass man sich wirklich gut orientieren kann. Der Grundriss der Anlage entspricht der normalen Aufteilung einer Bäderanlage mit verschiedenen Räumlichkeiten wie Frigidarium, Tepidarium und Caldarium, dazu noch Ankleideräumen und Latrinen. Gut erkennen lässt sich auch das Heizsystem.



Ich schlenderte an den Thermen vorbei und überquerte auf der Brücke aus dem 1. Jahrhundert n. Chr. ein kleines Rinnsal. Hier im Süden der Stadt lag ein ebenfalls noch unerforschtes Wohngebiet, sodass ich wieder umkehrte und die Straße nach Norden zum Forum hinauf wählte.​


Die Sonne schien, keine anderen Touristen störten und die Ruinen lagen wunderbar eingebettet in der Landschaft. Saftig grün zeugte das Gras von stetiger Lebenskraft und der blühende Mohn setzte kräftige Farbtupfer. Ich genoss den letzten Tag in Portugal in vollen Zügen. :nod:


Der Hügel war quasi terrassiert worden, die hier errichteten Gebäude dienten dem Markt- und Forumsbetrieb. Über einer Ruine war ein Schutzdach errichtet, weil die Wände noch relativ gut erhaltene Fresken aufweisen. Schattner interpretiert das Gebäude als Herberge, die aufgestellte Infotafel aus Teil eines Hauses (domus) eines reichen Besitzers. All diese Gebäude auf dem Hügel sind im 1. Jh. erbaut worden.


Oben erwartete mich der Höhepunkt meines Rundgangs und der Mittelpunkt der Ortes: nämlich ein rechteckiger, einst mit Säulenhallen umgebener Platz, das Forum, an dessen Nordseite ein Antentempel steht. Rechteckig, etwa 10x8m groß, thront er auf einem Podium, der Zugang erfolgte von der Schmalseite über eine Treppe, Hauptraum und Vorraum waren durch eine Türwand getrennt.


Nach Schattner war der Tempel für den Kaiserkult bestimmt, und nicht, wie man früher aufgrund einer Inschrift meinte, dem Aesculap. Eine Kopie dieser Inschriftentafel hängt allerdings immer noch an der Außenwand des Tempels: AESCVLAPIO (hedera) / DEO / C(aius) ATTIVS IANUARIVS / MEDICVS PACENSIS / TESTAMENTO LEGAVIT / OB MERITA SPLENDI / DISSIMI ORDINIS / [QV]OD EI [Q]VINQVATRI / ... VM PRAESTITERIT / F[ABIVS] ISAS HERES / FAC(iendum) (hedera) CVR(avit) (hedera).

Westlich daneben liegt ein weiterer Tempel, vermutlich der Venus geweiht; es handelt sich hier um einen dreischiffigen Tempel von 10×15 m mit einer Apsis im Mittelschiff, in der auch die Basis eines Altars gefunden wurde. Die Bedeutung der Venusverehrung wird durch den Fund von zwei Weiheinschriften an Venus und Fragmenten einer Venusfigur unterstrichen.

In der Nähe ist auch eine andere Weihinschrift aufgestellt, sie wurde dem G. Agrius Rufus von zwei Freunden gewidmet: G(aio) • AGRIO • RU/FO • SILONIS / ADLECTO ITALICENSI / M(arcus) • CASTRICI/US • LUCANIO • ET • / C(aius) • VALERIUS / PAEZON AMI/CO OPTIMO.


Den Besuch der Ausgrabung beendeten wir mit einem Blick auf den etwas weiter entfernt liegenden Zirkus bzw. das Areal, das einst den Zirkus ausmachte. Erkennen kann man mit bloßem Auge aus einiger Entfernung das lang gezogene Oval (ca. 350 m lang und 80 m breit), da die Umfassungsmauern noch im Fundament erhalten sind, und einige Mauerreste der spina. Auf der Südseite seien auch Spuren von Ställen und Unterstellplätzen für Tiere und Wagen gefunden worden, wie ich lesen konnte; gesehen habe ich davon aber nichts. Da man von den Zuschauerrängen nichts erhalten ist, schließt man, dass sie auf Holz waren.



Nun hieß es langsam Abschied nehmen vom Land jenseits des Tejo. Der Besuch von Mirobriga war ein würdiger Abschluss und wir fuhren Richtung Lissabon zurück.
 
Nach so viel Kultur möchte ich euch die herrliche Frühlingslandschaft nicht vorenthalten:
Olivenhaine wechselten mit Korkeichenwäldern und Wiesen, dazwischen Weinfelder. Mancherorts leuchteten gelbe Lupinen mit der Sonne um die Wette. Am Wegesrand fanden sich verschiedene Blumen, die bei uns erst im Juni oder Juli blühen.
Sehr grotesk fand ich ein verlassenes Hotel, oberhal eines Stausees. Das Gebäude stammte wohl aus den 60er oder 70er Jahren und war schon sehr heruntergekommen. Ich spazierte auf der Terrasse herum und hatten einen wunderbaren Ausblick auf den See. Da entdeckte ich einen alten Karren. Trotz des lieblichen Nachmittagslichtes hatte die ganze Szenen einen sehr morbiden Charakter...

 
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