Kulturpolitik unter Sangiuliano

Simone-Clio

Augustus
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Dieser Thread ist der Nachfolger von Kulturpolitik unter Dario Franceschini. Da wir sicher noch viel aus dem Kulturministerium mit Gennaro Sangiuliano an der Spitze und den drei Staatssekretären Vittorio Sgarbi, Gianmarco Mazzi und Lucia Borgonzoni hören werden, halte ich es für sinnvoll nun diesen Sammelthread anzulegen um passende Nachrichten gebündelt greifbar zu machen.


Der Minister will mehr Geld und Tempo für die schleppende Digitalisierung, die nicht nur Italiens öffentliche Verwaltung lähmt, sondern auch seine Kultureinrichtungen. Er will das riesige Kulturerbe des Landes besser gegen Umweltschäden und Verfall schützen. Und Italiens Schätze, von denen, so Sangiuliano, 90 Prozent unsichtbar in den Depots lagern, sollen besser zugänglich werden - für die eigenen Landsleute wie für den Tourismus aus aller Welt, der nach zwei Jahren Pandemiepause mit noch größerem Appetit auf Barock, Renaissance und antike Altertümer nach Italien zurückströmt. (...) Die einzige Idee, die sich im engeren Sinne als politisch lesen lässt, ist Fortsetzung dessen, was unter Premier Matteo Renzi, damals ebenfalls ein Sozialdemokrat, 2014 begonnen wurde: Die Reform der öffentlichen Kulturfinanzierung.

Ob die Zeit der "Donnerworte" bereits vorbei ist, wird man sehen. Zu diesen siehe: Italien: - Neuer Kulturminister Sangiuliano schreibt wütenden Brief an Uffizien-Direktor und Sangiulianos neues Drehbuch
 
Sangiuliano hat ein neues Angriffsziel entdeckt - oder vielmehr ein schon etliche Jahre altes wieder ins Visier genommen: Pantheon a pagamento, vicino l'accordo Ministero della Cultura-Campidoglio.

Kulturminister Gennaro Sangiuliano schlägt die Erhebung von Eintrittsgeld vor für einige Monumente, darunter vor allem das Pantheon. OB Roberto Gualteri antwortet: "Wir denken darüber nach, es könnte eine richtige Entscheidung sein, jedoch möge er (= Sangiuliano) Ausnahmen für die Römer in Betracht ziehen. Falls es nützliche Ressourcen für die Stadt wären, könnte es eine erwägenswerte Idee sein."
Il ministro alla Cultura Gennaro Sangiuliano propone l'ingresso a pagamento ad alcuni momunenti tra cui il Pantheon. E il sindaco di Roma Roberto Gualteri risponde: "Ci stiamo riflettendo, potrebbe essere una scelta giusta, lui pensa ad esenzioni per i romani. Se sono risorse utili per la citta può essere una idea da valutare".
 
Wie unter diesem Link zu lesen, stützt Sangiuliano seine Argumentation auf den Vergleich mit anderen europäischen Metropolen, vor allem Paris und London:
In Francia per visitare il Musée de l’Armée, Invalides e Tomba di Napoleone si pagano 14 euro, in Inghilterra l’ingresso a Westminster Abbey, dove sono sepolti i reali britannici, costa 25 euro (...). Da noi il prezzo del biglietto sarà molto inferiore. Ovviamente, potranno essere esentati i cittadini romani e, come già avviene per tutti i musei, i giovani europei fino a 18 anni, i disabili e i loro accompagnatori, le scolaresche, i docenti e le guide turistiche”.
In Frankreich zahlt man (jeweils) 14,- €, um das Musée de l’Armée, den Invalidendom und Napoleons Grab zu besuchen; in England kostet der Eintritt in die Westminster Abbey, wo Britanniens Könige begraben liegen, 25,- €. (...) Bei uns wird der Eintrittskartenpreis deutlich niedriger sein. Und natürlich können die Römer davon ausgenommen werden - ebenso wie in allen Museen junge Europäer unter 18 Jahren; Behinderte samt Begleitpersonen; Schüler, Dozenten und Touristenführer.
 
Seit Tagen liest man zu diesem Thema in der italienischen Presse, nun hat die FAZ nachgezogen:

Am Montag ruderte Sangiuliano zurück, in einem kleinlauten Brief an den „Corriere della Sera“. Der Kulturminister gibt zu, dass die politischen Kategorien von „rechts“ und „links“ natürlich erst Jahrhunderte nach Dantes Tod entstanden seien. Man könne Dante als „konservativ“ bezeichnen, für einen „Witz“ sei seine tiefgründige Gedankenwelt aber ungeeignet, und seine Ideen seien nicht so einfach auf die heutige Welt zu übertragen.

Sollte seine „Provokation“ dazu geführt haben, so Sangiuliano, dass der eine oder andere Dantes Schriften wieder zur Hand nehme, dann sei das doch „ein gutes Ergebnis“. Wenn der Kulturminister da mal nicht irrt. Sollte er Provokationen als Leseempfehlungen verstehen, kann sich Italien auf weitere Debatten gefasst machen.
 
Einen seit 700 Jahren toten Dichter in heutige politische Auffassungen einzubeziehen, ja ihn als Begründer einer politischen Richtung der Jetztzeit zu bezeichnen ist eine Schnapsidee, die eines italienischen Kulturministers unwürdig sein sollte. Obwohl....heutige Politiker ....
Als was würde sich denn der Herr Minister verorten ? Als schwarzer Guelfe, als weißer Guelfe oder gar als Ghibelline ? ;) :D
 
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Aktuell kann man in der italienischen Presse lesen, dass die Reservierung und der Verkauf von Eintrittskarten für autonome nationale Museen auf einer mit dem pagoPa-Verfahren verbundenen Plattform zentralisiert werden sollen. Die betroffenen Museen müssen ihr Verträge mit den bisher für den Verkauf der Tickets zuständigen Dienstleistern kündigen. Der künftige Ticketverkauf geht an das Kulturministerium über. Dazu wird eine Webseite und eine App namens "Ad Arte" eingerichtet.

Dazu u.a. folgender Artikel vom 12.5.2023:

Musei, la gestione delle biglietterie passa al ministero della Cultura: nasce Ad Arte

Diese, bereits umstrittene, Neuerung bedeutet nicht nur Veränderungen für die betroffenen Museen, sondern ebenfalls eine Umstellung für Touristen.

Der verlinkte Artikel beinhaltet eine Liste der betroffenen sog. autonomen nationalen Museen, 44 an der Zahl.

Sul sito del Mic sono indicati 44 Musei Autonomi Nazionali. Nel 2014 ne sono stati creati 20, dotati di autonomia scientifica, finanziaria, contabile e organizzativa: la Galleria Borghese, le Gallerie degli Uffizi, la Galleria nazionale d’Arte moderna e contemporanea, le Gallerie dell’Accademia di Venezia, il Museo e Real bosco di Capodimonte, la Pinacoteca di Brera, la Reggia di Caserta, la Galleria dell’Accademia di Firenze, le Gallerie Estensi, le Gallerie nazionali d’arte antica, i Musei del Bargello, il Museo archeologico nazionale di Napoli, il Museo archeologico nazionale di Reggio Calabria, il Museo archeologico nazionale di Taranto, il Parco archeologico di Paestum e Velia, il Palazzo Ducale di Mantova, il Palazzo Reale di Genova, i Musei reali di Torino, la Galleria nazionale delle Marche e la Galleria nazionale dell’Umbria. Due anni più tardi sono diventati 30, con il Complesso monumentale della Pilotta, il Museo delle Civiltà, il Museo nazionale etrusco di Villa Giulia, il Museo nazionale romano; il Museo storico e il Parco del Castello di Miramare, il Parco archeologico dell’Appia Antica, il Parco archeologico dei Campi Flegrei, il Parco archeologico di Ercolano, il Parco archeologico di Ostia Antica, Villa Adriana e Villa d’Este. Nel 2017 sono stati creati la Soprintendenza Speciale archeologia belle arti e paesaggio di Roma, il Parco archeologico del Colosseo e Parco archeologico di Pompei. Nel 2019 si aggiungono anche Vittoriano e Palazzo Venezia, la Pinacoteca nazionale di Bologna, il Museo nazionale di Matera, Palazzo Reale di Napoli, il Museo archeologico nazionale di Cagliari, il Museo nazionale d’Abruzzo e il Parco archeologico di Sibari, la Biblioteca e il complesso monumentale dei Girolamini. Nel 2021 raggiungono l’autonomia il Parco archeologico di Cerveteri e Tarquinia, la Pinacoteca nazionale di Siena, il Parco archeologico di Sepino e il Museo nazionale dell’arte digitale.
Hervorhebung von mir. Gefettet habe ich die betroffenen Museen in Rom und in Tivoli.

Vgl.: Musei e Parchi archeologici con autonomia speciale (44)

Vgl. auch: Il ministero della Cultura si riprende la biglietteria dei musei: nasce Ad Arte

Wie sich also in Zukunft die Reservierung und der Kauf von Tickets für diese Sehenswürdigkeiten genau gestalten wird, bleibt abzuwarten. Ich werde zu dieser Nachricht gleich noch einen eigenen Thread eröffnen. Siehe: Italien: - Ticketverkauf für autonome nationale Museen geht an Kulturministerium über

Wir hatten hier im Forum bereits einmal einen Thread namens Italien: - Mehr Autonomie für prestigeträchtige Museen. In Anlehnung daran könnte man sagen, dass nun ein Bereich der Autonomie an den Staat zurückgehen wird.
 
Artikel vom 19.7.
Italiens Kulturminister Gennaro Sangiuliano hat keinen Hehl aus seiner Ansicht gemacht, dass zu viele Ausländer an der Spitze italienischer Topkultureinrichtungen stünden – nicht nur, was Museen betrifft, sondern auch Opernhäuser. Im Frühjahr wies er in einem Fernsehinterview Vorwürfe zurück, dass die Regierung gegen ausländische Manager und Managerinnen voreingenommen sei, aber er sagte zugleich, ihre Vorherrschaft demonstriere „einen gewissen xenophilen Provinzialismus, demzufolge wir in jeder Hinsicht einen Ausländer berufen müssen“.

Zurzeit laufen die Prozeduren zur Besetzung von zehn Museumsdirektor-Posten, unter anderem in den Uffizien und der Mailänder Accademia di Brera, die beide gegenwärtig von Ausländern geleitet werden. Anders als bei den offenen Ausschreibungen 2014, als eine linksgerichtete Regierung aktiv bestrebt war, Personen aus dem Ausland einzubringen, wird in dieser neuen Runde jetzt verlangt, dass der Bewerber oder die Bewerberin fließend Italienisch spricht.

Obwohl ihr Vertrag bis Juni 2024 läuft, blickt Hollberg nervös einem erwarteten Regierungsdekret in Sachen Kultur entgegen, um zu sehen, ob das Museum erneut seine Unabhängigkeit verliert. Diesmal käme die Accademia nicht wieder unter die Kontrolle der Uffizien, sondern würde dem Nationalmuseum Bargello unterstellt, einer anderen Einrichtung in Florenz, die Donatellos bronzenen David beheimatet.

Siehe auch: Roms Museumskommission: Öffnung war gestern
 
Zitat aus dem verlinkten Artikel:
Zuletzt hatte die Regierung die Rai in Windeseile unter ihre Kontrolle gebracht, jetzt streckt sie die Hände nach dem Kino aus.
Folgerichtig sollte man vielleicht sprechen von "roten Klappen" (ciac rossi ... oder wie würde man das formulieren?) - nämlich in Analogie zu den Toghe rosse, also den "roten Roben" der italienischen Justiz?
 
Sehr deutliche Worte findet auch der Verfasser dieses heutigen FAZ-Artikels:
Die Regierung Meloni will sich das nationale Filmzentrum nach ihren Vorstellungen zurechtstutzen.
Diesmal kommt der Vorstoß von der Lega, der nationalistischen Partei von Matteo Salvini, dem Minister für Infrastruktur und Mobilität der Regierung Meloni. Im Rahmen des Jubiläums-Dekrets, eines Sammelsuriums von Verordnungen, die im Hinblick auf das Heilige Jahr 2025 gebündelt werden, haben vier ihrer Abgeordneten einen Änderungsantrag eingebracht, der in die Struktur und das Statut des Centro Sperimentale di Cinematografia (CSC), das Filmakademie und Filmarchiv vereint, so weit eingreift, dass es seine Autonomie verliert und der Exekutive untersteht. Die Position des Präsidenten wird abgeschafft und der wissenschaftliche Beirat, der bisher von diesem berufen wurde, von vier auf sechs Mitglieder erhöht, die künftig von der Politik gestellt werden: drei vom Kultur- und je eines vom Bildungs-, Universitäts- und Wirtschaftsministerium.
Nach der RAI ist die italienische Regierung dabei, nach ähnlichem Schema auch das nationale Filmzentrum unter ihre Kontrolle zu bringen. Als die Pläne Mitte Juli bekannt wurden, protestierten die Studenten mit Unterschriftenaktionen, Sitzblockaden und Demonstrationen und hängten ein Banner an den Palazzo des Instituts in der Via Tuscolana gegenüber der Cinecittà. Filmschaffende, unter ihnen Paolo Sorrentino, Luca Guadagnino, Marco Bellocchio, Gianni Amelio und auch Wim Wenders, unterstützen den Protest; Nanni Moretti wirft der Regierung „Gewalt und Grobheit gegen die Leitung des CSC“ vor, und die Opposition in der Abgeordnetenkammer kündigte lautstark Widerstand an. Elly Schlein, die Generalsekretärin der Demokratischen Partei, appellierte an die Regierung, „noch einmal nachzudenken“: „Wir werden Zeuge eines weiteren Versuchs, die Orte der Produktion von Bildern und Vorstellungswelten zu kontrollieren.“
Wobei allerdings der erste Satz dieses Absatzes grammatisch verpeilt ist insofern, als da die RAI ebenso wie nunmehr nach ihr die Regierung zu handeln scheint. Es hätte also korrekt lauten müssen (so oder ähnlich): "Die italienische Regierung ist dabei, nach der RAI - und nach ähnlichem Schema - auch das nationale Filmzentrum unter Kontrolle zu bringen."
M.E. wollte der Autor wohl die beiden "nach" möglichst weit entfernt voneinander setzen. Allerdings an seiner Stelle hätte ich das zweite ganz einfach vermieden ungefähr so: "(...) nach der RAI - und einem ähnlichem Schema folgend - (...)". ;)

Ungeachtet dieser kleinen Kritik jedoch gefällt mir der Artikel wirklich gut.
 

Gut dreiminütiges Audio. Darin u.a. zu hören, dass der Vertrag von Cecilie Hollberg, Museumsleiterin der Galleria dell'Accademia in Florenz, wie jener von Eike Schmidt, tatsächlich nicht verlängert wird. Dazu bereits weiter oben: Kulturpolitik unter Sangiuliano. Vgl.: Eike Schmidt verlässt die Uffizien
 
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