Kritischer Blick auf die " Blockbuster-Ausstellungen"

Nihil

Consul
Stammrömer
Sicher richtige Überlegung. Andererseits habe ich kürzlich in der Ausstellung „Fantastische Frauen“ sehr viel vergleichend ansehen können und bin auch Künstlerinnen begegnet, die ich bisher nicht kannte. So etwas sehe ich nicht bei mir „um die Ecke“. So absolut bin ich daher nicht gegen Großausstellungen.
 
Nur Ausstellungen bieten die Gelegenheit, Werke nebeneinander zu sehen, die sonst über die ganze Welt verteilt sind. Außerdem sind Vorbereitung und Durchführung einer Ausstellung immer auch Anlaß für wissenschaftliche Forschung - es wäre schade, wenn die Kunsthistoriker auf solche Gelegenheiten verzichten müssten. Gerade auch für die Wissenschaftler ist es eine Gelegenheit, Werke in unmittelbarer Nähe miteinander vergleichen zu können. Da sind auch die besten Digitalisate kein Ersatz!
 
Ich dachte immer, Forscher reisen dann immer an den Ort, wo das Objekt der Begierde hängt. Und können dann vergleichende Studien betreiben. Das Objekt der Untersuchung zu dislozieren, vielleicht sogar über den Atlantik zu fliegen, tut einen 500 jährigen Gegenstand nicht gut.
Ich habe oft den Eindruck, viele dieser "einmaligen" Supershows dienen mehr dem eigenen Renommée des Kurators , des Museums als der Sache als solcher.
 
Gerade auch die Wissenschaftler profitieren davon, dass z. b. zwei Gemälde nebeneinander hängen, die sonst bisweilen tausende von Kilometern voneinander entfernt sind.
Ein Beispiel wäre etwa die Magdalena in Extase von Caravaggio - die Ausstellung in Paris (2018) bot die Gelegenheit zwei Versionen dieses Bildes miteinander zu vergleichen und weiter über die Autentizität eines 2014 gefundenen Gemäldes zu diskutieren und es mit der Kopie von Finson zu vergleichen.

Es ist keineswegs so, dass hier das Ego eines Kurators gepflegt wird. Die Ausstellungen haben eine echte Funktion. Nicht umsonst gibt es neben Publikationen für das große Publikum in der Regel einen wissenschaftlichen Katalog, der auch einen echten Erkenntnisgewinn bringt (wenn er denn gut gemacht ist).
 
Ja, alles gut und richtig. Es wäre schon viel gewonnen, wenn die reinen Blockbuster-Ausstellungen weniger werden, die wirklich nur auf das große Publikum zielen und bei denen wissenschaftliche Fortschritte im Hintergrund stehen. Die x-te Van Gogh-"Gesamtschau" oder die x-ten Impressionisten-Schauen. Ausstellungen mit wissenschaftlichem Anspruch wird es hoffentlich weiter geben und dafür werden, wenn es konservatorisch zu vertreten ist, Kunstwerke auch hoffentlich weiterhin reisen. Ein aktuelles Beispiel ist die Zusammenführung von sechs Tizian-Gemälden, die ursprünglich einen Zyklus bildeten in der Londoner National Gallery:
Das ist eigentlich eine sehr spezielle Ausstellung, die trotzdem ein größeres Publikum anspricht.
 
Oh, ich will nicht absprechen, dass sich aus den Vergleichen von den Gemälden der Meister ganz neue Einsichten und Forschungsergebnisse erzielt werden. Bloss bezweifel ich, dass die wissenschaftlichen Erkenntnisse während der kurzen Ausstellungszeit erzielt werden, sondern eher in den Jahren davor, in denen die Austellung organisiert wird. Und in den Jahren reisen die Forscher, nicht die Beforschten.
Natürlich ist es toll, sowohl für Forscher als auch für das Laienpublikum, Meisterwerke im Vergleich nebeneinander zu sehen. Bloss fürchte ich, dass die meisten alten Kunstwerke durch die Umzüge leiden. Nicht ohne Grund geht die Mona Lisa wohl nie auf den Kunstausstellungs-Markt.
Hat man übrigens herausgefunden, wer von den ekstatischen Magdalenas die Echte ist? Oder gibt es zwei Originale?
 
... Es ist keineswegs so, dass hier das Ego eines Kurators gepflegt wird. ...
Na ja, dem Rennomee des einzelnen wird's nicht schaden. Aber ich denke, dass so große Ausstellungen doch insbesondere für uns das Publikum gemacht werden. Und wahrscheinlich stehen die großen Museen hier schon im Wettbewerb. Von daher ist ein Überdenken sicher sinnvoll. Für wissenschaftliche Zwecke allein, wären das doch etwas groß aufgezogen. Da müsste es auch andere - preiswertere - Möglichkeiten geben.
@Nihil wäre es angebracht in einen OT-Thread überzuwechseln, damit dein Sachthread nicht so überladen wird?
 
@Nihil wäre es angebracht in einen OT-Thread überzuwechseln, damit dein Sachthread nicht so überladen wird?
Das eine ist der Sachthread, das andere die durchaus sachliche Diskussion dazu. Insofern kann das von mir aus gerne zusammen bleiben. Die OTs sind ja schon etwas aufgebläht in ihrer Fülle und es reisst halt immer auch das Thema auseinander.
 
Ein aktuelles Beispiel ist die Zusammenführung von sechs Tizian-Gemälden, die ursprünglich einen Zyklus bildeten in der Londoner National Gallery:
Das ist eigentlich eine sehr spezielle Ausstellung, die trotzdem ein größeres Publikum anspricht.
Das ist bestimmt eine tolle Ausstellung. Aber ich fürchte bei 50% des zu erwartenden Publikums steht die Ausstellung mehr unter dem Gesichtspunkt" Muss man gesehen haben". So ein bisschen wie Name-Dropping, Abhaken des Bildungs-Kanons.
Aber vielleicht gibt es in London ja nicht nur für die Forscher einen Erkenntnisgewinn, sondern auch eine Horizont- Erweiterung beim Plebs.
 
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