Obwohl nicht von Bernini möchte ich auf den Christus des Michelangelo noch etwas näher eingehen - er steht sogar im Zusammenhang mit einem der Werke Berninis in dieser Kirche.
Obwohl Michelangelo einen Vertrag mit der Familie della Rovere geschlossen hatte, in dem er sich verpflichtete, bis zur Fertigstellung des Julius-Grabmals keine anderen Aufträge anzunehmen,
schloß er bereits am 14. Juni 1514 einen weiteren Vertrag ab. So sollte er für den römischen Adeligen Metello Vari de`Porcari einen "Auferstandenen Christus" zum Gedenken an seine Verwandte Marta
Porcari meißeln. Die Figur sollte lebensgroß, nackt und aufrecht stehend sein und ein Kreuz im Arm haben. Die Frist für die Fertigstellung wurde auf 4 Jahre festgelegt. Aufstellungsort sollte Santa Maria
sopra
Minerva sein und der Lohn 200 Dukaten, von denen er 150 im voraus bekam. Ab dem Sommer 1514 arbeitete er also an den beiden Aufträgen parallel. Die Statue des Christus ließ er aber schon
bald unfertig liegen, da eine schwarze Marmorader im Gesicht auftauchte und er nach Florenz ging. Mit der zweiten Fassung begann er erst zwei Jahre später, nämlich 1516. Das - zwischen 1546 und
1588 angebrachte - Bronzetuch ist ein Verschandelung späterer Zensoren. Erneuert wurde der Lendenschurz 1735 und 1933 obwohl ein Mönch im 17. Jh. bereits das Geschlechtsteil abgeschlagen
hatte. Als Michelangelo die Skulptur fertigte, nahm niemand Anstoß an einem nackten Christus in der Kirche. Es ist der Körper eines reifen Mannes, mit mehr Bein- als Armmuskulatur. Lediglich der
verklärte Gesichtsausdruck weist auf ein göttliches Wesen hin. Ohne Bart und Kreuz könnte die Figur auch eine römische Gottheit darstellen. Ungewöhnlich ist die unversehrte Darstellung, also ohne
Wundmale - die heute zu sehenden wurden später zugefügt. Geradezu zärtlich umfassen die Arme Kreuz, Schwamm, Strick und Rohr, was auf die Freiwilligkeit des Todes hinweist.
Auch der rechte Fuß war zeitweise mit einem Metallschuh versehen, da ein Kuß auf dieses Körperteil den jungen Frauen bei der Suche nach einem Mann helfen sollte und man verhindern wollte, dass der Fuß ebenso abgenutzt werde wie der des Petrus im Petersdom.
Michelangelo überließ die Fertigstellung - leider - seinem Assistenten Pietro Urbano. Die Skulptur wurde im Sommer 1521 von Florenz nach Rom verschifft, nachdem der gedulige Auftraggeber schon so
lange auf sie gewartet hatte und ab Herbst 1517 nun doch zu drängen begann. An der Statue waren noch kleine Nacharbeiten nötig, die Urbano aber so massiv
mißlangen, dass selbst Michelangelo ein Problem hatte, sie wieder auszumerzen.
Sebastiano del Piombo schrieb: "Aber ich teile Euch hiermit mit, dass er alles, woran er sich zu schaffen gemacht, verhunzt hat, vor allem hat er den rechten Fuß verkürzt, was man deutlich an den
abgeschnittenen Zehen sieht; außerdem hat er noch die Finger und die Hände verkürzt, vor allem die rechte, die das Kreuz umfasst. Frizzi sagt, sie sähen aus wie von einem gemacht, der Brezeln
formt; sie sehen nicht aus wie aus Marmor gearbeitet, sondern als wären sie aus Teig, dermaßen kläglich sehen sie aus. (...) Auch bin ich mir sicher, dass es noch ein schlimmes Ende mit ihm nimmt,
denn ich habe gehört, dass er spielt und keine Hure auslassen will, und in Rom geht er als Nymphe in Samtschuhen umher und haut anscheinend so manches Geld auf den Kopf."
Dieser Brief und das Verhalten von Pietro Urbano konnten das Verhältnis zu Michelangelo aber nicht trüben. Die Schäden wieder in Ordnung zu bringen wurde dann die Aufgabe von Federico Frizzi, der
in obigem Brief bereits erwähnt ist.
Enthüllung der Skulptur war am 27. Dezember 1521 und
sie erschien Michelangelo so schlecht, das er Ersatz anbot, was der Auftraggeber aber nicht annahm. Als Schadenersatz schenkte ihm Michelangelo aber die erste Fassung der Statue, die dieser dann
in seinem Garten aufstellte. Ursprünglich sollte der Christus im Hauptschiff aufgestellt werden, aber politische oder ästhetische Gründe sorgten für den prominenten Ort neben dem Chor.
Im 16. Jh. zählte die Figur zu den am meisten bewunderten Werken Michelangelos.
Die Kritik setzte erst ab dem 18. Jh. ein.