Heiße Julitage - planlos mit vielen Ideen in Rom

Danke für Eure Antworten. Ganz besonders danke ich Gordian für die beiden Hinweise.
 
Es gibt in Todi auch von den großen Parkplätzen auf halber Höhe her ein lustiges Mittelding zwischen Aufzug und Zahnradbahn, das einen kostenlos ins Zentrum bringt.
Hhhhmmm ... meinst du evtl. eine Standseilbahn?

Tja, es sieht so ähnlich aus, nur kleiner (es passen vielleicht 6 Leute rein). In jedem Fall extrem praktisch, denn der normale Anstieg vom Parkplatz aus ist doch reichlich steil. Wie die meisten umbrischen Städte (Ausnahme ist Foligno) liegt auch Todi auf einem Berggipfel und ist ziemlich bucklig. Die Zufahrt ins Stadtzentrum mit dem Auto ist (Ludovico war da ja wegen seines Schwagers ein Sonderfall) im allgemeinen nicht zu empfehlen.
 
Danke für Eure Antworten. Ganz besonders danke ich Gordian für die beiden Hinweise.

Vielen Dank.:blush:
Ich liebe Umbrien. Ist für mich die landschaftlich schönste Region Italiens (ja, ich kenne auch die Toskana). Und immer ruhig und gelassen, selbst in touristischen Highlights wie Orvieto. Negative Ausnahme ist vielleicht die Innenstadt von Assisi, ab etwa halb elf wirds da ungemütlich. Aber wenn Du um acht Uhr morgens kommst...:nod::nod::nod:
 
Donnerstag, 8. Juli, Palazzo Barberini

Nach dem gelungenen Ausflug in den Süden Umbriens war nun erst einmal die Fortsetzung der kleinen Instandhaltungsarbeiten angesagt. Am frühen Nachmittag, nach dem gemeinsamen Mittagessen, rüstete ich mich für eine Stadttour. Es war sehr heiß geworden. Deshalb beschloss ich endlich einmal die Gemäldegallerie im Palazzo Barberini zu besuchen und die etwas kühleren Spätnachmittags- und Abendstunden für eine kleine Fototour zu nutzen. Mit geschnürtem Fotorucksack, umgehängtem Stativ und das edle Haupt gut beschattet zog ich los.

Irgendetwas sorgte dafür, dass mich heute das Wasser magisch anzog. Von Termini ging ich, jeden Schattenstreifen nutzend, zur Piazza della Republica. Wie hatten es doch die Nymphen des Najadenbrunnens gut. Eine räkelte sich am Beckenrand und genoss sichtlich das Sonnenbad. Eine andere zog die erfrischende Dusche vor.


Ich gehe davon aus, dass dem herkulischen Mann in der Mitte heute das kühle Nass auch wichtiger war, als der siegreiche Kampf mit den Naturgewalten.​


Weiter ging es vorwiegend durch schattige, schmale Gassen zur Piazza Barberini. An Berninis Bienenbrunnen standen nicht Pferde, sondern Menschen in Schlange, um das erfrischende Wasser zu genießen. Dieser Brunnen war ursprünglich als Pferdetränke konzipiert und wurde erst später an den heutigen Ort umgesetzt.​


Auch das Wappentier der Barberini schien heute großen Durst zu haben.​


In der Mitte des Platzes trinkt Berninis Triton auf seiner Muschel gierig das sprudelnde Wasser und kühlt seinen muskulösen Körper.​


Nur wenige Schritte bergauf und ich habe mein erstes Tagesziel erreicht.​


Das frische Grün am Eingang zum Palazzo Barberini ist für die Augen eine Wohltat.​


Nach einem kurzen Spaziergang durch das Gelände​


zieht es mich in die kühlen Innenräume des von Carlo Maderno erbauten Barockpalastes, der heute die Nationalgallerie antiker Kunst beherbergt.​

Das Museumspersonal passt sich anscheinend dem freundlich gestalteten Eingangsbereich an. Zuerst war Marscherleichterung angesagt. Fotorucksack (es herrscht Fotografierverbot), Stativ und Mütze verschwanden in einem Spind. Ich erwarb einen Museumsführer und folgte der Empfehlung einer freundlichen Dame im zweiten OG zu beginnen.​

Der Name des Museums ist etwas irreführend. Es zeigt über 1500 Gemälde vom 12. Jahrhundert bis zur Neoklassik. Bei dieser Flut ist man gezwungen Prioritäten zu setzen. So sah ich mir nur einige Werke näher an, während ich die anderen unreflektiert an mir vorbeiziehen ließ. Hier werden berühmte Werke u.a. von Filippo Lippi, Raffael und Tintoretto gezeigt.​

Ich will hier wenigstens ein Foto einfügen, das in Todi entstanden ist.
Es ist Raffaels Gemälde "Farnesina"​


Das Bildnis Heinrich VIII von Hans Holbein dem Jüngeren gefiel mir erst bei näherem Hinsehen. Die prachtvolle Kleidung ist wirklich akribisch gemalt und wunderschön.
Längere Zeit verbrachte ich vor den beiden Caravaggio Gemälden. Ich war besonders gespannt auf den Narziß. Das Original enttäuschte mich allerdings etwas. Während der Teil über dem Wasser durchaus gelungen ist, war die Spiegelung sehr schwach. Als ich später mit Dentaria darüber sprach, meinte sie, dass es an den Lichtverhältnissen gelegen haben könnte. Umso mehr war ich von dem Bild "Judith enthauptet Holofernes" begeistert. Obwohl die grausame Szene eher abschreckt, ist das Gesamtbild faszinierend. Das bekannte Hell - Dunkel - Spiel Caravaggios und ganz besonders der Ausdruck der Gesichter waren es wert sich hinzusetzen (eigentlich müsste man sich vor einem so großartigen Werk niederknien) und ein Viertelstündchen zu verweilen.​

Für einen Kunstkenner und Museumsliebhaber (zu beiden gehöre ich nicht) ist dieses Museum ganz sicher eine Goldgrube.​

Ich holte meine Sachen aus dem Schließfach und einen halben Liter gekühltes Wasser für 60 Cent aus dem Automaten im Eingangsbereich. Ich glaubte das Rauschen des Trevibrunnens zu hören. Also nichts wie hin.​

Wenn man unterwegs etwas nach rechts und links blickt, sieht man immer wieder solch hübsche Eingänge zu Innenhöfen.​


An diesem Schild konnte ich nicht vorbeigehen ohne ein schmackhaftes Eis mitzunehmen.​


Je näher ich dem Trevibrunnen kam, desto mehr Menschen füllten die Gassen. Trotzdem suchte ich meinen Stammplatz in der rechten hinteren Ecke neben dem Brunnen. Bereits nach wenigen Wartesekunden konnte ich mich setzen und das Treiben beobachten.​


Diese Kinder hatten Riesenspaß bei einer Wasserschlacht. Sie quiekten vor Vergnügen.​


In der Nähe des rauschenden Wassers stach die Sonne nicht so unerbittlich. Da ich eine relativ empfindliche Haut habe, kürzte ich das Sonnenbad trotzdem ab 8).​

Auf dem Weg zum Pantheon sah ich kurz nach dem Trevibrunnen im linken Augenwinkel einen farbenfrohen Innenhof.
:idea: Da war doch was. Ich erinnerte mich an den Thread, den wir vor einigen Wochen hatten "Ich suche den wundervoll bemalten Innenhof ...". Ich hatte ihn gefunden. Als ich die Kamera zückte, verzogen sich einige der fliegenden Händler, die offensichtlich hierher geflüchtet waren. Welche Jugendstilpracht!​


Die Galleria Sciarra wurde von dem Architekten Giulio de Angelis für den Prinzen Maffeo Sciarra entworfen. Der Innenhof ist reich mit Fresken ausgemalt und mit einer Konstruktion aus Glas und Metall überdacht.​


Die Fresken haben die Frau als Thema. Oben sind 12 römische Tugenden wie Treue, Demut und Rechenschaft dargestellt. Der untere Zyklus zeigt Frauen in Szenen des täglichen Lebens. Auch die Kleidung der damaligen Zeit ist realistisch wiedergegeben.​



Nach dieser Überraschung zog ich weiter an diesem modernen Fensterbild vorbei​


über die Piazza Colonna mit der Marc Aurel Säule

zur Piazza Rotonda, vorbei am Pantheon, auf dessen antiken Mauern es grünte​


zu Beli. Mit einem Blick zurück aufs Pantheon verabschiede ich mich erst einmal.​


Falls die beiden Verabredungen nicht zu lange dauern, werde ich mit Santa Maria Sopra Minerva und einer kleinen Nachtfototour noch heute fortfahren.​
 
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VIELEN DANK

:thumbup: :nod: :thumbup: :nod: :thumbup:

für die sehr schön bebilderten Fortsetzungen

:!::!::!:

Besonders gut haben mir die tollen Bilder der (leider oft nicht beachteten) Galleria Sciarra gefallen
 
Lieber Ludwig , vielen Dank für die schöne Fortsetzung - ich kann mir gut vorstellen wie heiß es an diesen Tagen in Rom war.

Den schönen Innenhof möchten wir uns im November auch ansehen. Wenn es denn zeitlich passt (die Todo - Liste wird wohl nie kürzer werden:lol:)
 
Freitag, 8. Juli, Teil 2: Santa Maria Sopra Minerva und Abendspaziergang

Da der letzte Samstagstermin doch etwas länger dauerte und gestern Zollverein und Enkel dran waren, geht es nun erst weiter mit Santa Maria Sopra Minerva.

Betritt man die einzige bedeutende, gotische Kirche in Rom, so steht man in einem relativ dunklen, sternenbedeckten, blau überwölbten, hochragenden Raum, seitlich von Bögen und zahlreichen Kapellen gerahmt.


Die Kirche wurde von den Dominikanern zwischen 1280 und 1370 gebaut. Der Minerva Tempel, der den Namen gab, liegt allerdings ca. 200m östlich. Das heutige Aussehen ist nicht mehr das ursprüngliche. Die schlichte Fassade wurde während der Renaissance vorgesetzt. Das ursprünglich von schwachen Finanzen beeinflusste, spärliche Innere ist heute stark von barocken Elementen geprägt. Das Gewölbe wurde erst im 15. Jdt. eingezogen. Wahrscheinlich hätte mir persönlich das Gebälk der ursprünglich offenen Dachkonstruktion noch besser gefallen.

Die Geschichte der Kirche ist besonders mit den Gerichtsprozessen der Inquisition verknüpft. Auch Galileo Gelilei musste hier Rede und Antwort stehen.

Die vielen, meist verschlossenen Seitenkapellen und die zahlreichen Grabmäler sind es durchaus wert etwas näher hinzuschauen. Wer alle studieren will, benötigt dafür sicher mehrere Stunden. Einen guten Einblick gibt dieser Link, der relativ detailliert durch die Kirche führt, allerdings in italienischer Sprache aber mit vielen Fotos. Ein Klick auf den linken Plan der Kirche führt zu einer weiteren Übersicht, auf der man mit einem weiteren Klick die einzelnen Sehenswürdigkeiten abrufen kann.


Hier einige Blicke auf Grabmäler und in Seitenkapellen:


Auch die Madonna mit den zahlreichen, brenndenden Opferkerzen darf natürlich nicht fehlen.​


Die Glasfenster sind überwiegend aus dem 19. Jdt.


Hier noch die prächtige Orgel


Unter dem Hauptaltar befindet sich das Grab der heiligen Katharina von Siena, einer starken Frau des 14. Jahrhunderts. Sie war nicht nur tiefgläubig, sondern agierte auch politisch sehr wirksam.


In der linken Nebenkapelle des Chores fällt die Bodenplatte auf dem Grab des Malers Fra Angelico ins Auge.


Auch die Medici-Päpste Leo X. und Clemens VII. liegen hier in der Kirche begraben.

Die Cappella Carafa, vorne rechts, ragt sicher heraus. Sie wurde von Filippino Lippi (1457-1504) mit vier Fresken (zwei Marienszenen, Verkündigung und Himmelfahrt, sowie Szenen mit Thomas von Aquin) reich ausgemalt. Sie ist auch bekannt als die Kapelle des Thomas von Aquin.


Michelangelos auferstandener Christus mit Kreuz, Rohr, Seil und Essigschwamm, gehört sicher nicht zu seinen Meisterwerken. Der bronzene Lendenschurz wurde nachträglich hinzugefügt.


Die Fresken in den Gewölben sind mit Figuren von Aposteln, Propheten und Lehrern der Kirche dekoriert, die mir bei meinen bisherigen Besuchen nie besonders aufgefallen waren und die wohl auch nicht zu den großen Kunstwerken Roms gehören. Trotzdem war das Studium des sternbedeckten Kreuzgewölbes heute für mich wohltuend.




Eine Ansage machte darauf aufmerksam, dass die Kirche gleich geschlossen würde. Die Zeit war wie im Flug vergangen. Draußen stand immer noch Beli festgemauert und schulterte den Obelisken.


Vor meiner Abend-/Nachttour wollte ich noch etwas essen. Auf dem Weg zum Bafetto 2 kam ich wieder einmal an dieser blumengeschmückten Fassade vorbei.


Draußen am Pavillion war keine Bedienung zu sehen, obwohl schon einige Gäste an den Tischen saßen. Nach mehreren Minuten nahm ich an einem Zweiertisch am Rande Platz. Als der Kellner kam, musterte er mich zunächst kritisch, murmelte aber schließlich ein va bene. Ich bestellte Fritiertes als Vorspeise und Risotto als Secondo. Dazu trank ich einen Hauswein und Wasser.


Das Fritierte war sehr trocken und schmeckte auch etwas lasch. Dagegen wer der Risotto vorzüglich. Als ich aber mit dem leeren Vorspeisenteller auch das Besteck zurückgeben wollte, bestand der Kellner darauf, dass ich dieses auch für den Risotto zu verwenden habe. Mein Schluss daraus: Essen und Preis ok, Kellner :thumbdown. Dieses Urteil bestätigte auch meine Tochter, die mit ihrem Gatten zwei Wochen später hier zu Abend speiste. Die Pizza war hervorragend. Die Vorspeise aber wurde erst nach der Pizza serviert.​

Inzwischen ging die Sonne unter und ich marschierte zur Piazza Navona. Die markante Kuppel von San Andrea della Valle strahlte im warmen Abendsonnenlicht.​


Auf der Piazza Navona baute ich mein Stativ hinter dem Mohrenbrunnen auf. Ich wollte gegen die untergehende Sonne, die natürlich hinter den Häusern stand und selbst nicht zu sehen war, einmal wieder die Wirkung des in dieser Tageszeit stark wechselnden Lichts studieren. Ich bemerkte, dass sich auch die Szene auf dem Platz vor mir stark veränderte. Die Standfiguren packten ihre Sachen ein. Neben mir nahm der junge, weiß geschminkte Mann platz. Er rauchte eine Zigarette. Sein Gesichtsausdruck war abgespannt und eher traurig. Auch der Gaukler in der Mitte des Platzes verschwand. Lediglich die Maler verharrten bei ihren Bildern. Seitlich von mir packten mehrere Straßenmusiker ihre Instrumente aus uns stimmten sie nach, bevor sie mit dem Spiel begannen. Ab und zu nahm ein Pärchen am Brunnen platz. Einige baten mich sie mit ihrer Kamera zu fotografieren.​

Der Platz mit den Brunnen und den Fassaden der umliegenden Häuser wurde zunächst noch überwiegend vom Tageslicht beleuchtet. Zunehmend bestimmte das Kunstlicht der Lampen aber Helligkeit und Farben.​


Ich zog mit meinem Gepäck auf die andere Seite des Mohrenbrunnens​


zum Vierströmebrunnen vor Santa Maria in Agone​


weiter zum Neptunbrunnen​



Durch die Via del Governo Vecchio zog ich weiter Zur Engelsbrücke. Unterwegs wurde das Blau des Himmels immer dunkler. Die Straßenlaternen hatten ganz die Herrschaft übernommen.​


Die Spiegelungen der Engelsburg und der Lichter im Tiber waren fantastisch.​


Ich stieg die Treppe immer weiter hinunter zum Tiber.​


Etwas weiter links wiederholte sich das Lichtspiel natürlich mit dem Petersdom und den Gebäuden davor.​


Michelangelos Kuppel dominiert das Bild noch stärker als bei Tage. Sie wirkt wie eine Krone.​


Neben der Engelsburg wartete schon der 40, der micht nach Termini brachte. Dort musste ich zwar lange auf den 90 warten, doch wurde mir die Wartezeit verekürzt. Mit einem jungen Geschwisterpaar aus Österreich, das 2/3 des Weges mit mir teilte, hatte ich ein unterhaltsames Gespräch, bis sie weit draußen an der Via Nomentana ausstiegen. Noch eine kurze Unterhaltung mit meinem Schwager und dann ab in die Federn. Am Samstag wartete zwar keine Arbeit auf mich, aber ein Ausflug in die nähere Umgebung.​
 
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Ludwig, Deine Aufnahmen sind wie immer phantastisch. Und erhöhen den Drang, endlich mal wieder nach Rom zu fahren - doch, ach 2 Seelen streiten in meiner Brust: Zu Zweit - dann kann man alles schöne gemeinsam genießen; allein, da kann man sich fotografisch "austoben" - denn so eine Abendtour ist ja fotografisch sowas von dankbar. Aber läßt man an einem solchen Abend die Dame seines Herzens allein im Hotel ? Rom macht´s einem aber wirklich nicht leicht :~:~:~
 
Also meine bisherige Erfahrung ist die, dass Herzdamen solche Phototripps mitzumachen pflegen. :nod:
 
Also meine bisherige Erfahrung ist die, dass Herzdamen solche Phototripps mitzumachen pflegen. :nod:

Jain. Bei mir ist es zumindest so, dass meine BEVA auch gerne Abendspaziergänge mitmacht. Aber beliebig viel Zeit kann ich mir dann natürlich nicht lassen. Ideal wäre, wenn die Herzdame das gleiche Hobby pflegt.

Schön, dass auch Dir, lieber Friedrich die Fotos gefallen. Vielleicht können wir in Würzburg ein bischen zusammen üben :D
 
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VIELEN DANK

:thumbup: :nod: :thumbup: :nod: :thumbup:

für die Fortsetzung mit den wieder wunderschönen Bildern

:!::!::!:

Ich mag S.M. Sopra Minerva sehr - ich "liebe" die Deckendekoration
 
Endlich geht es weiter in Rom. Das FT-Wochenende hat doch etwas Zeit gekostet.
Wie angedeutet hatte ich mich dazu entschlossen nach 15 Jahren endlich mal wieder nach Ostia Antica zu fahren. Wie schreibt Cellarius doch hier über Ostia: "Auch wenn Rom selbst vieles an Ruinen zu bieten hat, lohnt ein Ausflug in die antike Hafenstadt der Metropole in jedem Fall."

Es war noch heißer geworden und ich wollte viele Stunden draußen verbringen. Also Wasserflasche einpacken und Kopfbedeckung mit Nackenschutz einstecken.

Über Termini gings nach Ostiense und dann mit dem Zug nach Ostia Antica. Der Zug war voll. Ich ergatterte einen der letzten Sitzplätze. Mit mir war eine deutsche Schülergruppe zugestiegen, die wohl das gleiche Ziel hatte wie ich. Der Rest trug Badetaschen.

In Ostia Antica stiegen außer mir und der Lateinklasse aus Schwaben nur zwei oder drei andere Personen aus. Der Lehrer der Lateinklasse erzählte mir, dass er jährlich mit einer Klasse hier ist. Er ziehe Ostia Antica vor, da er seinen Schülern hier das Leben der Römer besser klarmachen könne.

Nachdem wir die Wasserflaschen gefüllt hatten, bog die Klasse nach links ab, während ich nach rechts lief, um einige Fotos vom Kastell zu schießen, das der spätere Papst Julius II im 15. Jhdt. hier erbauen ließ.


Nun ging es aber zu den antiken Ruinen. Die Nekropole, die natürlich auch in Ostia außerhalb der Stadt lag, beachtete ich erst mal kaum.​


Die republikanische Mauer und das Stadttor lagen vor mir.​

Über den Platz der Vittoria​


ging es auf dem Decumanus Maximus, der Hauptstraße von Ostia Antica, in die antike Hafenstadt. Viele der Gebäude und die sehr instruktiven Tafeln ließen das antike Leben hier deutlicher werden als in Rom. Ohne diese Hafenstadt wäre Rom nicht das geworden, was es einmal war. Nicht nur Getreide und Wein, auch Sklaven und nicht zuletzt die auch hier geschätzten Obelisken kamen über Ostia nach Rom. Die Thermen spielten bekanntlich eine große Rolle im antiken Leben. Auch hier in Ostia gab es viele davon, private wie auch öffentliche. Die ersten Bäder, auf die ich stieß, waren die Thermen der Gilde Cisiarii. Am beeindruckendsten sind die Mosaike, meist in Schwarz - Weiß.​


Die schwungvollen Gestalten um den antiken Kanaldeckel herum beeindruckten mich sehr.​


Von den Provinzthermen ist nicht mehr sehr viel zu sehen.​


Als ich gerade eine Wildblume am Wegesrand fotografieren wollte, sprach mich eine ältere Frau an. Sie fragte mich, ob sie mir die Ausgrabungen zeigen dürfe. Ihre Gruppe sei ihr abhanden gekommen. Nach einem kurzen Frage- und Antwortspiel nahm ich ihr Angebot an. Das Risiko war ja recht überschaubar. Es zeigte sich schnell, dass sie mir vieles zeigen konnte, was ich alleine wohl nicht entdeckt hätte. Irgendwann kommt man mit normalen Reiseführern nicht mehr weiter. Man muss dann entweder einige Zeit in Lesen investieren oder das Wissen anderer Zeitgenossen anzapfen. Das hat mir auch diese überraschende Begegnung bestätigt.​

Das erste gemeinsame Ziel waren die Thermen des Neptun. Hier handelt es sich um eine große Thermenanlage, für mich die besterhaltene in Ostia. Auch in dieser Anlage ragen die Mosaike heraus.​

Doch zunächst blickten wir uns etwas um und krochen durch das alte Gemäuer, soweit es frei zugänglich war. Auf einer Aussichtsplattform erhielt ich an Hand von Lageplänen einen Überblick über das riesige Gelände. Da wurde mir schon klar, dass heute nicht alles zu schaffen war.​


Nun aber zu den schwungvollen Gestalten auf den Mosaiken der Therme. Natürlich steht Neptun im Mittelpunkt.​


Um diesen Mittelpunkt herum schwimmen und schlängeln sich Tiere, Menschen und Mensch-Tiergestalten.​


Wir krochen durch das Gemäuer und meine Führerin erklärte mir die Funktionsweise der Fußboden- und Wandheizung. Das Fischgrätenmuster der Backsteine bezeichnete sie, wohl treffend, als das Parkett der Antike.​


Zu den Thermen gehörten natürlich Räume zur körperlichen Ertüchtigung, wie Boxen und Ringen.​


In der Nähe gibt es auch eine große Feuerwache. Natürlich waren die vielen offenen Feuer ein hohes Brandrisiko. Deshalb waren rund um die Uhr, wie auch heute in unseren Städten, Feuerwehrleute im Einsatz.​

Meine Führerin macht mich an vielen Stellen auch auf die reiche Vegetation, vor allem auf die vielen wild wachsenden Kräuter aufmerksam.​


Die Pflanzenwelt ist hier sehr vielfältig. Ich durfte wilden Rucolasalat probieren, der sehr intensiv schmeckte.​

Wir erkundeten immer wieder andere Gebäude, Wohnhäuser, Magazine, Läden und Tavernen. Die meisten Gebäude hier stammen aus der Kaiserzeit und wurden über Bauten der republikanischen Zeiten errichtet.​


Dies ist ein Beispiel, das einen Unterschied zwischen griechischer und römischer Säulenkunst zeigt. Während die Griechen nur stilechte Säulen schufen, mischten die Römer häufig, hier ionisch und korinthisch.​


Wir kamen zu einem der Highlights des Geländes, zum Theater, das unter Septimus Severus und Caracalla erbaut wurde.​


Das Theater fasste etwa 3000 Zuschauer und wurde im sechsten Jahrhundert zu einer Festung umgebaut.
Im Juli und August werden häufig Opern und klassische Stücke gespielt. Bei unserem Besuch wurde gerade die Bühne aufgebaut. Die berühmten Theatermasken konnten wir nur aus einiger Entfernung betrachten.​


Es war augenfällig, dass nur wenige Besucher auf dem Gelände waren. Laut meiner Führerin überschwemmen besonders von April bis Juni und dann wieder ab September Touristen das Gelände. Dazwischen ist es wegen der Hitze sehr ruhig.​


Draußen bogen wir links von der Hauptstrasse ab.​

Die Themen waren jetzt die unterschiedliche Ausstattung der Gebäude. Während öffentlich Gebäude und die Häuser der Reichen aufwändige Fresken, Marmorverkleidungen und Mosaike hatten, begnügte sich die Mittelschicht mit einfacheren Verzierungen und die Miethäuser kamen weitgehend ohne diese aus.​


Auch in den einfacheren Häusern waren die Mosaike nicht eintönig. Kein Zimmer hatte das gleiche Mosaik wie das andere. Gezeigt wurden neben vielfältigen Ornamenten häufig auch alltägliche Gegenstände.​


Gemälde werden heute manchmal mit sehr primitiven Mitteln vor der Witterung geschützt.​


Wenn man mit etwas Wasser den Staub wegwischt, kommen die unterschiedlichsten Farben auf dem Marmor zum Vorschein.​


Das folgende hochherrschaftliche Haus haben wir uns lange angesehen.​


Das große, repräsentative Haus hatte einen Garten und großen Innenhof. In ihm wurden viele Statuen gefunden.​


Im Erdgeschoss gab es große Wohn- und Esszimmer, ein Nymphäum und eine Gästetoilette mit fließendem Wasser. Eine Treppe führte zu den Schlafräumen im Obergeschoss.​


In einem Raum ist ein interessantes Mosaik noch gut erhalten, das vor allem Tiere und mythische Szenen zeigt.​


Natürlich fällt sofort die Wölfin auf, die Romolus und Remus säugt.​


Die nächste Figur zeigt bei näherem Hinsehen ein Hakenkreuz, auch Swastika genannt. Das Sonnenrad wird seit 6000 Jahren in verschiedenen Varianten dargestellt, häufig auch in ornamentalen Mosaiken.​


In einem anderen Raum besteht der Boden aus verschiedenfarbigen Marmorplatten.​


Wir krochen auch durch Brombeergestrüpp, um verschiedene Details zu sehen, wie z.B. diese gut erhaltene Mineralfarbe an einer Wand. Das Blau ist gemahlener Lapislazuli.​


Auch hier sah ich wieder Rohre der Wandheizung und antike Kanaldeckel.​


Nun ging es hinüber zum Zentrum von Ostia Antica. Schon von Weitem sahen wir hinter dem Forum die Überreste des Kapitols.​



Auffallend sind auch die Ruinen des Tempels der Roma und des Augustus. Dies soll das älteste Gebäude hier sein. Heute ist kaum noch vorstellbar, dass dies mal ein 16 m hohes Kultgebäude gewesen sein soll.


Um das Kapitol herum liegen die unterschiedlichsten Gebäudereste. In einem davon ist noch diese öffentliche Toilette zu sehen.​


In einem anderen diese hübschen Mosaike.​


Hier verabschiedete sich meine Führerin, nicht ohne mir noch einige Tipps zu geben. Auf dem Weg zum Museum komme ich an diesen Lagerbehältern aus Ton, sogenannten Doli vorbei. Sie wurden in die Erde eingegraben; eine einfache Kühltechnik. Um die Behälter herum wurde die Oberfläche gepflastert.​




Das Museum ist ziemlich neu und hell. Es enthält einige hübsche Figuren, die in Ostia gefunden wurden.



Auf dem Gelände standen auch viele Tempel, u.a. eine christliche Basilika und eine Synagoge, aber ganz besonders viele Mithras-Heiligtümer. So ist es natürlich, dass auch die bekannteste SKultszene, die Tötung des Urstiers hier zu sehen ist.​



Diese Figur ist natürlich weniger kunstvoll als das gleiche Motiv in den Vatikanischen Museen. Dafür hat mir aber die Darstellung von Amor und Psyche aus dem benachbarten gleichnamigen Haus besonders gut gefallen.​




Ich ging nach dem Museumsbesuch noch die paar Schritte zur neuen Cafeteria, wo ich eine Kleinigkeit aß, ein frisches Getränk zu mir nahm und mich im Schatten etwas ausruhte.

Auf dem Weg zur Hauptstraße kam ich noch an vielen Resten der Hafenstadt vorbei. Hier einige Beispiele.


Besonders interessant fand ich die Taverne der Fischhändler.​


Hier die Reste eines der vielen Lagerhäuser.​



Immer wieder erblicke ich einfache Fresken, wie diese Schlange​


und einfache Mosaike.​


Überall blicken Säulen- und Mauerreste aus der Erde.​




Interessant ist auch die Mühle des Silvano.​


Hier noch zwei Dinge, die ich heute sehr, sehr oft gesehen hatte, Eidechsen und Pinienzapfen.​


Auf dem Rückweg passierte ich auch die Nekropole und warf einen Blick auf einige Gräber.​


Zuletzt noch ein Abschiedsfoto von der antiken Straße, dem Decumanus Maximus.​


Auch wenn die Sonne den ganzen Tag vom Himmel brannte, haben mir die fünf Stunden in Ostia Antica sehr gut gefallen. Alledings habe ich bei Weitem nicht alles gesehen. Die beiden folgenden Links werden mir helfen, die nächste Tour in wenigen Jahren gut vorzubereiten.

Wikipedia, Ostia Antika

und ein Lageplan von Ostia. Hier kann man unter "plan of Ostia" die fünf Ausgrabungsarreale gründlich erforschen. Sobald die Hand erscheint, kann man klicken und erhält Beschreibungen, Fotos und Rekonstruktionen. Sehr interessant, aber auch zeitaufwändig.
 
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Hallo Ludwig, da hast du aber einen schönen Ausflug nach Ostia gemacht, Danke das wir dich begleiten dürfen :thumbup:

Ich wäre bei den wohl "recht warmen" Temperaturen aber eher geneigt gewesen, den Badetaschenleuten zu folgen;)
 
Hallo Ludovico,

sehr informativer Reisebericht und natürlich super Fotos.
Ja, Ostia steht (u.a.) auch noch auf meiner Todo-Liste:thumbup:
(und so "planlos" war das doch offensichtlich alles gar nicht;))

Gruß

humocs
 
Schön, dass ich Interesse wecken konnte. Ostia Antica muss man wirklich erarbeiten. Ruinen müssen ergänzt werden.

Planlos heißt ja nicht orientierungslos. Wenn ich Ostia geplant hätte, wäre ich schon mit festem Marschkonzept in den Flieger gestiegen. So entwickelten sich die Tage meist erst am Vortag grob in meinem Kopf. In Ostia hatte ich nur meinen fast antiken grooßen Polyglott von 1974 in der Tasche und den Plan in der Hand, den ich am Ticketschalter erhielt.
 
Planlos heißt ja nicht orientierungslos. Wenn ich Ostia geplant hätte, wäre ich schon mit festem Marschkonzept in den Flieger gestiegen. So entwickelten sich die Tage meist erst am Vortag grob in meinem Kopf. In Ostia hatte ich nur meinen fast antiken grooßen Polyglott von 1974 in der Tasche und den Plan in der Hand, den ich am Ticketschalter erhielt.

Aber das hat doch auch etwas! Ist dann mehr eine Entdeckungsreise mit ganz eigenem Reiz. Und das Glück auf eine Führerin zu treffen ist natürlich nicht zu überbieten:nod::thumbup:
 
Hallo Ludovico,
ich schließe mich gerne - und voll und ganz des Lobes ;) - meinen Vorschreibern an:
:thumbup::thumbup: großes Kompliment :thumbup::thumbup:
für Bilder und Text

der Fortsetzung Deines Reiseberichtes. Es tut richtig gut, auf so schönen Wegen durch Ostia antica mit zu spazieren :nod:.
Auch ich war immer wieder gerne dort draußen und habe diesen Ort ebenfalls schon "in sommerlicher Hitze" fast menschenleer erlebt (damals noch mit unseren Kindern, die vor allem die antiken "Klos" und die Überreste der "Taverna" toll fanden :lol:).
Besonders hat mir gefallen, dass Du auch das kleine, aber feine Museum erwähnst, das (meiner Meinung nach) viel zu wenig Beachtung findet. Aber die "Trampelpfade" sind nun mal eingetreten und viele Besucher werden natürlich nicht so viel Zeit haben um weitere interessante Dinge auf Schleichwegen (hinter Brombeergestrüpp und Mauerresten :roll: und noch dazu mit fachkundiger Begleitung ;)) zu entdecken.
Vermisst habe ich in Deinem Bericht die "Ladenstraße" mit den "Firmenschildern" (in Form von Mosaiken) der Handelsvertretungen, wie u.a. diese:
"Gehe ich recht in der Annahme", dass Du Dir noch einiges für einen nächsten Besuch in Ostia antica aufgehoben hast?
Auf die Fortsetzung der Rom-Spaziergänge freut sich
Pasquetta
 
Hallo Ludovico,
auch ich habe Deinen Bericht über Ostia Antica mit großem Interesse gelesen. Ich selbst war auch schon einige Male in der Ausgrabungsstätte auf Erkundungstour und habe meist einen ganzen Tag dort verbracht. Vor allem im hinteren Teil der Anlage gibt es viel Interessantes zu sehen und zu entdecken. Besonders gut gefällt es mir in Ostia Antica im März/ April, weil auch die Blumenvielfalt größer als im Hochsommer ist.

Viele Grüße
Ursula
 
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