Fünf unvergessliche Tage im April

amator_antiquitatis

Pontifex
Stammrömer
Fünf unvergessliche Tage im April


Vorbemerkung:
Liebe Foristi, gerne möchte ich euch an meiner jüngsten Reise in die Ewige Stadt teilhaben lassen. Wie der Bericht genau aussehen wird, weiß ich selbst noch nicht und lasse mich, wie während der Reise auch, einfach mal überraschen. Was es sicher NICHT sein wird, ist ein stures Aufzählen von Stationen und Orten, die hier schon in einer Vielzahl hervorragender Berichte beschrieben wurden. Vielmehr geht es mir darum, meine Eindrücke widerzuspiegeln und euch an den Gedanken teilhaben zu lassen, die ich an den entsprechenden Orten empfunden habe. Sicher wird auch der eine oder andere (historische) Exkurs dabei sein, mit Sicherheit auch das eine oder andere Foto oder Anekdötchen - lasst euch überraschen!


 
Zuletzt bearbeitet:
Da will ich mich gerne überraschen lassen und bin einfach mal gespannt auf das was kommt.

Viele Grüße

Tizia
 
Ein einladendes Inhaltsverzeichnis! [emoji106]
Auch ich bin gerne dabei, wenn es gefüllt wird!
LG Angela
 
1. Tag: Das Zeitalter der Angst


Es ist sicherlich etwas ungewohnt mit einem derart programmatischen Satz einen Reisebericht zu beginnen, daher eine kurze Erklärung zu Beginn. Nein, ich habe die Überschrift nicht deswegen gewählt, weil der Flug nach Rom mit einer Fluggesellschaft ging, die jüngst negativ in die Schlagzeilen geraten war, sondern weil dies der Titel einer Sonderausstellung in den Kapitolinischen Museen ist, die ich schon lange besuchen wollte. Ein Wunsch, den ich mir gleich am ersten Tag erfüllen konnte.

Als Quartier diente mir dieses Mal ein sehr schönes, kleines B&B im Stadtteil Monti, in der vielbefahrenen Via Cavour. Dies war für mich eine neue Erfahrung, hatte ich doch bisher stets trans Tiberim residiert. Von dort aus machte ich mich also Richtung Kapitol auf, um die oben genannte Ausstellung zu betrachten. Wer wie ich von der Via Cavour aus zum Kapitol gelangen will, der muss sich recht bald auf einen Weg einigen. Die heutige Straßenführung dieser wichtigen Verbindungsroute zwischen Esquilin und der Via dei Fori Imperiali orientiert sich weitgehend am antiken Straßenbau. Hier verbanden das Argiletum und der Vicus Patricius die Porta Viminalis mit dem Forum Romanum. Damals wie heute teilte sich die Straße an der sogenannten Subura – eben jener häufig zitierten Gegend, in der Julius Caesar vor seinem Aufstieg wohnte und wo, der Legende nach, die mehr berüchtigt als berühmte Messalina ihr Unwesen trieb. An dieser Stelle befindet sich heute die Metrostation Cavour. Hier gilt es sich nun zu entscheiden, ob man von der großen Straße abbiegt und durch die kleinen Gässchen des Monti-Viertels schlendert, um über die Via Panisperna oberhalb der Trajansmärkte herauszukommen oder ob man dem Verlauf der Via Cavour folgen möchte.

Ich entschied mich vorerst für die zweite Variante, die mich nach kurzer Zeit zur Via dei Fori Imperiali brachte, die gerade für den Verkehr gesperrt war. Hunderte von Fußgängern tummelten sich auf Mussolinis Prachtstraße, für die ich in diesem Moment aber wenig Augen hatte, denn meine Route hatte mich direkt zum östlichen Ende der Kaiserforen gebracht. Am Rande des Forum Transistorium (das Forum für Kaiser Nerva) blieb ich stehen und genoss den Ausblick auf das frühere Gelände des Forum Pacis. Obwohl ich eigentlich keine Zeit verlieren wollte – ich gestehe zu meiner Schande, dass der Wunsch nach einem entschleunigten Aufenthalt aufgrund der fortgeschrittenen Stunde schon zu Beginn mit Füßen getreten wurde – verweilte ich doch einige Zeit entlang der weiteren Foren und ließ die imposanten Ruinen auf mich wirken, während hinter mir die Massen auf der Straße flanierten.


Schließlich erreichte ich doch noch das Kapitol und stürzte mich in den Kapitolinischen Museen gleich auf die Sonderausstellung – die restlichen Museen kannte ich bereits. Leider war bei den meisten Exponaten der Ausstellung das Photographien nicht erlaubt, weshalb ich an dieser Stelle allein auf meine Erinnerung zurückgreifen muss.

Die Ausstellung behandelt die Zeit zwischen den Kaisern Commodus (180-192) und Diokletian (284-305), eine Zeit, die allgemein als undurchsichtig und wenig „attraktiv“ gilt und daher niemals ihren Weg in die Schulbücher gefunden hat. Es ist eine Zeit des Umbruchs, das macht bereits die Ausschreibung des Museums deutlich. Man hat hier den Versuch gestartet, die unterschiedlichen Prozesse, die diesen Umbruch eingeleitet, begleitet und gefördert hatten, zu illustrieren. Da es sich hierbei aber zum Teil um ideelle und mentale Umbruchsprozesse handelte, sind dem Medium Museum freilich Grenzen gesetzt. Daher konzentriert sich die Ausstellung sehr auf die jeweiligen Herrscher, darunter solch illustre Namen wie Caracalla, Septimius Severus oder Elagabal (einer der vier Kaiser, die der psychologisierten Geschichtswissenschaft des 19. Jahrhunderts als „verrückt“ galten). Deren Büsten fanden sich im Eingangsbereich praktisch lückenlos, auch die der Soldatenkaiser, die teilweise nur wenige Monate an der Macht waren. Darüber hinaus wird die aufkommende Diversität des religiösen Alltags aufgezeigt, die neben dem Christentum auch ein häufiges Erstarken von orientalischen oder vorderasiatischen Kulten mit sich brachte – man denke hierbei nur an den Mithraskult, der gerade in dieser Zeit seinen Höhepunkt erreichte. Leider, und hier muss ich die Ausstellung zum ersten Mal kritisieren, wurde das Thema Christenverfolgung bzw. die Konfliktsituationen mit anders Gläubigen allgemein etwas unter den Tisch gekehrt. Sicherlich ist so etwas schwerer abzubilden, doch hätte man hier, z.B. stärker auf schriftliche Quellen zurückgreifen können. So entsteht leider der Eindruck, dass die Umbruchssituation eher auf einer gedanklichen Ebene stattfand, z.B. darin, dass nun „Barbaren“ einen Großteil des Heeres stellten oder dass die Kaiser nicht mehr aus alteingesessenen römischen Familien stammten und somit nicht den gleichen kulturellen Hintergrund oder die gleiche Entschlossenheit im Amt mit sich brachten. Es offenbart sich hier also eher als eine dauerhafte, latente Stimmung der Unsicherheit, doch worin die Angst, die der Titel ja ankündigt, konkret bestand, das bringt die Ausstellung zu wenig zur Geltung. Dennoch kann ich die Ausstellung sehr empfehlen und war froh sie besucht zu haben, auch wenn ich an einigen Punkten Schwächen gesehen habe. Möglicherweise füllt der Begleitband zur Ausstellung diese Lücken und beschreibt noch mehr das, was bildlich-materiell eben nicht gezeigt werden konnte.


Nach einem landesüblichen Heißgetränk auf der wunderschönen Dachterrasse und den üblichen Fotos auf das Forum Romanum vom Palazzo Nuovo aus, schlenderte ich noch etwas gedankenverloren durch die Museen – ohne alles im Detail wahrzunehmen. Das Nachdenken über die gerade behandelten Jahre ließ mich nicht wirklich los und ich stellte mir vor, in solch einer Zeit zu leben. Doch die wahre Erkenntnis traf mich dann, als ich versuchte die zentralen Punkte dieser 120 Jahre auf den Punkt zu bringen: Beschleunigter sozialer Wandel mit der Ablösung klassischer Strukturen im Alltag; Machtmonopole werden vor allem über die Faktoren Gewalt und Besitz hergestellt; anders denkende und anders glaubende werden verfolgt und unterdrückt. Für mich klang das irgendwie, wie eine Zusammenfassung der globalen Lage im Jahr 2015. Somit kam ich zu dem Schluss, dass die Menschheit in den letzten 1800 Jahren nicht sonderlich viel weiter gekommen war. Mit diesen wenig erbaulichen Gedanken zog ich mich langsam vom Kapitol zurück, da der Abend schon merklich vorangeschritten war.


Für den Rückweg wählte ich nun eine andere Route. Zwischen den Überresten des Trajansforum und der Chiesa SS. Nome di Maria erklomm ich die Treppen, um schließlich zum Largo Magnanapoli zu gelangen. Von dort aus wendete ich mich zur Salita del Grillo, die praktisch an der Rückseite der Kaiserforen entlang läuft. Von dort aus erhascht man den einen oder anderen Blick, der dem Touristen auf der Vorderseite verwehrt bleibt. Außerdem lassen einen die engen Gassen ein Gefühl dafür bekommen, wie dieses Viertel schon in der Antike ausgesehen hat und wie mächtig und imposant die Gebäude auf der anderen Seite dagegen gewirkt haben dürften. Bei allem Staunen und Grübeln sollte man aber nicht vergessen, dass dies eine befahrene Straße ist, auf der man nicht allzu lange stehen kann, ohne nicht von einem Taxi oder einer Vespa verscheucht zu werden. In dieser durchaus geschäftigen, aber trotzdem irgendwie ruhigen, weil heimeligen Atmosphäre besserte sich die Laune merklich, so dass ich meinen abendlichen Spaziergang durch die Gassen Montis fortsetzte. Einen gelungenen Abschluss fand der Abend in einer gemütlichen Hosteria und die Grübeleien des Nachmittags waren nur noch eine Anekdote für den Reisebericht.
 
Die Ausstellung behandelt die Zeit zwischen den Kaisern Commodus (180-192) und Diokletian (284-305), eine Zeit, die allgemein als undurchsichtig und wenig „attraktiv“ gilt und daher niemals ihren Weg in die Schulbücher gefunden hat. Es ist eine Zeit des Umbruchs, das macht bereits die Ausschreibung des Museums deutlich. Man hat hier den Versuch gestartet, die unterschiedlichen Prozesse, die diesen Umbruch eingeleitet, begleitet und gefördert hatten, zu illustrieren. Da es sich hierbei aber zum Teil um ideelle und mentale Umbruchsprozesse handelte, sind dem Medium Museum freilich Grenzen gesetzt. Daher konzentriert sich die Ausstellung sehr auf die jeweiligen Herrscher, darunter solch illustre Namen wie Caracalla, Septimius Severus oder Elagabal (einer der vier Kaiser, die der psychologisierten Geschichtswissenschaft des 19. Jahrhunderts als „verrückt“ galten). Deren Büsten fanden sich im Eingangsbereich praktisch lückenlos, auch die der Soldatenkaiser, die teilweise nur wenige Monate an der Macht waren. Darüber hinaus wird die aufkommende Diversität des religiösen Alltags aufgezeigt, die neben dem Christentum auch ein häufiges Erstarken von orientalischen oder vorderasiatischen Kulten mit sich brachte – man denke hierbei nur an den Mithraskult, der gerade in dieser Zeit seinen Höhepunkt erreichte. Leider, und hier muss ich die Ausstellung zum ersten Mal kritisieren, wurde das Thema Christenverfolgung bzw. die Konfliktsituationen mit anders Gläubigen allgemein etwas unter den Tisch gekehrt. Sicherlich ist so etwas schwerer abzubilden, doch hätte man hier, z.B. stärker auf schriftliche Quellen zurückgreifen können. So entsteht leider der Eindruck, dass die Umbruchssituation eher auf einer gedanklichen Ebene stattfand, z.B. darin, dass nun „Barbaren“ einen Großteil des Heeres stellten oder dass die Kaiser nicht mehr aus alteingesessenen römischen Familien stammten und somit nicht den gleichen kulturellen Hintergrund oder die gleiche Entschlossenheit im Amt mit sich brachten. Es offenbart sich hier also eher als eine dauerhafte, latente Stimmung der Unsicherheit, doch worin die Angst, die der Titel ja ankündigt, konkret bestand, das bringt die Ausstellung zu wenig zur Geltung. Dennoch kann ich die Ausstellung sehr empfehlen und war froh sie besucht zu haben, auch wenn ich an einigen Punkten Schwächen gesehen habe. Möglicherweise füllt der Begleitband zur Ausstellung diese Lücken und beschreibt noch mehr das, was bildlich-materiell eben nicht gezeigt werden konnte.

Nun ja, die "Attraktivität" liegt im Winkel des Betrachters... ich finde insbesondere genau diese Zeit interessant (so liegen ja auch meine numismatischen Schwerpunkte bei Commodus und Septimius Severus), aber im Grunde hast du recht: Mir fehlte auch etwas der Zeitgeist, und da nützte es auch nur wenig, den Eingangsbereich mit Büsten vollzupflastern.. immerhin war ein Valerianus, ein seltener Philippus II darunter und Gordianus III. aus dem Louvre hatte ein Auswärtsspiel. Immerhin hat man es dort mit dem Fotografierverbot nicht so genau genommen, so dass ich da reiche Ausbeute habe. Allerdings hat man orientalischen Kulte im grossen Saal doch recht gut in Szene gesetzt und auch die Provinzen kamen nicht zu kurz - sogar ein paar Exponate aus Trier waren extra dazu angereist.

amator: Tolle Arbeit, so etwas gefällt mir :nod::thumbup:
 
amator: Tolle Arbeit, so etwas gefällt mir :nod::thumbup:

Da sprichst Du sicherlich für viele Foristi, nummis durensis.:nod:
Ich werde die Ausstellung im Herbst ebenfalls besuchen und
habe jetzt schöne Anhaltspunkte durch den informativen
Bericht gefunden.
Vielen Dank:!:
mystagogus
 
Nun ja, die "Attraktivität" liegt im Winkel des Betrachters... ich finde insbesondere genau diese Zeit interessant (so liegen ja auch meine numismatischen Schwerpunkte bei Commodus und Septimius Severus), aber im Grunde hast du recht: Mir fehlte auch etwas der Zeitgeist, und da nützte es auch nur wenig, den Eingangsbereich mit Büsten vollzupflastern.. immerhin war ein Valerianus, ein seltener Philippus II darunter und Gordianus III. aus dem Louvre hatte ein Auswärtsspiel. Immerhin hat man es dort mit dem Fotografierverbot nicht so genau genommen, so dass ich da reiche Ausbeute habe. Allerdings hat man orientalischen Kulte im grossen Saal doch recht gut in Szene gesetzt und auch die Provinzen kamen nicht zu kurz - sogar ein paar Exponate aus Trier waren extra dazu angereist.

amator: Tolle Arbeit, so etwas gefällt mir :nod::thumbup:

Vielen Dank für das Lob! :)

Ja, Zeitgeist trifft es ziemlich genau. Ich meine, es ist ja schon beachtlich, dass man solch eine Auswahl an Exponaten hat und sogar die Kaiser-Büsten nahezu geschlossen ausstellen kann. Aber gerade aufgrund dieser hohen Dichte finde ich, dass man sie noch gezielter auf das Thema hin auswählen sollte, was ja z.B. beim Alltag in den Provinzen auch gut funktioniert hat. Aber gut, es ist immer schwierig wenn man schon mit etwas Vorwissen und einer bestimmten Erwartung hinfährt. Wenigstens scheine ich nicht allein mit meiner Meinung zu sein.

amator: Tolle Arbeit, so etwas gefällt mir :nod::thumbup:

Da sprichst Du sicherlich für viele Foristi, nummis durensis.:nod:
Ich werde die Ausstellung im Herbst ebenfalls besuchen und
habe jetzt schöne Anhaltspunkte durch den informativen
Bericht gefunden.
Vielen Dank:!:
mystagogus

Gern geschehen, es freut mich, wenn der Bericht dir zusagt. Jedenfalls wünsche ich dir viel Freude bei der Ausstellung und hoffe, dass ich dich nicht zu sehr abgeschreckt habe - im Großen und Ganzen war ich damit ja sehr zufrieden, es waren eben die 1-2 o.g. Punkte, die ich, sagen wir "schade", fand.
 
Auch ich bin deinen Wegen und äußerst interessanten Gedanken mit Vergnügen gefolgt. Ich würde ja gerne einmal eine neutrale und historisch fundierte Ausstellung zur Christenverfolgung im römischen Reich erleben. Vielleicht ist so etwas aber gerade in Rom nicht möglich oder nicht gewünscht.

Ich bleibe gespannt, was du uns noch berichten wirst.
 
Zuletzt bearbeitet:
Auch ich bin deinen Wegen und äußerst interessanten Gedanken mit Vergnügen gefolgt. Ich würde ja gerne einmal eine neutrale und historisch fundierte Ausstellung zur Christenverfolgung im römischen Reich erleben. Vielleicht ist so etwas aber gerade in Rom nicht möglich oder nicht gewünscht.

Ich bleibe gespannt, was du uns noch berichten wirst.

Vielen Dank für deine netten Worte! :proud:

Ich möchte das Ganze auch nicht zu sehr auf die Christenverfolgung zuspitzen. Sicherlich das römische Imperium hatte stets Kontakt und daraus resultierende Probleme mit anders Gläubigen gehabt. Die Christen stechen hier eben besonders heraus, was aber nicht heißt, dass die Konflikte und Gewaltakte gegen andere Religionen weniger schlimm wären. Man hat durch die römische (antike) Geschichte hindurch eigentlich immer das Gefühl, dass es zwei Arten von Religionen gab: 1. Die, die schnell adaptiert und integriert wurden (z.B. griechische Götter und Mysterien und die ägyptischen Kulte) und 2. Die, in denen man eine Bedrohung für die Grundfesten der res publica sah, weil sie mit grundlegenden Ideologien nicht konform waren (z.B. Juden und Christen). Dass die erste Kategorie meist die polytheistischen waren, versteht sich von selbst.
Nun kommt es eben im 3. Jahrhundert und später zu grundlegenden Veränderungen. Es ist für den alteingesessenen Römer qualitativ eben ein Unterschied, ob es da irgendwie an den Grenzen Leute gibt, die komisches Zeug glauben oder, ob sich diese Leute in Rom aufhalten und sogar einen nicht mehr zu ignorierenden Anteil an öffentlichen Ämtern und Posten im Heer stellten. Gerade dieser Wandlungsprozess, der ja auf so vielen Ebenen das Imperium erfasst hat, ist ja eben das, was die Unsicherheit der Zeit, eben die betitelte "Angst" ausgemacht hat. Deswegen war eben meine Überlegung, ob man nicht über den Faktor Religion den Bogen zum Zeitgeist und den tiefgreifenden Veränderungen hätte schlagen können...
 
Man hat durch die römische (antike) Geschichte hindurch eigentlich immer das Gefühl, dass es zwei Arten von Religionen gab: 1. Die, die schnell adaptiert und integriert wurden (z.B. griechische Götter und Mysterien und die ägyptischen Kulte) und 2. Die, in denen man eine Bedrohung für die Grundfesten der res publica sah, weil sie mit grundlegenden Ideologien nicht konform waren (z.B. Juden und Christen).

Dass die erste Kategorie meist die polytheistischen waren, versteht sich von selbst.

Genau da liegt ja IMHO das hüpfende Komma; der christliche Glaube erlaubte keinen Jupiter und schon gar keine Venus. So waren es später gerade die Kaiser, die sich besonders schützend vor den alten Götterreigen stellten (ich denke da besonders an Trajanus Decius), die die Christen bis aufs Blut verfolgt haben.

Und ich hoffe, das führt jetzt hier nicht zu weit (off-topic)

Das eigentliche Problem, warum die Christverfolgung scheinbar nicht genügend thematisiert wird, ist das Nichtvorhandensein von greifbarem bzw. ausstellbarem Material; es existieren keine schicken Marmorgruppen, die man repräsentativ in den Museumsraum stellen könnte. So ist es für die Wissenschaft natürlich ein undankbares Geschäft, denn sie müssen ja nicht nur den vergangenen Zeitgeist treffen, sondern auch den gegenwärtigen, sonst klingelt die Kasse nicht. Die eigentlichen Verbrechen offenbaren sich erst im Studium der altern Schreiberlinge, aber wer mag sich schon beim Museumbesuch seitenlange Berichte von Cassius Dio & Co. reinziehen, die man dann möglicherweise sogar noch zwischend den Zeilen lesen muss?

Aber immerhin werden die Grausamkeiten quasi zwischendurch immer mal wieder in Erinnerung gerufen; mir fiel eben spontan die Sonderausstellung im Colosseo zu Konstantin ein.
 
Zuletzt bearbeitet:
2. Tag: Wo der römische Kulturbürger den Sonntag verbringt

Für den Sonntag stand ein Museumstag ins Haus, denn es war mir schon lange ein Bedürfnis die römischen Nationalmuseen zu besichtigen. Um ein Ergebnis des Tages vorwegzunehmen: Wenn der Römer Sonntags nicht mit der Familie im Park ist oder in der Messe sitzt, geht er ins Museum (man verzeihe mir diese Generalisierung, aber dieser Eindruck drängte sich mir im Laufe des Tages immer mehr auf; später mehr davon). Die erfahrenen Foristi wissen: Die römischen Nationalmuseen sind auf vier Standorte verteilt (sogar fünf, wenn man die derzeit geschlossene Aula Ottagona dazuzählt). Sie alle an einem Tag zu besuchen, ist anstrengend, aber möglich. Daher galt für mich die Prämisse: So viel wie möglich, aber gleichzeitig nur so viel wie sinnvoll. Abklappern und Durchrennen stand nämlich definitiv nicht auf der Tagesordnung. Jedenfalls war ich gespannt, was der Tag bringen würde.

Auf meinem Weg zum Palazzo Massimo alle Terme, der ersten Station, machte ich einen Umweg über die Piazza della Madonna dei Monti, um an der dortigen Nasone meinen Wasservorrat für den Tag aufzufüllen. Auf dem bereits beschriebenen Weg von der Metrostation Cavour bis dorthin begegnete ich einigen festliche gekleideten Herrschaften, die alle eine Art Geschenkkorb mit sich trugen und anscheinend denselben Weg wie ich einschlugen. Bald merkte ich, dass dies Kirchgänger waren, die unterwegs waren zur Kirche der ukrainischen Gemeinde in Rom (Santi Sergio e Bacco). Die Körbe waren wohl Teil einer Feierlichkeit, die ich bis heute nicht ermitteln konnte – aus Respekt vor den Gläubigen habe ich an dieser Stelle von Fotos abgesehen. Jedenfalls hielt dieser kurze Gang schon die erste Überraschung des Tages bereit.

Vorbei am Innenministerium und der Oper ging es nun wirklich ins Museum. Das in einem Palazzo des 19. Jahrhunderts beherbergte Museum bietet auf vier Stockwerken Einblicke in Kunstwerke der römischen Republik bis hin zur Spätantike - wobei derzeit einige Exponate für die Ausstellung in den Kapitolinischen Museen ausgeliehen sind. Hier alle bekannten und sehenswerten Kunstwerke zu beschreiben würde den Rahmen sprengen und ist nicht Sinn dieses Berichtes. Aber um nur einige zu nennen (schließlich dienen unsere Berichte ja auch als Anregung für Neulinge und Neugierige): Der Faustkämpfer vom Quirinal (eine Bronzestatue aus vorchristlicher Zeit), die Kopie des Diskobolos des Myron oder der schlafende Hermaphrodit. Hinzu kommen im oberen Stockwerk sehr schöne Wandmalereien aus der Villa der Livia, sowie verzierte Räume aus der Villa Farnesina. Im Erdgeschoss befand sich dazu noch eine Sonderausstellung zum Leben des Augustus, die mich aber persönlich wenig angesprochen hat – vielleicht weil ich nicht der größte Augustus Fan bin. Wirklich begeistert hat mich dagegen die numismatische Sammlung im Untergeschoss. In einem großen Ausstellungsraum wird die Entwicklung der (italienischen) Münzen von der römischen Antike bis zur Gegenwart dokumentiert. Dabei ist neben der fast lückenlosen Darstellung besonders bewundernswert, dass auch die verschiedenen (teils) parallel existierenden Münzprägungen der Langobarden, der Byzantiner, der Päpste und der römisch-deutschen Kaiser in Italien ausgestellt sind. Leider war das Licht dort unten (bewusst) so eingestellt, dass brauchbare Fotos unmöglich waren.

Insgesamt hatte mir der Palazzo Massimo gut gefallen, ohne dass er mich jetzt umgehauen hätte. Woran das genau lag, kann ich nicht mal genau sagen. Vielleicht gerade deswegen, weil mich der kleinste, versteckteste Teil des Museums am meisten interessiert hat. Auffällig war für mich, dass mir hier sehr wenige (ausländische) Touristen begegnet sind. Die meisten um mich herum waren festlich gekleidete Italiener – die bella figura musste am Sonntag natürlich besonders gewahrt werden – die hier ihre kulturellen Bedürfnisse stillten, auch wenn diese manchmal nur darin bestanden, sich lauthals mit dem Wachpersonal zu unterhalten. Aber nunja, andere Länder, andere Sitten.

Auf dem Weg zur nächsten Station, den Thermen des Diokletian, wurde mal bewusst, dass ich mich sowohl gemäß der modernen Administration, als auch historisch in ein anderes Gebiet bewegt hatte. Der Quirinal war in der Antike ein in erster Linie als Wohngebiet bekanntes Viertel, dessen moderne Wahrnehmung durch Bauten wie den Bahnhof Termini oder die eindrucksvolle Piazza della Repubblica etwas entfremdet wurden. Zur Zeit der römischen Republik standen hier die Gärten des Sallust (Horti Sallustiani), ein geschichtsträchtiger Ort, an dem mehrere spätere Kaiser lebten und an dem auch Kaiser Nervas Leben endete. Von monumentalen Bauten, die im Vergleich zu anderen Gebieten eher spärlich vorhanden waren, ist heute wenig übrig geblieben. Eine Ausnahme bilden hierbei die Thermen des Diokletian, zu Beginn des 4. Jahrhunderts in einer Rekordzeit von nur 8 Jahren erbaut – eine beachtliche Leistung bei der Größe von rund 380 x 370m. Die Geschichte der Thermen ist eine Geschichte des Umbaus. Nach der Einstellung des Badebetriebs dienten sie, wie so viele Gebäude, im Mittelalter und der frühen Neuzeit als Quelle für Bausubstanz. Beachtlich ist aber hierbei, dass nicht nur das Material entwendet, sondern auch auf dem ehemaligen Gelände gebaut wurde, so dass die Gebäude heute gewissermaßen miteinander verschmolzen sind. Im 16.-18. Jahrhundert wurde auf diese Weise die Kirche Santa Maria degli Angeli „angebaut“ und später im Nordosten der Anlage ein Karthäuserkloster. Seit Ende des 19. Jahrhunderts wird das Gebäude als Teil der römischen Nationalmuseen genutzt.


Der Besucher durchläuft hier sowohl monumentale Baureste der alten Thermenanlagen, als auch einzelne Museen, wie die epigraphische Sammlung, mit zahlreichen (christlichen) Grabsteinen, oder das prähistorische Museum, das die Entwicklung einiger früher Siedlungen im römischen Umland aufzeigt. Hohepunkt ist hierbei sicherlich der Kreuzgang des Klosters mit den riesigen Tierköpfen, die in keiner Sammlung von Urlaubsfotos fehlen dürfen. Einmal mehr war ich davon begeistert, wie ein solcher Ort Ruhe in einer so hektischen Umgebung ausstrahlen kann. Diese hatte ich auch bitter nötig, denn im Thermenmuseum war ich den kleinen römischen Kulturbürgern begegnet – eine Schulklasse auf Ausflug und das am Sonntag, damit hatte ich wahrlich nicht gerechnet. Insgesamt gefiel mir dieser Ort aber deutlich besser als der Palazzo Massimo, denn die Weitläufigkeit, die Helligkeit in vielen Räumen und die gepflegte Stille im Kreuzgang und dem Garten machten den Museumsbesuch mehr als angenehm und aufgelockert.


Da die Konzentration nach einer kurzen Mittagspause noch nicht so sehr im Keller war wie erwartet, traute ich mir noch eine weitere Station zu, die ich im Nachhinein als die schönste des Tages beschreiben würde: die Crypta Balbi. Hierbei handelt es sich nicht um eine Katakombe, wie der Name vielleicht vermuten ließe, sondern um ein Museum, das in den Überresten des alten Balbus-Theaters errichtet wurde. Dieses Museum ist deswegen sehr interessant, da es über die Stadtentwicklung anhand des Viertels, in dem es steht, berichtet. Dieses ehemalige Theater war das kleinste von dreien auf dem südlichen Marsfeld – ja, ohne es zu merken hatte ich schon wieder die historische Gegend gewechselt. Es war dem Politiker und Feldherren Lucius Cornelius Balbus (Minor) gewidmet, der in den Bürgerkriegen bereits unter Julius Caesar gedient und später zum Prokonsul aufgestiegen war. Die Forschungen zu diesem Gebäudekomplex sind noch relativ jung, da man ihn lange Zeit fälschlicherweise für einen Teil des Circus Flaminius hielt. Über die ursprüngliche Form und Ausstattung informiert die sogenannte Forma Urbis Romae – ein Plan der Stadt Rom aus dem 3. Jahrhundert nach Christus.

Das Museum ist gewissermaßen zweigeteilt: Im unteren Stockwerk wird der Besucher zunächst in die Arbeitstechniken historisch-archäologischen Arbeitens eingeführt, um dann anschließend die Entwicklung des Viertels von der Antike bis ins 20. Jahrhundert zu durchlaufen. Dabei dienen zahlreiche materielle und schriftliche Funde als anschauliche Belege. Außerdem finden sich dort sehr ausführliche Infotafeln, die eine sehr fundierte Kontextualisierung bewirken. Die Texte waren so ausführlich (und wohl auch so spannend), dass sich zwei ältere Damen einfach mal die Stühle des Wachpersonals schnappten, um bequemer lesen zu können!
Im zweiten Teil des Museum, dem oberen Stockwerk, wird die Entwicklung der Stadt als Ganzes von der Antike zum Mittelalter thematisiert. Hier werden Grundrisse von Kirchen aufgezeigt, Münzen, wie ich sie zum Teil aus dem Palazzo Massimo kannte, ausgestellt, dazu fragmentarische Wandmalereien (ebenfalls aus Kirchen), sowie historische Karten. Insgesamt ein sehr spannender Teil, der aber leider wieder einmal von einem Großteil der Besucher ignoriert wurde – was mir wiederum viel Ruhe und Zeit zum Betrachten bescherte. Ein Grund dafür mag sein, dass zu dieser Zeit im unteren Stockwerk die obligatorische, kostenlose Führung in italienischer Sprache stattfand und, ihr ahnt es schon, der römische Kulturbürger wollte sich die natürlich nicht entgehen lassen. Jedenfalls kann ich jedem, der mal etwas „anderes“ als Büsten, Gemälde und Statuen sehen möchte diesen oberen Stock nur wärmstens empfehlen.


Nun rauchte der Kopf aber endgültig und so musste der Palazzo Altemps leider unter den Tisch fallen – aber man braucht ja noch Ziele für das nächste Mal. Mein Weg führte mich etwas in Gedanken nach den vielen Eindrücken auf das Kapitol, wo ich mich erstmal in die Sonne setzte und versuchte den Kopf etwas zu lüften. Das Beobachten zahlreicher Touris, die sich gegenseitig die Selfie-Sticks vors Gesicht hielten, half dabei sehr!

Auf dem Heimweg bemerkte ich, dass vor mir die Kirche Santi Cosma e Damiano lag, die ich bis jetzt noch nie besucht hatte. Diese Gelegenheit wollte ich nun beim Schopfe packen. Allerdings drängte just in diesem Moment eine Gruppe Schüler hinein. Ich gab ihnen im Geiste 5min Vorsprung, sah sie aber dann bereits nach handgestoppten 3min wieder herauskommen, wodurch der Weg für mich nun frei war. Seit dem 6. Jahrhundert wurden diese Räumlichkeiten als Kirche genutzt, die vorher, nach neuesten Forschungen, ein Teil des Templum Urbis Romae waren, dessen Vestibül heute noch sowohl aus der Kirche als auch vom Forum Romanum aus zu sehen ist. Beachtenswert ist außerdem, dass in die Mauern die einzigen noch stehenden Überreste des ehemaligen Templum Pacis bilden. Dieser auf dem Forum Transistorium stehende Tempel wurde längsseitig errichtet, wodurch seine Enden heute an den Kaiserforen und in dieser Kirche zu sehen sind, sein „Mittelteil“ dagegen noch unter der Via dei Fori Imperiali begraben liegt. Die Titularheiligen der Kirche sind die syrischen Ärzte Cosmas und Damian, die zu Beginn des 4. Jahrhunderts das Martyrium erlitten. Die ansonsten schlichte Kirche besticht vor allem durch ihr farblich ansprechendes Apsismosaik, auf dem neben den beiden Heiligen auch Papst Felix IV. und der hl. Theodorus zu sehen sind.


Hier ließ ich diesen anstrengenden, aber schönen Tag ausklingen und dachte dabei vor allem an die Menschen, denen ich heute begegnet war, von den Gläubigen mit den Geschenkkörben, über die lärmenden Schüler bis hin zu allen Kulturbegeisterten, die diesen Sonntag wie ich in den Museen der Stadt verbracht hatten. Einmal mehr kam ich zu dem Schluss, dass das, was Rom zu Rom macht, die Menschen dort sind.
 
Zuletzt bearbeitet:
2. Tag: Wo der römische Kulturbürger den Sonntag verbringt

Für den Sonntag stand ein Museumstag ins Haus, denn es war mir schon lange ein Bedürfnis die römischen Nationalmuseen zu besichtigen. Um ein Ergebnis des Tages vorwegzunehmen: Wenn der Römer Sonntags nicht mit der Familie im Park ist oder in der Messe sitzt, geht er ins Museum (man verzeihe mir diese Generalisierung, aber dieser Eindruck drängte sich mir im Laufe des Tages immer mehr auf; später mehr davon). Jedenfalls war ich gespannt, was der Tag bringen würde.

Auf meinem Weg zum Palazzo Massimo alle Terme, der ersten Station, machte ich einen Umweg über die Piazza della Madonna dei Monti, um an der dortigen Nasone meinen Wasservorrat für den Tag aufzufüllen. Auf dem bereits beschriebenen Weg von der Metrostation Cavour bis dorthin begegnete ich einigen festliche gekleideten Herrschaften, die alle eine Art Geschenkkorb mit sich trugen und anscheinend denselben Weg wie ich einschlugen. Bald merkte ich, dass dies Kirchgänger waren, die unterwegs waren zur Kirche der ukrainischen Gemeinde in Rom (Santi Sergio e Bacco). Die Körbe waren wohl Teil einer Feierlichkeit, die ich bis heute nicht ermitteln konnte – aus Respekt vor den Gläubigen habe ich an dieser Stelle von Fotos abgesehen. Jedenfalls hielt dieser kurze Gang schon die erste Überraschung des Tages bereit.​

Da ich an Weihnachten immer an der Piazza della Suburra Quartier nehme ist mir dieser Weg wohlbekannt und weckt vertraute Erinnerungen.

Vielen Dank für den Hinweis auf die Kirche Santi Sergio e Bacco. Ich habe bisher vergeblich nach deren Namen gesucht. Bei einem meiner Besuche war in dieser Kirche ein Taufgottesdienst und das hat mich sehr bewegt. Jetzt weiß ich auch warum, sicher weil es ein christlich orthodoxes Ritual war.​
Auf dem Weg zur nächsten Station, den Thermen des Diokletian, wurde mal bewusst, dass ich mich sowohl gemäß der modernen Administration, als auch historisch in ein anderes Gebiet bewegt hatte. Der Quirinal war in der Antike ein in erster Linie als Wohngebiet bekanntes Viertel, dessen moderne Wahrnehmung durch Bauten wie den Bahnhof Termini oder die eindrucksvolle Piazza della Repubblica etwas entfremdet wurden. Zur Zeit der römischen Republik standen hier die Gärten des Sallust (Horti Sallustiani), ein geschichtsträchtiger Ort, an dem mehrere spätere Kaiser lebten und an dem auch Kaiser Nervas Leben endete.​

Dass der Quirinal lange Zeit ein Ort der prachtvollen Villen und Gärten war ist mir erst seit kurzem durch die Lektüre über Roms Gärten bekannt. Durch deinen Bericht wird mir das noch bewusster und ich versuche es mir immer mehr vorzustellen wie es da wohl ausgesehen haben muss.​

Der Besucher durchläuft hier sowohl monumentale Baureste der alten Thermenanlagen, als auch einzelne Museen, wie die epigraphische Sammlung, mit zahlreichen (christlichen) Grabsteinen, oder das prähistorische Museum, das die Entwicklung einiger früher Siedlungen im römischen Umland aufzeigt. Hohepunkt ist hierbei sicherlich der Kreuzgang des Klosters mit den riesigen Tierköpfen, die in keiner Sammlung von Urlaubsfotos fehlen dürfen. Einmal mehr war ich davon begeistert, wie ein solcher Ort Ruhe in einer so hektischen Umgebung ausstrahlen kann. Diese hatte ich auch bitter nötig, denn im Thermenmuseum war ich den kleinen römischen Kulturbürgern begegnet – eine Schulklasse auf Ausflug und das am Sonntag, damit hatte ich wahrlich nicht gerechnet. Insgesamt gefiel mir dieser Ort aber deutlich besser als der Palazzo Massimo, denn die Weitläufigkeit, die Helligkeit in vielen Räumen und die gepflegte Stille im Kreuzgang und dem Garten machten den Museumsbesuch mehr als angenehm und aufgelockert.​


Hier war ich letztes Jahr zu einer Sonderausstellung der Skulpturen von Rodin und habe den Kreuzgang nach der Besichtigung der modernen Skulpturen sehr genossen und auch einen Vergleich zu den antiken Skulpturen gezogen.

Die Ruhe in diesem Kreuzgang hat auch mir sehr gut getan. Leider habe ich dann den Rest der Diocletian-Termen nicht mehr geschafft mir aber schon damals vorgenommen wieder zu kommen.
Da die Konzentration nach einer kurzen Mittagspause noch nicht so sehr im Keller war wie erwartet, traute ich mir noch eine weitere Station zu, die ich im Nachhinein als die schönste des Tages beschreiben würde: die Crypta Balbi. .... Dieses ehemalige Theater war das kleinste von dreien auf dem südlichen Marsfeld – ja, ohne es zu merken hatte ich schon wieder die historische Gegend gewechselt. .... Über die ursprüngliche Form und Ausstattung informiert die sogenannte Forma Urbis Romae – ein Plan der Stadt Rom aus dem 3. Jahrhundert nach Christus.

Das Museum ist gewissermaßen zweigeteilt: Im unteren Stockwerk wird der Besucher zunächst in die Arbeitstechniken historisch-archäologischen Arbeitens eingeführt, um dann anschließend die Entwicklung des Viertels von der Antike bis ins 20. Jahrhundert zu durchlaufen. Dabei dienen zahlreiche materielle und schriftliche Funde als anschauliche Belege. Außerdem finden sich dort sehr ausführliche Infotafeln, die eine sehr fundierte Kontextualisierung bewirken. Die Texte waren so ausführlich (und wohl auch so spannend), dass sich zwei ältere Damen einfach mal die Stühle des Wachpersonals schnappten, um bequemer lesen zu können!
Im zweiten Teil des Museum, dem oberen Stockwerk, wird die Entwicklung der Stadt als Ganzes von der Antike zum Mittelalter thematisiert. Hier werden Grundrisse von Kirchen aufgezeigt, Münzen, wie ich sie zum Teil aus dem Palazzo Massimo kannte, ausgestellt, dazu fragmentarische Wandmalereien (ebenfalls aus Kirchen), sowie historische Karten. Insgesamt ein sehr spannender Teil, der aber leider wieder einmal von einem Großteil der Besucher ignoriert wurde – was mir wiederum viel Ruhe und Zeit zum Betrachten bescherte. Ein Grund dafür mag sein, dass zu dieser Zeit im unteren Stockwerk die obligatorische, kostenlose Führung in italienischer Sprache stattfand und, ihr ahnt es schon, der römische Kulturbürger wollte sich die natürlich nicht entgehen lassen. Jedenfalls kann ich jedem, der mal etwas „anderes“ als Büsten, Gemälde und Statuen sehen möchte diesen oberen Stock nur wärmstens empfehlen.​


Vielen Dank für deinen begeisterten Bericht über die Crypta Balbi. Auch hier wieder ein Anreiz mehr mir diese anzuschauen.

Was mir an deinem Bericht u. a. besonders gut gefällt sind die Hinweise auf die verschiedenen historischen Zentren der Stadt. Es sind doch große Unterschiede in welchem Stadtteil der Römer der Antike gelebt hat, z. B. ob in der Suburra oder auf dem Quirinal :nod:​

Auf dem Heimweg bemerkte ich, dass vor mir die Kirche Santi Cosma e Damiano lag, die ich bis jetzt noch nie besucht hatte. ..... Seit dem 6. Jahrhundert wurden diese Räumlichkeiten als Kirche genutzt, die vorher, nach neuesten Forschungen, ein Teil des Templum Urbis Romae waren, dessen Vestibül heute noch sowohl aus der Kirche als auch vom Forum Romanum aus zu sehen ist. .... Die Titularheiligen der Kirche sind die syrischen Ärzte Cosmas und Damian, die zu Beginn des 4. Jahrhunderts das Martyrium erlitten. Die ansonsten schlichte Kirche besticht vor allem durch ihr farblich ansprechendes Apsismosaik, auf dem neben den beiden Heiligen auch Papst Felix IV. und der hl. Theodorus zu sehen sind.

Dieses Mosaik zählt für mich zu einem der schönsten in den Kirchen Roms und die Kirche hat auch ein ganz besondere Atmosphäre. Ich denke gerade weil sie auf einem antiken Heiligtum gebaut wurde.

Vielen Dank auch für den "Blick in die Tiefe".​

Hier ließ ich diesen anstrengenden, aber schönen Tag ausklingen und dachte dabei vor allem an die Menschen, denen ich heute begegnet war, von den Gläubigen mit den Geschenkkörben, über die lärmenden Schüler bis hin zu allen Kulturbegeisterten, die diesen Sonntag wie ich in den Museen der Stadt verbracht hatten. Einmal mehr kam ich zu dem Schluss, dass das, was Rom zu Rom macht, die Menschen dort sind.​

Ein sehr schönes Resümee eines interessanten Tages, vielen Dank!

Es macht Spaß dich zu begleiten, Tizia​
 
Mit Interesse habe ich deine Sicht der antiken Museen gelesen. Unser beider völlig unterschiedliche Rangfolge der Museumsteile (bei mir steht ganz vorne der Palazzo Massimo gefolgt vom Palazzo Alttemps) hat meinen Horizont doch erweitert. Danke dafür.
 
Bald merkte ich, dass dies Kirchgänger waren, die unterwegs waren zur Kirche der ukrainischen Gemeinde in Rom (Santi Sergio e Bacco). Die Körbe waren wohl Teil einer Feierlichkeit, die ich bis heute nicht ermitteln konnte...

:idea: Das ist ganz einfach: die Kirchgänger waren wohl zum Ostergottesdienst unterwegs (das orthodoxe Osterfest fiel dieses Jahr auf den 12. April ;)) und hatten - wie man es auch (in einfacherer Form) in "unseren Breitengraden" kennt - einen Korb mit Osterspeisen, die während des Gottesdienstes gesegnet werden, dabei. :)
 
Ein sehr schönes Resümee eines interessanten Tages, vielen Dank!

Es macht Spaß dich zu begleiten, Tizia​
Vielen Dank, Tizia, für dein Interesse an meinem Bericht und für die lieben Worte.
Es ist interessant zu lesen wie jemand anderes dieselben Orte empfunden hat. Und beim Schreiben merke ich viel stärker als vor Ort, was mich wirklich begeistert hat und was ich vielleicht kein zweites Mal machen würde.

Mit Interesse habe ich deine Sicht der antiken Museen gelesen. Unser beider völlig unterschiedliche Rangfolge der Museumsteile (bei mir steht ganz vorne der Palazzo Massimo gefolgt vom Palazzo Alttemps) hat meinen Horizont doch erweitert. Danke dafür.
Das kann ich absolut unterschreiben - es ist definitiv bereichernd solche abweichenden Meinungen wahr- und vor allem ernstzunehmen. Ich hätte ehrlich gesagt aufgrund der Reiseführer auch gedacht, dass mir der Palazzo Massimo am Besten gefallen müsste. Aber das sind ja gerade die Überraschungen, die eine solche Reise spannend machen.

:idea: Das ist ganz einfach: die Kirchgänger waren wohl zum Ostergottesdienst unterwegs (das orthodoxe Osterfest fiel dieses Jahr auf den 12. April ;)) und hatten - wie man es auch (in einfacherer Form) in "unseren Breitengraden" kennt - einen Korb mit Osterspeisen, die während des Gottesdienstes gesegnet werden, dabei. :)
Ja, warum in die Ferne schweifen...da hätte ich aber wirklich draufkommen können :] Vielen Dank für deinen Hinweis, jetzt ergibt das alles Sinn :idea:
 
3. Tag: Auf der Suche nach Orten der Stille und stillen Örtchen

Da ich nun bereits zwei Tage dem Lärm der Großstadt ausgesetzt war, wuchs in mir der Wunsch, etwas mehr Ruhe zu genießen. Zugegeben: Bei meinen ersten beiden Rom-Reisen empfand ich die Hektik der Stadt viel intensiver, teilweise sogar störend. Dieses Mal fiel es mir gar nicht mehr richtig auf bzw. es gehörte irgendwie dazu. Jeder, der schon einmal in Rom war wird zustimmen, dass man Ruhe im klassischen Sinne fast nicht finden kann oder wenn, dann nur unter bestimmten Bedingungen. Sicherlich muss man dies etwas differenzierter betrachten: Es gibt Ecken, die sind tendenziell ruhiger, es gibt Jahreszeiten, die sind ruhiger und es gibt Uhrzeiten, die sind ruhiger – aber richtige Ruhe wird man vergeblich suchen. Diese Erfahrung macht jeder früher oder später mal – dennoch ist es ein immer wiederkehrendes Merkmal der Reiseberichte hier im Forum, dass sich die Foristi auf die Suche nach ruhigen Orten begeben; gemeint ist dabei meist o.g. Definition. Ich bilde hierbei natürlich keine Ausnahme, daher sollte der dritte Tag einer werden, an dem ich Orte aufsuchte, die zumindest den Hauch von Entschleunigung versprühten und, die obendrein noch weiße Flecken auf meiner persönlichen Rom-Landkarte darstellten.

Blickt man in die Reiseberichte, so sieht man immer wieder die Aussage, dass der Celio (Mons Caelius), einer der sieben klassischen Hügel Roms, einer dieser Orte sei, an dem man noch so etwas wie Ruhe verspüren könne. Allein die Aussicht auf eine teilweise verkehrsfreie Gegend ist schon reizvoll, wenn man täglich durch das geschäftige Monti-Viertel wandert. Von dort aus ging mein Weg an diesem Montagmorgen auch in die Gegend südöstlich des Kolosseums. Wie anders doch Rom an einem Werktagmorgen wirkt! Tags zuvor hatte ich um diese Zeit (8.30 Uhr) nur ein paar Menschen auf dem Weg zur Messe gesehen. Heute dagegen war die Straße wie ausgewechselt: Autos, Vespas und Busse drängelten sich die Via Cavour hinunter, Ladenbesitzer trugen ihre Ware auf die Bürgersteige vor ihren Läden, Schüler eilten an mir vorbei, um die Metro noch zu erreichen, Männer in schicken Anzügen lasen hastig auf dem Weg zum Büro die Gazzetto und waren in Gedanken sicher noch bei den Erlebnissen dieses sonnigen Wochenendes. Ja, irgendwie war ich Teil dieses hektischen Alltags, doch für mich war es nur Kulisse, die ich, trotz des eigentlichen Wunsches nach Ruhe, irgendwie genüsslich aufnahm.

Den Celio räumlich zu verorten, ist nicht so einfach wie es zunächst den Anschein hat. Steht man in der Via Nicola Salvi unterhalb des Parco del Colle Oppio, so ist der Celio das Gebiet direkt vor einem. Problematisch ist dagegen seine Grenzen genauer zu definieren. Wir wissen, dass in augusteischer Zeit das Kolosseum definitiv nicht zu dieser Region, dem Caelimontium, gehört hat – wir müssen es also bei unserer Betrachtung erstmal ausblenden. Die Abgrenzungen dieser Region sind vor allem der Geographie geschuldet, denn die Grenzen bilden in der Regel die Hänge der anderen Hügel: Im Westen der Palatin, im Norden die Ausläufer des Esquilin und im Süden die Caracalla-Thermen bzw. die Ausläufer des Aventin. Unklarheit herrscht bei Forschern nach wie vor darüber, wie weit sich die Regio Caelimontium nach Osten erstreckt hatte. Es spricht manches dafür, dass Teile des Laterans, vielleicht sogar bis hin zur heutigen Porta Maggiore, dazugehört hatten. Der moderne Straßen- und Wohnungsbau hat die Regionen aber deutlich voneinander separiert, so dass wir den Celio heute zwischen der Via Quattro Coronati, der Via di S. Gregorio, der Viale delle Terme Caracalla und etwa der Via Amba Aradam verorten dürfen.

Entlang der Via Claudia verändert sich die Landschaft merklich. Nicht nur, dass einem diese Straße nach der verkehrsumtobten Piazza del Colosseo richtig ruhig vorkommt, auch die Topographie ändert sich, denn rechts neben der Straße steigt das Gelände merklich an. Zum Teil sind hier auch antike Ziegelwände zu sehen – sie sind Teile des ehemaligen Tempels für den vergöttlichten Kaiser Claudius (41-54 n. Chr.), der heute nicht mehr erhalten ist. Zusätzlich finden sich Reste des Mauerwerks heute noch in der Campanile der Kirche SS. Giovanni e Paolo. Folgt man der Straße weiter, so trifft man bald auf einen wichtigen, antiken Verkehrsknotenpunkt, die Porta Caelimontana. Von hier aus gelangte man, der heutigen Via di Santo Stefano Rotondo folgend, zur Porta Maggiore. Diesen Weg nutzten auch vier Wasserleitungen, von denen heute teilweise noch die Bögen zu sehen sind. Von einer dieser Leitungen, der Aqua Claudia, ließ Kaiser Nero (54-68 n. Chr.) eine Abzweigung bauen, um den künstlichen See seiner domus aurea zu versorgen.


Hier traf ich auf das erste Highlight des Tages, die Kirche S. Maria in Domnica alla Navicella. Diese Kirche wurde zu Beginn des 9. Jahrhunderts unter Papst Paschalis I. auf den Fundamenten einer frühchristlichen Kirche erbaut. Schwierig gestaltet sich die Deutung des Namens. Wie Walther Buchowiecki in einer Zusammenstellung der römischen Kirchen festgehalten hat, kamen die Spekulationen über den Zusatz „domnica“ häufig nicht über Legendäres hinaus. So deutete man diese Namensform zum Teil als Hinweis auf eine Kirche, in der nur sonntags Gottesdienst gehalten wurde oder als eine Ableitung des griechischen Namens Kyriaka, die auf dem Celio, der Legende nach, ein Haus besessen haben soll. Am Wahrscheinlichsten erscheint, dass man den Namen als „dominica praedia“ deuten kann, als Hinweis auf den kaiserlichen Grund und Boden der Vorgängerbauten. Da der Celio gerade in der nach-republikanischen Zeit mehr und mehr zum Wohnsitz einzelner principes wurde, ist diese These nicht von der Hand zu weisen, wenn auch letztlich nicht endgültig zu beweisen.


Ich fand das Innere der Kirche, wohl wegen der frühen Uhrzeit, zu meiner Freude völlig leer. Lange Zeit konnte ich das schöne Marmordekor und das Apsismosaik genießen, das die Mutter Gottes mit Kind, sowie Engelsschaaren und kniend Papst Paschalis I. zeigt, wie wir ihn aus S. Cecilia in Trastevere oder S. Prassede kennen. So schön die Morgensonne die Kirche auch ausleuchtete, so wenig optimal war sie für die Fotos des Apsismosaiks. Beachtenswert ist obendrein die neuzeitliche Kassettendecke, die das Schiffchen zeigt – der zweite Namensteil der Kirche. Ebenfalls befindet sich ein Marmorschiff vor der Kirche, das seit dem frühen 20. Jahrhundert mit einer Fontäne kombiniert ist. An diesem Ort erfüllte sich zum ersten Mal an diesem Tag mein Wunsch nach Ruhe, denn die vereinzelt ankommenden Touristen blieben nie länger als 5min, während ich das gekonnte Zusammenspiel aus Farben und Lichteinfall genoss und meine Gedanken schweifen ließ.


Zurück ging es zur Porta Caelimontana, wo der Besucher durch einen Überrest des Dolabella-Bogens tritt. Hierbei handelt es sich um ein antikes Stadttor, das nach dem Konsul Publius Cornelius Dolabella (10 n. Chr.) benannt ist. Diese Benennung geht auf dessen Rekonstruktionsversuche an der Servianischen Mauer zurück, die bereits ins 4. vorchristliche Jahrhundert datiert. Hier sollte eigentlich der verkehrsbefreite Bereich der Villa Celimontana beginnen, doch wurde mir schnell klar, dass der Begriff „area pedonale“ in Italien nicht immer so ganz ernst genommen wird. Dennoch war die Atmosphäre in diesem abgeschotteten Teil der Stadt mehr als angenehm und ich begann die Begeisterung vieler Reisender zu verstehen, die hier entlang gewandelt waren. Bald traf ich nun auf die Kirche SS. Giovanni e Paolo, die häufig als Hochzeitskirche genutzt wird. An diesem Montagmorgen allerdings fanden sich darin nur wenige Touristen und ein Hausmeister, der jeden mürrisch beäugte, der es auch nur wagte eine Kamera zu zücken – daher besitze ich nur ein paar flüchtige Bilder der zahlreichen Kronleuchter, die sich über dem Altarraum befinden.


Die Kirche liegt am Clivo di Scauro, einer Straße, die wohl antike Vorbilder hatte und als einzige der einstmals zahlreichen Verbindungsstraßen auf dem Celio erhalten geblieben ist. Bekannt wurde die Kirche vor allem durch archäologische Ausgrabungen, die mehrere Gebäudekomplexe aus römischer Zeit unter der Kirche zu Tage brachten. Nach neuesten Erkenntnissen existierten hier mehrere Wohnhäuser, die später zu einem größeren Komplex erweitert und noch später in eine frühchristliche Kirche umgewandelt wurden. Zudem fanden sich in den Räumen der ehemaligen Wohnhäuser Spuren von christlichem Alltagsleben, z.B. Altäre oder eine Confessio. Der Legende nach hausten hier die beiden römischen Beamten Johannes und Paulus (nicht etwa die Apostel!), die unter Kaiser Julian Apostata (361-363) das Martyrium erlitten. Um das Jahr 1887 begann man an dieser Stelle mit den Ausgrabungen, die diese erstaunlichen Funde zu Tage brachten. Heute kann man die ehemaligen Wohnräume besichtigen. Der Eingang zu den Case Romane (der Plural möchte beachtet werden!) befindet sich unterhalb der Kirche am angesprochenen Clivo di Scauro.


Auch wenn der Rundgang nur kurz und eher unspektakulär ist, zumindest wenn man schon einmal in San Clemente war, trifft man dort auf eine sehr ruhige Atmosphäre, die einem auch Zeit längst, das Gesehene zu verarbeiten. Besonders eindrucksvoll waren die bunten Wandmalereien, die dem Besucher einen Eindruck vermitteln, wie dieses Wohnhaus einmal ausgesehen hat. Die engen Gänge und die verschiedenen Bauschichten, die gut zu erkennen waren, bewiesen sehr eindrucksvoll, dass im Laufe der Zeit dieses Gebiet viele Umbauten durchlaufen hatte. Höhepunkt ist sicherlich das Nymphäum der Proserpina, vielleicht das schönste Wandgemälde in den Case. Letztendlich war ich froh diesen Ort aufgesucht zu haben, nicht nur wegen der Stille, sondern weil er so eindrucksvoll zeigen konnte, wie vielfältig der römische Boden ist und wie sich ein Ort innerhalb weniger Jahrhunderte verändern kann.


Weiter den Clivo di Scauro hinab, traf ich auf die Kirche S. Gregorio Magno, dessen helle Fassade mir schon entgegen schien. Doch zeigte sich schnell, dass Fassaden täuschen können, denn im Inneren wurde gebaut (allgemein scheint dieser Ort schon bessere Tage gesehen zu haben). Diese Kirche steht an dem Ort, an dem der Legende nach der hl. Gregor selbst gewohnt haben soll. Nach dem Tod seiner Eltern ließ er hier ein Kloster einrichten, in das er selbst eintrat. Auch heute ist dieses Kloster noch vorhanden und vor allem bewohnt. Die Türen zur Kirche waren verschlossen, doch es gab einen Aushang, dass man bei Bedarf klingeln oder sich telefonisch anmelden solle. Da ich stets etwas zurückhaltend bin, wenn ein sakraler Ort noch „in Gebrauch“ ist, sprich an ein Kloster angeschlossen, sah ich davon ab und begnügte mich mit dem Betrachten des schönen Attriums.


Nun war es bereits Mittagszeit und ich zog es vor mich in die schöne Villa Celimontana zurückzuziehen. Nur wartete zu Beginn ein gar menschliches Bedürfnis. Jeder, der schon einmal in Rom war weiß, wie schwer es ist öffentliche Toiletten zu finden. Dafür eignen sich meist Museen oder Bahnhöfe, ersteres aber nur, wenn sie groß genug sind und über die Qualität bei der zweiten Kategorie wollen wir mal gar nicht sprechen. Nun gab es auf dem Celio natürlich weit und breit nichts, was diesen Voraussetzungen nahe käme – selbst in großen Kirchen sind Toiletten rar, geschweige denn bei diesen kleinen. Als ich mich schon auf den Weg zum Kolosseum machen wollte, sah ich, dass es im Park doch tatsächlich öffentliche Toiletten gab, die mein Stadtplan nicht verzeichnet hatte. Im Nachhinein muss ich sagen, dass ich mich über keinen stillen Ort so sehr gefreut habe. Nun stand einer entspannten Pause im Park nichts im Weg und ich beobachtete die Menschen, die dort ebenfalls ihre Mittagspause genossen.


Für den Nachmittag hatte ich kein weiteres Programm geplant und beschloss mich treiben zu lassen und den Rest des Parks anzusehen, der doch größer war als ich zunächst dachte. Weiter ging es zurück zur Straßenbahn, vorbei an einigen Schulgruppen, die nun am Nachmittag auch am Celio angekommen waren. Mein Ziel stand nun fest: Bahnhof Ostiense. Von dort aus ging es dann, mit Umweg über einen weiteren stillen Ort, zum cimitero acattolico – dem protestantischen Friedhof. Zunächst sah ich voller Entzücken, dass die Cestius Pyramide mittlerweile vollständig restauriert wurde – 2013 hatte ich sie noch im Gerüst gesehen.


Dass man in anderen Ländern mit dem Thema Friedhöfe anders umgeht als in Deutschland, war mir schon lange bewusst. Nicht zuletzt hatte ich beispielsweise auf dem Greyfriars in Edinburgh zahlreiche Menschen erlebt, für die der Friedhof ein zentraler Punkt der Freizeit war – man traf sich zum Picknicken, hielt Schläfchen und saß einfach in der Sonne. Auch in Rom kann man spüren, dass dieser Friedhof kein reiner Ort der Trauer ist, sondern ein Teil des täglichen Lebens, nicht nur für Touristen. Hier sah man durchaus Menschen, die nach dem Büroalltag noch etwas Ruhe suchten oder mit den Kindern einen Spaziergang machten. Nachdem ich mich lange durch die Reihen der Gräber gekämpft und zahlreiche monumentale, schöne und bedeutsame Grabsteine begutachtet hatte, setzte ich mich nahe der Pyramide auf eine Bank in der Sonne und las bis der Friedhof schloss.


Auf dem Heimweg fiel mir ein, dass ich ja, trotz der Nähe zu meiner Wohnung, noch gar nicht in San Pietro in Vincoli war. Als ich dort ankam, traute ich meinen Augen kaum. Trotz der fortgeschrittenen Uhrzeit (kurz nach 18 Uhr) waren dort mindestens 3 Schulklassen + 2 geführte Gruppen. Der Altar und natürlich Moses wurden belagert wie sonst nur die Kurzzeitparkplätze am Flughafen und der Geräuschpegel kam demselben gleich. Fast schon wollte ich wieder gehen, doch ich besonn mich, schaute die Seitenaltäre an und siehe da: Keine 10min später waren ungefähr 80% weniger Menschen im Raum und ich konnte mir alles in Ruhe ansehen bis wieder einige Gruppen zugleich hereinkamen.


Damit ging schon der dritte Tag zu Ende und ich konnte kaum glauben, dass die „Halbzeit“ schon überschritten war. Letztendlich hatte ich doch noch die langersehnte Ruhe gefunden, vielleicht nicht immer dort, wo ich sie erwartet hatte, aber diese Überraschungen gehören einfach dazu.
 
Danke für diesen schönen Tagesbericht. Du hast sehr viel gesehen! Den Celio kenne ich eigentlich gar nicht, dies wird sich im Mai hoffentlich ändern. :nod:

Damit ging schon der dritte Tag zu Ende und ich konnte kaum glauben, dass die „Halbzeit“ schon überschritten war. Letztendlich hatte ich doch noch die langersehnte Ruhe gefunden, vielleicht nicht immer dort, wo ich sie erwartet hatte, aber diese Überraschungen gehören einfach dazu.

In Rom habe ich immer das Gefühl, dass die Minute dort 30 Sekunden dauert - und Überraschungen gehören einfach dazu!

Ich freue mich auf Deine weiteren Eindrücke!


 
Danke für diesen schönen Tagesbericht. Du hast sehr viel gesehen! Den Celio kenne ich eigentlich gar nicht, dies wird sich im Mai hoffentlich ändern. :nod:
Vielen Dank, Padre. Bei mir hat es ja auch bis zum 3. Besuch gebraucht bis ich den Celio ins Programm aufgenommen habe. Aber ich habe es wahrlich nicht bereut. Es ist schwer die Atmosphäre dort in Worte zu fassen. Am Besten du machst dir dein eigenes Bild, aber das hast du ja ohnehin vor :)
 
Zurück
Oben