Montag, 27.09.2010
Heute Morgen ist es zwar bewölkt, aber ich bin sicher, der Himmel wird aufreißen und die Wolken sich auflösen, was sie z.T. dann auch taten. Auch wenn immer wieder ein kühler Wind blies, die Sonne hatte die Oberhand und wenn sie da war, wärmten ihre Strahlen.
Heute ist der Tag der frühchristlichen Kirchen.
Wegen der Öffnungszeiten der verschiedenen Kirchen, die wir heute besichtigen möchten, sollen wir bereits um 9.30 Uhr an S. Pudenziana sein, wo B. auf uns wartet.
Wer den Berufsverkehr in Rom kennt, weiß, das heißt Zeit einplanen. Gut, dass wir nahe beim Hotel viele Bushaltestellen haben, so auch die Linie 64, mit der wir gleich eine kleine Stadtrundfahrt machen: nach dem Tunnel Porta Cavalleggeri ruckelt der Bus über die Tiberbrücke - Blick zur Engelsburg – und zuckelt zum Corso Vittorio Emanuele, hier geht es auf der Busspur wieder etwas zügiger vorwärts, vorbei links an der Chiesa Nouva – das Oratorio dei Filippini, erbaut von Borromini, versteckt sich hinter einem Baugerüst – und rechts der wunderbare Renaissance-Palast, die Cancelleria, in der das päpstliche Ehegericht, die Sacra rota, ihren Sitz hat. Wir kommen vorbei an der Kirche S. Andrea della Valle mit der zweitgrößten Kuppel Roms und Schauplatz des ersten Aktes der Oper „Tosca“ (der zweite spielt im Palazo Farnese hinter dem Campo die fiori, wo wir dieses Mal leider nicht hinkommen werden, und der dritte in der Engelsburg – Puccini kannte sich aus wo’s schön war!). Dann fahren wir vorbei am
Largo di Torre Argentina,
(besser bekannt als „Katzenforum“ und hat nichts mit Argentinien zu tun, sondern mit einem päpstlichen Zeremonienmeister aus Straßburg (=Argentoratum) um 1500, der hier sein Haus hatte) - mit den Tempelresten aus republikanischer Zeit, die nur mit Buchstaben benannt sind, nachdem man nicht weiß, welchen Gottheiten sie geweiht waren -, und kommen auf die
flankiert von Palazzi mit geschichtsträchtigen Balkonen. Dieser Platz ist Drehscheibe und Knotenpunkt des römischen Verkehrs, von hier gehen die Straßen ab in alle Richtungen und er wird dominiert von der
„Schreibmaschine“ oder wer möchte von der „Hochzeitstorte“
Aber dazu später mehr. Jetzt keucht der vollbesetzte 64er erst einmal hinauf zur Via Nazionale – links erhaschen wir einen Blick auf den Quirinalspalast, wo der Staatspräsident residiert, mit dem Obelisken und den Dioskuren auf dem weiten Platz – und rechts sind wir gerade am Torre delle Milizie vorbei gefahren, auch Torre di Nerone genannt, da sich die Römer erzählen, von hier hätte Nero den Brand Roms betrachtet und besungen. – Viel zu schnell, um alles zu erfassen, sind wir die Via Nazionale entlang gefahren. Schöne Geschäfte gibt es hier, wann ist Zeit zum shoppen? An der gestreiften Anglikanischen Kirche drängeln wir uns aus dem Bus, gehen die Via Napoli entlang und biegen ab nach Santa Pudenziana.
S. Pudenziana - Wir steigen vom heutigen Straßenniveau hinab auf das der Antike und betreten eine der ältesten Kirchen Roms mit wunderschönen Mosaiken in der Apsis:
Christus ( auf einem sakralen Mosaik erstmals mit Bart) als lehrender Philosoph dargestellt, auf dem Thron sitzend vor dem Himmlischen Jerusalem. Die beiden Frauen, die Petrus und Paulus die (Märtyrer-)Kronen reichen, symbolisieren die Heiden- und die Judenkirche. Die Figuren sind alle sehr ausdruckstark, bewegt, fast plastisch dargestellt, eine Seltenheit auf frühchristlichen Mosaiken.
Wir verlassen Sa. Pudenziana, werfen noch einen Blick auf den schönen Campanile und das Portal mit dem romanischen Fries, der Einflüsse deutscher Miniaturmalerei zeigt.
S. Maria Maggiore – hier müssen wir Kopfhörer ausleihen, da „ohne“ in der Kirche nicht mehr erklärt werden darf, aber wegen der Lautstärke die sonst hier herrschen würde, ist diese Maßnahme verständlich. B. hat die kleine Gruppe wieder kompetent durch die Geschichte und Kunst dieser Hauptkirche geführt: von der Legende, dass hier in der Nacht zum 5. August (man beachte: zehn Tag vor Ferragosto!) des Jahres 352 Schnee gefallen ist, als Zeichen, dass hier auf dem Esquilin-Hügel eine Kirche gebaut werden soll, bis zum reichen Bildprogramm der Mosaiken, mit biblische Szenen und in der Apsis detailreiche Darstellungen aus dem Leben Marias – jetzt sollte man einen Operngucker und mehr Zeit haben, um diese Kostbarkeiten in Ruhe anzuschauen.
Kaum beachtet von den Touristen: 1995 wurde das Rosettenfenster neu gestaltet von einem ungarischen Künstler. Die Symbolik ist äußerst aktuell und entspricht dieser Kirche (Maria, Mittlerin und Verbindung zwischen Judentum und Christenheit, für das AT die Schrifttafeln und der siebenarmiger Leuchter, für das NT das Kreuz und der Kelch mit Brot) aber ein „Dorn im Auge“ der Kunstverständigen sind die grellen Farben, die nicht mit dem Innenraum der Kirche harmonieren und das einfallende Licht verzerren.
(Anmerkung: der Künstler János Hajnal hat auch die Fenster der Audienzhalle bei St. Peter gestaltet und ist am 9. Okt. 2010 in Rom 97jährig verstorben.)
Bernini wird sich in seinem Grab unter der kleinen, schmucklosen Grabplatte nicht daran stören
und die reich verzierte Kassettendecke aus dem 15. Jh. wird weiter im Glanz des ersten Goldes aus Amerika erstrahlen.
S. Prassede – die kleine, unscheinbare Kirche
mit dem reichen Schmuck der Mosaiken in der Apsis und am Triumphbogen
- dem wunderschönen „Paradiesgärtlein“, der Zenokapelle –
immer wieder flammt die Beleuchtung auf und lässt diese farbenprächtigen auf Goldgrund glänzenden, byzantinischen Figuren erstrahlen.
Im kleinen Kirchenladen gibt es eine reiche Auswahl von schönen (und kostengünstigen) Abbildungen davon, auch wenn sie nur ein schwacher Abglanz sein können.
Schaffen wir es, noch vor der Mittagsschließung auch noch S. Pietro in vincoli einen Besuch abzustatten? Mit flottem Schritt über den Colle Oppio, verdorrtes Gras auf den dürftigen Wiesen, Pinien und staubige immergrüne Sträucher, – ein Mann leert einen großen Plastiksack voller Brotreste für die Tauben aus, die in riesigen Schwärmen einfallen – der Markusplatz in Venedig ist ein Klacks dagegen – eine Staubwolke mit Flügelschlag hat sich über die Wiese gesenkt.
S. Pietro in vincoli – umlagerte Hauptattraktion dort ist
der Moses des Michelangelo. Nur betrachten und Fotos machen, ansonsten „Silenzio!“ – das rigoros eingefordert wird – und als Hintergrund Musik von Mozart. Die „kleine Nachtmusik“ und der Moses – oh je - was für ein Kontrast!
Die Mittagspause sehr angenehm mit M.und B. im "
cafecafebistrot" verbracht bevor wir uns zum Nachmittag-Rundgang wieder alle trafen. Nach eingehendem Studium der Kapernbüsche,
die mit Blüten und Knospen an der Mauer wuchern, bewundernd ob des Ausmaßes und seiner Geschichte das Kolosseum einmal umrundet.
Ebenso sehenswert die „alten Römer“ und die Müllabfuhr-Frauen in ihrer schicken Dienstkleidung, geschminkt, mit lackierten Fingernägeln und klimpernden Ohrringen – so macht der Plausch mit den Kollegen Spaß. Auch sie haben das Kolosseum mehrmals umrundet, ich konnte aber nicht sehen, dass sie den Besen geschwungen hätten. Wir beschlossen unsere Kolosseum-Umrundung mit einer Warteschlange vor den „obligatorischen Anstalten“ und konnten uns dann aufmachen, nach
S. Clemente: Wie oft war ich schon in dieser Kirche und trotzdem ist es jedes Mal wieder ein Erlebnis, das wunderschöne Apsismosaik mit dem Kreuz als Lebensbaum in einer Fülle von Heiligen, Symbolen, Tieren und reich wuchernden Pflanzen auf leuchtendem Goldgrund, die farbenprächtigen Kosmatenarbeiten des Fußbodens, die Schola Cantorum und auch die schönen Fresken in der kleinen Kapelle der hl. Katharina zu sehen. Jedes Mal entdecke oder erfahre ich etwas Neues: Blumen und Blätter, ein Tier im Geäst des Lebensbaumes, die Hand Gottes mit dem Tuch des Lebens, das über uns ausgebreitet wird…
Und dann steigen wir hinab in die Unterkirche, sehen das, was von den Fresken der ersten Kirche übrig ist und uns Geschichten von hl. Alessio und Clemens erzählt und die Überreste der römischen Wohnhäuser. Wir queren den 70 cm schmalen Weg, der die Häuserzeile trennte und kommen in das Haus mit dem Mithras-Heiligtum, sehen einfachen Fußboden in Fischgrät-Muster und Opus reticulatum-Mauerwerk (eine kunstvolle Verblendung der einfachen Ziegeln) und dann hört man immer stärker das Rauschen von Wasser – an diesem Ort könnte man an „das Wasser des Lebens“ denken , Wasser, das schon seit Jahrhunderten hier im Untergrund sprudelt.
Wieder in der Oberwelt angekommen muss ich jedes Mal erst einmal tief Atem holen, noch ein Blick auf das Mosaik in der Apsis – und dann kann ich wieder hinaus in das pulsierende, römische Leben treten.
Wir spazieren weiter, hinauf auf den Celio, überqueren die Via Claudia/Navicella und gehen durch den Arco di Dolabella
und wieder vorbei an üppig über die Mauer wuchernden Kapernsträuchern mit Blütenknospen und diesmal auch großen Früchten – mal sehen, ob die Ableger im kühleren Norden angehen – , die kleine Eidechse hat es eilig, sich vor uns in der Mauerritze zu verstecken.
Über den Clivio di Scauro mit den z.T. noch antiken Pflastersteinen spannen sich die mächtigen Strebebögen,
sehr fotogen auch als Kulisse für Hochzeitsfotos. Wir wollen uns die neben der Kirche SS. Giovanni e Paolo gelegenen Ausgrabungen der Case romane ansehen. Welche Farbenpracht und Bilderreichtum den man dort entdeckt hat! Es war wohl ein Gebäudekomplex mit offenen Läden und Geschäften zur Straße hin, dahinter Magazinräume und noch mal dahinter Wohnräume die vielleicht für die Bediensteten waren. Hinter einer Straße, die der neue Besitzer überbauen ließ, befand sich ein vornehmes Haus mit prächtig ausgestatteten Räumen. Am schönsten fand ich den ersten Raum mit Darstellungen von Girlanden und Tieren: ein Vogel schnappt sich eine Eidechse, ein anderer hat eine Maus im Schnabel oder einer pickt Beeren von einer Weintraube. Zwischen den Girlanden tänzeln spärlich bekleidete Jünglinge, die auch schon mal kleine Flügel haben. Weitere Räume waren mit einer täuschend echt aussehenden Marmorierung ausgestattet, das Nymphäum mit einem Fresko in kräftigen Blautönen, wie frisch hingemalt – und dann waren wir ganz schön erschöpft von all den Eindrücken. Zum Ausruhen noch ein Blick in die Kirche SS. Giovanni e Paolo – „außer Kronleuchter nichts gewesen“ - und anlässlich dieser Hochzeitskirche und des Fotoshootings davor über Sinn und Unsinn der in Italien gängigen Prunkhochzeiten und die daraus resultierenden Verschuldung, nicht selten auf Jahre hinaus, diskutiert.
Es ging zurück, den Berg hinab zur Bushaltestelle und wir konnten gut alle zusammen in einem Bus der am Tiber entlangfuhr, mitfahren. Goldig war die alte Römerin (nicht Romana di Roma, nur schon lange hier lebend), die uns, den
due straniere simpatiche :blush:, S. Maria Maggiore. anpreisen wollte und total überrascht war, dass wir diese Kirche schon besucht hatten.
Sie ist von
hier und hat S. Maria ja erst vor zwei Jahren gesehen, kennen gelernt! Ja, ja - il traffico in der Stadt … stellt sie fest, während sie aus dem Fenster schaut - und dann erzählte sie uns noch, sich dabei köstlich amüsierend, dass vom 15. Juli bis 15. September die Vögel nicht singen würden – aber warum, das wüsste sie auch nicht … Chiacchierate, chiacchierate.
Am Borgo den Bus verlassen und noch Zeit gehabt, nach St. Peter zu gehen, ohne längeres Anstehen an der Sicherheitsschleuse und mit vielleicht nicht so viel Andrang drinnen. Es waren schon noch genug Leute dort, aber wir konnten in Ruhe und mit Bedacht einen Eindruck von der größten Kirche der Christenheit gewinnen, einfach schauen und staunen, Altbekanntes wieder erkennen.
Wie lassen wir diesen Abend ausklingen? Vielleicht auf der Dachterrasse eines komfortablen Hotels gegenüber den Kolonnaden?
Ein Zitat aus dem
ADAC e. V.
Werbelink. Kein Nachteil beim Kauf, die Werbeprovision ermöglicht dieses Angebot.
ADAC-Reisemagazin Rom, dem eigentlich nichts mehr hinzuzufügen ist: „Hier wird der Drink zu sanfter klassischer Musik serviert und es tut sich ein besonderer Blick auf: unten liegt das große Oval des Petersplatzes, linker Hand, scheinbar zum Greifen nah, baut sich das gewaltige Portal des Petersdoms auf, überragt von seiner mächtigen Kuppel, und im Apostolischen Palast jenseits des Platzes schimmern im obersten Stockwerk die hell erleuchteten Papstgemächer“ – oder auch nicht, wenn il papa, wie in dieser Woche, sich außerhalb von Rom, in Castel Gandolfo, seinem Sommersitz, aufhält. Der „eifrige“ Kellner nahm die Einnahme der Terrasse gelassen und zuckte auch nicht mit der Wimper bei der Bestellung von „heißer Milch“, auch wenn der tollen Aussicht ein schöner Wein oder Campari mit Orangensaft vielleicht besser anstand? Er machte auch weiterhin gute Miene zum Spiel, als er half die Poltrone von drinnen nach draußen zu hieven, um auch für Hausgäste noch einen Sitzplatz auf der begehrten Terrassennische zu schaffen.
Wir genossen die großartige Sicht auf die erleuchtete Peterskuppel
und den Blick auf den Apostolischen Palast
und verließen die Lokalitäten erst, als der fast noch volle Mond hinter den Kolonnaden auftauchte und das Bild noch grandioser machte – „man gönnt sich ja sonst nichts“ als Abschluss dieses römischen Tages.
Leider sind die Fotos, besonders die Innenaufnahmen in den Kirchen und auch die Nachtaufnahmen, sehr laienhaft (und unscharf) :blush: -
aber es gibt ja in anderen Rom-Reiseberichten exzellente Aufnahmen davon :thumbup: und meine habe ich einfach mal mit eingebaut, damit der Bericht nicht noch mehr textlastig wird
Buona notte wünscht Euch
Pasquetta