Fauler Zauber

Hallo,

....Der Philosoph Cacciari begreift die Welt als großes Ganzes. Die Antwort auf die kleinen Fragen, warum es zum Beispiel in Dorsoduro keine Gemüseläden gibt, liefert er nicht.....

da hat der Autor nicht ganz recht.;)



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Gemüseboot in Dorsoduro vor einem Gemüseladen.​

Sonst hat er leider in sehr vielem recht. Aber was soll man machen, wenn man Venedig sehen will, muß man als Tourist hin. Oder ?
 
Also wir waren bislang noch nie in Venedig - und werden es ziemlich sicher auch im nächsten Jahr, entgegen ursprünglich anderen Plänen, wohl nicht schaffen. Eigentlich hatte ich auch gedacht, da müsste ich nie hin ... allerdings hat mich vor einiger Zeit ein guter Freund doch vom Gegenteil überzeugt ... wenn allerdings wiederum andererseits ich jetzt diesen "faulen Zauber" lese, dann kommen mir Bedenken ... :?
 
... und beileibe nicht nur deswegen! ;)
 
Gaukler schrieb:
Eigentlich hatte ich auch gedacht, da müsste ich nie hin ... allerdings hat mich vor einiger Zeit ein guter Freund doch vom Gegenteil überzeugt ...
Trau ihm und fahre hin.
Ja, schon ... also dass ich ihm traue :nod: (wozu sonst ist man schließlich befreundet :D) ... aber, da beißt die Maus keinen Faden ab: Ich wäre dann halt auch einer von denen, deren Anwesenheit die venezianische Autorin so kritisch beleuchtet. :? Bzw. wir wären deren sogar zwei: mein BEVA und ich. Okay, wir können sicherlich für uns in Anspruch nehmen, wovon ich auch bei allen anderen mir hier bekannten Regulars ausgehe: dass wir sozusagen "sanfte Touristen" sind jedenfalls in unserem persönlichen Verhalten. Also was z.B. Disziplin, Sauberkeit, Höflichkeit bzw. Freundlichkeit, Rücksichtnahme etc. betrifft.
Trotzdem bleibt natürlich ein gewisses "notwendiges Fehlverhalten": Anreise, Abreise, (Mit-)Bevölkerung der Plätze und Straßen ... pardon: der Kanäle :D; Verbrauch eines bestimmten Maßes von Resourcen aller Art; und vor allem eben dies: Vergrößerung einer Personengruppe, die sich, wie der Artikel zeigt, keiner uneingeschränkten Beliebtheit erfreut - aus durchaus verständlichen Gründen. :|

Dabei vergesse ich natürlich nicht, dass Venedig auch nicht geholfen wäre, wenn von diesem Artikel an der Touristenstrom völlig verebben würde.

Und zudem stelle ich mir jetzt natürlich auch die Frage, wie Rom das sieht ... uns sieht: evtl. doch auch anders, als ich bisher in sämtlichen Gesprächen mit Römern den (positiven) Eindruck hatte?
 
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Zum Hintergrund des von drhoette verlinkten Artikels in der ZEIT sollte man wohl darauf hinweisen, daß er sich auf eine zur Zeit (8.10. - 6.12.2009) in der Galleria di Piazza San Marco (Fondazione Bevilacqua La Masa) stattfindende Ausstellung bezieht: Migropolis. Venice, Atlas of Global Situation, zu der ein Begleitband erschienen ist, zu dem einmal der Verlagstext zitiert sei:




Im Winter 2006 schwärmte ein Kollektiv von Studenten der IUAV Universität in Venedig aus, um ihre Stadt unter der Ägide des Philosophen Wolfgang Scheppe einer forensisch-strukturellen Kartierung zu unterziehen. Aus diesen Feldforschungen in der Tradition des Situationismus entwickelte sich ein urbanistisches Projekt, in dessen dreijährigem Verlauf ein gigantisches Archiv aus zehntausenden Fotos, Fallstudien, Bewegungsprofilen und statistischen Daten entstand. Der Sehnsuchtsort Venedig - am Kreuzungspunkt dreier Korridore der Migration - erscheint darin als europäische Frontstadt und exemplarischer Prototyp für die Eskalation der globalisierten Stadt, in der eine dezimierte innerstädtische Bevölkerung mit dem Millionenheer des Tourismus und einer Parallelökonomie illegaler Immigranten zusammentrifft.
In einer raffiniert verzweigten Landkarte aus Essays, Bildargumentationen, Datenvisualisierungen und Interviews wird das globalisierte Territorium Venedigs mikroskopisch seziert und als urbanes Gleichnis erklärt: Die Stadt wird zum »Atlas einer globalen Situation«.
Hatje Cantz Verlag | Migropolis | Venice / Atlas of a Global Situation

Ohne die Forschungen des Philosophen Wolfgang Scheppe (Studio Wolfgang Scheppe [Vorsicht!]) bewerten zu wollen: Abschreckender ("Kollektiv von Studenten":x, "forensisch-strukturelle[] Kartierung":x, "Frontstadt":x:x, "mikroskopisch seziert":x) kann man für ein Buch nicht werben
findet
tacitus

Weitere Informationen: Hatje Cantz Verlag | Interviews | Wolfgang Scheppe

Zur Ausstellung ein Artikel von Thomas Steinfeld aus der Süddeutschen Zeitung:
Touristen strömen aus Kreuzfahrtschiffen und treffen mehr fliegende Händler als Einwohner - eine Ausstellung blickt hinter Venedigs Fassade.

Ausstellung ''Migropolis'' - Das wahre Gesicht von Venedig - Europa: Reiseberichte und mehr - sueddeutsche.de
 
Danke, Tacitus - wirklich sehr aufschlussreich! :nod: :thumbup: :thumbup:

So wird Venedig zu einer Stadt an der Grenze Europas, zu einer Kreuzung, an der sich die beiden größten Ströme von Wanderern treffen, die Touristen und die Emigranten, zu radikal ungleichen Bedingungen, zum Ort der extremen Polarisierung und der bis ins Äußerste gesteigerten globalen Ökonomie.



... und mit einem in seinem Gehalt geradezu ironisch wirkenden Schlusssatz:


Belehrender, umfassender, gebildeter als in dieser Arbeit ist zeitgenössische Kunst selten geworden - eigentlich müsste man nun aufbrechen, um sich die dazugehörige und offenbar ganz anders gestalte Ausstellung anzusehen, die am 8. Oktober, in der Fondazione Bevilacqua am Markusplatz eröffnet wird und noch bis zum 6. Dezember zu sehen sein.

:twisted:​
 
Das ist nun mal das Schicksal der großen Touristenattraktionen. Mir ist es aber immer noch lieber mir diese herausragenden Sehenswürdigkeiten mit vielen Gleichgesinnten zu teilen als darauf zu verzichten.
Ephesus ist ein gutes Beispiel. Von allen Attraktionen, die ich entlang der türkischen Westküste gesehen habe, hat mich diese Stadt am meisten beeindruckt.

Gruß Ludovico
 
Na, vielleicht zieht ja Ossi Kokisch auf Dauer dorthin um - dann wären sie schon wieder wenigstens einer mehr.

:twisted: :lol: :twisted:​
 
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