Italien: Draghi und die große Koalition

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Die Regierung um den neuen italienischen Premier Mario Draghi feilt an ihrem ersten Paket mit Stützungsmaßnahmen gegen die Wirtschaftskrise. (...)
Mit dem Paket plant die Regierung eine radikale Vereinfachung bürokratischer Prozeduren. Vorgesehen sind außerdem Hilfsmaßnahmen für die von der Wirtschaftskrise am stärksten betroffenen Sektoren wie Gastronomie, Tourismus, Kultur und Freizeitindustrie. Der Zugang zu den Hilfsmaßnahmen soll vereinfacht werden.
 

Die neuen Termine für die zumeist regionalen oder kommunalen Abstimmungen sollen zwischen dem 15. September und dem 15. Oktober liegen.
Betroffen ist auch die für 11. April angesetzte Kommunalwahl in Kalabrien, wie ein Regierungssprecher bestätigte. Sie ist nötig, weil Regionalpräsidentin Jole Santelli im Oktober gestorben war. Diese Wahl war wegen Corona bereits einmal verschoben worden. Ansonsten geht es etwa um kommunale Vertretungen und die Nachbesetzung von Parlamentssitzen in Rom.
 

Artikel von Ulrike Sauer am 7.3.2021

In meinen Augen lesenswert! Hoffentlich fällt nicht noch die Bezahlschranke.
 

Lesenswerter Artikel von Oliver Meiler vom 11.3.2021

Wäre der Begriff der Revolution nicht schon allzu prominent besetzt, könnte man wohl von einer Revolution sprechen. Und das Spektakuläre an ihr besteht darin, dass sie eine Normalisierung ist. Eine Bereinigung des Klamauks.
Den Revolutionsführer gibt ein 73-jähriger Mann, der still vor sich hinarbeitet und dabei eine Impfstrategie und einen Wiederaufbauplan entwirft für die Zeit nach der Pandemie, die das Land noch fest im Griff hat.
 
Zweifelsohne einige sehr interessante Perspektiven. Aber ob eine solche Entwicklung wirklich halbwegs dauerhaft vereinbar sein wird mit dem italienischen Temperament? Insbesondere mit der jahrzehntelangen Gewohnheit, die jeweils Regierenden lange vor dem Ablauf ihrer Amtsperiode zum Teufel zu jagen?

In jedem Fall hat der Verfasser gut daran getan, seinen Artikel zu beenden mit diesem Satz:
Alles ist offen, auch die Möglichkeit einer Konterrevolution.
 
Wobei meine Skepsis nun neue Nahrung bekommen hat hier: Enrico Letta neuer Chef von Italiens Sozialdemokraten.
Denn:
(...) auf Technokraten entfallen lediglich 8 der insgesamt 23 Ministerposten (vgl. Kabinett Draghi). Angesichts einer solchen Konstellation bezweifele ich, dass Renzi noch lange die Füße stillhalten wird, nachdem nun derjenige Konkurrent wieder auf den Plan getreten ist, den er 2014 schon dauerhaft ausgeschaltet zu haben glaubte.
 
Dergleichen liest sich natürlich recht gut:
Draghi, der Macher - auch bei seinen Ansagen für künftig mehr Digitalisierung und weniger Bürokratie. Eher charmant versuchte es Draghi beim italienischen Herzensthema Alitalia, der hochverschuldeten Airline, um deren Neustart unter möglicherweise verändertem Markennamen die Regierung gerade kämpft: "Glaubt mir, die Vorstellung, dass sie bald nicht mehr Alitalia heißen wird, schmerzt auch mich sehr. Gerade für einen in meinem Alter, der viel mit der Alitalia geflogen ist, ist sie wie ein Teil der Familie. Okay, Familie, die ziemlich teuer war, aber Familie", scherzt Draghi.
Gerne möchte ich glauben, dass Draghi im Amt des italienischen Ministerpräsidenten Vieles zum Guten wenden könnte. Jedoch als Europäer halte ich vor allem seine Funktion als EZB-Chef in Erinnerung ... samt sämtlicher daraus resultierender Skepsis.
 

Artikel von Oliver Meiler vom 12. April 2021

Vorgesehen sind drei zentral geführte Gremien, an denen die Minister aller maßgeblichen Ressorts beteiligt sind: Sie koordinieren die Investitionen, prüfen deren Ausführung durch die Regionen und die Gemeinden, kontrollieren den Fluss des Geldes. Draghi sagte, ein großer Teil werde dafür genutzt, alte Ungleichheiten zu sanieren, nicht nur infrastrukturelle: Junge Italiener und Frauen sollen speziell gefördert werden. Und der Süden. Am meisten verspricht man sich von der Digitalisierung. Auch sollen Schulen und Behörden endlich besser vernetzt werden. In der Pandemie zeigte sich dramatisch, dass Italien da weit zurückliegt.
 

Die Lockerungen bei der Pandemiebekämpfung in Italien, die am Montag in 15 der 20 Regionen des Landes in Kraft getreten sind, werden von der ersten ernsthaften Krise in der Koalitionsregierung von Ministerpräsident Mario Draghi begleitet. Matteo Salvini, Parteivorsitzender der rechtsnationalistischen Lega, will mit einer Unterschriftenkampagne die Verkürzung oder Abschaffung der nächtlichen Ausgangssperre erreichen.
 
Italien: Parlament beschließt Milliarden-Aufbauplan | tagesschau.de

Die Überschrift über dem ehrgeizigen Plan könnte lauten: Italien soll fortschrittlicher, grüner und gerechter werden. Er kommt einem Regierungsprogramm gleich, nicht nur für diese, sondern auch für kommende Regierungen. In den nächsten fünf Jahren soll das Land wieder auf die Beine kommen - mit einer Finanzspritze von fast 250 Milliarden Euro, davon rund 190 Milliarden aus dem Topf des Europäischen Aufbaufonds "Next Generation EU".

Italien bekommt mehr als jedes andere EU-Land. Allerdings, so sagte Draghi, seien die wirtschaftlichen und sozialen Schäden durch die Corona-Krise hier auch besonders groß:
 

Artikel von Matthias Rüb

Während seiner Ansprachen im Parlament versuchte Draghi, den richtigen Ton zwischen Ermahnung zu den überfälligen Reformen und Ermunterung zur Entfesselung des schlummernden Potentials der Nation zu wählen. Die historische Chance, das Land aus seiner selbstverschuldeten Erstarrung zu befreien und nach zwei Jahrzehnten faktischer Stagnation auf den Wachstumspfad zurückzuführen, dürfe nicht vertan werden, mahnte Draghi. Zu den 221 Milliarden Euro aus Brüssel, die in den Jahren bis 2026 ausgegeben werden sollen, sattelte die Regierung Draghi etwa vier Dutzend weitere Milliarden Euro drauf, die sich das Land auf den internationalen Finanzmärkten beschaffen will.
 
Italien: Draghi macht noch mehr Schulden - und Brüssel sagt ja dazu - Meinung - SZ.de (sueddeutsche.de)

248 Milliarden Euro also. Zunächst war mal die Rede gewesen von 191 Milliarden, dann von 222, am Ende packte Draghi noch mal 26 Milliarden drauf. Und in Brüssel nickte man die Summe einfach ab, obschon ein großer Teil davon Kredite sind und Italien so hoch verschuldet ist wie noch nie. Mehr Defizit, trotz Rekordschulden: Das ist die Umkehrung einer alten Maxime, eine abenteuerliche Wette. Doch Draghi bürgt, er allein.

Bei Draghi denkt man eben immer, er wisse ganz genau, was er tut, auch wenn seine Gesten tollkühn anmuten und gegen den Strom gedacht sind. Die Finanzmärkte sind nun auch auffällig gelassen, italienische Schuldscheine sind gefragt. Die angelsächsische Wirtschaftspresse sieht in Draghi gar ein Vorbild für Mut und Entschlossenheit in Europa. Er war zum Beispiel neulich der erste europäische Regierungschef, der eine Ausfuhr von Impfdosen nach Übersee stoppte, um Big Pharma an seine Verpflichtungen auf dem Kontinent zu erinnern. Andere folgten. Draghi war auch der einzige Premier, der den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan nach dem "Sofagate" hart und, ja, auch ungelenk angriff. Er nannte ihn einen "Diktator". Doch andere schwiegen ganz.
 
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