Der große Lateindiskurs

Fortunata

Pontifex
Stammrömer
Es war im Jahr 1994, in dem wir zu viert in Rom waren. Zwei Pärchen, mein Mann Bernhard und ich sowie sein Bruder Robert und seine Ehefrau Andrea. Die zwei blieben eine Woche, wir zwei blieben noch eine länger. Der folgende Text ist unserem damaligen Reisetagebuch entlehnt und daher natürlich recht persönlich gefärbt. Etwaige Zoten bitte ich daher zu entschuldigen....

10.09.94
>Martina: Nach einem recht anstrengenden Tag zogen wir Frauen uns schon mal in unsere Zimmer zurück, während die Männer den Abend bei zwei Bierchen im dunklen Innenhof beschloßen, im Hintergrund begleitet von plärrendem italienischem Kabelfernsehen, heftigem Schnarchen und konvul[...] Schluchzen...<

>Robert: kurzer Pausenstopp! Berni und meine Wenigkeit haben eben eine 10,- DM-Wette abgeschlossen. Heißt es "konvulsisch" (Robb; herrschende Meinung (hM)) oder "konvulsivisch" (Berni; andere Meinung (aM))? Wahre Wette; Empfang bzw. Herausgabe werden bis spätestenes 05.10.94 bestätigt.<

>Bernhard:
con - vulsare: sich zusammenkrümmen
con - vulvare: seine (ihre?) Vulva verknoten?
Robb ist ein Pfusch-Lateiner des ausgehenden XIV. Jahrhunderts und ein Schweinekrämer dazu!<

>Martina: Jedenfalls hat sie 20 min lang aufs heftigste geheult... Inzwischen haben wir gemutmaßt, dass Bernhard während der 'zweiten latinischen Lautverschiebung' im Biergarten die Schule geschwänzt haben muss...<

[...]
12.09.94
>Robert: Am Abend kam es in unserer Bar noch zu einem verhängnisvollen Treffen für mich. Ein Lateinlehrer des Ludwigsgymnasiums tauchte auf und ratschte mit uns über alte Zeiten und dass der junge Maier mit ihm schon in der Grundschule gewesen sei, das letzte Mal habe er ihn vor zwei Wochen gesehen (Anm. Fortunata.: wie immer war laut Saverio, unserem Lieblingsbarista und Freund, der ehemalige Lehrer 'Hans Maier' - schön laut und 'italienisch' ausgesprochen - kurz vor uns in Rom gewesen.). Berni nutzte die Gelegenheit und gab mich schamlos der Lächerlichkeit preis. Als der Lehrer "konvulsisch" hörte, schrie er quasi vor Lachen auf und kriegte sich gar nicht mehr ein. Berni bezeichnete mich als Gasthörer des Wilhelmsgymnasiums und mir blieb gar nichts anderes übrig, als den Spielautomaten mit 500-Lirestücken zu befüllen und meine Wenigkeit mit Bier. Der Rollo stand schon auf mezzo chiuso, der Meister gähnte schon und so zogen wir um ca. 01:20 Uhr nach Hause.<

[...]
13.09.94
>Bernhard: Am Abend labten wir uns dann wieder alle zusammen im "Lucifero" an einem Fondue bourgainoise (oder so ähnlich). Wir erzählten ein paar Schwänke aus unserer Schulzeit, insbesondere mein Bruder lies ein paar Episoden aus seiner lustigen Zeit mit dem 'Papa Rölz' genannten Lateinlieblingslehrer verlauten. Vom Wein verlockt meinte er schließlich, dass nur dieser und dieser allein bestätigen könnte, ob unsere Wette von vor einigen Tagen zu seinen oder meinen Gunsten enden würde. Dabei vertraute er natürlich auf die Unmöglichkeit, dass ich den alten Rölz jemals in meinem Leben wiedersehen könnte und er so um die Zahlung meines verdienten Lohnes kommen würde. Allein, es half ihm nichts - denn Legenden und Wunder kommen in Rom so häufig vor wie eine Reliquie importiert von der Hl. Helena: Nur 5 (!) Tage später kamen Martina und ich zum Pallaro, um, wie gewohnt, den kulinarischen Genüssen des Maestro zu frönen, doch kein Platz weit und breit! Doch halt, ganz hinten war noch ein Platz für zwei, wo wir uns hinsetzen konnten. Ein paar deutsche Urlauber um uns rum, besser so, kann man wenigstens drüber lästern (Anm. Fortunata: Ihr wisst ja, die lieben Mit-Touristen...). Oh, war da nicht ein bayerisches Idiom zu hören? Es handelt sich wohl um Landsmänner! Nur komisch, der hinter mir liest im Corriere della Sera und unterhält sich (und uns) mit seinen Tischgenossen über den stets betrunkenen Küster in San Agnese (jetzt leider nicht mehr da) und die Hermeneutik in der lateinischen Sprache. Sieht eigentlich wie der gute alte Rölz aus, dachte ich mir noch, als er schon darüber sprach, wie oft er schon hier im Pallaro war, "damals hat alles noch 8000 Lire gekostet", dass der Martini neuer Papst würde, weil er bereits eine halbstündige Sendung im BR hatte und meine Ohren werden immer länger. Schließlich aber ist klar: Hic est Roma, hic saltat Rölz! 'Alfred', wie er angesprochen wird, und jetzt besteht kein Zweifel mehr, meint inzwischen, Cäsar wäre selbst schuld gewesen, dass er hier ( http://www.roma-antiqua.de/antikes_rom/marsfeld/pompeius_theater) ermordet wurde, der Dummkopf, warum wollte er auch König werden. Ich male mir schon das Gesicht meines Bruders aus, wenn ich ihm ein von Papa Rölz selbst unterzeichnetes Vernichtungsurteil über die Lateinkünste meines Bruders vorzeige (harrharr!)! Doch dann siegt mein großes Bruderherz, die Liebe zum Mitbruder auf der Pilgerfahrt (aber das ist eine andere Geschichte...) in schweren Zeiten! Ich sage also nur kurz beim allgemeinen Aufbrechen "Herr Rölz, ich soll Ihnen noch einen schönen Gruß von meinem Bruder ausrichten, einem gewissen Robert S. ..." Ja, da strahlten die alten, aber stets frisch gebliebenen Lehreraugen und wir unterhielten uns noch über dies und das und die alten Zeiten. So kann es gehen und dies soll allen Kleingläubigen eine ewige Mahnung sein!!<

LG
Fortunata
 
AW: Der große Lateindiskurs

Hallo und Moin, Moin Fortunata!

Danke !!! Sehr amüsant zu lesen .... mehr davon !!!

Gruß - Asterixinchen :)
 
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