Das Telefonbuch des Vatikans

Es lebe die Renaissance

Hallo,

zunächst mal: Ich habe den Artikel schon richtig verstanden, aber der letzte Satz "Besonders wichtig für die Vatikanbewohner sind die Telefonnummern des ärztlichen Notdienstes. Es gibt ... auch einen Gynäkologen (im Vatikan wohnen viele Nonnen) und – wer hätte das gedacht – sogar einen Kinderarzt", kann doch nur eine Pointe sein.

Wenn man das liest, dann könnte man meinen, das Zeitalter der Renaissance-Päpste mit Orgien à la Borgia wäre wieder angebrochen.
 
Hallo,

zunächst mal: Ich habe den Artikel schon richtig verstanden, aber der letzte Satz "Besonders wichtig für die Vatikanbewohner sind die Telefonnummern des ärztlichen Notdienstes. Es gibt ... auch einen Gynäkologen (im Vatikan wohnen viele Nonnen) und – wer hätte das gedacht – sogar einen Kinderarzt", kann doch nur eine Pointe sein.

Wenn man das liest, dann könnte man meinen, das Zeitalter der Renaissance-Päpste mit Orgien à la Borgia wäre wieder angebrochen.
Was hat das mit Borgia-Verhältnissen zu tun, wenn Nonnen zum Gynäkologen gehen? Ich bin auf dem Gebiet nun kein Experte, aber ich denke nicht, dass es mit dem Überstreifen des Habits vorgeschrieben ist, als Beweis des eigenen Gottvertrauens z.B. auf Krebsvorsorgeuntersuchungen zu verzichten. Gehst Du nur zum Gynäkologen, wenn Du Dir auf einer Orgie die Syphillis eingefangen hast?

Und falls Du auf den Kinderarzt anspielst: Es gibt im Vatikan auch Angestellte, die nicht dem Klerus oder einem Orden angehören. Die Offiziere der Schweizer Garde etwa dürfen natürlich verheiratet sein, und der Arbeitsvertrag schreibt auch keine Kinderlosigkeit vor. Wirfst Du dem Vatikan vor, dass er für seine Angestellten und ihre Angehörigen medizinische Versorgung bereit hält?

Ehrlich: Man kann es mit der Kirchenkritik (oder sollte ich sagen: mit der billigen, geschmacklosen Polemik?) auch übertreiben.
 
Dass es Kinder im Vatikan gibt und es somit auch einen Kinderarzt bedarf liegt an den Schweizer Gardisten, die zwar unverheiratet eintreten aber dann durchaus heiraten und auch Kinder in die Welt bzw. den Vatikan setzen.
So hat Bene letztes Jahr am 7. Januar das vierte Kind des vor kurzem zurückgetretenen Kommandanten der Schweizer Garde in der Sistina getauft.

Eines der Kinder war übrigens das vierte Kind des Kommandanten der Schweizer Garde, getauft auf den Namen Damian Elmar.
Vatikan: Papst-Taufe in der Sixtina

Irgendwo habe ich mal gelesen, dass die Kinder bis zum 25. Lebensjahr die vatikanische Staatsbürgerschaft haben.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich kann Deine Überreaktion überhaupt nicht verstehen.

Die Kritik liegt nicht bei mir, sondern an der Pointe des Autors dieses Artikels aus Bild, der hier bewußt mit den Klischees Nonne, Kinder und dem hinterschwelligen Sexualitätsbewußtsein der katholischen Kirche spielt.
Ich weiß ja nicht, wie Du der katholischen Kirche gegenüber eingestellt bist und möchte auch Deine Gefühle hier in keiner Weise verletzen, aber die Kirche und auch der Vatikan war noch nie ohne Sex und wird es wohl auch nicht bleiben. Sollten Dir die Pädo-Skandale in USA, Österreich und Deutschland entgangen sein?
Auch im Mittelalter sind die Quellen voll von Hinweisen darauf, daß Kleriker Frau(en) und Kinder hatten, vom untersten Stand bis hinauf in den höchsten Klerus.
In der Renaissance, und daher meine Anspielung darauf, hat man sich - wie ich meine - am ehrlichsten und offensten dazu gezeigt und nicht ein derartiges Spiel hinter den Kulissen getrieben. Zumindest nicht in dieser Ausprägung und einer der deutlichsten - was man auch immer sonst von ihm halten mag (das wäre ein anderes Thema) - der sich zu seinen Kinder bekannte, war Alexander VI. (Rodrigo Borgia).
Wer sich ein kirchliches Gewand anlegt, hört ja nicht automatisch auf, Mensch zu sein und zum Menschsein gehört nun einmal auch die Seite, die man durch das Christentum bzw. eher eigenartige Kirchenväter wie beispielsweise Augustinus (der gegen Sex predigt, Frau und Kind hatte und in seinen confessiones zugibt nachts von Trieben geplagt zu sein) ablehnt, verteufelt und damit über Jahrhunderte hinweg auch viele Menschen ins Unglück stürzte. Was wurde denn früher mit Frauen, die sich mit Geistlichen einließen, Kinder bekamen oder diese abtrieben? Bekamen sie die Kinder, waren sie zeitlebens stigmatisiert, trieben sie sie ab, dann drohte wegen Kindsmord die Todesstrafe, ganz zu schweigen von den Gefahren der Kurpfuscherei. Nicht anders verhält es sich auch mit Ordensschwestern.
Oder wie findest Du das? Wenn man in Rom im Vatikan einem jungen Geistlichen begegnet, dann wird man zwar bis über eine gewisse Distanz hin angeblickt, sobald man sich aber auf zwei bis drei Meter nähert, dann schlägt er sofort die Augen nieder? Das ist keine Einzelerscheinung gewesen. Ist es unkeusch jemanden in die Augen zu blicken?

Also bevor Du mich hier angreifst: Ich habe mich auf die bewußt gesetzte Pointe des Autors bezogen, der auf eine Doppelmoral der Kirche anspielt, die durchaus kritikwürdig ist, unabhängig davon, wie viele Mitglieder sich tatsächlich an die Regeln des Keuschheitsgebots halten. Denn diese Regelung ist wider die menschliche Natur, steht nicht im Einklang mit dem frühen Christentum, noch hat sie den Menschen jemals etwas Gutes gebracht, sondern im Gegenteil viele Menschen über unzählige Generationen hinweg in schlimmstes seelisches, gesellschaftliches und körperliches Unglück gestürzt.

Viele Grüße
Amalaswintha
 
Was willst Du denn eigentlich sagen? Du hältst es für einen - schlechten - Witz, dass es im Vatikan einen Kinderarzt und einen Gynäkologen gibt, weil Dich das an Orgien in der Renaissance erinnert. Das ist, kurz gefasst, das, was Du in Deinem Beitrag oben schreibst. Wenn das nicht polemisch ist, weiss ich auch nicht.

Dann bringst Du Pädophilie-Skandale, den Zölibat und die Unterdrückung von Frauen in der Kirche. Was das damit zu tun haben sollte, dass es die genannten Ärzte im Vatikan gibt, weiss ich auch nicht. Was haben die genannten Ärzte bzw. ihr Vorhandensein mit dem "Keuschheitsgebot", seiner Berechtigung und der Frage, wer sich daran hält und wer nicht, denn damit zu tun?

Also bevor Du mich hier angreifst: Ich habe mich auf die bewußt gesetzte Pointe des Autors bezogen, der auf eine Doppelmoral der Kirche anspielt, die durchaus kritikwürdig ist, unabhängig davon, wie viele Mitglieder sich tatsächlich an die Regeln des Keuschheitsgebots halten. Denn diese Regelung ist wider die menschliche Natur, steht nicht im Einklang mit dem frühen Christentum, noch hat sie den Menschen jemals etwas Gutes gebracht, sondern im Gegenteil viele Menschen über unzählige Generationen hinweg in schlimmstes seelisches, gesellschaftliches und körperliches Unglück gestürzt.
Und das hier verstehe ich überhaupt nicht. Ist es am Ende so, dass Du den Text etwas überinterpretierst?
 
Hallo Cellarius.

Also ich denke, daß Du zunächst einmal meinen ersten Text nicht ganz gelesen oder verstanden hast und daher als billige und geschmacklose Polemik bezeichnet hast. So in etwa hattest Du es doch geschrieben?
Vielleicht hätte ich das Zitat nicht in Rot darstellen sollen, so daß alles andere unterging.
Ich schrieb, zunächst, daß ich den Artikel schon richtig verstanden hätte. Das heißt einfach und klar, daß der Wortinhalt und die im Vordergrund stehende Aussage angekommen ist und die heißt nun, nach dem sonstigen Blabla des Artikels, daß im Vordergrund der betreffenden Passage steht: Es gibt im Vatikan einen Gynäkologen und einen Kinderarzt. Damit ist eine klare Aussage getroffen.
Du gehtst, wenn ich Dich richtig verstehe, davon aus, der Autor habe das allein gesagt. Eine Pointe lebte aber davon, daß der Autor dieser Pointe auch Unterschwelligkeiten miteinbezieht.
Gibt es also Anhaltspunkte für eine Pointe?
Pointen folgen dem Steigerungsprinzip und finden sich in der Regel am Ende. Dieser Absatz stand am Ende und er beschränkte sich nicht darauf, einfach zu sagen, im Vatikan gäbe es Notfalldienste, sondern es werden fein säuberlich die Ärzte aufgezählt und ohne eine sonstige Sinnhaftigkeit erkennen zu lassen, finden sich gerade Gynäkologe und Kinderarzt am Ende dieser Reihung. Gut, dann könnte man damit argumentieren: Zufall. Dagegen spricht, wie er - allein diese Ärzte - mit Hinweisen versieht: So steht beim Gynäkologen "im Vatikan leben viele Nonnen". Was ist hier mit den "weltlichen" Frauen, auf die sowohl Du, als auch Sira hingewiesen haben. Dass es die gibt, weiß ich auch und wohl auch weitere Menschen, so daß man das nicht als Sonderwissen zu betrachten braucht. Aber dem Autor kam es darauf an, hier explizit Nonnen zu benennen. Er hätte es ja unkommentiert lassen können, wie bei den anderen Ärzten auch, oder schreiben können "im Vatikan leben auch Frauen". Nein, es sind Nonnen, die zum Gynäkologen gehen. Das deutet darauf hin, daß der Autor bewußt beim Leser mit der Verbindung Gynäkologe (griech: gynä = Frau / Ehefrau) und Nonne zwei Begriffe zusammenbrachte, die zunächst nicht zu passen scheinen, weil es sich hier um das Geschlechtliche, (insbesondere Untersuchungen an Geschlechtsorganen) handelt und eine Nonne steht ja gerade nicht dafür. Ein weiteres Indiz für eine Pointe bildet beim Kinderarzt der Zusatz "wer hätte das gedacht". Warum soll man sich dabei etwas denken? Es gibt doch das Personal im Vatikan? Das bleibt mit Ausahme der Nonnen beim Autor aber unerwähnt.
Wenn für den Autor die beiden Ärzte so alltäglich erschienen, bräuchte er sie nicht besonders zu betonen. Beide Ärzte stehen aber in Zusammenhang mit Sexualität, denn auch Kinder bekommt man grundsätzlich, mit Ausnahme der Jungfrau Maria und moderner Befruchtungsmethoden, nicht ohne Sex.
Man kann einen Text auf verschiedene Weise lesen: Nach dem Buchstaben, oder auch mit dem, was mitschwingt. Dass es sich hier um eine Pointe handelte, die auf die bereits angeführte Klischeevorstellungen Nonne, Kinder Sexualität anspielt, hatte ich ja schon zuvor geschrieben. Ich denke nicht, daß ich hier den Artikel überinterpretiere.
Es ist daher, hier verstehst Du mich wieder nicht richtig, kein "schlechter Witz", um Dich zu zitieren, daß es diese Ärzte im Vatikan gibt, sondern es ist ein Herauskehren der Pointe des Autors dieses Artikels, die Du wahrscheinlich (lang genug war der Artikel ja) überlesen haben könntest, denn Du hattest mich ja deswegen als billigen Kritiker der Kirche bezeichnet.

Um das bislang zusammenzufassen:
Wir haben m.E. eine Pointe, die sich auf Sex-Klischees im Zusammenhang mit der katholischen Kirche bezieht.
Warum also die Renaissance?
Die Renaissance war das Zeitalter, in dem dieses Klischee wie in keinem anderen sowohl bedient, als auch kritisiert worden war. Savonarola und Luther sollten hier als Stichworte genügen. Aus diesem Zeitalter stammt das Bild, auf das schließlich der Autor dieses Artikels - ob er sich dessen bewußt war, keine Ahnung und ist auch egal - bezogen hat.

Nun zum letzten Punkt, der sich auf Deine Vorwürfe bezieht, die, wie ich finde doch schon sehr unsachlich und persönlich geworden sind: "Gehst Du nur zum Gynäkologen, wenn Du Dir auf einer Orgie die Syphillis eingefangen hast? ... Wirfst Du dem Vatikan vor, dass er für seine Angestellten und ihre Angehörigen medizinische Versorgung bereit hält? ... Kirchenkritik (oder sollte ich sagen: mit der billigen, geschmacklosen Polemik?)"
Du greifst mich an, in einer Weise, die irgendwie schon unter die Gürtellinie zielt und hast wieder nicht richtig gelesen, denn ich hatte geschrieben "könnte man meinen", man beachte den Konjunktiv!!!

Du hast zwar nicht erkannt, daß im Artikel eine Pointe steckt und liest nicht richtig, was ich schreibe, reagierst aber vollkommen über das Ziel hinaus. Sehr nett.
Aber insofern hast Du die Sache dann doch richtig erkannt, daß das, was im Artikel als Pointe gebracht wurde, aus der Ecke der Kirchenkritik stammt. Die hast Du mir dann im Schnellschuß wieder unterlegt. So weit bin ich zunächst gar nicht gegangen. Aber, und darauf beziehen sich Pädophilie, Zölibat etc., diese haben durchaus ihre Berechtigung.

Damit wollen wir es bewenden lassen ;).

Trotzdem auch Dir einen gesegneten Sonntag und viele Grüße
Amalaswintha
 
Wir sollten doch nicht vergessen, in welcher Zeitung der Artikel, zu dem der obige erste link führt, stand und wer ihn verfaßt hat.
Dass diese Zeitung nicht gerade für hervorragenden Journalismus bekannt ist, da dürften wir uns einig sein, aber auch dass man über die Artikel schmunzeln kann und auch nicht zu ernst nehmen sollte...

Denn alleine der Titel der Kolumne:
"Der Papst und ich-Ich schreibe über mein Leben im Vatikan"
suggeriert sicherlich dem Durchschnitts-BILD-Leser, dass Herr Englisch gleich neben dem Papst sein Büro hat.8O


Dazu ein ein blog aus der BZ, der eine Dienstreise-Episode des "deutschen Vatikan-Beauftragten" erzählt.
 
Du möchtest Dich mal informieren, wer Andreas Englisch ist, wie seine Haltung dem Papst und dem Vatikan gegenüber ist und für welches Zielpublikum er diese Kolumne schreibt. Ich bin als Historiker zu kritischer Textanalyse durchaus fähig, und ich kenne die Gefahren, etwas in einen Text hineinzulesen, was da beim besten Willen nicht steht. Und gerade deshalb glaube ich tatsächlich
dass Du den Text etwas überinterpretierst
.
Damit aber auch genug von mir zu diesem Thema. Dein versehentliches Doppelpost erlaube ich mir, zu löschen.
 
Liebe Gemeinde,

na, das ist doch mal wieder ein Thread, den es wirklich zu lesen lohnt. Herzlichen Dank allen Postern :nod:
Das war weder ironisch noch polemisch oder sonstwie gemeint, sondern ernst. Einfach so.

Wenn ich mich recht erinnere, habe ich vor einer Weile bereits einen Artikel des Herrn Englisch kommentiert (bin zu faul, den Link zu suchen :blush: ). In jedem Falle kann ich sira zustimmen, die auf die Zeitung mit den vier Buchstaben hinweist. Gerade dort liegt der Hase im Pfeffer: Wie heisst es bei Asterix: "Ich habe noch einen Kessel zu füllen". Und bei dieser Zeitung heisst es: "Ich habe noch eine Spalte zu füllen".

Ist es nicht toll, das wir über einen Artikel einer Tageszeitung von vor einem Monat heiss diskutieren? Ich finde ja.

Für das Lesevergnügen bedankt sich
ganz herzlich
patta
 
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