Das römische München

dentaria

Augustus
Forum-Sponsor
Stammrömer
München wird ja in der Regel als "nördlichste Stadt Italiens" bezeichnet. Allerdings wird meist das Hauptaugenmerk auf die Beziehung zu Florenz gelegt, aber auch Rom hat deutliche Spuren hinterlassen - natürlich nicht die alten Römer. Die meisten gehen auf Ludwig I. zurück, aber der erste Bezug ist fast so alt wie München.

20210122_140136 (1).jpg

Peterskirche

Zu der Kirche aber später mehr. Ludwig I. begab sich Mitte November 1804 auf "Grand Tour", kam Anfang Dezember in Venedig an und hatte dort die entscheidende Begegnung: Antonio Canovas Hebe im Palazzo Albrizzi. Ebe (Canova) - Wikipedia
Den bis dahin künstlerisch desinteressierten Kurprinz überkam die große Liebe zur Kunst und er ließ fortan durch Kunstagenten Werke in Italien kaufen. Weshalb die Hebe nicht dazugehörte, sondern 1825 von König Wilhelm III. von Preußen ersteigert wurde konnte ich nicht klären. Vielleicht, weil seine Agenten vor allem in Rom tätig waren. Heute kann die Hebe in der Alten Nationalgalerie in Berlin bewundert werden.

Foto folgt

Ein Plan des römischen München

"Das römische München – Google My Maps"

Inhaltsverzeichnis
Alte Akademie
Michaelskirche
- Geschichte
- Fassade












 
Zuletzt bearbeitet:
Der Begriff des "teutschen Roms" entstand im Jahr 1781 durch ein Buch von Anton Crammer - einem Jesuiten - anlässlich des 1782 anstehenden Besuches von Pius VI., des ersten Papstes in München. Pius VI. hob übrigens das Jesuitenverbot nicht auf, praktizierte aber den Nepotismus wieder verstärkt, was zur Folge hatte, dass sein Neffe Luigi Braschi-Onesti (Herzog von Nemi) die ehemaligen Jesuiten-Güter in der Gegend von Tivoli zu einer lächerlichen Pachtsumme übertragen bekam. Ihm (und den dubiosen Machenschaften seines Onkels) haben wir einen der schönsten Ausstellungsorte in Rom zu verdanken, den Palazzo Braschi mit dem Museo di Roma. Pius VI. wurde ja durch Napoleon abgesetzt und verschleppt. Er verstarb zwar in Valence, seine Grabstätte befindet sich aber in den Vatikanischen Grotten:
Pius VI. (vaticanhistory.de)

[Amazon]1271833999[/Amazon]

Zu Pius VI.

[Amazon]340670381X[/Amazon]

[Amazon]352048501X[/Amazon]













Das erste Gebäude, welches man zu Fuß vom Bahnhof aus erreicht (siehe Plan im 1. Posting) hat ebenfalls Bezug zu den Jesuiten:

Alte Akademie

20210131_101144.jpg

20210131_085542.jpg


An dem Bauzaun erkennt man Umbauarbeiten - sie werden bis 2023 andauern.

20210122_142533.jpg
Die Alte Akademie wurde von 1583 bis 1590 als Neubau des zu klein gewordenen Jesuitengymnasiums gebaut - im Stil der italienischen Renaissance, als Vorbild diente das gerade fertiggestellte Jesuitenkolleg in Rom. Im Kolleg befanden sich auch ein Theatersaal und eine Bibliothek. Nach der Aufhebung des Ordens diente das Gebäude mehreren Nutzungen, so u.a. ab 1809 der Akademie der Bildenden Künste.
Im Krieg wurde das Gebäude stark zerstört. Seit dem Wiederaufbau ist es Sitz des Landesamt für Statistik und angewandte Datenverarbeitung. Zum Baukomplex gehört natürlich auch eine Kirche - sie wird die nächste Station sein.











 
Zuletzt bearbeitet:
Zuletzt bearbeitet:
Eine mir wohlbekannte Stadt und doch so unbekannt, zumindest was den Römischen Aspekt angeht, oder die vielleicht sehr deutsche romantische Liebelei mit Rom und Italien. Sehr schön , danke dentaria!
 
Das freut mich und es kommt ja noch viel mehr. Ich musste mir nur mal etliche Bücher zulegen und mich intensiver mit der Geschichte befassen, um die Bauwerke zu verstehen,
 
Ein wirklich spannender Ansatz, liebe dentaria!
Ich lasse mich überraschen, was es in München an „Römischem“ zu entdecken gibt. Da ich die Stadt leider nur oberflächlich kenne, wird viel Neues dabei sein!
 
So gut kenne ich München bisher auch nicht. Im letzten Jahrtausend haben mich nur Kleidung von Escada Sport, Schuhe von Unützer und der Viktualienmarkt nach München gelockt. Seit mich die Kunstleidenschaft überrollt hat kenne ich die Museen recht gut. Mein großer Sohn lebt seit 8 Jahren in München, daher bin ich jetzt öfter dort (ab Juni als Oma ;)) - mit dem ICE nur eine Stunde. Bisher habe ich immer am Vormittag eine Ausstellung besucht, dann mit meinem Sohn Essen gegangen, noch eine Ausstellung und ein bisschen was bei Schuhbeck oder am Viktualienmarkt gekauft. Durch 2 Bücher kam ich auf die Idee meine Besuche nun im Lockdown anders zu gestalten. Klar war ich schon in den bedeutenden Kirchen, aber ohne großes Hintergrundwissen. Das soll sich nun ändern.

[Amazon]B00N1P890Y[/Amazon]

[Amazon]3981304659[/Amazon]
 
Zuletzt bearbeitet:
Im Jahr 1558 ging es in München - aus katholischer Sicht - fürchterlich zu. Es gab "Sekten", welche auf Ohrenbeichte und Kommunion verzichteten, protestantische Bücher wurden verkauft und selbst Patrizier lasen ihren Familien Werke von Marin Luther vor. (Nürnberg schloss sich bereits 1525 der Reformation an.) Sogar aus der Augustinerkirche hörte man lutherische Lieder.

20210204_113636.jpg

Vielleicht sieht sie deshalb heute so aus?
Allerdings wirkte hier auch Johann von Staupitz, späterer Förderer und Beichtvater von Martin Luther, ab 1503 als Prior der Münchner Augustiner-Eremiten.

Welch ein Glück für die Münchner Kunst und Kultur, dass zu dieser Zeit ausgesprochen fromme und ausgabewillige Wittelsbacher an der Macht waren.

Albrecht V.

Er war der erste Herrscher in Bayern, auf den die Primogenitur angewandt wurde, von seinem Großvater Albrecht IV. so bestimmt. Dieser vereinigte auch Ober- und Niederbayern und erkor München zu seiner Residenzstadt. Albrecht IV. war sehr gebildet, hatte gar in Italien(Pavia) studiert und damit Kontakt zu Humanismus und Renaissance. Der Vater Wilhelm IV., auch der Standhafte genannt wegen seines Einsatzes für die Gegenreformation, sorgte für viele Grundsteine der Münchner Kultur: Residenz, Gemäldesammlung (heute meist in der Alten Pinakothek) und die Anfänge des Bayerischen Staatsorchesters. Er berief bereits 1549 Mitglieder des Jesuitenordens an die Landesuniversität in Ingoldstadt.
Albrecht V. - genannt "der Großmütige" - liebte auch die Künste! Als Buchsammler kaufte er u.a. die Sammlung von Johann Jakob Fugger in der die berühmte Sammlung des Nürnberger Hartmann Schedel, des Verfassers der bedeutenden Schedelschen Weltchronik. Er legte mit seiner Sammlung den Grundstein für die
Bayerische Staatsbibliothek. Für seine Antikensammlung lies er das Antiquarium bauen, den größten Renaissancesaal nördlich der Alpen. Auch die Staatliche Münzsammlung geht auf ihn zurück. Vor 2 Jahren konnte ich dort eine schöne Ausstellung besuchen:
Hinweis: - München: Die silberne Stadt. Rom im Spiegel seiner Medaillen | Rom-Forum (roma-antiqua.de) .
Dies alles hatte natürlich seinen Preis und er zwang die Landesstände zur Schuldenübernahme - 2,5 Millionen Gulden. Bauern mussten damals 2 Drittel ihres Ertrages abgeben! Er setzte die Kirchenpolitik seines Vaters fort und bekräftigte sie durch eine Bildungsreform. Ignatius von Loyola selbst gab noch kurz vor seinem Tod die Einwilligung zum Bau einer Jesuitenschule in München. Albrecht V. verstarb 1579 und damit ging die Regierung an seinen - von Jesuiten erogenen - Sohn über.



Wilhelm V. oder Wilhelm der Fromme
Eigentlich wollte er das Augustiner-Kloster den Jesuiten überlassen, scheiterte aber an Papst Pius IV. Daher kam es zum bereits oben geschilderten Neubau des Jesuitenkollegs mit der Kirche St. Michel. Die Grundsteinlegung erfolgte am 18. April 1583. Im gleichen Jahr führte er den "Kölner Krieg", um Köln wieder zum Katholizismus zurück zu bringen. Heerführer war sein Bruder Ferdinand von Bayer, der Bruder Ernst von Bayern wurde Erzbischof von Köln. Wilhelm V. plante (in Anlehnung an Julius II.?) ein imposantes Grabmal für sich und seine Frau in der Kirche, welches wie das Werk Michelangelos nicht verwirklicht wurde. Allerdings wurden fast alle Teile fertiggestellt und befinden sich an verschiedenen Stellen München - manche gar in der Michaelskirche. Er häufte noch mehr Schulden an als sein Vater und musste daher 1597 zu Gunsten seines Sohnes Maximillian I. abtreten.

Michaelskirche

20210204_105249.jpg
Geschichte
Da Wilhelm V. am 29. September, dem Tag des Erzengels Michael zur Welt kam, wurde er natürlich Patron der neuen Kirche. Erbaut wurde die Kirche 1583 bis 1597 im Stil der Renaissance als erster monumentaler Kirchenneubau seit Beginn der Reformation. Sie sollte für die nächsten 200 Jahre in Süddeutschland vorbildhaft sein. Unter den mitwirkenden Architekten und Künstlern waren Friedrich Sustris, Wendel Dietrich und Wolfgang Miller. Auch der Jesuit Giuseppe Valeriano aus Rom hatte großen Einfluss auf die Planungen und damit die Zustimmung aus Rom. Zur Kirche gehörte ein Turm, der jedoch vor der Einweihung bereits 1590 einstürzte und dabei den Chor zerstörte. Das Hauptschiff wurde provisorisch abgemauert um Gottesdienste zu ermöglichen. Nun fügte Sustris ein Querhaus an und verlängerte den Chor. Am 6. Juli 1597 wurde die Kirche von Bartholomäus Scholl geweiht und Kirche und Kolleg dem Jesuitenorden geschenkt. 100 Jahre später wurden Kanzel, Seitenaltäre und Orgel nach Johannes Hörmann neu gestaltet.
Nach der Aufhebung des Jesuitenordens 1773 durch
Clemens XIV. gingen Kirche und Kolleg wieder in den Besitz der Wittelsbacher über und St. Michael wurde Hofkirche. Heute ist die Kirche im Besitz des Freistaates Bayern und wird seit 1921 wieder von den Jesuiten betreut. Die schweren Kriegsschäden von 1944 sind glücklicherweise längst beseitigt.



 
Zuletzt bearbeitet:
Die Hochzeit Wilhelms V. mit Renata von Lothringen am 22. Februar 1568 gilt als die teuerste im Hause Wittelsbach. Die Hochzeit wurde von den Habsburgern vermittelt und zeigt ein großes Problem der Wittelsbacher: Stets wollte man mit der benachbarten und meist übergeordneten Familie konkurrieren, was natürlich aussichtslos war, besonders als das viele Gold der Neuen Welt das Vermögen der Habsburger mehrte und mehrte.
Zur Hochzeit kam was Rang und Namen hatte: Vertreter des Papstes, des Kaisers, des Königs von Spanien, der Königin von Polen und viele andere. Manch einer kam natürlich persönlich, wie der Erzherzog von Tirol und der Herzog von Württemberg - allesamt mit großem Gefolge.
Die Braut selbst kam mit 6000 Reitern, ihr Wagen wurde von 6 Schimmeln gezogen.
Bilder der Brautmesse und des Turniers zeugen von der Pracht des 18-tägigen Spektakels.
Kein Wunder also, dass man Wilhelm V. an prominenter Steller der Fassade sieht. Wie es sich als Stifter gehört, natürlich mit dem Kirchenmodell:



20210213_180639.jpg
 
Zuletzt bearbeitet:
Was ich heute geschrieben habe, sollte eigentlich kein eigener Beitrag werden. Aber ich bin noch in die Apotheke am Hauptbahnhof - die einzige in Nürnberg mit seeeehr großzügigen Öffnungszeiten - und als ich zurück kam war mein Entwurf plötzlich ein Posting. Sorry!
Also wird es in einem neuen Posting weitergehen, seht das vorherige bitte nur als kleinen historischen Einschub.
 
Alles hochinterressant, ob nun aus Versehen oder nicht;). Die Sehenswürdigkeit eines Zigarettenstummels im Münchner Stadtmuseum erregte bei mir heftige Heiterkeit.
 
Fassade

20210131_125709.jpg

An der ersten Renaissance-Kirche nördlich der Alpen sehen wir ein reiches Bildprogramm. Die Kirche wurde nicht - wie üblich - geostet, damit die Schauseite zur Straße zeigt. Ganz oben befindet sich ein vergoldetes Kreuz, in dem sich die Sonnenstrahlen spiegeln. Darunter segnet ein "Christus Salvator" die Stadt und das Land.



20210204_105320.jpg
Dann kommen die 3 Agilolfinger Herzöge, die Ahnherren der Wittelsbacher, unter denen die Christianisierung Bayerns erfolgte. Darunter dann Herrscher, die den katholischen Glauben in Bayern gefestigt haben, darunter die Habsburger Kaiser Maximilian I. und Karl V.

20210131_125853.jpg 20210131_125814.jpg


Zwischen den beiden Portalen schließlich das Highlight der Fassade: St. Michael mit Satan von Hubert Gerhard - ein Schüler Giambolognas - aus dem Jahr 1588. Diese Darstellung wieder ganz in der Tradition der Gegenreformation zeigt den Erzengel Michael als Bezwinger des Irrglaubens.

20210204_105440.jpg
Diese Bronzeplastik überragte alle anderen in der Stadt.

Das herzogliche Wappen mit dem Orden vom Goldenen Flies unter der Gruppe lässt erkennen, dass Wilhelm V. sein Haus und sein Land unter den Schutz des hl. Michael stellen wollte.

20210122_141148.jpg

20210430_144509.jpg

 
Zuletzt bearbeitet:
Innenraum
Das Innere der Kirche wird bestimmt von dem mächtigen Tonnengewölbe, Wandpfeilern statt Säulen, mit Stufen und Gittern abgetrennten Seitenkapellen sowie einem imposanten Chorbereich.


20210204_105737.jpg


An der Fassadeninnenwand befindet sich ein Christuskind mit Weltkugel.

20210204_105529.jpg 20210204_105948.jpg

Es steht am Beginn des Lebensweges Christi, an dessen Ende dich Christus als Weltenrichter an der Spitze des Hochaltars befindet.

20210204_111851.jpg

An den Wänden befinden sich Engel mit den Leidenswerkzeuge - wie auf der Engelsbrücke in Rom.

20210204_112558.jpg

20210204_112522.jpg

20210204_112024.jpg


 

Anhänge

  • 20210204_112522.jpg
    20210204_112522.jpg
    91.6 KB · Aufrufe: 1
Orgel
Eine erste Orgel wurde schon auf Veranlassung von Wilhelm V. auf einer eigenen Empore an der Innenfassade aufgestellt. Die aktuelle Orgel (Nummer 7) stammt aus den Jahren 1982/83 und besitzt 75 Register. Kirchenmusik genoss seit jeher eine hohe Wetschätzung in der Kirche. Auch aktuell finden Konzerte statt.

20210204_112747.jpg

Kanzel
Einst befand sich in der Kirche die erste frei im Raum schwebende Kanzel München. Die heutige Kanzel stammt aus dem Jahr 1697 und wurde von dem Jesuiten Johann Hörmann entworfen. Geschmückt ist sie mit Tondi der 3 Erzengel Michael, Gabriel und Raphael. Von hier aus hielt der Jesuit Pater Rupert Mayer in den 20er und 30er Jahren des letzten Jahrhunderts gewagte Predigen gegen die Ideologie des Nationalsozialismus.

20210524_175922.jpg

Chor
Bestimmend hier natürlich der Hochaltar.

20210204_111435.jpg

Entworfen wurde er 1588 von Wendel Dietrich und ist bereits ein Vorgriff auf die großen Barockaltäre. Auch hier wieder - wie an der Fassade - eine Abbildung des Kirchenpatrons, des Erzengels Michael von ChristophSchwarz. Leider war es nicht möglich näher heran zu gehen und ein gutes Foto zu machen, aber Satan hat besondere Merkmale, die ikonologisch so einiges verraten. Die Fingernägel sind Krallen (Habsucht), Schlangen wachsen auf dem Kopf (Lüge) und aus dem Mund kommt ein Feuerschwall (Gewalt). Ganz oben, wie bereits erwähnt, Christus als Weltenrichter, umgeben von Engeln.

Chorgestühl

20210122_141454.jpg

Wohl ungewöhnlich für eine Jesuitenkirche ist der Einbau eines Chorgestühls. Man nimmt an, dass hier im Gebet der Stifter gedacht wurde. An den Wänden die Gemeinschaft der Heiligen.

20210204_111507.jpg

20210204_111530.jpg

Der Chorraum ist der hellste Bereich der Kirche und verdeutlicht die Macht Christi. Der Triumphbogen verweist ebenfalls darauf.

 
Zuletzt bearbeitet:
Zurück
Oben